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Landgericht Mönchengladbach Urteil vom 26.05.2015 - 5 S 82/14 - Schätzung der Mietwagenkosten nach dem „Fraunhofer-Marktpreisspiegel“

LG Mönchengladbach v. 26.05.2015: Schätzung der Mietwagenkosten nach dem „Fraunhofer-Marktpreisspiegel“


Das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 26.05.2015 - 5 S 82/14) hat entschieden:
Die Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten ist gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung des „Fraunhofer-Marktpreisspiegels“ zu schätzen.


Siehe auch Der Unfallersatztarif und Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten


Gründe:

I.

Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht ein über den bereits gezahlten Betrag hinausgehender Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht zu. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 644,00 EUR befriedigt.

1. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Mietwagenkosten ist auf diejenigen Kosten beschränkt, die gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Behebung des Schadens erforderlich waren. Erforderlich in diesem Sinne ist der Herstellungsaufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Über die erforderlichen Kosten hinausgehende bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektiven Schadensbetrachtung nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstiger (Normal-) Tarif zugänglich war (BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11, OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az. 1 U 42/14).

Dies hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht in ausreichendem Umfang getan. Insofern ist zwar zutreffend, dass - anders als in dem durch das OLG Düsseldorf entschiedenen Fall - die Anmietung des Mietwagens unmittelbar nach dem Unfall an einem Sonntagabend erfolgte. Die Anmietung am Tag des Unfalls reicht jedoch nach ständiger Rechtsprechung der Kammer für sich genommen nicht aus, um davon auszugehen, dass ein günstigerer Tarif auf dem Markt nicht zugänglich war (vgl. Urteil der Kammer zu Az. 5 S 21/13). Ebenfalls nicht ausreichend ist es, dass die Klägerin vorträgt, dass ihr kein Alternativangebot zur Verfügung gestanden habe und ihr eine Vorfinanzierung bzw. die Hinterlegung einer Kreditkarte nicht zumutbar sowie möglich gewesen sei, da sie "hierauf nicht eingerichtet war" (Vortrag auf Bl. 140 d. A.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt es im Rahmen der Frage eines Aufschlags auf den Normaltarif dem Geschädigten, dazu vorzutragen, inwiefern ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war (BGH, Urteil v. 12.04.2011, VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947 m.w.N.). Der Geschädigte muss insbesondere vortragen, inwiefern es ihm nicht zumutbar möglich war, den Mietwagen vorzufinanzieren bzw. eine Kaution zu stellen (vgl. BGH, Urteil v. 06.03.2007, VI ZR 36/06, NJW 2007, 1676). Den Geschädigten trifft insofern - selbst dann, wenn man die Frage der Vorfinanzierung durch den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung und nicht dem der Schadenshöhe betrachtet (vgl. dazu BGH NJW 2013, 1870) - zumindest eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BGH NJW 2007, 1676; Kammer Az. 5 S 45/13). Dieser ist die Klägerin durch den pauschalen Vortrag, dass sie auf eine Vorfinanzierung "nicht eingerichtet war" nicht nachgekommen.

Es ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, dass die Klägerin behauptet, dass keine andere Anmietstation geöffnet gewesen sei, so dass es ihr bereits deshalb nicht möglich gewesen sei, ein Alternativangebot einzuholen. Die Klägerin hätte nämlich auch bei der von ihr gewählten Anmietstation die Anmietung eines günstigeren Mietwagens erwirken können. Ausweislich Bl. 148 d. A. hat die Klägerin einen Wagen gerade nicht zum Normaltarif angemietet, sondern zum so genannten "Service-Tarif zzgl. NK". Auf der Rückseite des Anmietformulars (vgl. Bl. 149 d. A.) findet sich auch der Hinweis, dass der - bewusst ausgewählte - Service-Tarif über dem "Normal-Tarif" liegt. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin im Rahmen dieses Formulars angekreuzt hat, die Anmietvoraussetzungen für den "Normaltarif" nicht erfüllen zu können, ergibt sich für das Gericht nicht, dass dies tatsächlich der Fall war. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zur Darlegungslast verwiesen.

2. Die Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten schätzt die Kammer gem. § 287 ZPO unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung unter Zugrundelegung des Fraunhofer-Marktpreisspiegels.

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten. Gleichwohl können in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden (BGH, Urteil v. 12. 4. 2011 − VI ZR 300/09, abgedr. in NJW 2011, 1947).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erachtet die Kammer die Schätzung unter Zugrundelegung des Fraunhofer-Marktpreisspiegels als sachgerecht. Die Kammer ist insofern der Ansicht, dass der Fraunhofer-Marktpreisspiegel die im Bezirk des Landgerichts Mönchengladbach zu zahlenden Mietwagenkosten realistisch abbildet. Insofern spricht für den Fraunhofer-Marktpreisspiegel als Schätzgrundlage - wie auch von dem Oberlandesgericht Düsseldorf im Rahmen seines Urteils vom 24.03.2015 angeführt - das Argument, dass die Befragungen durch das Fraunhofer-Institut anonym durchgeführt werden und dementsprechend eine reale Anmietsituation widerspiegeln. Dass die Studie durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) in Auftrag gegeben wurde, ändert nichts an der Eignung der erlangten Ergebnisse als Schätzgrundlage. Dieser Umstand wurde vom Fraunhofer Institut ebenso wie die angewandte Erhebungsmethode selbst offen gelegt. Hierbei lässt sich nicht erkennen, dass eine Bevorzugung der Versicherungswirtschaft stattgefunden hat. Die Seriosität der Forschungsergebnisse des Fraunhofer Instituts wird aufgrund der Beauftragung durch die Versicherungswirtschaft demnach nicht in Frage gestellt (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 21. 12. 2011 - 4 S 312/08, abgedr. in NZV 2012, 244).

3. Die erforderlichen Kosten sind anhand des Fraunhofer-Marktpreisspiegels zu schätzen und von den ermittelten ersatzfähigen Mietwagenkosten ein Abzug von 5 % aufgrund ersparter Eigenaufwendungen vorzunehmen, da die Klägerin ein Fahrzeug der gleichen Kategorie angemietet hat. Somit berechnet sich der Anspruch der Klägerin auf der Grundlage des Fraunhofer-Marktpreisspiegels 2013 (PLZ-Gebiet 41, Klasse 1, Mittelwert) wie folgt:
202,67 EUR/7 x15 434,29 EUR abzüglich 5 % (ersparte Eigenaufw.) = 412,57 EUR
Ein Aufschlag für Winterreifen ist nicht vorzunehmen, da ausweislich der Erläuterung im Fraunhofer-Marktpreisspiegel (vgl. Seite 3) die ermittelten Normaltarife eine an die Jahreszeit angepasste Bereifung bereits enthalten.

Entgegen der Annahme der Klägerin ist auch ein 20%-iger Aufschlag auf den Normaltarif nicht vorzunehmen, da hierfür kein Bedürfnis besteht und nicht ersichtlich ist, dass ein solcher Aufschlag erforderlich war.

Der Umstand, dass die Anmietung im konkreten Fall ohne "Vorlauf" erfolgte und das Fahrzeug sofort benötigt wurde, kann sich - nach den Ausführungen im Fraunhofer- Marktpreisspiegel - nur ganz unwesentlich auf den Mietpreis ausgewirkt haben. Im Rahmen der Statistik auf Seite 53 des Fraunhofer Marktpreisspiegels wurde ermittelt, dass der Mietpreis bei einer sofortigen Anmietung bei einer Mietdauer von 7 Tagen im Schnitt nur 2,9 % höher ist als bei einer Anmietung mit einem siebentägigen Vorlauf. Selbst bei Gewährung eines solchen Aufschlages im konkreten Fall würde weiterhin eine Überzahlung der Klägerin vorliegen, so dass ein Anspruch ihrerseits nicht besteht.

Aus dem gleichen Grund kann dahinstehen, ob ein Zuschlag im Hinblick auf etwaige Kosten für die Zustellung und Abholung sowie die Vermietung außerhalb der regulären Öffnungszeiten gerechtfertigt wäre, da auch bei Gewährung eines Zuschlages entsprechend der "Schwacke-Liste" eine Überzahlung vorläge (Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten 60 EUR, Zustellung/Abholung 46 EUR).

Die Beklagte hat bereits 644,00 EUR an die Klägerin geleistet. Bei Gewährung der geforderten Zuschläge ergäbe sich ein Anspruch in Höhe von 530,53 EUR. Es läge mithin weiterhin eine Überzahlung in Höhe von 113,47 EUR vor.

Auch der geltend gemachte Zuschlag für eine Vollkaskoversicherung ist nicht erstattungsfähig, da in dem "Normaltarif" gemäß dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel bereits eine Vollkaskoversicherung mit üblicher Selbstbeteiligung enthalten ist. Zwar handelt es sich hierbei nach den Angaben auf Seite 24 des Fraunhofer-Marktpreisspiegels um Kosten für eine Haftungsreduzierung mit einer Selbstbeteiligung die meist zwischen 750 und 950 EUR lag. Der Umstand, dass die Klägerin eine Selbstbeteiligung in Höhe von 550,00 EUR vereinbart hat, dürfte sich insofern jedoch aufgrund der geringen Differenz nicht auf die Höhe der Mietwagenkosten ausgewirkt haben. Zumindest rechtfertigt sich insofern keine Erhöhung, die die vorliegende Überzahlung überschreiten würde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und/oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 858,60 EUR festgesetzt.



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