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OLG Köln Beschluss vom 01.03.2013 - III-1 RVs 36/13 - Feststellung der Blutalkoholkonzentration durch Rückrechnung

OLG Köln v. 01.03.2013: Zur Feststellung der geringst- und der höchstmöglichen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit bei einer Trunkenheitsfahrt


Das OLG Köln (Beschluss vom 01.03.2013 - III-1 RVs 36/13) hat entschieden:
  1. Wenn der im Urteil festgestellte Sachverhalt (auch) auf der Einlassung des Angeklagten beruht, ist anzugeben, inwieweit der Angeklagte die Tat eingeräumt hat und inwieweit dieser Einlassung zu folgen ist. Denn ohne die Wiedergabe der Einlassung und ihrer Würdigung kann das Revisionsgericht im Allgemeinen nicht überprüfen, ob der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung zutreffend erkannt und bewertet hat, so dass unklar bleibt, ob den Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sachverhalts zugrunde liegt.

  2. Der objektive Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung erfordert konkrete Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert, wobei nach herrschender Auffassung das von dem Täter geführte Fahrzeug auch dann außer Betracht zu bleiben hat, wenn es nicht in seinem Eigentum steht.

  3. Die innere Tatseite bezüglich des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Angeklagte das vorangegangene Unfallereignis bemerkt hatte, bevor er sich vom Unfallort entfernte, oder dass Umstände vorliegen, die bei ihm, sollte er den Unfall nicht bemerkt haben, dennoch die Vorstellung begründet hätten, es sei möglicherweise ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden. Solche Umstände bedürfen dann eingehender Darlegung und Würdigung im tatgerichtlichen Urteil, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die aus ihnen gezogene Schlussfolgerung auf bedingten Vorsatz des Täters frei von Rechtsfehlern ist.

  4. Grundsätze der Rückrechnung aus dem Ergebnis der Blutentnahme auf die Alkoholkonzentration zum Zeitpunkt des Fahrtantritts.

  5. Bei einer BAK ab etwa 2 ‰ liegt die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nahe. Darüber hinaus dürfte eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens ohne Anhörung eines Sachverständigen regelmäßig nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.

  6. Die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB muss noch im Zeitpunkt des Urteils gegeben sein. Eine Ungeeignetheit kann im Einzelfall nicht mehr festgestellt werden, wenn der Angeklagte erfolgversprechende psychologische Hilfe in Anspruch genommen hätte und ein nach den Grundsätzen der Begutachtungsrichtlinien erstelltes medizinischpsychologisches Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zukünftig das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss nicht zu erwarten ist (LG Oldenburg zfs 2002, 354 = DAR 2002, 327). Die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme kann daher Anlass zu weiterer Sachaufklärung in dieser Hinsicht geben.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen und Die Einlassungen des Angeklagten im Strafverfahren


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen "fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und Unfallflucht mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr" zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen (Einzelstrafen: jeweils 40 Tagessätze) zu je 120,- € verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 7 Monaten verhängt.

Es hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:
"Am 1.8.2012 gegen 4:25 befuhr der Angeklagte als Fahrzeugführer des ihm als Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung stehenden C, amtliches Kennzeichen XXXX (sic!), die L Straße in Richtung M in Fahrtrichtung C2 Straße. Infolge des vorangegangenen Alkoholkonsums war der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt absolut fahruntauglich. Nachdem er die Einmündung T Straße passiert hatte, geriet er deshalb ohne verkehrsbedingten Anlass von der Fahrbahn auf den Bürgersteig und von dort auf den Grünstreifen. Der Zeuge I hörte ein lautes Reifenquietschen und anschließend einen lauten Knall. Auf dem Grünstreifen kollidierte das Fahrzeug rechts vorne mit einem Lichtmast. Der Lichtmast wurde dadurch stark eingedellt und zur Fahrbahn hin abgeknickt. Infolge der Erschütterung fiel die Leuchteinrichtung zu Boden. Das Fahrzeug des Angeklagten wurde vorne rechts ebenfalls stark beschädigt. Mehrere Fahrzeugteile fielen ab und wurden im Umkreis von wenigen Metern um den beschädigten Lichtmast verteilt. Obwohl der Angeklagte die Kollision bemerkte, setzte er seine Fahrt fort. Dabei waren laute Schleifgeräusche zu hören. Am Ende der L Straße bog der Angeklagte nach rechts in die C2 Straße ab.

Etwa zwei Stunden nach dem Unfall, um 6:35 Uhr, wurde der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf der X Landstraße in Höhe des dortigen Sportplatzes entdeckt. Das Fahrzeug war nicht mehr fahrbereit, weil die Karosserie vorne rechts gegen den Reifen drückte. Ein Angestellter des Abschleppunternehmens D war soeben dabei, das Fahrzeug des Angeklagten auf die Laderampe eines Abschleppwagens zu laden.

Die Überprüfung der Blutalkoholkonzentration beim Angeklagten ergab für eine am 1.8.2012 um 7:42 Uhr durchgeführte Blutentnahme eine Blutalkoholkonzentration von 1,49 %o und für eine um 8:12 Uhr durchgeführte Blutentnahme einen Wert von 1,36%o.

Bei gehöriger Selbstbeobachtung hätte der Angeklagte seine Fahruntüchtigkeit bei Antritt der Fahrt erkennen können und müssen. Spätestens durch den Unfall war dem Angeklagten seine Fahruntüchtigkeit bewusst geworden. Die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, war zu diesem Zeitpunkt nicht im Sinne von § 21 StGB vermindert."
Diese Feststellungen hat das Amtsgericht wie folgt belegt:
"Der vorstehende Sachverhalt beruht auf der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, dem in der Hauptverhandlung bekannt gemachten Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität L vom 2.8.2012 sowie der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 13.11.2012.

Der Angeklagte hat das äußere Geschehen eingeräumt. Er hat vorgetragen, er habe beim Fahrtantritt nicht über den vorherigen Alkoholkonsum nachgedacht. Seine Frau habe ihm mitgeteilt, dass sie ihn verlassen werde. Er habe bei einem Freund Trost suchen wollen. Während der Fahrt habe er es sich anders überlegt und sei wieder in Richtung auf seine eigene Wohnung gefahren. Nach dem Unfall habe er nicht angehalten, sondern habe in einem großen Bogen zur Unfallstelle zurückkehren wollen, um dort zu parken und die Polizei und den Abschleppdienst zu benachrichtigen. Diesen Plan habe er nicht ausführen können, weil der Wagen begonnen habe zu schlingern und weil die Gefahr bestand, dass der rechte vordere Reifen abfiel. Der Angeklagte habe kein Handy gehabt. Deswegen habe er lediglich die im Fahrzeug vorhandene SOS-Notruf-Taste betätigt, über die eine Verbindung mit der C-Zentrale hergestellt worden sei. Der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass damit zugleich auch die Polizei verständigt werde.

Der Angeklagte ist deshalb der Ansicht, es sei weder der Tatbestand der Fahrerflucht noch eine in Tatmehrheit zu der vorangegangenen Straßenverkehrsgefährdung stehende Trunkenheitsfahrt verwirklicht."
Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:
"Durch das Führen des Fahrzeugs von seiner Wohnung Velbert bis zur Unfallstelle auf der L Straße in L2 hat der Angeklagte sich einer Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar gemacht, wobei zu seinen Gunsten davon auszugehen ist, dass ihm seine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit und die dadurch verursachte Gefährdung nicht bewusst waren. Bei einer großzügigen Rückrechnung des Alkoholbefunds aus den etwa 3 ½ bzw. 4 Stunden nach dem Unfall entnommenen Blutproben von 1,49%o bzw. 1,36%o ist davon auszugehen, dass der Blutalkoholwert zur Tatzeit höchstens bei 2,00 %o lag. Da der Angeklagte darüber hinaus nach der Tat in der Lage war, planvoll vorzugehen, nämlich das Fahrzeug auf der X Landstraße am Fahrbahnrand zu parken und über die Notruftaste Hilfe herbeizurufen, folgert das Gericht, dass der Angeklagte auch zuvor in der Lage war, seine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erkennen und von dem Antritt und der Fortsetzung der Fahrt Abstand zu nehmen.

Tatmehrheitlich zu der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung hat sich der Angeklagte der in Tateinheit stehenden Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort und der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht. Aus dem Ausmaß des Schadens sowohl an dem Laternenmast als auch an dem Fahrzeug folgt, dass der Angeklagte den Unfall an Ort und Stelle bemerkt hat. Das Fahrzeug ist von der Fahrbahn über den Bordstein auf den Bürgersteig und anschließend auf den Grünstreifen geraten und dort gegen den Lichtmast geprallt. Es hat einen lauten Knall gegeben. Sowohl der Lichtmast als auch das Fahrzeug des Angeklagten wurden erheblich beschädigt. Der Angeklagte hat das Fahrzeug wieder auf die Straße gelenkt und seine Fahrt fortgesetzt. Dabei hat es ein lautes schleifendes Geräusch gegeben. Eine kurze Strecke später konnte der Angeklagte seine Fahrt nicht mehr fortsetzen, weil die vordere rechte Seite der Karosserie derart gegen den Reifen drückte, dass dieser schlingerte und abzufallen drohte. Die Eindellung der Karosserie kann nur durch die Kollision mit dem Lichtmast verursacht worden sein. Bereits ab der Unfallstelle muss das Fahrzeug daher ein ungewöhnliches Fahrverhalten gezeigt haben, das dem Angeklagten nicht verborgen geblieben sein kann. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach seiner Einlassung die Absicht hatte, zur Unfallstelle zurückzukehren. Eine solche Absicht setzt voraus, dass der Angeklagte wusste, dass sich ein Unfall ereignet hat und wo sich der Unfallort befand.

Durch das Entfernen von der Unfallstelle ist der Tatbestand der Unfallflucht verwirklicht. Ob der Angeklagte die Absicht hatte, zur Unfallstelle zurückzukehren, ist für die Verwirklichung des Tatbestands ohne Bedeutung.

Wie oben dargelegt ist, hat der Angeklagte trotz seiner alkoholbedingten Ausfallerscheinungen erkannt, dass er verpflichtet war, an der Unfallstelle zu bleiben. Er war auch in der Lage, dieser Verpflichtung nachzukommen. Damit hat der Angeklagte vorsätzlich gehandelt.

Indem sich der Angeklagte nach dem Unfall zur Flucht entschloss, endete die zuvor begangene Dauerstraftat der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung. Die bei der Weiterfahrt zugleich mit der Unfallflucht verwirklichte Trunkenheitsfahrt stellt eine rechtlich selbständige Handlung dar ... Spätestens durch den Unfall war dem Angeklagten auch bewusst geworden, dass er infolge des Alkoholkonsums fahruntauglich war, so dass insoweit Vorsatz gegeben ist.

Damit hat sich der Angeklagte durch zwei selbständige Handlungen (§ 53 StGB) einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB) und einer untereinander in Tateinheit (§ 52 StGB) stehenden Unfallflucht mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (§§ 142 Abs. 1 Nr. 1, 316 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht."
Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verhängung einer Sperre für die Wiedererteilung derselben hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"Aus der Tat ergibt sich, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Diese Ungeeignetheit ist zwischenzeitlich trotz der Teilnahme an der verkehrstherapeutischen Rehabilitationsmaßnahme nicht fortgefallen, sondern besteht auch heute noch fort. Dem Angeklagten war deshalb neben der Strafe die Fahrerlaubnis zu entziehen und eine Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis anzuordnen (§§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, 69a StGB). Eine solche von 7 Monaten erachtet das Gericht unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere seines Verhaltens vor und nach der Tat sowie der gesamten Tatumstände als ausreichend, aber auch als erforderlich, um die zutage getretenen Verhaltensdefizite zu beseitigen. Mit ins Gewicht bei der Dauer der Sperre fiel, dass beim Angeklagten für die Tatzeit eine weit über der Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit liegende Blutalkoholkonzentration festgestellt worden ist. Andererseits hat das Gericht berücksichtigt, dass der Führerschein bereits seit dem 1.8.2012 sichergestellt ist."
Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts.


II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1. Die Urteilsgründe zur Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sind materiellrechtlich unvollständig. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts in jeder Hinsicht auf einer rechtsfehlerfreien Grundlage beruht, und andererseits nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung in diesem Bereich von rechtsfehlerhaften Erwägungen beeinflusst ist (§ 337 StPO).

Wenn der im Urteil festgestellte Sachverhalt (auch) auf der Einlassung des Angeklagten beruht, ist anzugeben, inwieweit der Angeklagte die Tat eingeräumt hat und inwieweit dieser Einlassung zu folgen ist (BayObLG DAR 1999, 564 = NZV 2000, 48 [49]). Denn ohne die Wiedergabe der Einlassung und ihrer Würdigung kann das Revisionsgericht im Allgemeinen nicht überprüfen, ob der Tatrichter die Bedeutung der Erklärung zutreffend erkannt und bewertet hat, so dass unklar bleibt, ob den Feststellungen eine erschöpfende Würdigung des Sachverhalts zugrunde liegt (BGH StV 1984, 64 L.; OLG Düsseldorf NStZ 1985, 323 u. StV 1986, 378; SenE v. 24.10.2000 - Ss 417/00 -; SenE v. 16.05.2000 - Ss 203/00 -; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rdnr. 12; KMR-Paulus § 267 Rdnr. 40).

Das angefochtene Urteil gibt zwar wieder, wie sich der Angeklagte eingelassen hat, und wertet diese Einlassung als Geständnis des äußeren Geschehens. Das Gericht deutet allerdings an, dass es der Einlassung nicht uneingeschränkt gefolgt ist ("soweit ihr gefolgt werden konnte") und teilweise abweichende Feststellungen getroffen hat. Dabei wird allerdings nicht hinreichend deutlich, wo im Einzelnen sich die Feststellungen des Gerichts von der Einlassung des Angeklagten unterscheiden und auf welche Beweismittel es diese abweichenden oder weitergehende Feststellungen stützt. Zudem bleibt offen, aus welchen Gründen die (als solche nicht weiter identifizierten) Angaben des Angeklagten, die von den getroffenen Feststellungen abweichen, als nicht glaubhaft angesehen worden sind.

Im Einzelnen:

a) § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB

Hinsichtlich des Tatbestandes der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung ist folgendes anzumerken: Der objektive Tatbestand erfordert hier die konkrete Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert, wobei nach herrschender Auffassung das von dem Täter geführte Fahrzeug auch dann außer Betracht zu bleiben hat, wenn es nicht in seinem Eigentum steht (vgl. BGHSt 27, 40; BGH NStZ 1992, 233; Fischer, StGB, 60 Aufl., § 315c, Rdnr. 15c,m. Nachw. auch zur Gegenauffassung); die Wertgrenze liegt derzeit bei 750,00 € (vgl. BGH NStZ 2011, 215; Fischer a. a. O. § 315c Rdnr. 15, § 315 Rdnr. 16a).

Das Amtsgericht hat zwar Ausführungen zu den Beschädigungen an dem Lichtmast gemacht, mit dem das von dem Angeklagten gesteuerte Fahrzeug kollidierte, sowie den Unfallfolgen an diesem Fahrzeug selbst. Es hat jedoch zum einen nicht belegt, worauf diese Feststellungen beruhen. Von der Einlassung des Angeklagten, soweit wiedergegeben, sind sie jedenfalls nicht umfasst. Und auch die weiter angegebenen Beweismittel - wie das Blutalkoholgutachten der Universität L und die Auskunft aus dem Bundeszentralregister - können sich dazu nicht verhalten. Zum anderen hat das Amtsgericht nicht angegeben, welcher Teilbetrag auf die - dem äußeren Erscheinungsbild nach beschriebenen - Schäden an dem Lichtmast entfällt, auf die es nach dem Vorstehenden allein ankommt.

Subjektiv verlangt § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB Fahrlässigkeit u. a. bzgl. der eigenen Fahruntüchtigkeit.

In dem angefochtenen Urteil heißt es, der Angeklagte habe angegeben, er habe bei Fahrtantritt nicht über den vorangegangenen Alkoholkonsum nachgedacht (S. 3 UA, sechster Absatz). Er sei der Ansicht (S. 4 UA, erster Absatz), "es sei weder der Tatbestand der Fahrerflucht noch eine in Tatmehrheit zu der vorangegangenen Straßenverkehrsgefährdung stehende Trunkenheitsfahrt verwirklicht". Das Gericht führt aus, zu seinen Gunsten sei davon auszugehen, dass ihm seine alkoholbedingte "Fahruntauglichkeit" nicht bewusst gewesen sei (S. 4 UA, zweiter Absatz). Es folgert allerdings auch (ebenda) aus dem angeblichen planvollen Handeln des Angeklagten nach dem Unfallgeschehen, dass er auch "zuvor" in der Lage gewesen sei, "seine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erkennen und von dem Antritt und der Fortsetzung der Fahrt Abstand zu nehmen".

Aus diesen Ausführungen geht zunächst nicht hinreichend deutlich hervor, welche Angaben der Angeklagte zu Art und Verlauf seines Alkoholkonsums gemacht hat, und weniger noch, ob sich aus diesen Angaben Rückschlüsse darauf ziehen lassen, dass ihm bereits bei Fahrtantritt - unabhängig davon, ob er sich tatsächlich darüber Rechenschaft ablegte - hätte bewusst sein müssen, dass seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt oder aufgehoben sein konnte. Sodann wird nicht deutlich, ob der Angeklagte nicht nur der Ansicht war, weder den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort noch den der Trunkenheit im Verkehr verwirklicht zu haben, sondern darüber hinaus der weitergehenden Auffassung, auch keine Straßenverkehrsgefährdung begangen zu haben. Sofern Letzteres zutreffen sollte, bliebe weiter offen, ob sich diese Ansicht (auch) darauf stützte, dass er die Erkennbarkeit des Grades seiner Alkoholisierung verneinte.

Des weiteren beruht der Schluss von einem angenommenen planvollen Handeln des Angeklagten nach dem Unfallgeschehen darauf, dass er bereits bei Fahrtantritt in der Lage gewesen sei, seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zu erkennen, zum einen teilweise auf einer Grundlage, die sich auf widersprüchliche Feststellungen stützt, und wäre zum anderen auch unter der eigenen Prämisse des Amtsgerichts nicht gültig:

Zunächst wird die Annahme eines planvollen Handelns des Angeklagten u.a. damit begründet, dass er das Fahrzeug am Fahrbahnrand geparkt habe (S. 4 UA, zweiter Absatz); im Widerspruch dazu steht aber die Feststellung (S. 4 UA, folgender Absatz), dass der Angeklagte seine Fahrt nicht habe fortsetzen können, weil die vordere rechte Seite der Karosse derart gegen den Reifen gedrückt habe, dass dieser geschlingert und abzufallen gedroht habe. Sodann würde selbst der Umstand, dass der Angeklagte nach dem Unfallereignis - wofür in der Tat viel spricht - begründete Veranlassung gehabt hätte, seine Fahrtüchtigkeit in Zweifel zu ziehen, nicht belegen, dass ihm diese Zweifel bereits zuvor hätten kommen müssen.

b) § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Die innere Tatseite bezüglich des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Angeklagte das vorangegangene Unfallereignis bemerkt hatte, bevor er sich vom Unfallort entfernte, oder dass Umstände vorliegen, die bei ihm, sollte er den Unfall nicht bemerkt haben, dennoch die Vorstellung begründet hätten, es sei möglicherweise ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden (vgl. SenE v. 09.10.2012 - III-1 RVs 195/12 -). Solche Umstände bedürften dann aber eingehender Darlegung und Würdigung im tatgerichtlichen Urteil, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die aus ihnen gezogene Schlussfolgerung auf bedingten Vorsatz des Täters frei von Rechtsfehlern ist (Senat a.a.O.).

Auch hierzu sind die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil unklar. Einerseits heißt es (S. 2 UA, letzter Absatz), dass der Angeklagte "die Kollision" bemerkt habe, sowie (S. 3 UA, sechster Absatz) dass er angegeben habe, er habe zur Unfallstelle zurückkehren wollen. Beides deutet darauf hin, dass der Angeklagte eingeräumt hat, bemerkt zu haben, dass sich unter seiner Beteiligung ein Unfall ereignet hatte, bei dem es zu einem nicht völlig belanglosen Sachschaden gekommen war (vgl. Fischer a. a. O. § 142 Rdnr. 7 m. w. Nachw.). Andererseits enthält das Urteil ausführliche Darlegungen dazu (S. 4 UA, dritter Absatz), aus welchen Indizien das Gericht darauf schließt, dass der Unfall als solcher (und damit auch die Entstehung eines erheblichen Sachschadens) von dem Angeklagten nicht unbemerkt geblieben sein könne, was eher nahelegt, dass er eben dies bestritten haben könnte. Zudem stützt das Gericht seine Würdigung u.a. darauf, dass es einen lauten Knall gegeben habe, was sich wiederum aus Bekundungen eines Zeugen I ergebe. Dieser Zeuge ist jedoch nicht unter den Beweismitteln aufgeführt, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt haben will, so dass dieser Teil des festgestellten Sachverhaltes unzureichend belegt ist.

2. Die Urteilsgründe geben dem Senat im Hinblick auf die erneut durchzuführende Hauptverhandlung Anlass, auf folgendes hinzuweisen:

a) Tatzeit, Blutalkoholgehalt, Schuldumfang

aa)Bei einer Trunkenheitsfahrt mit Unfall und anschließender Weiterfahrt ist der Zeitpunkt des Unfalls nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit der Tatzeit der Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 a StGB. Insoweit beginnt die Deliktsverwirklichung - durch das Führen eines Fahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand - schon bei Fahrtantritt, während die Tat erst bei Eintritt der konkreten Gefahr vollendet ist (vgl. Fischer a. a. O.,§ 315c, Rn. 3, 11).

bb) Zugunsten des Angeklagten sind bei der Rückrechnung von einem gemessenen Blutalkoholwert auf den Blutalkoholgehalt zur Tatzeit unterschiedliche Grundlagen heranzuziehen, je nachdem, ob es darum geht, Feststellungen zu seiner Fahrtüchtigkeit zu treffen, oder - nach Bejahung der Verwirklichung eines Straftatbestandes - darum, die Schuldfähigkeit des Angeklagten festzustellen.

Zur Ermittlung der Fahrtüchtigkeit im Wege der Rückrechnung ist zugunsten des Täters (geringstmögliche Blutalkoholkonzentration) von einem stündlichen Abbau von 0,1 ‰ auszugehen; jedoch sind, um bei längerer Resorptionsdauer jede Benachteiligung des Täters auszuschließen, die ersten beiden Stunden nach Trinkende grundsätzlich von der Rückrechnung auszunehmen (vgl. OLG Koblenz [10.02.00] DAR 2000, 371 [372]; BayObLG zfs 2001, 517 = DAR 2002, 80; OLG Hamm zfs 2002, 306 = NZV 2002, 279; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot, 10. Aufl., Rdnrn. 90 ff., 260 ff.; Haase zfs 2004, 149; SenE v. 23.03.2010 - III-1 RVs 49/10 -). Bei Errechnung der Mindest-Tatzeit-Blutalkoholkonzentration durch Rückrechnung bedarf es darüber hinaus der Mitteilung des Trinkendes, des Endes der Resorptionsphase und des Abbauwertes, wenn nicht dem Urteil entnommen werden kann, dass insoweit durch Verzicht auf Rückrechnung während der ersten zwei Stunden nach Trinkende und durch Zugrundelegung eines Abbauwerts von 0,1 ‰ für die spätere Zeit Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ausgeschlossen sind (vgl. SenE v. 28.06.2002 - Ss 264/02 - m. w. Nachw.).

Bei Bemessung der zur Tatzeit höchstmöglichen Blutalkoholkonzentration zur Schuldfähigkeit sind dagegen zugunsten des Angeklagten Abbauwerte von 0,2 ‰ pro Stunde sowie ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ zugrundezulegen. Ferner ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Resorption zur Tatzeit bereits abgeschlossen war, so dass sich die Rückrechnung auch auf die Zeit nach Trinkende erstreckt (vgl. OLG Hamm NZV 1998, 334; OLG Koblenz DAR 2000, 371 [372]).

Bei Werten von 1,49 ‰ um 07:42 Uhr und von 1,36 ‰ um 08:12 Uhr würden sich für den Zeitpunkt des Unfalls um 04:25 Uhr demnach höchstmögliche Blutalkoholwerte von gerundet 2,35 ‰ (1,49 + 0,2 + [(3 + 17/60) x 0,2]) bzw. 2,32 ‰ (1,36 + 0,2 + [(3 + 47/60) x 0,2]), höchstens also 2,35 ‰ ergeben. Dieser Wert erhöht sich noch, wenn man auf den Zeitpunkt des Fahrtantrittes abstellt.

Bei einer BAK ab etwa 2 ‰ liegt indes die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nahe (vgl. BGHSt 37, 231 [234 f.] m. w. Nachw.; BGH NStZ 1997, 383; SenE v. 08.05.1987 - Ss 653/86 -; vgl. a. Fischer a. a. O. § 20 Rdnr. 21 m. w. Nachw.). Darüber hinaus dürfte eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens ohne Anhörung eines Sachverständigen regelmäßig nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein (vgl. OLG Naumburg DAR 2001, 379).

cc) Schon im Falle der Verurteilung wegen einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt ist der Tatrichter regelmäßig verpflichtet, neben der Höhe der Blutalkoholkonzentration und der Schuldform weitere Umstände festzustellen, die geeignet sind, den Schuldumfang näher zu bestimmen und einzugrenzen (BayObLG VRS 93, 108 = NZV 1997, 244 = NStZ 1997, 359 = MDR 1997, 486; OLG Karlsruhe VRS 79, 199 [200]; SenE v. 19.12.2000 - Ss 488/00 - = StV 2001, 355; SenE v. 29.02.2008 - 83 Ss 14/08 -). Dazu zählen insbesondere die Umstände der Alkoholaufnahme (Trinken in Fahrbereitschaft) sowie der Anlass und die Gegebenheiten der Fahrt (BayObLG VRS 97, 359 [360] = NZV 1999, 483; SenE v. 27.10.2006 - 82 Ss 123/06 -). Die genannten Grundsätze gelten erst recht, wenn es infolge der trunkenheitsbedingten Fahruntüchtigkeit zu einem Verkehrsunfall gekommen ist. (SenE v. 03.04.2009 - 83 Ss 20/09 -; SenE v. 03.07.2009 - 83 Ss 51/09 -; SenE v. 23.03.2010 - III-1 RVs 49/10 -).

dd) Das neue Tatgericht wird deshalb nicht nur - im Rahmen des Möglichen - Feststellungen dazu zu treffen haben, wann die Alkoholaufnahme durch den Angeklagten erfolgte, ob dies in bereits vorhandener Fahrtbereitschaft geschah, wann er seine Fahrt antrat und wie lange diese dauerte, sondern auch - gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen - klären müssen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme einer zumindest eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten zum jeweiligen Tatzeitpunkt vorlagen.

b) Fahrerlaubnissperre

Die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB muss noch im Zeitpunkt des Urteils gegeben sein. Eine ausdrückliche Erörterung dieses Gesichtspunkts ist geboten, wenn entweder schon die - vor allem erstmalige - Tat selbst von Besonderheiten gekennzeichnet ist, die gegen einen künftigen Missbrauch der Fahrerlaubnis sprechen können, oder wenn hierfür nach der Tat eingetretene Umstände sprechen (vgl. BGH [27.8.98] DAR 1999, 197; OLG Oldenburg zfs 2005, 260; SenE v. 02.11.2000 - Ss 434/00).

Eine Ungeeignetheit kann im Einzelfall nicht mehr festgestellt werden, wenn der Angeklagte erfolgversprechende psychologische Hilfe in Anspruch genommen hätte und ein nach den Grundsätzen der Begutachtungsrichtlinien erstelltes medizinischpsychologisches Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zukünftig das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss nicht zu erwarten ist (LG Oldenburg zfs 2002, 354 = DAR 2002, 327). Die Teilnahme an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme kann daher Anlass zu weiterer Sachaufklärung in dieser Hinsicht geben.