Das Verkehrslexikon

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OLG Bamberg Beschluss vom 12.11.2013 - 3 Ss OWi 1304/13 - Voraussetzungen für die Annahme einer Vorsatztat bei einem Geschwindigkeitsverstoß

OLG Bamberg v. 12.11.2013: Zu den Voraussetzungen für die Annahme einer Vorsatztat bei einem Geschwindigkeitsverstoß


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 12.11.2013 - 3 Ss OWi 1304/13) hat entschieden:
Die Verurteilung wegen einer (bedingt) vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit darf nicht ausschließlich mit der verkehrsrechtlichen Vorahndungssituation des Betroffenen begründet werden. Erforderlich sind darüber hinaus vielmehr wenigstens ergänzende Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung sowie im Einzelfall gegebenenfalls zu weiteren indiziell beweisrelevanten Umständen.


Siehe auch Zur Annahme von Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der innerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG) außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV verhängt. Mit seiner gegen diese Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.


II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hat - mit Ausnahme der Schuldform - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Der Senat nimmt insoweit zur näheren Begründung auf die in jeder Hinsicht zutreffende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift vom 27.09.2013 Bezug.

Demgegenüber konnte der Schuldspruch – worauf ebenfalls schon die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht mit Recht hinweist – keinen Bestand haben, soweit das Amtsgericht „aufgrund der Gesamtkonstellation, insbesondere der vielen einschlägigen Vorahndungen des Betroffenen, von einer bewussten Geschwindigkeitsübertretung“ ausgeht, weshalb „es [...] sich nicht mehr um einen Fall von Fahrlässigkeit aufgrund von Unaufmerksamkeit“ handele, sondern bei dem durch mehrere vorherige Verfahren vorgewarnten Betroffenen um eine billigende Inkaufnahme der Geschwindigkeitsüberschreitung“. Denn das Amtsgericht hat die Annahme eines Tatvorsatzes des seine Fahrereigenschaft einräumenden Betroffenen mit dieser Begründung ausschließlich mit der verkehrsrechtlichen Vorahndungssituation des Betroffenen und nicht etwa – wenigstens ergänzend – mit der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung begründet, zumal auch sonst nicht erläutert wird, durch welche weiteren und gegebenenfalls indiziell beweisrelevanten Umstände (z.B. Anlass der Fahrt, beabsichtigte Fahrtstrecke, Fahrtdauer, Ortskunde des Betroffenen, konkrete Fahrbahnbeschaffenheit und Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnissen, Beschilderung, etwaige räumliche Staffelung der Geschwindigkeitsbeschränkung, besondere Hinweisschilder z.B. auf Gefahrenlagen, Aufstellungsort des Geschwindigkeitsmessgeräts, Fahrpraxis und Erfahrung des Betroffenen im Umgang mit dem zur Tatzeit geführten Fahrzeug) die bezeichnete „Gesamtkonstellation“ zusätzlich charakterisiert sein könnte. Hinzu kommt, dass sich das Amtsgericht nicht in der gebotenen Weise mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen auseinander gesetzt hat (für Abstandsverstöße siehe OLG Bamberg DAR 2010, 708 = zfs 2011, 50 = OLGSt StPO § 267 Nr. 23 = VRR 2010, 472 [Gieg]; zur Gesamtproblematik Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 1589 ff. mit zahlr. weit. Nachw. aus der Rspr.). Denn soweit es von einer „bewussten“ Geschwindigkeitsüberschreitung ausgeht, ist dies mit der noch innerhalb desselben Absatzes getroffenen Annahme eines bloßen Eventualvorsatzes unvereinbar. Die Ansicht des Amtsgerichts führte schließlich zu dem nicht haltbaren Resultat, dass bei vergleichbaren oder schwerwiegenderen verkehrsrechtlichen Vorahndungslagen stets allein deshalb von Tatvorsatz auszugehen wäre.


III.

Der Senat kann in der Sache - wie aus Ziffer I. des Beschlusstenors ersichtlich - selbst entscheiden, so dass es einer Zurückverweisung an das Amtsgericht nicht mehr bedarf. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass erhebliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden können, welche die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise rechtfertigen könnten.

Aber auch wegen des Rechtsfolgenausspruchs ist eine Zurückverweisung entbehrlich. Denn die vom Amtsgericht – wenn auch mit anderer Begründung (vgl. § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV) – vorgenommene Verdoppelung des an sich nach lfd. Nr. 11.3.4 der Tabelle 1c zum BKat verwirkten Regelsatzes von 80 Euro auf 160 Euro erscheint dem Senat hier nämlich schon aufgrund der auffällig dichten zeitlichen Abfolge des nunmehr bereits 3. bußgeldrechtlichen Verstoßes seit Juni 2012 geboten. Aus dem gleichen Grund muss es auch bei dem Fahrverbot wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG) außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV verbleiben (zu den Voraussetzungen rechtsgrundsätzlich: OLG Bamberg NJW 2007 3655 f. = zfs 2007, 707 f. = NZV 2008, 152 f. = DAR 2008, 152 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 39 und OLG Bamberg OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = VRR 2007, 318 f. [Deutscher]; vgl. auch OLG Bamberg DAR 2010, 98 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47; DAR 2011, 399 f. und zuletzt neben DAR 2012, 152 ff. Beschluss des Senats vom 23.11.2012 – 3 Ss OWi 1576/12 = DAR 2013, 213 f. = VerkMitt. 2013, Nr. 21 = zfs 2013, 350 ff. 213 f., jeweils m.w.N.). Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen, oder Anhaltspunkte für die Annahme, der Zweck des Fahrverbots könnte allein mit einer erhöhten Geldbuße erreicht werden, sind nicht ersichtlich.


IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.