Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 07.01.2015 - 7 L 2037/14 - Nachweis von fehlendem Trennvermögen

VG Gelsenkirchen v. 07.01.2015: Nachweis von fehlendem Trennvermögen zwischen Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 07.01.2015 - 7 L 2037/14) hat entschieden:
Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss wird bewiesen, dass zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht getrennt werden kann.


Siehe auch Nachweis von fehlendem Trennvermögen zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme - auch durch den aktiven THC-Wert und Stichwörter zum Thema Cannabis


Gründe:

Der sinngemäß gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2014 wiederherzustellen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit im Ergebnis rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie im Ergebnis folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Antragsvorbringen folgendes auszuführen: Maßgebend ist im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller am ... . N. 2014 gegen 16:10 Uhr ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss im Straßenverkehr geführt hat. Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des chemisch-​toxikologischen Gutachtens des Labors L. vom ... . B. 2014 festgestellte THC-​Wert von 3,9 µg/l übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/ml erheblich und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend, ohne dass es des Nachweises konkreter Ausfallerscheinungen bedarf.
Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.
Durch das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss hat der Antragsteller bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Dezember 2003 - 19 B 2493/03 -, 7. Februar 2006 - 16 B 1392/05 -, 9. Juli 2007 - 16 B 907/07 - und 1. August 2007 - 16 B 908/07.
Der Antragsteller ist zudem gelegentlicher Cannabiskonsument. Dies ergibt sich bereits aus seiner eindeutigen Angabe gegenüber den Polizeibeamten am Vorfallstag, ab und zu, wenn er Stress habe, mal einen Joint zu rauchen. Auch im vorliegenden Antragsverfahren ist die Rede von einem "eher einmaligen Vorfall", einem "sehr geringen und allenfalls sporadischen" und "- wenn überhaupt - ausnahmsweise gelegentlichen Cannabiskonsum". Wenn der Antragsteller nunmehr vorträgt, am Tag vor dem Vorfall, also am ... ... . N. 2014, eine geringe Menge Cannabis zu sich genommen zu haben, wobei es sich um einen eher einmaligen Vorgang gehandelt habe, so ist dies als Schutzbehauptung zu werten. Denn die gemessene THC-​Konzentration für die am Tattag um 16:50 Uhr entnommene Blutprobe weist deutlich darauf hin, dass der letzte Konsum nur wenige Stunden zuvor gewesen ist, da die Nachweisbarkeitsdauer von THC im Blutserum im Fachschrifttum nach einem Einzelkonsum mit vier bis sechs Stunden angegeben wird und nur in Fällen von wiederholtem oder regelmäßigem Konsum sich diese Zeitspanne erhöhen kann.
Vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-​Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl., S. 178; vgl. auch: Berghaus/Krüger, Cannabis im Straßenverkehr, 1. Aufl., Kap. 10.2.4., S. 157 ff.
Der für den Abend zuvor eingeräumte Cannabiskonsum kann somit nicht ursächlich für den nachgewiesenen THC-​Wert gewesen sein. Der Kläger muss entweder auch am Tattag oder ohnehin (mindestens) wiederholt Cannabis konsumiert haben.

Der gemessene THC-​COOH-​Wert von 22 µ/l ist in diesem Zusammenhang nicht aussagekräftig. Der Vortrag des Antragstellers, in der Regel sei die Fahrerlaubnis erst ab einen THC-​COOH-​Wert von 150 ng/ml zu entziehen, steht nicht in Übereinstimmung mit den Regelungen der Fahrerlaubnis-​Verordnung. Diese unterscheidet in der Anlage 4 zwischen einem regelmäßigen Cannabiskonsum, der stets zur Ungeeignetheit führt (Nr. 9.2.1) und für den nach der Fachliteratur ein THC-​COOH-​Wert ab 150 ng/ml spricht, und einem gelegentlichen Konsum, bei dem der Betroffene nur bei Hinzutreten weiterer Umstände wie z.B. vorliegend dem fehlenden Trennungsvermögen als ungeeignet anzusehen ist (Nr. 9.2.2).

Bei feststehender Ungeeignetheit steht der Antragsgegnerin kein Ermessen zu. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Zudem ergibt auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung, dass das Interesse des Antragstellers daran, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, hinter dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung zurückstehen muss. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller sind vergleichsweise gering. Ihnen steht das öffentliche Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern gegenüber, das eindeutig überwiegt.

Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, den insoweit erforderlichen Nachweis, dass er nunmehr zwischen Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen kann, in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-​psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-​Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, nrwe.de/juris.



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