Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Mainz Beschluss vom 05.01.2016 - 3 L 1528/15 - Entzug der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung wegen Straftaten

VG Mainz v. 05.01.2016: Zum Entzug der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung wegen Straftaten


Das Verwaltungsgericht Mainz (Beschluss vom 05.01.2016 - 3 L 1528/15.MZ) hat entschieden:
Ein Taxifahrer, der im Zusammenhang mit der Ausübung des Personenbeförderungsgewerbes wiederholt strafrechtlich in Erscheinung tritt (u.a. vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines Fahrgastes), bietet nicht die Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen; ihm ist zwingend die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zu entziehen.


Siehe auch P-Schein / Personenbeförderungsschein - Taxischein und Personenbeförderung - Fahrgastbeförderung - Personenbeförderungsschein


Gründe:

Der Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung seines am 9. Dezember 2015 erhobenen Widerspruchs gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2015 für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung wiederherzustellen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn insoweit ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Entziehungsbescheid der Antragsgegnerin offensichtlich rechtmäßig ist. Unter diesen Umständen gebührt dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. März 1986 – 1 B 14/86 –, NVwZ 1987, 240).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Sinn der Begründungspflicht ist es, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führt und sie veranlasst wird, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse die Anordnung des Sofortvollzugs erfordert (vgl. VGH BW, Beschluss vom 24. Juni 2002 – 10 S 985/02 –, NZV 2002, 580; OVG NW, Beschluss vom 22. Januar 2001 – 19 B 1757/00 –, NZV 2001, 396; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rn. 741 m.w.N.). Dieser „Selbstkontrolle“ wird die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs gerecht. So decken sich im Fahrerlaubnisrecht häufig – und das gilt auch hier – die Gründe für den Erlass der vom Gesetzgeber zwingend geforderten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Wegfalls der Voraussetzungen für deren Erteilung weitestgehend mit den Gründen für deren sofortige Durchsetzung. Ungeachtet dessen hat die Antragsgegnerin zur Begründung des Sofortvollzugs ausgeführt, der Antragsteller biete nicht (mehr) die Gewähr, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werde. Da von ihm im Rahmen der Personenbeförderung eine latente Gefahr für Leib und Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgehe, die insbesondere den Fahrgästen gegenüber nicht zumutbar sei, gebiete es der Schutz von Leben und Gesundheit, ihn unverzüglich von der aktiven gewerblichen Personenbeförderung auszuschließen. Insoweit überwiege das Interesse der Allgemeinheit, insbesondere der Schutz der Fahrgäste, das Interesse des Antragstellers an der motorisierten gewerblichen Teilnahme am Straßenverkehr. Dies genügt angesichts der hohen Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs in formaler Hinsicht dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs hingegen in inhaltlicher Hinsicht trägt, ist keine Frage des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern des ebenfalls erforderlichen besonderen Vollzugsinteresses.

Der Bescheid vom 3. Dezember 2015 erweist sich in der Sache als offensichtlich rechtmäßig, sodass die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung keinen Anlass gibt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.

Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheids enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ist § 48 Abs. 10 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-​Verordnung – FeV). Nach dieser Vorschrift ist die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zu entziehen, wenn eine der Erteilungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 4 FeV fehlt. Zu den aus § 48 Abs. 4 FeV ersichtlichen Voraussetzungen gehört, dass der Fahrerlaubnisinhaber die Gewähr dafür bietet, der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht zu werden (§ 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV). Insoweit gelten hinsichtlich der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gegenüber sonstigen Fahrerlaubnissen gesteigerte Eignungsanforderungen (vgl. (BayVGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 11 CE 15.1556 –, juris Rn. 12).

Mit der „besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen“ stellt die Fahrerlaubnisverordnung auf die erforderliche große persönliche Zuverlässigkeit eines Taxifahrers ab, die neben seiner fahrerischen Eignung gegeben sein muss. Zwischen dem Inhaber der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und seinen Fahrgästen besteht in Bezug auf deren ordnungsgemäße Beförderung ein besonderes Vertrauensverhältnis, das neben der Eignung zum Führen von Fahrzeugen eine hohe Vertrauenswürdigkeit des Taxifahrers verlangt. Diese Vertrauenswürdigkeit beschränkt sich nicht auf die unmittelbaren Transportaufgaben des Taxifahrers wie Ortskenntnis, autofahrerisches Können und Beachtung der Verkehrsvorschriften. Vielmehr umfasst sie unzweifelhaft auch weitere Umstände des Verhältnisses zwischen Taxifahrer und Fahrgast, so die Sicherheit des Fahrgastes vor Straftaten und Belästigungen durch den Taxifahrer. Denn gerade bei einer Taxifahrt befinden sich oftmals nur der Taxifahrer und sein Fahrgast im Fahrzeug, sodass der Fahrgast keinen unmittelbaren Schutz durch Dritte erhalten kann. Vielfach ist der Fahrgast ortsfremd, jedenfalls aber mit der Streckenführung nicht vertraut und damit dem Taxifahrer in besonderer Weise ausgeliefert. Ferner finden Taxifahrten auch zur Nachtzeit und in menschenleeren Gebieten statt. Dabei hat allein der Taxifahrer die Gewalt über das Fahrzeug und manche Fahrgäste können nicht einmal Auto fahren. Zudem benutzen gerade hilfsbedürftige Personen, insbesondere ältere Menschen, Gebrechliche und Kranke, sehr junge Menschen oder durch Übermüdung oder Alkoholgenuss eingeschränkte Personen das Taxi, die noch leichter als andere das Opfer von Straftaten oder Belästigungen werden können. Gerade sie müssen sich darauf verlassen können, in einem Taxi sicher und problemlos zum Fahrziel zu gelangen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 12. März 2012 – 15 E 518/12 –, juris Rn. 23. f. m.w.N.).

Ob der Bewerber um eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und der Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis die Gewähr dafür bieten, der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht zu werden, richtet sich nach einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen anhand aller bekannten verwertbaren Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verkehrsrechtlicher und nichtverkehrsrechtlicher Art sowie sonstiger aktenkundig gewordener Vorkommnisse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1986 – 7 B 19/86 –, NJW 1986, 2779 = juris Rn. 3; OVG NW, Urteil vom 21. März 2014 – 16 A 730/13 –, juris Rn. 20). Hierbei kann insbesondere – wie auch im Zusammenhang mit der allgemeinen Fahreignung – auch auf Kenntnisse über strafrechtlich nicht rechtskräftig festgestellte und gegebenenfalls sanktionierte Handlungen zurückgegriffen werden. Dem steht insbesondere nicht § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV entgegen. Zwar ist nach dieser Bestimmung vorgesehen, dass das Erfordernis des Gewährbietens durch die Vorlage eines (erweiterten) Führungszeugnisses – genauer: durch die Beantragung der Vorlage eines solchen Zeugnisses bei der registerführenden Stelle – nachzuweisen ist. Obwohl ein Zeugnis nach § 30 Abs. 5 Satz 1 BZRG im Grundsatz nur rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen (§ 4 BZRG) sowie damit im Zusammenhang stehende oder vergleichbare Entscheidungen (vgl. im Einzelnen § 32 BZRG) enthält, kann daraus nicht geschlossen werden, dass nur noch die Inhalte des Führungszeugnisses nach § 30 Abs. 5 Satz 1 BZRG bei der Beurteilung des Gewährbietens besonderer Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen herangezogen werden können. Denn die Notwendigkeit des Zugänglichmachens eines Führungszeugnisses soll ersichtlich nur dazu dienen, auf einfache und verlässliche Weise das Gewährbieten im Sinne von § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV zu überprüfen bzw. nachzuweisen. Eine Sperrwirkung dergestalt, dass nur der Inhalt eines (erweiterten) Führungszeugnisses in die Prüfung des Merkmals des Gewährbietens einfließen darf, ist damit nicht verbunden (vgl. OVG NW, Urteil vom 21. März 2014, a.a.O. = juris Rn. 24).

Bei Verfehlungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Personenbeförderung stehen, kommt es darauf an, ob sie Charaktereigenschaften offenbaren, die sich auch bei der gewerblichen Beförderung zum Schaden der Fahrgäste auswirken können. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Verfehlungen bei oder während der Personenbeförderung begangen worden sind. Die Gewähr für die Wahrnehmung der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen fehlt im Hinblick auf die zu treffende Prognose bereits dann, wenn Tatsachen vorliegen, welche die ernsthafte Befürchtung rechtfertigen, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung die besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderung ihm anvertrauter Personen obliegen, künftig missachten werde (vgl. OVG Berlin-​Brandenburg, Urteil vom 15. April 2009 – OVG 1 S 172.08 –, juris Rn. 6 m.w.N.). Aus der uneingeschränkten Bezugnahme auf § 48 Abs. 4 FeV folgt, dass bereits die auf Tatsachen gestützte Besorgnis an der persönlichen Zuverlässigkeit zur Entziehung zwingen; ein zweifelsfreier Nachweis der Unzuverlässigkeit ist nicht erforderlich (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 22. Juni 2004 – 1 W 23/04 –, juris Rn 8; OVG NW, Beschluss vom 25. August 1998 – 19 A 3812/98 –, NZW 1999, 55 = juris Rn. 12; VG München, Beschluss vom 28. April 2005 – M 6b S 05.1188 –, juris Rn. 49 m.w.N.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage 2013, § 48 FeV Rn. 26).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen ist die von der Antragsgegnerin getroffene Prognose nicht zu beanstanden, der Antragsteller biete nach seiner Gesamtpersönlichkeit nicht mehr die Gewähr dafür, den besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderung ihm anvertrauter Personen obliegen, gerecht zu werden. Insoweit ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit der Ausübung des Beförderungsgewerbes mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. So wurde er durch Urteil des Landgerichts M. vom 14. April 2015 u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren – ausgesetzt zu einer dreijährigen Bewährung – verurteilt. Der Verurteilung lag ausweislich der rechtskräftigen Feststellungen in dem Urteil zugrunde, dass der Antragsteller im Anschluss an eine abgebrochene Beförderungsfahrt einem Fahrgast gegen den Körper trat, dass dieser ungebremst mit dem Kopf auf dem Straßenboden aufschlug und hierdurch schwere (konkret lebensgefährliche) Kopfverletzungen erlitt, die zu andauernden Beeinträchtigungen u.a. des Sehvermögens und Verlust des Geruchssinns führten. Im Rahmen seiner Feststellungen führte das Gericht des Weiteren aus, dass sich der Antragsteller geweigert habe, dem Fahrgast das Rückgeld auszuhändigen, und er – obwohl der Fahrgast nach dem Treten regungslos auf dem Boden gelegen habe – mit seinem Fahrzeug den Tatort verlassen habe. Des Weiteren war gegen den Antragsteller im Zusammenhang mit einer weiteren Beförderungsfahrt ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 StGB) eingeleitet worden; dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft M. nach § 154 StPO im Hinblick auf das vorstehende Urteil des Landgerichts M. mit der Begründung eingestellt, dass von der Anklageerhebung abgesehen werden könne, wenn die zu erwartende Strafe gegenüber einer wegen einer anderen Tat verhängten oder zu erwartenden Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht falle. Schließlich wurde der Antragsteller durch Urteil des Amtsgerichts M. vom 14. April 2011 wegen Beleidigung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz eines verbotenen Gegenstandes nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe verurteilt; dieser Verurteilung lag u.a. zugrunde, dass er in seinem Taxi ein Pfefferspray und damit einen verbotenen Gegenstand im Sinne von § 2 Abs. 3 des Waffengesetzes – WaffG – i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Ziffer 1.3.5 mit sich führte.

Bereits diese sämtlich im Zusammenhang mit der Ausübung des Beförderungsgewerbes aufgetretenen Vorfälle rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsteller nicht die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird. Insbesondere Straftaten der vorsätzlichen Körperverletzung geben Grund zur Befürchtung, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung in Konfliktlagen, wie sie im Berufsalltag eines Taxifahrers häufig auftreten können, nicht situationsangemessen zu reagieren vermag. Die Forderung nach besonnenem und gelassenem Verhalten eines Taxifahrers gerade in schwierigen Situationen dient vor allem dem Schutz der Fahrgäste, die durch aggressives und unbeherrschtes Vorgehen des Fahrers in Gefahr geraten können (vgl. BayVGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 11 CE 15.1556 –, juris Rn. 12 m.w.N.), und zwar nicht nur dann, wenn dieser sich durch den Fahrgast provoziert fühlt, sondern auch durch gefährliches Fahrverhalten, wenn ein Taxifahrer sich von einem dritten Verkehrsteilnehmer provozieren lässt. Aggressives Verhalten, wie der Antragsteller es in hohem Maße gezeigt hat, zumal in einer Situation mit unmittelbarem Bezug zur entgeltlichen Fahrgastbeförderung, gibt somit sehr wohl Anlass zu Zweifeln an der Eignung bzw. daran, ob er die Gewähr dafür bietet, Fahrgäste nicht zu gefährden und den besonderen Anforderungen bei der Personenbeförderung gerecht zu werden (vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 – 11 C 11.2099 – juris Rn. 18 und vom 6. März 2008 – 11 CE 07.1765 –, juris Rn. 15). Dies gilt umso mehr angesichts seines Verhaltens nach Begehung der zur Verurteilung führenden vorsätzlichen Körperverletzung. Hinzu kommt, dass die Weigerung des Antragstellers, dem Fahrgast das Rückgeld auszuhändigen, den Schluss zulässt, er werde auch in Zukunft den ihm als Taxifahrer obliegenden Verpflichtungen – zu denen auch die ordnungsgemäße Abrechnung des Fahrentgelts gehört – zum Schaden seiner Fahrgäste nicht nachkommen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht die erforderliche Gewähr im Sinne von § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV bietet, ergeben sich darüber hinaus auch aus dem Umstand, dass er im Rahmen der im Jahr 2011 angeordneten medizinisch-​psychologischen Untersuchung vorsätzlich falsche Angaben zu seinem Verhalten gemacht hat. Dies folgt daraus, dass er im Rahmen des Explorationsgesprächs auf die Frage nach weiteren laufenden Verfahren bzw. noch nicht aktenkundigen Delikten angab, es sei seit Wiederaufnahme der Personenbeförderung im April 2011 nicht mehr passiert und er wolle die Wahrheit sagen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt (8. Dezember 2011) die der Verurteilung durch das Landgericht zugrundeliegende vorsätzliche Körperverletzung begangen hatte und darüber hinaus an mehreren, im Zeitpunkt der Begutachtung noch nicht aktenkundigen Wohnungseinbruchsdiebstählen beteiligt war. In Anbetracht dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin aus dem Verschweigen für die Begutachtung relevanter Sachverhalte bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit den Schluss auf eine fehlende charakterliche Eignung des Antragstellers zieht.

Dem gegenüber vermögen die Einwände des Antragstellers nicht durchzugreifen. Soweit er geltend macht, bei den im Urteil des Landgerichts festgestellten Rechtsverstößen handele es sich nicht um sogenannte schwere Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Berufszugangsverordnung für den Straßenverkehr – PBZugV –, da es sich bei den Straftatbeständen der Körperverletzung und des Wohnungseinbruchsdiebstahls nicht um Verbrechen, sondern lediglich um Vergehen nach dem Strafgesetzbuch handele, übersieht er, dass § 1 PBZugV nach seinem Wortlaut lediglich die Unzuverlässigkeit im Sinne des Personenbeförderungsrechts, nicht aber die Ungeeignetheit im Sinne des Fahrerlaubnisrechts (§ 48 FeV) zum Gegenstand hat. Überdies kommt es auch für die Beurteilung eines schweren Verstoßes im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBZugV nicht auf die allgemeine strafrechtliche Kategoriebildung – ähnlich der Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen gemäß § 12 StGB – an (OVG Hamburg, Beschluss vom 15. September 2008 – 3 Bs 26/08 –, VRS 115, 223 = juris Rn. 4; VG Hamburg, Urteil vom 28. Mai 2015 – 5 K 859/15 –, juris Rn. 30). Auch die vom Antragsteller versuchte Relativierung des Deliktsunrechts – Mitverschulden des verletzten Fahrtgastes, kein finanzieller Schaden der betroffenen Wohnungsinhaber durch seinen Tatbeitrag als Mittäter – rechtfertigt keine andere Bewertung seiner Zuverlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV. Für deren Beurteilung durfte die Antragsgegnerin allein darauf abstellen, dass der Antragsteller – insbesondere auch gegenüber Fahrgästen – wiederholt straffällig geworden ist und damit Charaktereigenschaften offenbart, die die Allgemeinheit gefährden und sich auch bei der gewerblichen Beförderung zum Schaden von Fahrgästen auswirken können.

Auch der Einwand, die in dem Urteil des Landgerichts abgeurteilten Straftaten lägen über vier Jahre zurück, ohne dass der Antragsteller zwischenzeitlich strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, greift nicht durch. Soweit er hieraus eine Art Verwertungsverbot zu konstruieren versucht, ist dem entgegen zu halten, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei der Prognose darüber, ob ein Fahrerlaubnisinhaber die nach § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV erforderliche Zuverlässigkeit bietet, auf alle Erkenntnisquellen zurückgreifen und deren Inhalt berücksichtigen darf, die Rückschlüsse hierauf zulassen. Hierzu gehören auch die Eintragungen im Bundeszentralregister, die – solange sie noch nicht tilgungsreif sind – wie auch in anderen Fällen herangezogen werden dürfen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 2. März 2007 – 1 Bs 340/06 –, GewArch 2007, 253 = juris Rn. 3 [zur Unzuverlässigkeit im Sinne des Personenbeförderungsrechts]; VG Mainz, Urteil vom 3. Juni 2009 – 3 K 1046/08.MZ –, VVR 2009, 316 = juris Rn. 20 [zu Eintragungen im Verkehrszentralregister]). Lediglich die Berücksichtigung bereits aus dem Bundeszentralregister getilgter oder tilgungsreifer Eintragungen sowie möglicherweise solcher Eintragungen, die gemäß § 32 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes – BZRG nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind (in diese Richtung tendierend OVG Hamburg, Beschlüsse vom 3. November 2011 – 3 Bs 182/11 –, GewArch 2012, 251 = juris Rn. 11, und vom 15. September 2008, a.a.O. Rn. 4) ist der Fahrerlaubnisbehörde verwehrt. Hiergegen ist angesichts dessen, dass es sich bei dem Fahrerlaubnisrecht um Recht der Gefahrenabwehr handelt und demgemäß eine in die Zukunft gerichtete Prognose anzustellen ist, nichts zu erinnern. Hiervon ausgehend durfte die Antragsgegnerin bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV die Verurteilung des Klägers durch das Landgericht M. zugrunde legen, denn deren Tilgungsfrist beträgt gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG 15 Jahre. Ungeachtet dessen ließe aber auch der Umstand, dass die der Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung zugrunde liegende Tat rund vier Jahre und der dem Ermittlungsverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zugrunde liegende Vorfall rund drei Jahre zurückliegen, keine andere Bewertung zu. Angesichts des Gewichts der Straftaten (insbesondere des besonders aggressiven Verhaltens des Antragstellers im Zusammenhang mit der vorsätzlichen Körperverletzung) und der Abfolge mehrerer Straftaten – gerade auch im Zusammenhang mit der Fahrgastbeförderung – reicht der seither vergangene Zeitraum nicht aus, ernsthafte Befürchtungen hinsichtlich der persönlicher Zuverlässigkeit des Antragsteller mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen.

Ferner lässt auch der Umstand, dass das Landgericht in seinem Urteil dem Antragsteller eine günstige Sozialprognose ausgestellt hat, Rechtsfehler bei der Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin nicht erkennen. Die landgerichtlichen Überlegungen sind im Rahmen der Strafzumessung bei der Entscheidung darüber, welche Strafe schuld- und tatangemessen ist und ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, angestellt worden und orientieren sich an den Grundsätzen der § 46 und § 56 Abs. 1 StGB. Diesen liegt eine andere Zielrichtung zugrunde als der dem Gefahren- und Sicherheitsrecht zuzuordnenden fahrerlaubnisrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung. Nicht außer Acht gelassen werden darf ferner, dass sich die vom Landgericht ausgestellte Sozialprogose auf einen Zeitraum bezieht, in dem der Antragsteller aufgrund der noch nicht rechtskräftigen Aburteilung der Straftaten sogar mit einer höheren Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung zu rechnen hatte, und er demgemäß ein Interesse daran haben musste, durch sein Verhalten auf eine positive Strafbewertung einzuwirken. Außerdem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller derzeit noch unter Bewährung steht, da das Landgericht M. mit Beschluss vom 14. April 2015 die verhängte Freiheitsstrafe für einen Zeitraum von 3 Jahren zur Bewährung ausgesetzt hat. Eine für den Antragsteller günstige Prognoseentscheidung, die geeignet ist, die Bedenken hinsichtlich der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen auszuräumen, könnte daher allenfalls erst nach erfolgreichem Ablauf der Bewährungszeit getroffen werden (vgl. VG Aachen, Urteil vom 28. Juni 2011 – 2 K 1952/10 –, juris Rn. 27).

Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin vor der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nicht die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens angeordnet hat. Zwar finden nach § 48 Abs. 9 Satz 1 FeV die §§ 11 bis 14 Anwendung, wenn Tatsachen Zweifel u.a. an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen des Inhabers der Fahrerlaubnis begründen. In diesem Fall kann die Fahrerlaubnisbehörde auch die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens anordnen (§ 48 Abs. 9 Satz 3, § 48 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 und Abs. 1 Satz 4 FeV). Von der Beibringung eines solchen Gutachtens ist gemäß § 11 Abs. 7 FeV jedoch dann abzusehen, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Dies erfordert, dass aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachenbasis für die Fahrerlaubnisbehörde keine Zweifel an der fehlenden Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen bestehen (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 12. März 2012 – 15 E 518/12 –, juris, Rn. 31). Dies ist angesichts der vorstehenden Ausführungen der Fall; angesichts der der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachenbasis ist es auch zur Überzeugung der Kammer nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Überzeugung gewonnen hat, der Antragsteller erfülle nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV.

Bietet der Antragsteller mithin nicht die Gewähr dafür, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird, fehlt es an der für die Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zwingend erforderlichen Voraussetzung des § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV mit der Folge, dass ihm diese Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist.

Bei dieser Sachlage überwiegt das Interesse der Allgemeinheit am sofortigen Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Das Erfordernis, Gewähr dafür zu bieten, der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht zu werden, ist zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt. Ein solches wichtiges Rechtsgut der Gemeinschaft ist es, Fahrgäste, die gerade im gewerblichen Personenbeförderungsverkehr in besonderem Maße dem Führer des Fahrzeugs ausgeliefert sind und darauf vertrauen müssen, dass seine persönliche Zuverlässigkeit keinerlei Zweifel begegnet, insbesondere vor dessen körperlichen Übergriffen soweit wie möglich zu schützen (vgl. VG München, Beschluss vom 9. Mai 2000 – M 6b S 00.1582 –, juris Rn. 24). Die Antragsgegnerin musste im Rahmen ihrer Interessenabwägung auch nicht den Umstand besonders gewichten, dass der Antragsteller zur Berufsausübung als Taxifahrer auf die Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung angewiesen ist. Im Hinblick auf den mit der Voraussetzung des § 48 Abs. 4 Nr. 2 a FeV verbundenen Schutz der Allgemeinheit müssen berufliche und wirtschaftliche Nachteile, die sich für den Fahrerlaubnisinhaber aus der Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ergeben, in der Regel – so auch hier – hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Maßnahme zurücktreten (OVG Berlin-​Brandenburg, Beschluss vom 15. April 2009 – OVG 1 S 172.08 –, juris Rn. 10; OVG Saarland, Beschluss vom 22. Juni 2004 – 1 W 23/04 –, juris Rn. 13).

Die in Ziffer 2 der Verfügung enthaltene Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung des Führerscheins ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 10 Satz 3 FeV und ist zwingende Folge der Fahrerlaubnisentziehung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 und 46.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (LKRZ 2014, 169).