Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Aachen Urteil vom 30.05.2016 - 2 K 37/14 - Fahrtenbuchauflage wegen nötigenden Verhaltens

VG Aachen v. 30.05.2016: Fahrtenbuchauflage wegen nötigenden Verhalten durch zu dichtes Auffahren


Das Verwaltungsgericht Aachen (Urteil vom 30.05.2016 - 2 K 37/14) hat entschieden:
Eine Fahrtenbuchauflage ist gerechtfertigt, wenn nicht nur gegen das Abstandsgebot des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO sowie das Rücksichtsnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, sondern auch der Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllt wird, indem durch sehr dichtes Auffahren bei hohem Verkehrsaufkommen der Geschädigte/Anzeigenerstatter rechtswidrig mit der Möglichkeit eines Auffahrunfalls und damit mit einer Sachbeschädigung sowie einer Gefahr für Leib bedroht, bedrängt und gefährdet wird.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage - Fahrtenbuch führen und Dauer der Fahrtenbuchauflage


Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von dem Beklagten angeordneten Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs als Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen ....

Bei dem Polizeipräsidium Düsseldorf wurde unter dem 8. April 2013 eine zuvor eingegangene Strafanzeige unter anderem wegen Nötigung im Straßenverkehr gegen den Fahrer des Fahrzeugs Opel Corsa B mit dem amtlichen Kennzeichen ... aufgenommen. Der Anzeigenerstatter gab an, am 4. April 2013 gegen 13.40 Uhr die Bundesautobahn (BAB) 46 in Richtung Neuss auf der linken Spur mit einer Geschwindigkeit von ca. 130-​140 km/h befahren zu haben. Auf der rechten Spur sei "Kolonnenverkehr" gewesen. In Höhe der Ausfahrt Kapellen habe sich ein roter Kleinwagen von hinten mit erheblich höherer Geschwindigkeit genähert und erst im letzten Moment abgebremst. Das Fahrzeug sei von diesem Zeitpunkt an mit deutlich zu geringem Sicherheitsabstand hinter ihm her gefahren und er habe im Rückspiegel nur noch einen Teil - zirka die Hälfte - der Motorhaube erkennen können. Ein Ausweichen auf die rechte Spur sei ihm nicht möglich gewesen, da keine ausreichende Lücke vorhanden gewesen sei. Er habe im weiteren Verlauf ferner zum einen verkehrsbedingt wegen einer Geschwindigkeitsbegrenzung und zum anderen wegen weiterer Fahrzeuge, die im Bereich der Auffahrt Neuss-​Holzheim auf die linke Spur ausscherten, abbremsen müssen. Er habe befürchtet, dass der Kleinwagen jederzeit auf sein Fahrzeug auffahre und es zu einem Unfall kommen würde. Der Kleinwagen sei bis zur Abfahrt Neuss am Kreuz Neuss-​West in diesem geringen Abstand hinter ihm geblieben (insgesamt zirka eine Strecke von fünf Kilometern). Erst als er in Richtung Neuss links abgebogen sei, habe er das Kennzeichen des Kleinwagens erkennen können. Bei dem Fahrer habe es sich um eine männliche Person im Alter von ca. 25-​35 Jahren mit sehr kurzgeschorenen Haaren gehandelt. Als Zeugen gab der Anzeigenerstatter seinen Stiefsohn an, der Beifahrer gewesen sei.

Das Polizeipräsidium Düsseldorf hörte den Stiefsohn als Zeugen schriftlich an. Dieser gab unter dem 22. April 2013 an, dass er sich mit seinem Stiefvater gegen 13.40 Uhr auf der BAB 46 zwischen Grevenbroich-​Kapellen und dem Autobahnkreuz Neuss-​West befunden habe, als er von seinem Stiefvater auf ein schnell und dicht auffahrendes Fahrzeug aufmerksam gemacht worden sei. Er habe sich umgedreht und aus der Heckscheibe heraus noch nicht einmal die Motorhaube des auffahrenden Fahrzeugs erkennen können. Der Fahrer habe keinerlei Maßnahmen getroffen, um zu ihrem Fahrzeug Abstand zu gewinnen. Diese Situation habe einige Minuten angedauert und aufgrund der hohen Verkehrslage sei es seinem Stiefvater nicht möglich gewesen, auf die rechte Fahrspur zu wechseln. Erst in Höhe des Autobahnkreuzes Neuss-​West sei das dichtfahrende Fahrzeug an ihnen vorbeigezogen und sie hätten das Kennzeichen erkennen können. Er könne sich nur noch an den kahlgeschorenen Kopf des Fahrers erinnern.

Das Polizeipräsidium Düsseldorf übersandte dem Kläger unter 8. April 2013 eine Zeugenanhörung zur Fahrerfeststellung. Nachdem die Zeugenanhörung unbeantwortet blieb, wandte sich das Polizeipräsidium Düsseldorf am 26. April 2013 an die Kreispolizeibehörde Heinsberg mit einem Ermittlungsersuchen zur Fahrerfeststellung und dem Hinweis, dass der Fahrzeughalter aufgrund seines Alters nicht als Fahrer in Betracht komme. Die Kreispolizeibehörde Heinsberg vernahm den Kläger am 14. Mai 2013 als Zeugen. Der Kläger berief sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass noch zwei Söhne (U... und T... C...) unter derselben Anschrift gemeldet waren. Nach einem Vergleich der Lichtbilder aus der Einwohnermeldeakte teilte die Kreispolizeibehörde Heinsberg dem Polizeipräsidium Düsseldorf unter dem 14. Mai 2013 mit, dass wegen der zum Kahlkopf rasierten Haare als möglicher Tatverdächtiger U... C...in Betracht komme.

Das Polizeipräsidium Düsseldorf übersandte U... C...unter dem 21. Mai 2013 einen Äußerungsbogen als Beschuldigter unter anderem mit dem Vorwurf der Nötigung im Straßenverkehr.

Nachdem der Vorgang an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben worden war und der Prozessbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht genommen hatte, teilte dieser mit, dass U... C...bestreite, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt geführt zu haben und beantragte, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf fertigte die Kreispolizeibehörde Heinsberg von dem Tatverdächtigen U... C...Lichtbilder an und führte mit dem Anzeigenerstatter und dem Zeugen eine Wahllichtbildvorlage durch. Diese konnten den Tatverdächtigen nicht wiedererkennen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf stellte daraufhin das Verfahren am 22. Oktober 2013 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) ein. Ferner übermittelte sie den Vorgang dem Beklagten zur Prüfung der Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage.

Der Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 11. November 2013 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der von ihm beabsichtigen Auferlegung eines Fahrtenbuchs. Der Kläger äußerte sich dazu nicht.

Mit Ordnungsverfügung vom 18. Dezember 2013 - zugestellt am 21. Dezember 2013 - legte der Beklagte dem Kläger die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... oder für ein anderes ersatzweise angeschafftes oder zukünftig zugelassenes Fahrzeug für die Dauer von 24 Monaten auf. Im Ermittlungsverfahren sei der verantwortliche Fahrzeugführer nicht benannt worden. Der Kläger habe von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Identität des verantwortlichen Fahrzeugführers bekannt sei. Ein Zeugnisverweigerungsrecht stehe ihm nämlich nur zu, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Angehörigen handele oder er sich selbst oder einen Angehörigen der Strafverfolgung aussetzen würde. Die Wahrnehmung des Zeugnisverweigerungsrechts stehe einer Fahrtenbuchauflage nicht entgegen. Aufgrund der Aussageverweigerung habe es keine Anhaltspunkte für Erfolg versprechende Ermittlungen gegeben und der verantwortliche Fahrzeugführer habe durch die ermittelnde Behörde nicht namhaft gemacht werden können. Es sei Sache des Halters, Angaben zu der Person des Fahrzeugführers zu machen. Ein Ermittlungsdefizit sei vorliegend nicht erkennbar. Die Zeitdauer eine Fahrtenbuchführung könne nach der Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes und somit anhand des Punktesystems nach der Fahrerlaubnisverordnung bemessen werden. Bei der vorliegenden Nötigung im Straßenverkehr handele es sich um einen erheblichen Verkehrsverstoß, der bereits mit 5 Punkten einzutragen gewesen wäre. Außerdem hätte dem verantwortlichen Fahrzeugführer der Entzug der Fahrerlaubnis gedroht. Aufgrund des schwerwiegenden Verkehrsverstoßes sei eine Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten gerechtfertigt.

Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und trägt vor, dass die dem Sohn des Klägers vorgeworfene Tat bzw. der vorgeworfene Verkehrsverstoß bestritten werde. Das Ermittlungsverfahren sei wegen fehlenden Tatverdachts nach § 170 StPO eingestellt worden. Es werde bestritten, dass es am 4. April 2013 überhaupt zu dem Vorfall gekommen sei, der dem Sohn des Klägers vorgeworfen werde. Bereits aus diesem Grund sei die Ordnungsverfügung rechtswidrig. Hilfsweise werde die Unverhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung mit Blick auf die Dauer der Fahrtenbuchauflage von 24 Monaten gerügt.

Es sei ferner zu berücksichtigen, dass es seit dem streitgegenständlichen Vorfall zu keinem Verkehrsverstoß bzw. zu ungeahndeten Verstößen mehr gekommen sei und die Fahrtenbuchauflage keine Sanktion des Halters darstelle. Bei der Fahrtenbuchauflage handele es sich um einen Dauerverwaltungsakt und ihr Zweck sei in den 24 Monaten nach ihrem Erlass am 18. Dezember 2013 - auch ohne Erfüllung der Fahrtenbuchauflage - bereits erreicht worden. Die Ordnungsverfügung liege im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits über 29 Monate zurück und der von der Fahrtenbuchauflage beabsichtigte spezialpräventive Zweck dürfte mittlerweile entfallen sein. Die Fahrtenbuchauflage sei insoweit nicht mehr verhältnismäßig, wenn der Halter Gewähr dafür geboten habe, dass keine Verkehrsverstöße mehr begangen wurden. Nach einer Zeitspanne von 29 Monaten (bzw. 36 Monaten nach dem streitgegenständlichen Verstoß) müsse neu beurteilt werden, ob noch ein Grund für den Erlass der Fahrtenbuchauflage bestehe, denn sonst müsse ein Fahrtenbuch noch im April 2018 wegen eines Verstoßes aus April 2013 geführt werden. Es handele sich insoweit um eine veränderte Sachlage, die bei der Überprüfung der Fahrtenbuchauflage als Dauerverwaltungsakt zu berücksichtigen sei. Schließlich habe sich mit der Änderung der Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung auch die Rechtslage und damit die Grundlage für die Bewertung des Verstoßes im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geändert.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 18. Dezember 2013 über die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und vertieft diese. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten.


Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid gemäß § 84 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entscheiden, weil dessen Voraussetzungen erfüllt sind und die Beteiligten vorher angehört worden sind.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 18. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die angeordnete Fahrtenbuchauflage, bei der es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt,
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 3. Februar 1989 - 7 B 18/890 - sowie Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13/14 - Rz. 12; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-​Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 28. April 1995 - 25 A 3935/93 - und vom 30. September 1996 - 25 A 6279/95 -, jeweils juris,
ist § 31 a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-​Zulassungs-​Ordnung (StVZO) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt:

Mit dem hier in Rede stehenden und von dem Kläger gehaltenen Fahrzeug wurde am 4. April 2013 gegen 13.40 Uhr auf der BAB 46 in Richtung Neuss auf der linken Fahrspur zwischen Grevenbroich-​Kapellen und dem Autobahnkreuz Neuss-​West eine versuchte Nötigung gemäß § 240 Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) begangen und zugleich gegen das Abstandsgebot gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO sowie das Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Angaben des Anzeigenerstatters und zugleich Geschädigten sowie seines Beifahrers als Zeugen. Diese haben übereinstimmend angegeben, dass sich das von dem Kläger gehaltene Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit schnell von hinten genähert habe und erst im letzten Moment abgebremst worden sei. Das Fahrzeug sei so dicht aufgefahren, dass höchstens noch die Hälfte der Motorhaube zu erkennen gewesen sei. Das Fahrzeug sei über eine Strecke von ca. fünf Kilometern in diesem Abstand geblieben und der Fahrer habe keine Maßnahmen zur Abstandsgewinnung unternommen. Der Anzeigenerstatter konnte seinen Angaben zufolge wegen des hohen Verkehrsaufkommens nicht nach rechts ausweichen und musste zudem gleichzeitig wegen weiterer nach links ausscherender Fahrzeuge in Höhe der Autobahnauffahrt und einer gleichzeitigen Geschwindigkeitsbegrenzung sein Fahrzeug abbremsen. Der Geschädigte befürchtete auf Grund des geringen Abstands ein jederzeitiges Auffahren des Fahrzeugs des Klägers bzw. einen unmittelbar bevorstehenden Unfall und fühlte sich persönlich durch das dichte Auffahren gefährdet.

Nach diesen Angaben wurde nicht nur gegen das Abstandsgebot des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO sowie das Rücksichtsnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, sondern auch der Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllt. Durch das sehr dichte Auffahren bei hohem Verkehrsaufkommen wurde der Geschädigte/Anzeigenerstatter rechtswidrig mit der Möglichkeit eines Auffahrunfalls und damit mit einer Sachbeschädigung sowie einer Gefahr für Leib und Leben bedroht und fühlte sich persönlich bedrängt und gefährdet. Ein Nötigungserfolg trat hier lediglich deshalb nicht ein, da dem Kläger ein Ausweichen auf die rechte Spur oder eine weitere Beschleunigung zur Abstandsgewinnung auf Grund des hohen Verkehrsaufkommens nicht möglich war.

Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Anzeigenerstatters und des Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat sich der Anzeigenerstatter bereits am nächsten Tag schriftlich an die Polizei gewandt und den Sachverhalt geschildert, den der Zeuge auf Grund eigener Wahrnehmungen bestätigt hat. Beide Personen konnten übereinstimmende Angaben zum Fahrzeug und Kennzeichen sowie zum ungefähren Alter und Aussehen des Fahrers machen. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum beide Personen falsche Verdächtigungen gegen eine ihnen unbekannte Person erheben sollten. Ebenso sind keine Hinweise dazu erkennbar, dass das von dem Kläger gehaltene Fahrzeug nicht an dem geschilderten Sachverhalt beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass die Tat durch ein anderes Fahrzeug begangen worden sein könnte, bestehen nicht. Insoweit ergeben sich auch keine Zweifel an der Beteiligung des Fahrzeugs aus den Angaben des Klägers, die sich auf das Bestreiten des Vorfalls bzw. der Beteiligung des Sohnes des Klägers an dem Vorfall beschränken. Bestreitet der Halter eines Fahrzeugs, der ein Fahrtenbuch führen soll, den begangenen Verkehrsverstoß als solchen, so muss er nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens im Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben, die sein Vorbringen plausibel erscheinen lassen, darlegen,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 8 A 3429/04 -, juris und Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, NJW 1995, 3335.
Schließlich steht auch der Umstand nicht entgegen, dass das eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Sohn des Klägers mangels eindeutiger Identifizierung als Fahrer des Fahrzeugs durch den Geschädigten und den Zeugen eingestellt wurde, da sich daraus keine Zweifel an deren Angaben zu der mit dem Fahrzeug des Klägers begangenen Straftat ergeben.

Die Feststellung des Fahrzeugführers war ferner im Anschluss an diese Zuwiderhandlung auch unmöglich i.S. des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Dies ist der Fall, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Maßnahmen gehört grundsätzlich auch, dass der Halter möglichst umgehend (im Regelfall innerhalb von zwei Wochen) von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77/74 -, DÖV 1979, 408 (410); Beschlüsse vom 25. Juni 1987 - 7 B 139/87 -, DAR 1987, 393 und vom 23. Dezember 1996 - 11 B 84/96 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, DAR 2006, 172.
Davon ist insbesondere in Fällen auszugehen, in denen nach den gegebenen Umständen erkennbar ist, dass auch eine frühere Ermittlung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter des Fahrzeugs ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist es Sache des Fahrzeughalters, zur Aufklärung eines mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes soweit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert,
vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 und vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, a.a.O. sowie Beschlüsse vom 10. Dezember 2007 - 8 B 1748/07 - S. 3. und 11. Januar 2008 - 8 B 1932/07 -.
Lehnt der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben,
vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77/74 -, DÖV 1979, 408 und 17. Dezember 1982 - 7 C 3/80 -, BayVBl. 1983, 310 sowie Beschlüsse vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162/87 -, NJW 1988, 1104 und vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113/93 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, a.a.O. und Beschluss vom 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -, juris.
Nach diesen Maßstäben ist ein Ermittlungsdefizit der Behörde, dass für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers ursächlich gewesen ist, nicht ersichtlich. Bereits das erste an den Kläger gerichtete polizeiliche Anhörungsschreiben als Zeugen, dessen Zugang nicht bestritten wurde, datiert vom 8. April 2013 und blieb unbeantwortet. Darüber hinaus wurde der Kläger dann mit Schreiben vom 3. Mai 2013 als Zeuge geladen und am 14. Mai 2013 vernommen, wobei er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berief. Auch wenn seitens des Klägers darauf hingewiesen wird, dass zu diesen Zeitpunkt der Vorfall schon über einen Monat zurücklag, hat der Kläger durch sein Verhalten im Ermittlungsverfahren zu erkennen gegeben, dass er nicht zu einer Mitwirkung an der Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit bereit gewesen ist. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass es ihm möglich war, den Fahrer zu benennen bzw. zumindest den Kreis der möglichen Fahrer weiter einzugrenzen. Denn nur dann war es ihm auch möglich, zu entscheiden, ob ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht für seine Person oder die Person eines engeren Verwandten/Verschwägerten oder Ehegatten überhaupt zusteht.

Der Halter eines Fahrzeugs kann auch nicht begehren, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er dieses Rechts zur Zeugnisverweigerung im Rahmen des eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahrens geltend gemacht hat. Die Rechte des betroffenen Fahrzeughalters, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen und in den gesetzlich vorgesehenen Fällen das Zeugnis verweigern zu können, bleiben gewahrt. Die Fahrtenbuchauflage stellt keine Sanktionierung dieses prozessualen Rechts dar. Ihr Zweck besteht allein darin, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben. Ein doppeltes "Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugsführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, widerspräche dieser Zwecksetzung,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1981 - 2 BvR 1172/81 -, NJW 1982, 568; BVerwG, Beschlüsse vom 11. August 1999 - 3 B 96/99 -, NZV 2000, 385 und vom 22. Juni 1995 - 11 B 7/95 -, DAR 1995, 459; OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Mai 2007 - 8 A 3294/06 - , 11. Januar 2008 - 8 B 1932/07 - und vom 13. Oktober 2015 - 8 B 868/15, jeweils juris.
Der Kläger kann sich weiter nicht darauf berufen, dass die polizeilichen und strafrechtlichen Ermittlungen vorliegenden nicht ausreichend gewesen seien. Ein Ermittlungsdefizit ist angesichts der eingeholten Auskünfte und Lichtbilder zu dem Kläger bzw. dessen Söhnen, der erfolgten Zeugenvernehmungen, der gegen den Sohn des Klägers aufgenommenen Ermittlungen sowie der durchgeführten Wahllichtbildvorlage mit dem Anzeigenerstatter und dem Zeugen nicht anzunehmen. Der Kläger kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, die Ermittlungsbehörden hätten weitere Aufklärungsmaßnahmen zur Täteridentifizierung vornehmen müssen, wenn er selbst als Halter die ihm mögliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ablehnt.

Die Anordnung der Fahrtenbuchauflage ist im übrigen auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Auferlegung des Fahrtenbuches für die Dauer von 24 Monaten ist nicht unverhältnismäßig. Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei der Fahrtenbuchauflage - wie bereits oben ausgeführt - um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage und für die Einstufung der Schwere eines Verkehrsverstoßes auf das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-​Verordnung (FeV) zurückzugreifen und die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt,
vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -, NJW 1995, 2866; OVG NRW, Urteile vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, a.a.O. und vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, NJW 1999, 3279 - bestätigt mit Beschluss des BVerwG vom 9. September 1999 - 3 B 94/99 -, NZV 2000, 386 - und OVG NRW Beschluss vom 27. Juli 2006 - 8 B 1224/06 -, juris.
Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, wie etwa die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes nicht an.

Ausgehend davon hat der Beklagte unter der Geltung des damals gültigen Punktesystems zu Recht angenommen, dass es sich bei der zugrundeliegenden Tat um einen erheblichen Verkehrsverstoß handelt, da bereits damals die versuchte Nötigung nach § 240 Abs. 3 StGB als Straftat gemäß Ziffer 3.2 der Anlage 13 zur FeV (i.V.m. § 40 FeV i.V.m. § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG) mit fünf Punkten im Verkehrszentralregister zu erfassen gewesen wäre.

An dieser rechtlichen Wertung hat sich auch durch die zum 1. Mai 2014 in Kraft getretenen Neuordnung des bisherigen 18-​Punktesystems auf ein 8-​Punktesystem im Verkehrszentralregister bis zur Entziehung einer Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG und der damit einhergehenden Änderung der Anlage 13 zu § 40 FeV nichts geändert,
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13/14 -, Rz. 21 ff. und etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 868/15 - Rz. 27, jeweils juris.
Auch nach dem neuen Punktesystem ist die Straftat mit zwei Punkten gemäß Ziffer 2.1.3 zu bewerten, da insoweit die Anordnung eines Fahrverbots nach § 44 Abs. 1 Satz1 StGB in Betracht kommt. Darüber hinaus kommt bereits auf Grund des Verstoßes gegen das Abstandsgebot nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO und unter Berücksichtigung der von dem Anzeigenerstatter angegebenen zu Beginn des Vorfalls gefahrenen Geschwindigkeit und der nur noch teilweise sichtbaren Motorhaube des Fahrzeugs des Klägers die Bewertung mit zwei Punkten nach Ziffer 2.2.4 der Anlage 13 i.V.m. Ziffer 12.6 i.V.m. der Tabelle 2b) Ziffer 12.6.3 - mit Fahrverbot von 1 Monat - der Bußgeldkatalog-​Verordnung (BKatVO) in Betracht.

Der begangene Verkehrsverstoß erweist sich damit bereits als ausreichende Grundlage für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Auch die Dauer der angeordneten Fahrtenbuchauflage von 24 Monaten begegnet keinen Bedenken. Sie ist im Hinblick auf die Punktebewertung angemessen und stellt keine übermäßige Belastung dar,
vgl. etwa zum alten Recht: OVG NRW, Beschlüsse vom 5. September 2005 - 8 A 1893/05 - Rz.21 (Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 36 Monaten bei mit sieben Punkten bewerteter Straftat verhältnismäßig), vom 21. August 2013 - 8 B 836/13 -Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten bei mit vier Punkten bewertetem qualifizierten Rotlichtverstoß verhältnismäßig; VGH Baden-​Württemberg, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 10 S 1408/01 - Rz.4 ff. (Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 24 Monaten bei mit vier Punkten bewertetem Rotlichtverstoß verhältnismäßig), jeweils juris.
Auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich bereits nach seiner früheren Rechtsprechung bei der Gewichtung von Verkehrsverstößen in erster Linie an ihrer Einordnung durch den Bußgeldkatalog und der Punktebewertung nach der einschlägigen Anlage zur Fahrerlaubnis-​Verordnung orientiert. Bereits eine mit einem Punkt bewertete Verkehrsordnungswidrigkeit wurde nach der oben aufgeführten Rechtsprechung nicht als ein unwesentlicher, sondern bereits als ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht eingestuft. Dies hat sich nach der Einführung des neuen Punktesystems nicht geändert. Vielmehr wird weiterhin deutlich, dass den dort aufgeführten Verkehrsverstößen nach wie vor ein erhebliches Gewicht zugemessen wird,
vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 - 3 C 13/14 -, juris Rz. 23.
Schließlich greifen auch die von dem Kläger vorgebrachten Einwände, die Fahrtenbuchauflage sei wegen des zwischenzeitlichen Zeitablaufes seit der Verkehrsordnungswidrigkeit im Jahr im April 2013 bzw. seit Erlass der Fahrtenbuchauflage im Dezember 2013 nicht mehr angemessen und es seien in diesem Zeitraum keine Verkehrsverstöße mehr mit seinem Fahrzeug vorgefallen, nicht durch. Der vorliegend verstrichene Zeitraum bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der von dem Kläger genannte Zeitablauf bedingt nicht eine zwischenzeitlich eingetretene Funktionslosigkeit der Fahrtenbuchauflage. Dass der Kläger bisher noch kein Fahrtenbuch führen musste, ist lediglich Ausfluss der im vorliegenden Fall gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage. Die Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten bedingt zugleich, dass die Anordnung eines Fahrtenbuchs häufig erst nach Ablauf mehrerer Jahre nach Begehung des Verkehrsverstoßes durchgesetzt werden kann. Der Verzicht auf die im Ermessen der Behörde stehende und zudem von einer weiteren Interessenabwägung abhängigen Anordnung einer sofortigen Vollziehung führt nicht zur Annahme einer Rechtswidrigkeit der Fahrtenbuchauflage. Ein aus rechtsstaatlichen Gründen eintretender Zeitablauf hat nicht zur Folge, dass eine rechtmäßig erlassene Fahrtenbuchauflage nachträglich rechtswidrig wird. Andernfalls hätte es der Adressat der Fahrtenbuchauflage selbst in der Hand, die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung allein durch Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelgebrauch zu beseitigen,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 1995 - 11 B 18/95 -, NJW 1995, 4302 und Urteil vom 22. März 1995 - 11 C 3/94 -, NVwZ-​RR 1995, 610 (zur Nachschulungsanordnung); VG Koblenz, Urteil vom 13. Januar 2015 - 4 K 215/14 -, juris Rz. 33 ff.
Auch das von dem Kläger vorgetragene "Wohlverhalten" in diesem Zeitraum ist kein Umstand der zu seinen Gunsten im Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen ist. Zum einen widerlegt dieser Umstand nicht die Annahme, dass mit dem Fahrzeug auch künftig keine Verkehrsverstöße begangen werden und zum anderen wird nur ein kleiner Teil von Verkehrsverstößen tatsächlich aufgedeckt und verfolgt. Schließlich steht auch das Fehlen weiterer Verkehrsverstößen mit dem von dem Kläger gehaltenen Fahrzeug der Rechtmäßigkeit der angeordneten Fahrtenbuchauflage nicht entgegen, da maßgeblich allein der Umstand ist, dass nach dem damaligen Verkehrsverstoß der verantwortliche Fahrer nicht - rechtzeitig - ermittelt werden konnte. Die Anordnung eines Fahrtenbuches ist - wie bereits ausgeführt und auch von dem Kläger dargelegt - keine Sanktionierung des begangenen Verkehrsverstoßes, sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Straßenverkehr. Sie zielt abstrakt darauf ab, die künftige Ermittlung der verantwortlichen Fahrer bei Verkehrsverstößen ohne Schwierigkeiten zu gewährleisten,
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 11 C 12/94 -,a.a.O.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).



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