Das Verkehrslexikon

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OLG Koblenz Urteil vom 02.03.1998 - 12 U 246/97 - Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers für Straßenbäume

OLG Koblenz v. 02.03.1998: Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers für Straßenbäume


Das OLG Koblenz (Urteil vom 02.03.1998 - 12 U 246/97) hat entschieden:
Die Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Parkplätze erfordert es nicht, unauffällige, gesunde, nur naturbedingt immer etwas bruchgefährdete Äste von Pappeln oder Kastanien zu stutzen oder den Bestand großer Bäume dieser Arten an Verkehrsflächen zu beseitigen.


Siehe auch Astbruch und Verkehrssicherung und Verkehrssicherungspflicht


Gründe:

Die Klägerin verlangt Schadensersatz für eine Beschädigung ihres Pkw, auf den am 13.6.1995 während eines Gewitters der belaubte Ast einer Pappel fiel (Fotos in der Aktenanlage). Der Wagen parkte in W. an der Mosel auf einem Gelände, das die Streithelferin der Beklagten von dieser zum Betrieb einer Marina gepachtet hatte. Der Ast brach von einem Baum ab, der der beklagten Bundesrepublik gehört und dessen Äste in den gepflasterten Parkplatzbereich am L. hineinragen.

Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist zulässig, aber unbegründet. Aufgrund der Fotos, die die Parteien vorgelegt haben, und des Gutachtens, das der Baumsachverständige Dipl.-Ing. N. vor dem Senat erstattet hat (GA Bl. 143-146 mit weiteren Fotos), ist eine schadensursächliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht nachzuweisen.

Der Sachverständige hat zwar darauf hingewiesen, dass die Pappel an zwei Stellen einen "Pflegerückstand" zeigt, aber weiter ausgeführt, dass das keine Bedeutung für den Schadensfall vom 13.6.1995 hatte. Der damals abgebrochene Ast war sichtlich gesund, was auch die Klägerin schon in der Klageschrift zugestanden hat. Diesen gesunden Ast brauchte die verkehrssicherungspflichtige Beklagte nicht zu entfernen, auch wenn sie ihre Kontrollpflichten voll erfüllt hätte.

So hat das OLG Hamm in einem Urteil vom 10.12.1996 (NZV 97, 514; Astbruch einer Kastanie) die Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume auf grundsätzlich zwei Sichtkontrollen im Jahr beschränkt und den vereinzelten Abbruch gesunder Äste als hinzunehmendes Lebensrisiko bezeichnet, dem nicht vorgebeugt werden müsse. Letzteres hat auch der Senat in einem Urteil vom 1.12.1997 - 12 U 1370/96 - erkannt mit folgender Begründung:
"Wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, gehören Pappeln ebenso wie Kastanien zu denjenigen Bäumen, die naturgemäß brüchig sind und gelegentlich auch gesunde Äste abwerfen. Kleine Äste trocknen oft aus und brechen ab, aber auch unauffällige, größere, belaubte Pappeläste können verhältnismäßig leicht abbrechen.

Der Gefahr des Abbruchs gesunder Äste könnte nur begegnet werden, wenn man gesunde Bäume jener Arten naturwidrig erheblich stutzen würde, sozusagen amputieren und verkrüppeln, oder wenn man fordern würde, den Bestand großer Bäume jener Arten im gesamten Verkehrsbereich zu beseitigen. Eine derart weitgehende rechtliche Verpflichtung besteht nicht (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1997, 463 m.w.N.), entgegen der Ansicht des Klägers.

Gelegentlicher natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestehen, gehört zu den naturgegebenen Lebensrisiken, für die der Verkehrssicherungspflichtige nicht einzustehen braucht und die in unserer Zivilisation hinzunehmen sind. Die Wahrscheinlichkeit, durch den Abbruch gesunder Baumäste einen Schaden zu erleiden, ist wesentlich geringer als die Gefahr, durch andere erlaubte Risiken zu Schaden zu kommen (beispielsweise den Kraftfahrzeugverkehr), ganz abgesehen davon, dass unsere Zivilisation darauf bedacht sein muss, möglichst viele große gesunde Bäume zu erhalten. Diese sind für Klima und Wasserhaushalt hierzulande unersetzlich und auch gemäß Art. 20 a GG zu schützen, der seit 1994 den Umweltschutz verfassungsrechtlich zu einem Staatsziel erklärt."
Dasselbe gilt auch im vorliegenden Fall. Ein Autobesitzer, der den Schatten eines Baums auf seinen Wagen fallen lassen möchte, muss es hinnehmen, dass manchmal auch ein Ast darauf fällt; gegen die Folgen kann er sich durch eine Vollkaskoversicherung schützen. Ohne dass es auf weitere Einzelheiten ankommt, ist die Berufung mit den Nebenfolgen aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO zurückzuweisen.

Der Streitwert der Berufung und die Beschwer der Klägerin betragen 4.938 DM.



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