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Landgericht Freiburg Urteil vom 24.11.2016 - 3 S 148/16 - Kfz-Sachverständigenkosten bei fehlender Gebührenvereinbarung

LG Freiburg v. 24.11.2016: Kfz-Sachverständigenkosten bei fehlender Gebührenvereinbarung


Das Landgericht Freiburg (Urteil vom 24.11.2016 - 3 S 148/16) hat entschieden:
Zur Bestimmung der erforderlichen Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall, wenn der Geschädigte und der von ihm mit der gutachterlichen Feststellung des Schadens beauftragte Sachverständige keine konkrete Gebührenvereinbarung getroffen haben.


Siehe auch Sachverständigenkosten im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Sachverständigen-Gutachten


Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte restliche Schadensersatzansprüche (Gutachterkosten) aus einem Verkehrsunfall geltend, den ein Versicherungsnehmer der Beklagten alleinverschuldet hat.

Die Reparaturkosten am beschädigten Fahrzeug betragen nach den sachverständigen Feststellungen der Klägerin 1953,50 € netto. Die vom Geschädigten mit der Schadensermittlung beauftragte Klägerin, an die entsprechende Ansprüche abgetreten wurden, stellte am 13.11.2014 folgendes in Rechnung:

Honorar 345,00 €
Porto/Telefon 17,00 €
Fahrtkosten 59km x 1,05 € 61,95 ÿ
Originalfotos 15 x 2,30 € 34,50 €
Fotos in Gutachtendoppel 15 x 1,50 € 22,50 €
Schreibkosten Originalseite 5 x 2,70 € 13,50 €
Schreibkosten Kopie 5 x 1,20 € 6,00 €
Zwischensumme 500,45 €
19% MwSt. 95,09 €
Summe 595,54 €


Die Beklagte zahlte hierauf nach ihrer Ansicht angemessene 511,31 €. Die Differenz war Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Einholung eines Gutachtens zur Frage der üblichen Vergütung mit der Erwägung stattgegeben, unter Zugrundelegung des Tableaus der BVSK Honorarbefragung 2015 ergäben sich zwar Überschreitungen bei den berechneten Nebenkosten, doch läge das berechnete Gesamthonorar insgesamt noch im Rahmen der Empfehlung der BVSK 2015.

Mit ihrer vom Amtsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Ihre Einwendungen gegen die grundsätzliche Erforderlichkeit der geltend gemachten Nebenkosten hat sie dahingehend konkretisiert, dass nicht klar sei, ob der Sachverständige bei seiner Fahrstrecke mehrere Fahrzeuge besichtigt habe und die Erforderlichkeit der Anfertigung bestimmter Lichtbilder durch den Sachverständigen bestritten werde. Im Übrigen seien die Seiten 1 - 5 des Schadensgutachtens als - lediglich auszufüllendes - Muster in der EDV des Sachverständigen hinterlegt. Die Kammer hat den erstinstanzlich tätigen Sachverständigen im Kammertermin ergänzend angehört (§ 411 Abs.3 ZPO).

Im Übrigen wird nach § 540 Abs. 2 iVm § 313 a Abs. 1 ZPO auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.


II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht von der Beklagten noch 26,72 € verlangen.

1. Die Klägerin ist unstreitig aktivlegitimiert. Sie hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht. Die abgetretene Forderung ist hinreichend bestimmt. Ein den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21.06.2016 (VI ZR 475/15, VI ZR 476/15, VI ZR 477/15 - zitiert, wie alle anderen Entscheidungen, soweit nicht anders angegeben, nach juris) vergleichbarer Fall einer iSd § 305 c Abs.1 BGB überraschenden und damit unwirksamen Abtretungsklausel liegt nicht vor.

2. Die Beklagte ist grundsätzlich zur Erstattung von Sachverständigenkosten verpflichtet. Die Kammer geht mit einer verbreiteten Rechtsprechung (vgl. OLG München, Urteil vom 26.02.2016 - 10 U 579/15 -) davon aus, dass die Bagatellschadensgrenze bei 750,00 € anzusetzen ist, d. h., dass darunter eine Beauftragung eines eigenen Sachverständigen durch den Geschädigten nicht erforderlich ist und er deshalb keine Erstattung der Kosten durch den Schädiger bzw. die Versicherung des Schädigers erhält. Aufgrund der hier vorliegenden Schadenshöhe durfte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Schadens in Auftrag gegeben werden, die hierfür aufgewendeten Kosten sind ersatzfähig, soweit sie erforderlich waren.

3. Nach welchen Grundsätzen in Fallgestaltungen wie der vorliegenden die Schadensbemessung durchzuführen ist, hat in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine weitgehende Klärung erfahren (BGH, Urteil vom 11.02.2014 - VI ZR 225/13; Urteil vom 22.07.2014 - VI ZR 357/13; Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15):

Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Geschädigte muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben, ihm obliegt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots jedoch grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten oder später berechneten Preise.

4. Hinsichtlich der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Geschädigte grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Maßgeblich ist nämlich allein, ob der in seiner Person entstandene Schadensersatzanspruch die vereinbarten und / oder in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in voller Höhe umfasst. Dies hängt davon ab, ob sich die vom Sachverständigen berechneten Kosten nach schadensrechtlichen Grundsätzen im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB halten. Dies gilt auch, wenn der Geschädigte keine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe der Gutachterkosten getroffen und daher § 632 Abs. 2 BGB in dessen Verhältnis zum Gutachter mit der Folge Anwendung findet, dass die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist. Über Gebührenansprüche im Verhältnis Geschädigter/Sachverständiger hatte die Kammer nämlich ebenso wenig zu entscheiden, wie über möglicherweise sonstige vertragliche Ansprüche des Geschädigten aus dem Gutachtensauftrag (BGH, Urteil vom 09.10.2007 - VI ZR 27/07; Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15).

Gelingt der Nachweis der Erforderlichkeit, sind die geltend gemachten Sachverständigenkosten in voller Höhe zu erstatten. Liegen die berechneten und geltend gemachten Sachverständigenkosten unter den erforderlichen Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, die gegebenenfalls nach § 287 ZPO geschätzt werden können (hierzu unter 6.), steht dem Geschädigten allerdings im Hinblick auf das Bereicherungsverbot nur ein Anspruch in Höhe der tatsächlich vereinbarten bzw. in Rechnung gestellten Kosten zu.

Eine Beweiserleichterung ergibt sich für den Geschädigten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter folgenden Voraussetzungen: Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der - von ihm beglichenen - Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 22.07.2014 - VI ZR 357/13). Präzisierend führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.04.2016 (VI ZR 50/15; ebenso Urteil vom 19.07.2016 - VI ZR 491/15) aus, nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bilde einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich nach diesen Grundsätzen Folgendes:

Die tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof für die Indizwirkung einer Rechnung aufgestellt hat, - tatsächliche Begleichung der Rechnung durch den Geschädigten in Übereinstimmung mit der Preisvereinbarung - , sind im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Geschädigte die Rechnung nicht selbst beglichen, mithin keinen eigenen Aufwand gehabt hat. Eine der beglichenen Rechnung vergleichbare Indizwirkung, tritt bei einer Abtretung der Schadensersatzforderung erfüllungshalber an den Sachverständigen nicht ein (BGH, Urteil vom 19.07.2016 - VI ZR 491/15). Abgesehen davon haben Sachverständiger und Geschädigter hier auch keine Preisvereinbarung getroffen. Die Indizwirkung hinsichtlich der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten greift infolgedessen nicht ein.

Wird - wie hier - keine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen, ist die übliche Vergütung in jedem Fall zu erstatten. Für die Feststellung, ob der geltend gemachte Betrag üblich ist, gilt § 287 ZPO. Mangels konkreter Honorarvereinbarung kommt es entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hier nicht darauf an, ob der Geschädigte möglicherweise deutlich überhöhte Gutachterkosten erkennen konnte (vgl. nur KG, Urteil vom 30.04.2015 - 22 U 31/14; LG Mannheim, Urteil vom 05.02.2016 - 1 S 119/15).

6. Falls nicht im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte eine abweichende Beurteilung gebieten, schätzt die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die übliche Vergütung, was das Grundhonorar betrifft, auf der Grundlage der BVSK-​Befragung 2015 (a), soweit es die Schätzung der im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Nebenkosten auf der Grundlage des § 287 ZPO betrifft, zieht die Kammer allerdings im Wesentlichen die Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heran, wobei nicht verkannt wird, dass genau die in diesem enthaltenen Kostenansätze in der BVSK Honorarbefragung 2015 teilweise vorgegeben waren (b).

a) Der von der Kammer ergänzend angehörte Sachverständige L. hat aufgrund einer von ihm getätigten Umfrage bei verschiedenen Sachverständigenbüros dargelegt, dass es eine einheitliche Abrechnungspraxis im Landgerichtsbezirk nicht gibt, auch wenn sich eine knappe Mehrheit der befragten Sachverständigen an dem Tableau der BVSK Honorarbefragung orientiert. Die Kammer folgt diesen überzeugenden Ausführungen. Nachdem sich somit eine einheitliche Abrechnungspraxis im Bezirk nicht feststellen lässt, schätzt die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die übliche Vergütung, was das Grundhonorar betrifft, auf der Grundlage der BVSK-​Befragung 2015. Sie stellt dabei auf den Mittelwert aus HB I und HB III der BVSK Honorarbefragung 2015 ab, was ausreichend ist um die Extremwerte zu eliminieren (so auch LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2016 - 5 S 333/15).

Für die Anwendung der BVSK 2015 als Schätzungsgrundlage für das Grundhonorar, die auch von anderen Gerichten insoweit herangezogen wird, spricht zum einen, dass deren Datenerhebung hier in zeitlicher Hinsicht am nächsten zum Unfallzeitpunkt liegt und zum anderen aber auch, dass sich ein Großteil der vom gerichtlichen Sachverständigen befragten Sachverständigen(büros) hieran orientiert.

b) Soweit die Schätzung der im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB er rderlichen Nebenkosten auf der Grundlage des § 287 ZPO im Einzelfall erforderlich wird, zieht die Kammer allerdings in Übereinstimmung mit der vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15) gebilligten Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken (Urteil vom 19.12.2014 - 13 S 41/13) weitgehend die Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heran.

Im Einzelnen:

Bei Schätzung der Kosten für Originalfotos (2,00 €), den 2. Abzug von Fotos (0,50 €) und einer Zweitschrift (Fotokopie) je Seite (0,50 €) orientiert sich die Kammer direkt an den Bestimmungen des JVEG, wobei zu beachten ist, dass Kosten für den 2. Abzug nur zu erstatten sind, wenn die Fotos nicht Teil des schriftlichen Gutachtens selbst sind (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG), weil dann die entsprechenden Aufwendungen schon nach § 7 Abs. 2 JVEG ersetzt werden (zur Problematik: Schneider, JVEG, 2.Aufl., § 7 Rn 44, § 12 Rn 44f).

Was die Höhe der Fahrtkosten betrifft, hält die Kammer die Regelung des JVEG nicht für geeignet, da sich diese nicht an den tatsächlichen Kosten orientiert, sondern an der Höhe der steuerlichen Anerkennung privat genutzter Fahrzeuge (BT-​Drs. 15/1971, S. 177, 232). Vielmehr ist es angemessen, diese anhand der von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung verschiedener Landgerichte (u.a. LG Saarbrücken Urteil vom 19.12.2014 - 13 S 41/13; LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2016 - 5 S 333/15; LG Bochum, Urteil vom 31.05.2016 - 9 S 36/16), die der Bundesgerichtshof gebilligt hat (Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15), auf 70 ct/km zu schätzen.

Für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens (Schreibkosten) schätzt die Kammer die erforderlichen Kosten aus Praktikabilitätsgründen nicht nach der Zahl der Anschläge (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG) sondern, wie auch in früheren Fassungen des JVEG vorgesehen, nach Seitenanzahl, wobei 1,80 € pro Seite angemessen erscheinen (ebenso etwa im Ergebnis LG Bremen, Urteil vom 02.09.2016 - 3 S 289/15).

Hinzu kommen kann eine Pauschale für Portoauslagen, Telefonkosten etc. die nur dann näherer Begründung bedarf, wenn sie den von der Kammer auch ansonsten für eine Unkostenpauschale - ohne Einzelnachweis - noch als maximal angemessen angesehenen Betrag von 20,00 € übersteigt.

Halten sich die geltend gemachten Nebenkosten in diesem Rahmen, sind auch diese grundsätzlich zu ersetzen. Liegen die tatsächlich geltend gemachten Nebenkosten darunter sind nur diese zu ersetzen. Liegen sie darüber, ist zu differenzieren, ob die Parteien eine Gebührenvereinbarung getroffen haben oder nicht, oder ob für die Erforderlichkeit gar eine Indizwirkung streitet, weil der Geschädigte die in Übereinstimmung mit der Vereinbarung erstellte Rechnung auch tatsächlich beglichen hat (s.o.).

7. Der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige hat hier für seine Tätigkeit eine Pauschale und zusätzlich bestimmte Nebenkosten abgerechnet. Dies legt die Kammer so aus, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass die Ingenieurleistung mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll und daneben lediglich Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen verlangt wird. Dies entspricht nach den überzeugenden Ausführungen des von der Kammer vernommenen gerichtlichen Sachverständigen im Übrigen auch einer im hiesigen Bezirk mehrheitlich verbreiteten Praxis. Lediglich zwei der von ihm befragten Sachverständigenbüros rechnen mit Pauschalpreisen ab.

Die Kammer teilt in der vorliegenden Konstellation daher nicht die Ansicht, wonach es lediglich auf die Gesamtsumme der Sachverständigenrechnung ankommt. Es ist vielmehr eine Einzelbetrachtung anzustellen, differenziert nach Grundhonorar und aufwandsbezogenen Nebenkosten (LG Bremen, Urteil vom 02.09.2016 - 3 S 289/15 mwN; LG Bochum, Urteil vom 31.05.2016 - 9 S 36/16), da die Nebenkosten nicht losgelöst von den üblicherweise tatsächlich ersatzfähigen Aufwendungen berechnet werden können (BGH, Urteil v. 22.07.2014 - VI ZR 357/13). Dementsprechend werden „überhöhte“ Nebenkosten nicht durch ein „unterdurchschnittliches“ Grundhonorar kompensiert oder umgekehrt. Zudem entspricht es allgemeiner Ansicht, dass Nebenkosten selbstverständlich - von Pauschalen abgesehen - nur zu erstatten sind, wenn diese im konkreten Fall tatsächlich auch angefallen sind. Auch im Bereich der Unfallersatzwagenvermietung vertritt die Kammer in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass bei tatsächlich aus dem konkreten Mietvertrag oder der Rechnung ersichtlichen niedrigeren Kosten für die betreffenden Nebenleistung nur diese maßgeblich sind (etwa Urteil vom 23.10.2012 - 3 S 262/11 Rdz 44 bei juris) und insoweit keine „Gesamtbetrachtung“ zu erfolgen hat. Mit anderen Worten kann der Sachverständige vom Geschädigten nicht höhere Nebenkosten für einzelne Positionen verlangen, als die von ihm vereinbarten oder in Rechnung gestellten. Damit kann aber auch der Geschädigte vom Schädiger keine höheren Kosten im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangen. Auch aus den Erläuterungen zum BVSK-​Tableau 2015 und den dort enthaltenen „Vorgaben“ zu den Nebenkosten ergibt sich, dass diese keineswegs verbindlich sind, und es jedem Sachverständigen freisteht, niedrigere oder - bei betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit - auch höhere Nebenkosten zu verlangen.

8. Unter Beachtung der dargelegten Grundsätze ergibt sich damit folgende Berechnung der üblichen Vergütung:

Grundhonorar (wie berechnet,
da unter Mittelwert von HB I
/ HB III [365,50])
345,00 €
Porto/Telefon 17,00 €
Fahrtkosten 59km x 0,70 € 41,13 €
Originalfotos 15 x 2,00 € 30,00 €
Fotos in Gutachtendoppel 15 x 0,50 € 7,50 €
Schreibkosten Originalseite 5 x 1,80 € 9,00 €
Schreibkosten Kopie 5 x 0,50 € 2,50 €
Zwischensumme 452,13 €
19% MwSt. 85,90 €
Summe 538,03 €


Die Beklagte zahlte hierauf 511,31 €, weshalb sich ein restlicher Anspruch der Klägerin iHv 26,72 € ergibt.

Die „überhöhten“ Nebenkosten werden nicht durch ein „unterdurchschnittliches“ Grundhonorar kompensiert (s.o.).

Ob es bei Vorliegen einer Preisvereinbarung im Einzelfall für die Frage des Ersatzes der Kosten für die Sachverständigenbeauftragung darauf ankommt, ob die vereinbarten Kosten wesentlich überhöht sind und dies für den Geschädigten erkennbar war, kommt es vorliegend nicht an, da Geschädigter und Sachverständiger keine Preisvereinbarung getroffen haben.

Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, dass möglicherweise eines der im Gutachten berechneten „Diagonalfotos“ nicht nötig gewesen wäre. Nach Ansicht der Kammer steht damit aber nicht fest, dass der Sachverständige im Rahmen seines ihm zustehenden Ermessens, nicht berechtigt gewesen wäre, auch mehrere Diagonalfotos (Gesamtansichten des Fahrzeugs von verschiedenen Seiten) zu fertigen und zu berechnen.

Da die Fotos nicht Bestandteil des fünfseitigen Gutachtens sind und daher auch nicht bei den Kosten nach § 7 Abs.2 JVEG berücksichtigt sind, waren diese mit 0,50 € entsprechend § 12 Abs.1 Nr. 2 JVEG anzusetzen.

Angesichts der Entfernung zwischen Sachverständigenbüro und Besichtigungsort sind die in Rechnung gestellten Entfernungskilometer nicht zu beanstanden. Für die Vermutung der Beklagten, der Sachverständige habe vielleicht mehrere Aufträge gleichzeitig erledigt, sieht die Kammer angesichts der Umstände des konkreten Einzelfalls (Besichtigung in einem kleinen Ort [B...], Besichtigung noch am Tag des telefonischen Auftragseingangs) keine Anhaltspunkte.

Schließlich macht die Kammer die Schätzung der erforderlichen Schreibkosten nicht davon abhängig, ob und in welchem Umfang im Gutachten Textbausteine oder eine hinterlegte „Maske“ Verwendung finden.


III.

Die Nebenforderungen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten ab Rechtshängigkeit.


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO i.V.m. § 26 Nr.8 EGZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Schadensschätzung beruht auf einer einzelfallbezogenen Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und eines eingeholten Sachverständigengutachtens.