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Amtsgericht Ahrensburg Urteil vom 19.12.2013 - 46 C 1395/12 - Stillschweigende Haftungsbeschränkung bei Probefahrten

AG Ahrensburg v. 19.12.2013: Zur stillschweigenden Haftungsbeschränkung bei Probefahrten


Das Amtsgericht AG Ahrensburg (Urteil vom 19.12.2013 - 46 C 1395/12) hat entschieden:
  1. Zu den Voraussetzungen eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses in Abgrenzung zu einem (lediglich) deklaratorischen Schuldanerkenntnis.

  2. Eine stillschweigende Haftungsbeschränkung zugunsten des Kaufinteressenten bei Probefahrten ist allenfalls bei Verhandlungen mit einem gewerblichen, nicht aber mit einem privaten Anbieter in Betracht zu ziehen.

Siehe auch Probefahrt und Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschluss


Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Regulierung eines Fahrzeugschadens nebst Sachverständigenkosten.

Der Kläger ist Eigentümer eines Motorrads KTM 950 Supermoto mit der Fahrzeugidentitätsnummer ... . Am 05.07.2012 unternahm der Beklagte als Kaufinteressent mit dem Motorrad des Klägers eine Probefahrt, wobei er vor Fahrantritt davon ausging, dass für das Motorrad eine Vollkaskoversicherung besteht. Während der Probefahrt kam der Beklagte mit dem klägerischen Motorrad zu Fall, was zu einem Totalschaden an dem Motorrad führte.

Am Tag des Unfalls unterschrieb der Beklagte ein Schriftstück mit der Überschrift "Unfallschadensanerkennung". Darin heißt es wörtlich.
"Ich, ..., (...), erkenne den von mir verursachten Unfallschaden während einer Probefahrt am 05. Juli 2012 an. Ich übernehme sämtliche Gutachter- und Instandsetzungskosten für die von mir beschädigte KTM 950 Supermoto, Fahrgestellnummer ... . Offensichtliche Beschädigungen: (...). Auch für nicht offensichtliche Schäden am o. g. Fahrzeug, die durch den von mir verursachten Unfall entstanden sind, übernehme ich die Haftung."
Wegen des näheren Inhalts der Erklärung wird auf Anlage K 3 (Bl. 37 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beauftragte am 09.07.2012 das Sachverständigenbüro ..., Inhaber ..., mit der Begutachtung des Schadens an dem Motorrad. Zugleich erklärte er mit der Beauftragung, die Forderung in Höhe der Gebührenrechnung an das Sachverständigenbüro abzutreten (Anlage B 2, Bl. 63 d. A.). Der Inhaber des Sachverständigenbüros erklärte am 19.03.2013, die Forderung wieder an den Kläger rückabzutreten, woraufhin der Kläger erklärte, die Abtretung anzunehmen (Anlage K 12, Bl. 83 d. A.). Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die bezeichneten Anlagen Bezug genommen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 06.09.2012 rechnete der Kläger gegenüber dem Beklagten vorprozessual den an seinem Motorrad entstandenen Schaden unter Bezugnahme auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten (Anlage K 1, Bl. 6 ff. d. A.) dergestalt ab, dass er den Wiederbeschaffungsaufwand unter Zugrundelegung eines Wiederbeschaffungswertes von 5.975,00 € abzüglich eines Restwertes von 2.300,00 € mit 3.675,00 € ermittelte sowie außerdem Sachverständigenkosten (Anlage K 2, Bl. 36 d. A.) von 1.236,29 € geltend machte. Unter Fristsetzung zum 20.09.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Beklagten fruchtlos zur Zahlung auf, nachdem dieser mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.08.2012 die Haftung abgelehnt hatte.

Der Kläger ist der Ansicht, die von dem Beklagten am 05.07.2012 abgegebene Erklärung stelle ein konstitutives Schuldanerkenntnis dar, aufgrund dessen der Beklagte den Fahrzeugschaden und die Kosten für das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten zu tragen habe. Der Kläger ist weiter der Ansicht, der vom Sachverständigenbüro ... festgestellte Wiederbeschaffungswert in Höhe von 5.975,00 € sei zutreffend ermittelt worden. Hinsichtlich der Geltendmachung der Sachverständigenkosten in Höhe von 1.236,29 € sei er, der Kläger, überdies auch aktivlegitimiert, zumal er am 28.08.2012 die Kosten des Sachverständigengutachtens in bar beglichen habe. Die Höhe der Gutachterkosten sei zudem richtig berechnet Der Sachverständige habe bei der Erstellung des Gutachtens insbesondere auch eine Rahmenvermessung an dem beschädigten Motorrad vorgenommen.

Der Kläger hat mit Klage ursprünglich die Zahlung von 4.911,29 € begehrt. Nach sachverständiger Begutachtung hat der Kläger mit der Beklagtenseite am 25.07.2013 zugestellten Schriftsatz zusätzlich angekündigt zu beantragen, die Zahlung von weiteren 75,00 € zu begehren.

Der Kläger beantragt zuletzt,
  1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.986,29 € zzgl. jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. September 2012 zu zahlen;

  2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn an vorgerichtlichen Anwaltskosten 244,72 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2012 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die vom Sachverständigen ermittelte Höhe des Wiederbeschaffungswertes sei zu hoch angesetzt und die Schadenspositionen im Sachverständigengutachten gehörten nicht zu den erforderlichen und unfallbedingten Kosten. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten seien überhöht, unter anderem, da das Grundhonorar des Gutachters doppelt veranschlagt worden sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen ... . Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 13.06.2013 (Bl. 93 ff. d. A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung auch begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus einem konstitutiven Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB zu. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner gegenüber dem Gläubiger in schriftlicher Form eine Leistung in der Weise versprechen, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Ein konstitutives Schuldversprechen im Sinne des § 781 BGB liegt nur dann vor, wenn der Anerkennende unabhängig vom Rechtsgrund, also gelöst von wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen, eine neue selbständige Verpflichtung schaffen will, die auch dann ihre Rechtswirksamkeit bewahren soll, wenn der ursprüngliche Anspruch nicht oder nicht mehr besteht. Die Beurteilung der Frage, ob es sich in diesem Sinne um ein konstitutives Schuldanerkenntnis handelt, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung anhand der schriftlichen Erklärung zu ermitteln (Sprau, in Palandt, BGB, § 781 Rn. 2 m. w. N.). Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Verpflichtung liegt vor, wenn der Schuldgrund in der Urkunde nicht oder nur in allgemeiner Form erwähnt wird (vgl. BGH NJW 1999, 574, 575). Der Wortlaut der Erklärung spricht vorliegend für die Abstraktheit der Erklärung. Die Erklärung des Beklagten nimmt zwar Bezug auf das Unfallgeschehen der Probefahrt am 05.07.2012. Dadurch ist jedoch ein Schuldgrund nicht erwähnt. Die Erklärung ist nämlich unabhängig vom Verschulden oder dem Vorliegen anderweitiger Voraussetzungen in der Art formuliert, dass der Beklagte ohne jegliche Bezugnahme auf weitere Voraussetzungen vorbehaltlos erklärt, er "erkenne" den von ihm verursachten Unfallschaden "an". Auch jegliche nähere Eingrenzungen des Schadens der Art und Höhe nach fehlen, denn der Beklagte hat erklärt, dass er "sämtliche" Gutachter- und Instandsetzungskosten "übernehme". Nach Auflistung einiger offensichtlicher Beschädigungen an dem Motorrad, folgt die Erklärung des Beklagten, dass er auch für "nicht offensichtliche Schäden" die Haftung "übernehme".

Zudem fehlt es insbesondere in Abgrenzung zu einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis an einer von den Parteien getragenen und durch das Schuldanerkenntnis zu beseitigenden Ungewissheit, die charakteristisch für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist (vgl. Sprau a. a. O., Rn. 3 m. w. N.). Nach dem Gesamteindruck des Gerichts von der mündlichen Verhandlung (§ 286 ZPO) hatte der Beklagte etwaige Ungewissheiten hinsichtlich der Haftung bereits überwunden beziehungsweise war sein Handeln gar nicht von einer solchen Ungewissheit geprägt. Die persönliche Anhörung des Beklagten hat nämlich ergeben, dass das Motiv seiner Erklärung vom 05.07.2012 die Anerkennung der Verursachung des Unfalls war. Es erschien dem Beklagten nach eigener Aussage als "Gebot der Redlichkeit", eine dementsprechende Erklärung nach dem Unfall abzugeben, auch wenn es möglicherweise einen Widerspruch darstellte, wenn er einerseits davon ausging, dass auf Klägerseite eine Vollkaskoversicherung besteht und er andererseits ein selbständiges Haftungsanerkenntnis unterzeichnet. Damit ging der Beklagte selbst von einem eigenständigen Haftungsgrund aus. Über die versicherungsrechtliche Lage hat sich der Beklagte seiner Anhörung zufolge keine Gedanken gemacht und den Kläger danach auch nicht gefragt. Hierzu hätte der Beklagte zumindest die Möglichkeit gehabt, da nach seiner Schilderung vom Unfall bis zur Unterzeichnung der Erklärung mindestens eine halbe Stunde verging und er weiterhin angegeben hat, sich auch nicht überrumpelt gefühlt zu haben. Der Beklagte hat das Schuldanerkenntnis auch formwirksam gemäß § 126 Abs. 1 BGB unterschrieben.

Es greift vorliegend auch kein stillschweigender Haftungsausschluss ein, da eine stillschweigende Haftungsbeschränkung zugunsten des Kaufinteressenten bei Probefahrten jedenfalls nicht bei einer Probefahrt während der – hier erfolgten – Verhandlungen mit einem privaten Anbieter eingreift (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 38).

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers besteht in voller Höhe. Nach dem vom Beklagten abgegebenen Schuldanerkenntnis erklärte dieser, sämtliche Gutachter- und Instandsetzungskosten zu übernehmen, beziehungsweise vollumfänglich für den entstanden Schaden zu haften. Bei Auslegung des beiderseitigen Parteiwillens unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben kann die Haftung des Beklagten der Höhe nach im Wege des abgegebenen Schuldanerkenntnisses jedoch nicht weiter gehen als von den §§ 249 ff. BGB vorgesehen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht die klägerseits geltend gemachte Forderung aber auch nicht über diese Grenze hinaus.

Der Kläger kann zunächst gemäß § 249 Abs. 2 BGB statt der Herstellung des ursprünglichen Zustandes des beschädigten Motorrades den dafür erforderlichen Geldbetrag, also 3.750 €, ersetzt verlangen. Dafür ist grundsätzlich der Wiederbeschaffungsaufwand zu ersetzen, der sich aus der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert ergibt. Aufgrund des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen ... vom 13.06.2013 sieht das Gericht die Behauptung des Klägers bezüglich der Höhe des Wiederbeschaffungswertes als bewiesen an. Der Sachverständige ist für Gutachten der vorliegenden Art besonders qualifiziert und hat seine Ergebnisse nachvollziehbar dargestellt, so dass auch kein Anlass bestand, ein ergänzendes Gutachten einzuholen. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zu der Feststellung gekommen, dass der Wiederbeschaffungswert 6.050 € inkl. MwSt. beträgt, von welchem der unstreitige Restwert in Abzug zu bringen war.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die Gutachterkosten in Höhe von 1.236,29 € aus dem abgegebenen Schuldanerkenntnis zu erstatten. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für das Sachverständigengutachten ist der Kläger auch aktiv legitimiert. Diesbezüglich ist er Forderungsinhaber, denn der Kläger hat sich die zunächst an das Sachverständigenbüro abgetretene Forderung in Höhe von 1.236,29 € am 19.03.2013 durch entsprechenden Abtretungsvertrag (Anlage K 12; Bl. 83 d. A.) wirksam rückabtreten lassen, § 398 BGB. Auch hat der Kläger ausweislich der als Anlage K 10 (Bl. 70 d. A.) zur Akte gereichten Quittung die Gutachterkosten in bar beglichen. Vor dem Maßstab des § 249 BGB hat der Schädiger – hier der Beklagte – grundsätzlich die Kosten von Sachverständigen dann zu ersetzen, wenn diese zur Rechtsverfolgung erforderlich sind (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 249 Rn. 58). Das war vorliegend der Fall, um die Höhe des Schadens, den der Beklagte zu ersetzen hat, an dem beschädigten Motorrad feststellen zu können. Nach Überzeugung des Gerichts waren die Sachverständigenkosten in der geltend gemachten Höhe von 1.236,29 € auch erforderlich. Der Kläger hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, warum es zu einer zweifachen Ausweisung des Grundhonorars in der Rechnung vom 08.08.2012 (Anlage K 3, Bl. 36 d. A.) gekommen ist. Diese liegt nach der Erklärung des Klägers darin begründet, dass der Sachverständige gewisse Tätigkeiten in Ausübung eines Gewerbes ausführt, sowie andere Tätigkeiten als Freiberufler ausübt und insofern die zweifache Ausweisung aus steuerrechtlichen Gründen erfolgt ist. Damit lag es an dem Beklagten, den Vortrag des Klägers substantiiert zu bestreiten. Dies ist nicht erfolgt. Auch hinsichtlich der Rechnungsposition einer durchgeführten Rahmenvermessung hat der Kläger unter Vorlage des als Anlage K 1 zur Akte gereichten Sachverständigengutachtens belegt, dass eine Rahmenvermessung tatsächlich durchgeführt wurde. Die Anlage zum Gutachten beinhaltet ein Messprotokoll (Bl. 33 d. A.), aus dem eine Rahmenvermessung zweifelsfrei hervorgeht. Im Übrigen ist trotz ausdrücklichen weiteren Hinweises des Gerichts im Hinblick auf das lediglich pauschal erfolgte Bestreiten der Angemessenheit der angefallenen Sachverständigenkosten beklagtenseits kein weiterer konkreter Vortrag erfolgt.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280, 286 BGB. Die Zinsansprüche folgen aus §§ 286, 288, 291 BGB, wobei zu berücksichtigen war, dass hinsichtlich der Klageerweiterung Verzug erst in Gestalt von deren Rechtshängigkeit mit Zustellung des betreffenden Schriftsatzes eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO).