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Amtsgericht Potsdam Urteil vom 01.03.2011 - 21 C 246/10 - Überschreitung der Anzeigefrist für einen Kraftfahrzeugschaden

AG Potsdam v. 01.03.2011: Leistungsfreiheit der Kfz-Kaskoversicherung bei Überschreitung der Anzeigefrist für einen Kraftfahrzeugschaden


Das Amtsgericht Potsdam (Urteil vom 01.03.2011 - 21 C 246/10) hat entschieden:
Überschreitet der Versicherungsnehmer die Anzeigefrist (Wochenfrist nach AKB Buchst. 3 Nr. 6.1.1 J: 2008) für einen Kfz-Schaden (hier auf einer Urlaubsreise nach Italien) ohne substanziiert dargelegte und nachvollziehbare Gründe, führt dies zur Leistungsfreiheit der Vollkaskoversicherung.


Siehe auch Schadenanzeige - unrichtige bzw. unvollständige oder verspätete Angaben gegenüber der Versicherung und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Tatbestand:

Der Kläger ist bei der Beklagten unter anderem Vollkasko versichert mit einer Selbstbeteiligung von 500,00 €.

Er meldete bei dieser einen am 21.09.2009 in Italien ohne Fremdbeteiligung erlittenen Schaden an, dessen Behebung 3.212,25 € verursachte. Der Kläger war mit seiner Ehefrau auf dem Weg von Faenza nach Verona an einer Engstelle ca. 15 bis 20 km/h vor Verona mit dem Pkw eine Felswand entlang geschrammt. Nachdem er und seine Ehefrau am Unfallort den linken Seitenspiegel notdürftig repariert hatten, setzten sie ihre Fahrt nach Verona fort. Die Polizei wurde nicht informiert.

In dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien wurden die Allgemeinen Bedingungen für Kraftfahrtversicherungen (AKB) einbezogen. In Buchstabe E 1.1 heißt es unter „Anzeigepflicht“:
„Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadensereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche anzuzeigen“.
Unter Buchstabe E 1.3. ist unter der Überschrift „Aufklärungspflicht“ vereinbart:
„Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen…“.
Buchstabe E 6.1 lautet unter der Überschrift „Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung“ wie folgt:
„Verletzten Sie vorsätzlich eine Ihrer in E 1 bis E 5 geregelten Pflichten, haben sie keinen Versicherungsschutz“. (Bl. 31 d. A.).
Nachdem der Kläger erstmals mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigen vom 24.11.2009 von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von 2.712,25 € verlangt hatte, forderte die Beklagte ihn mit Schreiben vom 25.11.2009 zur Unterschrift und Rücksendung eines Belehrungsblattes sowie der Schadensanzeige auf, was am 07.12.2009 durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte. Durch Schreiben vom 11.12.2009 korrigierte dieser das Unfalldatum, welches er versehentlich zuvor mit dem 22.09.2009 angegeben hatte, auf den 21.09.2009 und machte weitere Angaben zur Präzision der Fahrstrecke und des Unfallorts. Unter dem 24.12.2009 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, dass ihre Eintrittspflicht aufgrund der vom Kläger überschrittenen Unfallanzeigefrist von sieben Tagen nicht gegeben sei. Auch nach dem der Kläger durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.01.2010 ein ärztliches Attest der Dr. med. H... Sch... vom 05.01.2010 eingereicht hatte, wonach dieser aufgrund der Situation, wegen erheblicher Beschwerden im Sinne einer reaktiven Depression, nicht in der Lage gewesen sei, eine Schadensmeldung zu formulieren, hielt die Beklagte an ihrer Ablehnung fest.

Mit Datum vom 18.10.2010 erteilte der Facharzt für Neurologie Dr. med. S... eine neurologische Bescheinigung, wonach der Kläger aufgrund seiner Gesamtkonstellation den Unfallschaden verspätet gemeldet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung (Bl. 40 d. A.) verwiesen.

Mit seiner Klage macht der Kläger gegen den Beklagten Schadenersatz in Höhe von 2.712,25 € geltend.

Am 02.11.2010 erging gegen den Kläger Versäumnisurteil, mit welchem die Klage abgewiesen worden ist. Gegen dieses Urteil legte er mit Schriftsatz vom 08.11.2010, eingegangen bei Gericht am 09.11.2010, Einspruch ein.

Der Kläger behauptet, er sei aufgrund von Depressionen nicht zu einer rechtzeitigen Schadensmeldung fähig gewesen. Zudem sei er aufgrund seiner Parkinsonerkrankung weitestgehend von der Betreuung durch seine Ehefrau abhängig, welche ihn zu einer schnelleren Reparatur des Pkw gedrängt habe. Wegen einer Vielzahl beruflicher Termine seiner Ehefrau und Terminen zu Gesundheitschecks habe auch seine Ehefrau eine rechtzeitige Schadensmeldung versäumt. Der Kläger behauptet weiter, wegen der mit seinen Depressionen verbundenen Antriebslosigkeit habe er seine Ehefrau auch nicht mit dem erforderlichen Nachdruck dazu veranlassen können. Die Schadensrechnung habe ihn auch erst am 26. oder 27.09.2009 erreicht.

Seiner Ansicht nach könne sich die Überschreitung der Anzeigepflicht wegen der gesundheitlichen Gründe nicht zu seinen Nachteilen auswirken. Zudem habe die Beklagte den Versicherungsschutz gleich nach Erhalt des ersten Schreibens ablehnen müssen, ohne noch Fragen zum Unfall und Schaden zu stellen.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 02.11.2010 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.712,25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Die Beklage ist der Ansicht, der Kläger habe seine Aufklärungspflichten verletzt, indem er den Unfall zunächst verlassen habe ohne die Polizei zu informieren, und die Reparatur veranlasst habe, ohne den Schaden zuvor zu melden. Daher sei sie von ihrer Leistungspflicht frei geworden.


Entscheidungsgründe:

Der form- und fristgerechte Einspruch des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 2.712,25 € aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag.

Wegen Verletzung seiner Anzeige- und Aufklärungspflichten nach Buchstabe E 1.1 und E 1.3 der unstreitig in den Versicherungsvertrag wirksam einbezogenen AKB ist die Beklagte gem. Buchstabe E 6.1 der AKB von ihrer Leistungspflicht frei geworden, mithin steht dem Kläger kein Versicherungsschutz zu.

Der Kläger muss sich die Überschreitung der Anzeigepflicht voll zurechnen lassen. Eine Entschuldigung aufgrund gesundheitlicher Probleme kommt nicht in Betracht, da nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen er zu einer früheren Schadensmeldung nicht in der Lage gewesen sein soll. Sein Vortrag hierzu ist völlig unzureichend, worauf er auch hingewiesen worden ist. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, inwieweit er überhaupt mit dem Auto nach Italien fahren konnte und dort nach dem Unfall noch in der Lage war den Seitenspiegel notdürftig zu reparieren, den Schaden zu fotografieren und danach seinen Urlaub einschließlich der Heimreise mit dem Auto fortsetzen konnte, nicht aber fähig gewesen sein soll, einen einfachen Anruf bei der Beklagten zu tätigen um den Schaden anzuzeigen. Zudem ist nicht plausibel, aus welchen Gründen der Kläger den Schaden nicht polizeilich aufnehmen ließ, um seiner Verpflichtung alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann, nachzukommen.

Auch in Anbetracht der Tatsache, dass er oder seine Ehefrau immerhin das Auto reparieren ließ und schließlich seinen Prozessbevollmächtigten davon informierte, ist die Überschreitung der Anzeigepflicht nicht nachzuvollziehen. Überdies sind die vorgelegten ärztlichen Atteste ungeeignet zum Beweis, dass ihm eine rechtzeitige Schadensmeldung tatsächlich unmöglich war bzw. dass er dazu seine Ehefrau nicht veranlassen konnte. Aus diesen ergibt sich insbesondere nicht, dass der Kläger die ganze Zeit über dermaßen erkrankt war, dass er eine Schadensmeldung nicht hätte vornehmen oder veranlassen können. Sein völlig unsubstantiierter Vortrag zu den beruflichen und anderweitigen Verpflichtungen seiner Ehefrau und die sich daraus ergebende Versäumung der rechtzeitigen Schadensmeldung sind ebenfalls nicht geeignet die Verletzung seiner Pflichten zu rechtfertigen.

Aus diesen Gründen war die Beklagte zur Ablehnung des Schadenersatzes berechtigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass sie zunächst Nachforschungen zum Schadenshergang angestellt hat, um sich über eine mögliche Ausgleichspflicht zu informieren. Hierzu war sie nach den vertraglichen Bedingungen verpflichtet, zumal es ihr erst nach den weiteren Ausführungen des Klägers zum Schadenshergang und dem Zeitpunkt desselben möglich war, eine Entscheidung zu treffen.

Mangels Hauptanspruch stehen dem Kläger auch die geltend gemachten Zinsen nicht zu.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 91 I S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.