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OLG Hamm Urteil vom 20.06.2000 - 28 U 175/99 - Zulässigkeit der Berufung bei Klageänderung

OLG Hamm v. 20.06.2000: Zur Zulässigkeit der Berufung bei Klageänderung


Das OLG Hamm (Urteil vom 20.06.2000 - 28 U 175/99) hat entschieden:
Eine Berufung ist nur dann zulässig, wenn der Berufungskläger die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Wird dagegen der in erster Instanz erhobene Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also die Richtigkeit der im vorliegenden Fall erfolgten Klageabweisung gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt, so reicht dies nicht aus (BGH NJW-RR 1996, 1276; NJW 1999, 1407). Die Abänderung oder bloße Erweiterung einer Klage in zweiter Instanz gemäß §§ 523, 264 Ziff. 2, 263 ZPO kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH NJW 1999, 3126; NJW 1999, 2118; NJW 1993, 2611).


Siehe auch Klageänderung und Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Zwar ist eine Berufung ist nur dann zulässig, wenn der Berufungskläger die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Wird dagegen der in erster Instanz erhobene Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also die Richtigkeit der im vorliegenden Fall erfolgten Klageabweisung gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung ein neuer, bislang nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt, so reicht dies nicht aus (BGH NJW-​RR 1996, 1276; NJW 1999, 1407). Die Abänderung oder bloße Erweiterung einer Klage in zweiter Instanz gemäß §§ 523, 264 Ziff. 2, 263 ZPO kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH NJW 1999, 3126; NJW 1999, 2118; NJW 1993, 2611). Auf eine solche Klageänderung beschränkt sich jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten die Berufungsbegründung nicht. Grundsätzlich stellt jede selbständige Pflichtverletzung, auf die der Ersatzanspruch gestützt wird, einen eigenen Streitgegenstand dar, und ihre Einführung in den Prozess bewirkt eine Klageänderung in der Form einer Klageerweiterung (vgl. BGH in NJW 1999, 2118 (2119,2200); NJW 1993, 3323 ff.; NJW 1992, 3243 ff.). Der Kläger hat jedoch die dem Beklagten angelasteten Pflichtverletzungen nicht ausgewechselt, sondern seinen ursprünglichen Vorwurf weiterverfolgt und nur hinsichtlich der Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität seinen Vortrag vertieft und ergänzt.

Er hat in seiner Berufungsbegründung ausdrücklich seinen Anspruch auf Schadenersatz auf den auch schon in der ersten Instanz erhobenen Vorwurf gestützt, dass der Beklagte pflichtwidrig die Nichtzulassungsbeschwerde verspätet begründet hat. Das Landgericht hatte in seiner Entscheidung die Kausalität dieser unstreitigen Pflichtverletzung für den behaupteten Schaden verneint, weil die Nichtzulassungsbeschwerde mangels eines vom Landessozialgericht übergangenen Beweisantrittes keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Die Berufung des Klägers zielt auf die Beseitigung dieser in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer. Da die Pflichtverletzung unstreitig war, konnte sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung auf Ausführungen zur Kausalität beschränken.

Schon in erster Instanz hatte der Kläger die fehlerhafte Prozessführung des Beklagten gerügt, weil dieser das Landessozialgericht nicht mit Beweisanträgen zu einer weiteren Sachaufklärung veranlasst habe. Sein Vortrag, der Beklagte hätte ein für ihn – den Kläger günstiges – Gutachten des Dr. V in dem Vorprozess einführen müssen, wird in der Berufungsbegründung aufgegriffen durch die Rüge, der Beklagte hätte die persönliche Anhörung des Sachverständigen Dr. M beantragen müssen. Insoweit hat der Kläger seinen Sachvortrag zwar geändert; eine Klageänderung stellt das jedoch nicht dar, weil es sich nicht um einen neuen und selbständigen Klagegrund handelt: Zu einem einheitlichen Klagegrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Begründung seines Klagebegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGH NJW 1992, 1172; NJW-​RR 1996, 1276; NJW 1999, 1407; NJW 1999, 3126; NJW 1999, 2118). Abzustellen ist auf den konkreten Klageantrag und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinne geht der Klagegrund über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Vorliegend hat der Kläger weder sein Begehren, noch seinen Klageantrag geändert, oder seinen Anspruch auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt. Seine auf Schadenersatz gerichtete Klage hat er sowohl in erster wie auch in zweiter Instanz mit der unstreitigen Pflichtverletzung begründet, dass der Beklagte die Nichtzulassungsbeschwerde verspätet begründet hatte. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung verhalten sich nicht ausschließlich über eine andere selbständige Pflichtverletzung durch den Beklagten, sondern betreffen in gleicher Weise die Kausalität der unstreitigen Pflichtverletzung. Wird der erstinstanzlich geltend gemachte Anspruch und Klagegrund mit der Berufung weiterverfolgt, ist die Berufung zulässig.


II.

Die Berufung hatte in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadenersatz wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung nicht zu.

1. Der Beklagte war unstreitig beauftragt, den Kläger im Rahmen des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht anwaltlich zu vertreten. Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Mandatsverhältnisses war er zur umfassenden und erschöpfenden Belehrung und Beratung des Klägers verpflichtet. Die hiermit einhergehenden Pflichten hat der Beklagte verletzt:

Ein Rechtsanwalt hat zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen; er hat das von dem Auftraggeber angestrebte Ziel zu klären und ihm unter dem Gesichtspunkt des gefahrlosesten und sichersten Weges (BGH NJW 1995, 2551; NJW 1993, 2799) diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Zweck führen können. Insbesondere muss er seinen Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit diese voraussehbar und vermeidbar sind (BGH NJW 1988, 563; NJW 1992 1159; NJW 1993, 1320; NJW 1994, 1211; NJW 1995, 449). Maßgeblich hierfür ist der konkret erteilte Auftrag. Dieser bestimmt das zu erreichende Ziel und auch die Maßnahmen, die zur Erreichung desselben zu treffen oder anzuraten sind (BGH NJW 1988, 1079; NJW 1993, 2045; NJW 1996, 2648).

a. Der Beklagte hat unstreitig die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt und damit gegen seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verstoßen. Ureigenste Aufgabe des Rechtsanwaltes ist die Beachtung der materiellen und prozessrechtlichen Fristen, um zu verhindern, dass allein schon wegen Zeitablaufes die Durchsetzung der Ansprüche des Mandanten nicht mehr möglich ist (Zubehör: Handbuch der Anwaltshaftung, Rz. 648). Ist der Anwalt beauftragt, Rechtsmittel einzulegen, hat er sicherzustellen, dass die Rechtsmittelfrist eingehalten wird; gleiches gilt auch für die Begründungsfrist (Zubehör: a.a.O., Rz. 734, 711).

Der Beklagte war beauftragt worden, für den Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 a SGG beim Bundessozialgericht einzulegen. Die Beschwerde selbst ging noch rechtzeitig am 29.08.1997 beim Bundessozialgericht ein. Sie musste gemäß § 160 a Abs. 1, 2 SGG binnen zwei Monaten nach Zustellung des Urteils begründet werden. Da das Urteil des Landessozialgerichtes dem Kläger am 02.10.1997 zugestellt wurde, hätte die Begründung durch den Beklagten bis zum 02. Dezember 1997 beim Bundessozialgericht eingereicht werden müssen. Tatsächlich ging der Begründungsschriftsatz jedoch erst am 04. Dezember 1997 beim Bundessozialgericht ein und war daher verspätet.

b. Eine weitere anwaltliche Pflichtverletzung liegt darin begründet, dass der Beklagte es unterlassen hat, einen ergänzenden Beweisantritt in dem Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht zu stellen.

Ein Rechtsanwalt ist, wie dargelegt, im Rahmen des bestehenden Mandatsverhältnisses verpflichtet, alle Maßnahmen anzuraten und zu ergreifen, von denen er sich eine Verbesserung der rechtlichen Situation seines Mandanten verspricht. Dieses entspricht dem Gebot, im Interesse seines Auftraggebers den sichersten Weg zu verfolgen, um das Klageziel zu erreichen. Hierbei darf er sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht von Amts wegen tätig wird und eine für den Mandanten erfolgversprechende Beweisaufnahme auch ohne einen entsprechenden Antrag durchführt. Das gilt selbst dann, wenn das Gericht zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet war, weil der Anwalt auch gehalten ist, gerichtlichen Fehlern entgegenzuwirken (BGH NJW 1998, 2048; Zubehör: a.a.O., Rz. 552, 714).

Schon im Hinblick auf den Grundsatz des sichersten Weges hatte der Beklagte die Einholung eines Obergutachtens oder zumindest die persönliche Anhörung des Sachverständigen Dr. M zu beantragen. Das Landessozialgericht hielt nämlich nach dem Inhalt der gerichtlichen Verfügung vom 15. März 1996 den Sachverhalt bereits aufgrund des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. B vom 26. Januar 1996 für hinreichend medizinisch geklärt. Die weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines zusätzlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. M geschah lediglich auf ausdrücklichen Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG. Außerdem kam der Sachverständige Dr. M im Gegensatz zu den Sachverständigen Prof. Dr. M und Prof. Dr. B und dem von der Berufsgenossenschaft zugezogenen Gutachter Dr. S als Einziger zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 %. Der Antrag auf Einholung eines Obergutachtens oder zumindest auf die persönliche Anhörung des Sachverständigen Dr. M musste sich für den Beklagte aufdrängen, weil zu befürchten stand, dass das Landessozialgericht den Ausführungen des Sachverständigen Dr. M nicht folgen wollte. Dieses gilt um so mehr, als das Landessozialgericht bei der erneuten Terminierung des Rechtsstreites erkennbar dem Antrag der Berufsgenossenschaft vom 19. Juni 1997 nicht entsprochen hatte, die im Verwaltungsverfahren und in erster Instanz tätigen Sachverständigen zur Klärung der widersprüchlichen gutachterlichen Ausführungen ergänzend anzuhören.

Der Beklagte war auch nicht etwa an der Antragstellung gehindert, weil das Gutachten des Sachverständigen Dr. M für den Kläger positiv ausgefallen ist. Jeder Partei steht unabhängig von dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme das im Rahmen der mündlichen Verhandlung auszuübende Fragerecht des § 397 ZPO zu. Eine Anhörung des Sachverständigen kann nämlich auch den Zweck haben, Zweifel an der Richtigkeit des für die beantragenden Partei positiven Gutachtens auszuräumen. Vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung kann schließlich keine Partei wissen, ob das Gericht dem Gutachten folgen will oder nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn verschiedene Sachverständige zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Jede Partei muss daher vorher die Möglichkeit haben, etwaige Widersprüche durch Befragung der Sachverständigen oder die Einholung eines Obergutachtens zu klären.

2. Beide Pflichtverletzungen waren jedoch nicht kausal für den von dem Kläger behaupteten Schaden.

Hat ein Rechtsanwalt im Rahmen eines Prozesses pflichtwidrig gehandelt, ist bei der hypothetischen Kausalität der anwaltlichen Pflichtverletzungen darauf abzustellen, wie der Vorprozess entschieden worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Gericht des Vorprozesses tatsächlich entschieden hätte. Maßgeblich ist vielmehr, wie aus Sicht des erkennenden Senates der Rechtsstreit bei pflichtgemäßem Handeln seitens des Beklagten richtigerweise hätte entschieden werden müssen (BGH NJW 989, 1148; NJW 1994, 453; NJW 1994, 1211; NJW 1996, 2501; Zubehör: a.a.O., Rz. 101; Rinsche: Die Haftung des Rechtsanwalts und Notars, 6. Aufl., Rz. I, 224).

Bei pflichtgemäßem Handeln hätte der Beklagte einen Antrag auf weitere Sachaufklärung durch das Landessozialgericht auf Anhörung des Sachverständigen Dr. M oder Einholung eines Obergutachtens gestellt. Diesem Antrag hätte das Landessozialgericht wegen des bisherigen widersprüchlichen Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme entsprechen müssen. Ergeben die bisherigen Erkenntnisquellen einen entscheidungserheblichen Widerspruch, ist eine richterliche Überzeugungsbildung sachgerecht erst nach Aufklärung dieser Widersprüche möglich. Hierfür hat der Tatrichter zu sorgen. Die aus § 286 ZPO folgende Pflicht besteht vor allem, wenn Sachverständige sich in streiterheblichen Punkten widersprechen. Bei jeder widersprüchlichen Begutachtung kann nämlich Anlass zu Zweifeln bestehen, ob eine ausreichende Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung gegeben ist. Dabei macht es regelmäßig keinen Unterschied, ob Widersprüchen innerhalb der Begutachtung durch einen Sachverständigen, zwischen mehreren gerichtlichen Sachverständigen oder zu einem von einer Partei vorgelegten Gutachten nachzugehen ist (BGH NJW-​RR 1994, 2419; NJW-​RR 2000, 44; NJW 1997, 1638).

Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M widersprach zwar den gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. M und Prof. Dr. B nicht. Der Sachverständige Dr. M kam nämlich aufgrund einer von ihm festgestellten fortschreitenden Verschlimmerung zu dem abweichenden Ergebnis. Diese Feststellungen sind jedoch in der zur Akte gereichten Stellungnahme des Dr. S in erheblicher Weise angegriffen worden. Zu der deswegen gebotenen weiteren Sachaufklärung reichte auch die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. M nicht aus. Dieser beschränkte sich nämlich auf die Wiederholung seiner gutachterlichen Ausführungen, ohne im einzelnen auf die inhaltlichen Einwendungen des Dr. S konkret einzugehen.

Ohne eine weitere Sachaufklärung durfte über den Anspruch des Klägers nicht abschlägig entschieden werden. Das Landessozialgericht wäre vielmehr gehalten gewesen, ein Obergutachten einzuholen. Die Einholung eines Obergutachtens setzt grundsätzlich Mängel in dem Gutachten voraus oder eine überlegene Sachkunde oder Forschungsmittel des neuen Sachverständigen; auch das Vorhandensein neuer Anknüpfungstatsachen kann die Einholung eines Obergutachtens rechtfertigen (vgl. Meier-​Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 128 SGG, 1 Rz. 7 ff.; Zöller-​Greger: ZPO, 21. Aufl., § 412 ZPO, Rz. 1). Der Sachverständige Dr. M will bei der von ihm durchgeführten radiologischen Untersuchung des Klägers im August 1996 erstmalig am linken oberen Sprunggelenk einen deutlich höheren Verschleiß als rechtsseitig festgestellt haben. Dieser sei nicht mehr mit einer allgemeinen Arthrose zu erklären, sondern müsse im Zusammenhang mit der bei der Bandruptur aufgetretenen Weichteil-​Verletzung der Nerven- und Gefäßversorgung und der Rückwirkung auf den Gelenkknorpel gesehen werden. Diese Feststellungen wurden von Dr. S mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen. Die Einholung des Obergutachtens zu diesen offenen medizinischen Fragen, ob radiologisch ein linksseitig höherer Verschleiß nachweisbar und die angenommene Weichteil-​Verletzung tatsächlich vorgelegen hat, rechtfertigte sich insbesondere daraus, dass eine weitere Sachaufklärung dazu durch eine Anhörung des Sachverständigen Dr. M angesichts des nur pauschalen Inhalts seiner ergänzenden Stellungnahme nicht zu erwarten war.

3. Auch wenn die Pflichtverletzung des Beklagten somit kausal dafür war, dass keine weitere Sachaufklärung durch das Landessozialgericht stattgefunden hat, war die Klage dennoch abzuweisen. Ein Schaden ist dem Kläger nämlich durch die Pflichtwidrigkeit nicht entstanden, da er auch nach einer weiteren Beweisaufnahme im Vorprozess unterlegen wäre.

Der Kläger konnte nicht beweisen, dass er anlässlich des Unfalles Verletzungen erlitten hat, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben:

Der Sachverständige Prof. Dr. B hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 27. März 2000 zwar ausgeführt, dass bei der klinischen Untersuchung des linken Sprunggelenkes eine leichte Bewegungseinschränkung von 10 Grad gegenüber der Gegenseite im Sinne der Flexion/Extension erkennbar war; die Beweglichkeit des unteren Sprunggelenkes und die Beschwielung beider Füße war jeweils seitengleich. Der Sachverständige konnte eine einwandfreie Bandfestigkeit im Bereich des betroffenen Sprunggelenkes feststellen. Ein etwaiges Schonverhalten konnte dagegen nicht objektiviert werden. Das von dem Kläger getragene handelsübliche Schuhwerk zeigte bei der Untersuchung durch den Sachverständigen seitengleiche Nutzungsspuren. Die Umfangmesswerte beider Beine hielten sich in gleichem Rahmen. Röntgenologisch war als Zeichen der erlittenen Verletzung im Bereich der vorderen Gelenkrolle eine Ausziehung erkennbar, die der Sachverständige im Sinne einer leichten degenerativen Veränderung auf dem Boden eines erlittenen Traumas gewertet hat. Der Gelenkspalt war ausweislich der Röntgenaufnahmen normal ausgeprägt; gleicherweise war die ligamentäre Verbindung zwischen dem Außenknöchel und dem Schienbein einwandfrei. Festzustellen war lediglich eine leichte arthrotische Veränderung im Bereich des Sprunggelenks. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit angesichts der geringen Restbeschwerden im Bereich des linken Sprunggelenkes mit nur endgradiger Bewegungseinschränkung und leichter Gebrauchsbeeinträchtigung auf dem Boden des Unfalles vom 30.11.1984 insgesamt keine 10 % beträgt.

Diese Ausführungen hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung vor dem erkennenden Senat am 02. Mai 2000 erläutert und weiter dezidiert ausgeführt, dass er den Kläger untersucht und das Gelenk einer Funktionsprüfung unterzogen hat. Hierbei wurden von ihm seitengleiche muskuläre Ausprägungen festgestellt; die bei den Umfangmessungen dokumentierten leichten Differenzen hielten sich im Rahmen der Fehlertoleranz von 10 %. Hinsichtlich der Gelenksbeweglichkeit wurde eine endgradige Bewegungseinschränkung festgestellt. Dieser Befund wurde auch durch die röntgenologische Untersuchung belegt: Radiologisch wichtigstes Indiz für das Vorliegen von Verschleiß- und unfallbedingten Schäden sei die Ausprägung des Gelenkspaltes. Im Falle einer Schädigung des Gelenkes müsse sich der Gelenkspalt geschrumpft darstellen. Die Röntgenaufnahmen des Klägers zeigten jedoch ein fast normales Erscheinungsbild des Gelenkes mit Ausnahme der verschleißbedingten knöchernen Ausziehung. Unfallbedingt wurde der Knorpel nicht oder allenfalls nur gering geschädigt. Eine Schädigung des Knorpels konnte auch nicht im Zusammenhang mit der Bandruptur entstanden sein, weil die im Bereich des Außenknöchels vorhandenen Gefäße den Knorpel nicht versorgen. Angesichts der nur endgradigen Bewegungseinschränkung kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 10 % anzunehmen ist. Dies ist angesichts des Umstandes nachvollziehbar, dass selbst eine völlige Versteifung des Gelenkes nur zu einer 20 %igen Minderung Erwerbsfähigkeit führen würde und im Falle einer Unterschenkelamputation, einer Hüftgelenks- oder Kniegelenksendoprothese lediglich eine 30 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit anzunehmen wäre. Beim Kläger ist auch nicht mit einer weiteren Verschlimmerung der Unfallfolgen zu rechnen, da sich keine Versteifungsarthrose darstellt. Die Progressivität solcher Schäden ist in aller Regel ohnehin nach gut 5 Jahren abgeschlossen.

Soweit der Sachverständige Dr. M zu einem davon abweichenden radiologischen Befund gekommen ist, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B zu berücksichtigen, dass allgemein die Auswertung von Röntgenaufnahmen schon deswegen schwierig ist, weil Röntgenstrahlen verschiedener Härtegrade benutzt werden. Die unterschiedliche Bewertung der röntgenologischen Befunde hängt mit der Qualität der Röntgenbilder zusammenhängen. Zudem stellen Röntgenbilder nur eine Momentaufnahme dar, deren Auswertung im Nachhinein immer einfacher ist. Schließlich können sich dargestellte Veränderungen auch wieder modellieren. Derartige Röntgenaufnahmen sind nach den Feststellungen des Sachverständigen daher allein auch nicht maßgeblich für die Befunderhebung. Wichtiger sind die muskuläre Untersuchung und die Funktionsprüfung des Gelenkes. Die von dem Kläger beschriebenen Schmerzen in den Hüftgelenken waren für den Sachverständigen nicht objektivierbar und nicht nachvollziehbar; auch radiologisch waren nur altersgerechte, leichte und seitengleiche Veränderungen dargestellt.

Den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B schließt sich der Senat an. Nach den ausführlichen, überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, der den Kläger ausführlich untersucht und exploriert hat, kann der Senat nicht feststellen, dass die unfallbedingten Erkrankungen und Verletzungen derart gravierend waren, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 10 % eingetreten ist. Der Senat hat keine Veranlassung, die Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Eer verfügt über die notwendige klinische Erfahrung und Sachkunde. Auch ist er von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen.

Die Einwendungen des Klägers gegen die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B sind nicht erheblich. Der Senat hatte keine Veranlassung, den Sachverständigen im Hinblick auf diese Einwendungen zu einer weiteren ergänzenden Stellungnahme aufzufordern:

Der Sachverständige hat bei der Exploration und in seinen gutachterlichen Ausführungen die subjektiven Beschwerden des Klägers durchaus zur Kenntnis genommen und diese zum Gegenstand seiner Untersuchung gemacht. Wenn er hierbei zu einem von dem Kläger nicht gewünschten Ergebnis kommt, steht dies der Überzeugungskraft und der Verwertbarkeit des Gutachtens nicht entgegen. Soweit in der Anamnese eine kleine Unrichtigkeit hinsichtlich der Bezeichnung des die Operation ausführenden Krankenhauses enthalten ist, war dieser Umstand für das Ergebnis des Gutachtens und den Gang der Untersuchung völlig unbedeutend. Dass der Sachverständige in seinen schriftlichen Ausführungen die im Jahr 1985 und 1986 erstatteten Gutachten nicht weiter bezeichnet hat, schmälert die Überzeugungskraft des Gutachtens nicht; er hat diese Gutachten jedenfalls zur Kenntnis genommen. Der Sachverständige hat auch die von ihm vorgefundenen Untersuchungsergebnisse in hinreichender Weise dokumentiert. Hinsichtlich der beschriebenen leichten Bewegungseinschränkung von 10 Grad im Sinne der Flexion/Extension hat der Kläger in dem Schriftsatz vom 30. Mai 2000 zutreffende Schlussfolgerungen gezogen. Richtig ist zwar, dass der Sachverständige Prof. Dr. B das Untersuchungsergebnis hinsichtlich der Beweglichkeitsprüfung der beiden unteren Sprunggelenke nicht in Zahlen mitgeteilt hat. Er hat sich darauf beschränkt, einen seitengleichen Befund mitzuteilen. Aus dieser Mitteilung kann jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass der Sachverständige die Untersuchung des unteren Sprunggelenkes – gemeint ist damit die Fußaußenrandhebung und -senkung – nicht vorgenommen habe. Der Sachverständige konnte sich auch damit begnügen, den reinen Befund ohne nähere Zahlen anzugeben, da aufgrund der Seitengleichheit des Untersuchungsergebnisses eine unfallbedingte Beweglichkeitseinschränkung auszuschließen war. Hinsichtlich der von dem Sachverständigen in Augenschein genommenen Schuhe ist das Untersuchungsergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden: Auch bei nur geringfügig genutztem Schuhwerk zeigen sich bereits Benutzungsspuren. Der Sachverständige kann anhand dieser Spuren, auch wenn eine Abnutzung im eigentlichen Sinne noch nicht vorliegt, beurteilen, ob sie seitengleich ausgeprägt sind. Substantielle Einwendungen gegen die Feststellungen des Sachverständigen, dass die Hüftbeschwerden nicht unfallbedingt seien, hat der Kläger nicht erhoben. Insoweit belässt er es dabei, seine subjektive Ansicht darzulegen.

Unzutreffend ist auch die Ansicht des Klägers, dass eine zutreffende Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. B nur erfolgen konnte unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit erstellten Röntgenbilder und bei Vergleich der das rechte Sprunggelenk betreffenden Aufnahmen. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn sich auf dem Röntgenbild des linken Sprunggelenkes eine unfallbedingte krankhafte Veränderung darstellen würde, deren Umfang durch Vergleich mit anderen Röntgenbildern festgestellt werden könnte. Vorliegend ist ein solcher Vergleich jedoch sinnlos, da bereits das von dem linken Sprunggelenk gefertigte Röntgenbild keine Schädigung aufweist. Der Sachverständige hat hierzu eindeutig ausgeführt, dass insbesondere der dargestellte Gelenkspalt eine normale Größe und Ausprägung aufweist. Wäre das Gelenk durch ein Unfallgeschehen oder Verschleiß in Mitleidenschaft gezogen, müsste sich dieses röntgenologisch am Gelenkspalt darstellen. Weist die Röntgenaufnahme des linken Sprunggelenkes außer der verschleißbedingten knöchernen Ausziehung keine weiteren Schädigungen auf, können sich diese auch nicht durch Vergleich mit früheren Röntgenbildern oder Röntgenbilder des rechten Sprunggelenkes darstellen.

Soweit der Sachverständige Dr. M anhand der röntgenologischen Untersuchungen im August 1996 eine deutliche Zunahme von Verschleißveränderungen beim linken Sprunggelenk festgestellt haben will, würde sich an dem dargestellten Beweisergebnis auch dann nichts ändern, wenn der Sachverständige Prof. Dr. B die entsprechenden Röntgenbilder des Sachverständigen Dr. M zur Verfügung gehabt hätte. Denn die neuesten Röntgenaufnahmen, die der Sachverständige Prof. Dr. B anfertigen ließ, wiesen diese Verschleißerscheinungen gerade nicht auf. Da sich Verschleißerscheinungen jedoch nicht zurückbilden können, lässt dieser Umstand nur den Schluss zu, dass die Röntgenaufnahmen, die der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. M zugrunde lagen, wenig aussagekräftig sind. Dies mag auf die von dem Sachverständigen Prof. Dr. B geschilderten allgemeinen Schwierigkeiten bei der Auswertung von Röntgenaufnahmen zurückzuführen sein.

Der Sachverständige Prof. Dr. B kommt zu dem Ergebnis, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von jedenfalls unter 10 % festzustellen ist. Das davon abweichende Ergebnis des Sachverständigen Dr. M in seinem Gutachten vom 13. Dezember 1996, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit 10 % beträgt, beruht im Wesentlichen auf dem Röntgenbefund und der Annahme, dass anlässlich des Unfalles nicht nur die Bandstrukturen selbst zerrissen wurden, sondern auch damit eine Verletzung der Nerven- und Gefäßversorgung mit Rückwirkung auf den Gelenkknorpel verbunden gewesen ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B ist dagegen genau dieses nicht anzunehmen: Der heutige vorzufindende radiologische Befund lässt, wie dargelegt, deutliche Veränderungen im Sprunggelenk nicht erkennen. Mit der Bandruptur ist auch nicht etwa eine Schädigung des Gelenkknorpels infolge einer Verletzung von Nerven und Versorgungsgefäßen einhergegangen. Der Gelenkknorpel wird nämlich von der Innenseite des Gelenkes her versorgt. Diese Seite war von dem Unfallgeschehen jedoch unstreitig nicht betroffen. Auch konnte Prof. Dr. B im Rahmen seiner Untersuchung und Exploration im Gegensatz zu Dr. M nicht feststellen, dass die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk nahezu aufgehoben gewesen sein soll. Diese Differenzen können zwar mit der individuellen Art der Untersuchung erklärt werden. Da selbst der Kläger nicht behauptet, dass die Beweglichkeit des Sprunggelenkes sich im der Zeit zwischen den Untersuchungen durch die beiden Gutachter verbessert hat, ist mit Prof. Dr. B davon auszugehen, dass eine Bewegungseinschränkung, wie von ihm festgestellt, tatsächlich nur endgradig besteht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich damit zusammenfassend feststellen, dass der Kläger anlässlich des Unfalles vom 30. November 1984 einen Riss des vorderen und mittleren Außenbandes am linken Sprunggelenk erlitten hat. Unfallbedingt ist es zu einer endgradigen Bewegungseinschränkung in dem linken Sprunggelenk gekommen. Radiologisch nachweisbar ist nur eine knöcherne Ausziehung im Sinne einer degenerativen Veränderung auf dem Boden des traumatischen Unfallgeschehens. Die hierdurch verursachen Beschwerden sind jedoch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B nicht so schwerwiegend, dass sie eine Minderung der Erwerbsunfähigkeit von mindestens 10 % bewirken könnten. Der Sachverständige hat vielmehr überzeugend ausgeführt, dass bei einer nur leichten Bewegungseinschränkung, die zudem nicht mit einer spürbaren Funktionsbeeinträchtigung einhergeht, von einer messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht auszugehen ist, und dies nachvollziehbar damit begründet, dass erst bei einer vollständigen Gelenksversteifung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % angenommen werden kann. Soweit darüber hinaus subjektive Befindlichkeitsstörungen vorhanden waren, sind diese nicht ausschlaggebend für die Frage, ob die Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Hierfür kann nämlich nur maßgeblich sein, ob der Kläger nach objektiven medizinischen Befunden unter Berücksichtigung der unfallbedingt erlittenen Verletzungen in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Dieses hat der Sachverständige in überzeugender Weise verneint.

Wäre der Kläger demnach in dem Vorprozess unterlegen, konnte durch die Verletzung der anwaltlichen Pflichten ein Vermögensschaden beim Kläger nicht eintreten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.