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BGH Urteil vom 13.11.1997 - VII ZR 100/97 - Übergang von Kostenvorschuss- zu Schadensersatzanspruch

BGH v. 13.11.1997: Klageänderung durch Übergang von Kostenvorschuss- zu Schadensersatzanspruch


Der BGH (Urteil vom 13.11.1997 - VII ZR 100/97) hat entschieden:
Der Übergang vom Anspruch auf Kostenvorschuss zu dem auf Schadensersatz ist eine Klageänderung iS von ZPO § 263.


Siehe auch Klageänderung und Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 12. August 1994 erwarben die Kläger von den Beklagten ein Grundstück in B., auf dem diese zuvor einen Neubau errichtet hatten. Als sich im Keller des Hauses Durchfeuchtungen zeigten, ließen die Kläger gegen die Beklagten ein selbständiges Beweisverfahren durchführen.

Gestützt auf das dort erstattete Gutachten, haben die Kläger die Beklagten zunächst im Wege der Vorschussklage auf Zahlung von Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 19.300 DM in Anspruch genommen. Während des ersten Rechtszuges haben die Kläger den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, ohne den von ihnen gestellten Antrag zu ändern.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Kläger hätten den Abschluss eines Werkvertrages als Voraussetzung eines Vorschussanspruchs nicht schlüssig vorgetragen. Zwischen den Parteien sei vielmehr ein Kaufvertrag zustande gekommen.

In der Berufungsbegründung haben die Kläger Rückabwicklung des Erwerbsvertrages gegen Zahlung von "mindestens" 650.000 DM (großer Schadensersatz) verlangt. Hilfsweise haben sie dort die Verfolgung weiterer Ansprüche auf Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsschluss, kleinen Schadensersatz, Minderung und Kostenvorschuss angekündigt. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist haben die Kläger auf Hinweis des Berufungsgerichts erklärt, sie verfolgten den vor dem Landgericht gestellten Antrag weiter. In erster Linie verlangten sie Schadensersatz, hilfsweise Vorschuss.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision.


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil mit ihr nicht die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer, sondern ausschließlich ein neuer, bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch auf großen Schadensersatz verfolgt werde.

Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

2. Eine Berufung ist unzulässig, wenn mit ihr nicht zumindest teilweise die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer, sondern ausschließlich ein neuer bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch verfolgt wird (st. Rspr., BGH, Urteil vom 20. Oktober 1982 - IV b ZR 318/81 - BGHZ 85, 140, 142; BGH, Urteil vom 22. November 1990 - IX ZR 73/90 - NJW-RR 1991, 1279; BGH, Beschluss vom 27. September 1993 - II ZB 5/93 - VersR 1994, 330 - und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/96 - NJW-RR 1996, 1276).

3. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass die Berufung im Hauptantrag unzulässig ist. Denn mit ihm verfolgten die Kläger auch nicht teilweise das Ziel, die in der Abweisung ihres erstinstanzlichen Klagebegehrens liegende Beschwer zu beseitigen. Die Kläger sind nämlich im Berufungshauptantrag vom Vorschussanspruch des ersten Rechtszuges im Wege der Klageänderung zum Anspruch auf großen Schadensersatz übergegangen. Damit verfolgten sie einen bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch. Im ersten Rechtszug hatten die Kläger sich nicht einmal hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch gestützt. Der geltend gemachte Vorschussanspruch bezog sich nur auf Durchfeuchtungen im Keller. Die Kläger haben kurz vor der Antragstellung im landgerichtlichen Verfahren vorgebracht, sie hätten den Vertrag im Zusammenhang damit angefochten, dass der Ausbau des Dachraumes im Spitzboden nicht genehmigt worden sei. Angaben zur Höhe eines ihnen durch eine etwaige anderslautende vorvertragliche Erklärung der Beklagten entstandenen Schadens haben die Kläger nicht gemacht. Das Landgericht durfte daher davon ausgehen, dass die Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss bewusst nicht geltend machen wollten. Das Landgericht war daher nicht verpflichtet, die Kläger nach § 139 ZPO auf diesen Punkt hinzuweisen.

Die Kläger haben mit ihrem Berufungshauptantrag einen bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch verfolgt. Im Übergang vom Anspruch auf Kostenvorschuss zu dem auf Schadensersatz liegt eine Klageänderung i.S. von § 263 ZPO. Vorschuss- und Schadensersatzbegehren sind ihrem Wesen nach verschieden und begründen unterschiedliche Streitgegenstände. Dem Besteller obliegt es nach Erhalt des Kostenvorschusses, diesen zur Mangelbeseitigung einzusetzen. Er muss später abrechnen und nachweisen, dass er den gezahlten Betrag dafür verwendet hat. Bei der Abrechnung kann sich sowohl eine Nachzahlungspflicht des Unternehmers als auch eine Erstattungspflicht des Bestellers ergeben. Im Gegensatz dazu wird im Schadensersatzprozess endgültig entschieden. Ob das als Schadensersatz Geleistete zur Mängelbeseitigung benutzt wird, ist unerheblich; eine Abrechnung findet nicht statt. Es handelt sich deshalb beim Übergang vom einen zum anderen Anspruch nicht um eine Erweiterung oder eine Beschränkung des jeweils anderen im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO, sondern um einen Wechsel des Streitgegenstandes (so auch Grunsky, NJW 1984, 2545 ff; Staudinger/Peters, BGB, 13. Bearb., § 633 Rdn. 211; MünchKomm/Soergel, 3. Aufl., § 633 Rdn. 158).

Soweit die Kläger in ihrer Berufungsbegründung hilfsweise u.a. auch die Verfolgung eines Anspruchs auf Kostenvorschuss angekündigt hatten, liegt kein wirksamer Berufungsangriff vor. Diese Ankündigung ist innerhalb der Berufungsbegründungsfrist mit keinem Wort erläutert worden.

Nach dem Ablauf der Begründungsfrist kann die Zielrichtung des Rechtsmittels nicht mehr dahin geändert werden, dass nunmehr eine innerhalb der Begründungsfrist nicht geltend gemachte Beschwer durch die angefochtene Entscheidung bekämpft wird (BGH, Urteil vom 24. Februar 1988 - IV b ZR 45/76 - NJW-RR 1988, 1465, 1466).