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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 02.02.2017 - 6 U 29/16 - Verletzung der Tarifpflicht für Taxis durch Taxivermittler

OLG Frankfurt am Main v. 02.02.2017: Verletzung der Tarifpflicht für Taxis durch Taxivermittler - myTaxi


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.02.2017 - 6 U 29/16) hat entschieden:
Ein Vermittler von Taxiaufträgen, der einen Teil des zu zahlenden Festpreises für den Fall übernimmt, dass der Fahrgast bestimmte, mit dem Vermittler vertraglich verbundene Taxiunternehmen beauftragt, ist unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung und Teilnahme für den bei diesem Geschäftsmodell stattfindenden Wettbewerbsverstoß der beteiligten Taxiunternehmen verantwortlich; dies gilt auch dann, wenn den Taxiunternehmen der Festpreis in voller Höhe zufließt.


Siehe auch Taxi - Taxifahrer - Taxiunternehmer und Stichwörter zum Thema Nahverkehr


Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Diese werden lediglich zum besseren Verständnis des Berufungsurteils wie folgt zusammengefasst:

Die Klägerin ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen in Großstadt1, Großstadt2, Großstadt3 und anderen Städten in Deutschland. Ihr Unternehmensgegenstand ist die wirtschaftliche Förderung und Betreuung ihrer Mitgliedsunternehmen. Die Klägerin betreibt zu diesem Zweck die sogenannte Taxi-​Bestell-​App "B" und den mobilen Taxibestellruf "...". Es ist umstritten, ob die Vermittlungsleistungen der Klägerin bundesweit verfügbar sind.

Die Beklagte betreibt die Vermittlung von Taxi-​Dienstleistungen mit Hilfe der dafür entwickelten Smartphone-​App "A". Auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wird verwiesen (Anlage B 11).

Anlass und Streitgegenstand sind vier mehrwöchige sog. Bonusaktionen der Beklagten vom Dezember 2014, vom Mai, Juli und November 2015. Die Bonusaktionen der Beklagten wurden im Dezember 2014 nur in Großstadt3 und im Jahr 2015 in mehreren deutschen Großstädten, darunter Großstadt3, Großstadt4, Großstadt2 und Großstadt1 durchgeführt.

Bei den Bonusaktionen vom 1. - 12. Dezember 2014 und vom 4. - 17. Mai 2015 berechnete die Beklagte den bei ihr registrierten Nutzern, die ein bei der Beklagten angeschlossenes Taxi über die Taxi-​App bestellt und den Fahrpreis bargeldlos über die Taxi-​App durch Belastung der hinterlegten Kreditkarte oder über das Zahlungsinstrument "PayPal" bezahlten, lediglich die Hälfte des vom Fahrpreisanzeiger des Taxis ermittelten Fahrpreises. Dem angeschlossenen Taxiunternehmer, der die Fahrt durchgeführt und seine Zahlungsansprüche gegen die Fahrgäste an die Beklagte abgetreten hatte, erstattete die Beklagte den vollen Fahrpreis unter Anrechnung ihrer Vermittlungsgebühren. Auf die in Anlage B 1 wiedergegebenen gemeinsamen Aktionsbedingungen der Beklagten für die " 50 % - Bonusaktion X vom 04.05.-​17.05.2017" wird verwiesen.

Bei der Rabattaktion vom 7. - 21. Juli 2015 wurden die Taxifahrten dergestalt abgerechnet, dass der Fahrgast von der Beklagten eine Quittung erhielt, die den die Fahrt ausführenden Taxiunternehmer als Rechnungssteller auswies. Die Taxifahrt wurde mit Start- und Zieladresse aufgeführt und der volle Fahrtpreis als Bruttobetrag angegeben. Hiervon wurde die Hälfte des Betrags mit der Bemerkung "Abrechnung Gutschein xxx" abgezogen, so dass als fälliger und vom Fahrgast zu zahlender Gesamtbetrag die Hälfte des ermittelten Fahrtpreises ausgewiesen wurde. Diesen Fahrtpreis zog die Beklagte über die vom Fahrgast bei ihr hinterlegte Kreditkarte bei ihm ein. Exemplarisch wird auf die mit der Klageschrift vorgelegte Rechnung (Blatt 20 d. A.) verwiesen.

Bei der Rabattaktion vom 12. - 26. November 2015 gewährte die Beklagte den bei ihr registrierten Kunden wiederum einen Rabatt von 50 % auf den vom Fahrpreisanzeiger ermittelten Fahrpreis, wobei nun erstmals auch solche Fahrten rabattiert wurden, die nicht über die Taxi-​App sondern durch "Heranwinken" eines vertraglich mit der Beklagten verbundenen Taxiunternehmers (erkennbar an den Werbeaufdrucken auf den Taxis) durchgeführt wurden (Anlage K 11).

Darüber hinaus bewirbt die Beklagte ihren Vermittlungsdienst mit von ihr selbst ausgegebenen Gutscheinen in Höhe von 10 € bis 50 €, die auf den Nominalwert der Taxifahrt angerechnet werden können, wodurch der zu zahlende Betrag auf ggf. 0 Euro gesenkt werden kann.

Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil sie in den Rabattaktionen einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen die behördliche Preisfestsetzung für den Taxenverkehr sieht. Darüber hinaus beanstandet sie die Bonusaktionen als Behinderungswettbewerb.

Das Landgericht hat es der Beklagten bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes im Verkehr mit Taxen Fahrgästen, die eine Taxifahrt über die Taxi-​Bestell-​App "A" bestellt haben und/oder den Fahrpreis über die Taxi-​Bestell-​App "A" zahlen, einen Preisnachlass auf den Fahrpreis, der dem amtlich festgesetzten Taxitarif entspricht, in Form einer Gutschrift bzw. eines Gutscheins zu gewähren, wenn die Taxifahrt innerhalb des Geltungsbereichs der amtlich festgesetzten Tarife durchgeführt wurde.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Parteien stünden bei der Vermittlung von Taxidienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Die Klägerin könne ein bundesweites Verbot verlangen, denn sie habe bereits in der Klageschrift dargelegt, dass sie mit dem Angebot ihrer Taxi-​App in vielen deutschen Städten und dass sie mit dem Taxiruf bundesweit tätig sei, was die Beklagte nicht rechtzeitig bestritten habe. Die streitgegenständliche Gewährung von Preisnachlässen auf den Taxifahrpreis sei unlauter, weil sie gegen die gem. § 39 I, III, 51 V PBefG festgelegten amtlichen Taxitarife verstoße. Die Beklagte sei Normadressat dieser Vorschriften, denn ihr Tätigkeitsbereich gehe weit über die reine Vermittlung von Beförderungsdienstleistungen hinaus und reiche - namentlich bei der Abwicklung der Zahlungen - in den Aufgabenbereich der Taxiunternehmer hinein. Da die Tarifpflicht den Preiswettbewerb zwischen den Taxidienstleistungen regele, stelle § 39 Abs. 1, Abs. 3 PBefG eine Verhaltensregelung dar, gegen die die Beklagte hier verstoßen habe.

Die Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Sie wirft dem Landgericht vor, den Wortlaut der tarifrechtlichen Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes und deren Zielsetzung verkannt zu haben. Lediglich Unternehmer, d.h. die Dienstleister die die eigentliche Personenbeförderung durchführten, seien an die amtlichen Tarife gebunden. Zielrichtung der Vorschriften sei es nicht, den Preiswettbewerb gegenüber den Taxizentralen zu unterbinden, sondern vielmehr den Taxiunternehmen selbstgleiche Vergütungen für dieselben Dienstleistungen zu garantieren. Das werde hier sichergestellt, weil die Beklagte über ihr Abrechnungssystem den angeschlossenen Taxifahrern Vergütungen gewähre, die dem amtlich festgesetzten Taxitarif entsprächen.

Das Landgericht habe übersehen, dass sogenannte Taxigutscheine grundsätzlich zulässig und auch weit verbreitet seien. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Stellungnahme des Rechtsamtes der Großstadt3 vom 29.07.2015, in der ein Verstoß gegen tarifrechtlichen Bestimmungen nicht gesehen wird (Anlage B 3 - Bl. 65 f. d. A.).

Die Beklagte streitet ferner eine Aktivlegitimation der Klägerin ab. Diese habe zu Unrecht behauptet, bundesweit tätig zu sein und werbe in irreführender Weise mit dieser Aussage.

Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,
sowie widerklagend
der Klägerin und Widerbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-​- € - ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand der Widerbeklagten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
im Internet damit zu werben, dass mit der von ihr vertriebenen App in allen Städten und Gemeinden Deutschlands mit über 5.000 Einwohnern direkt ein Taxi bestellt werden kann, wenn dies geschieht am 10.März 2016 auf der Webseite unter dem Domainnamen www.(...).net(...) (Anlage B 17).
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass um Unterlassungstenor des angefochtenen Urteils hinzugefügt wird "wie aus Anlage B 1 ersichtlich"
sowie
die Widerklage abzuweisen.
Die Klägerin hält die Widerklage für unzulässig, weil die Frage, wie die Klägerin für die von ihr betriebenen Taxivermittlungssysteme auf ihrer Internetseite werbe, für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich sei. Es liege keine Irreführungsgefahr vor, weil die Taxibestellungen an den Orten, an denen sie nicht über eine automatisierte Standortbestimmung des jeweiligen Smartphones funktionierten, über die bundeseinheitliche Mobilfunknummer angeboten würden.


II.

Das Rechtsmittel der Beklagten hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte in dem ausgeurteilten Umfang zu, weil die Beklagte als Anstifterin und Gehilfin der mit ihr vertraglich verbundenen Taxiunternehmer für deren Verstöße gegen die Tarifpflicht einstehen muss. Die Widerklage ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des §§ 533 ZPO nicht erfüllt sind. Dazu im Einzelnen:

A. Das im Klageantrag abstrakt umschriebene Unterlassungsbegehren musste durch die Bezugnahme auf die in Anlage B 1 dargestellten Aktionsbedingungen konkretisiert werden, weil darin das den Bonusaktionen zugrunde liegende Geschäftsmodell der Beklagten hinreichend beschrieben ist. Das in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht Charakteristische des Verhaltens der Beklagten liegt darin, dass sie Fahraufträge zwischen Fahrgästen und Taxiunternehmen vermittelt und anlässlich der Rabattaktionen einen Teil des tariflich ermittelten Fahrpreises (der den Taxiunternehmen in vollem Umfang zufließt) übernimmt, womit sie den Fahrgästen einen Zuschuss gewährt. Weil die Beklagte damit einen Verstoß der mit ihr vertraglich verbundenen Taxiunternehmen gegen die in §§ 39 Abs. I, III, 51 V PBefG vorgeschriebene Tarifpflicht fördert, kann die Klägerin Unterlassung dieses wettbewerbswidrigen Verhaltens verlangen (§§ 8 I, III Nr. 1, 3 3a UWG).

1. Die Parteien sind Mitbewerber, denn sie bieten die Vermittlung von individuellen Personenbeförderungsleistungen (sogenannter Gelegenheitsverkehr) gegen Entgelt an (§ 2 Nr. 3 UWG).

Das Landgericht hat angenommen, dass die Klägerin bundesweit tätig ist und hieraus abgeleitet, dass sie deshalb auch ein bundesweites Verbot begehren kann. Mit der Berufung streitet die Beklagte diesen Sachverhalt ab. Ob dies hinreichend substantiiert und ob dies noch rechtzeitig ist, kann offen bleiben, weil die örtliche Verbreitung der Vermittlungsleistungen der Klägerin für den Umfang ihres Unterlassungsanspruchs keine Rolle spielt.

Es ist unstreitig, dass die Klägerin zumindest in Großstadt1 Vermittlungsleistungen sowohl über ihre App "B" als auch über die erwähnte Telefonnummer anbietet. In Großstadt1 stehen sich daher die Parteien unstreitig als Mitbewerber gegenüber. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch eines Mitbewerbers grundsätzlich nicht entsprechend seinem jeweiligen Tätigkeitsbereich räumlich beschränkt, sondern für das gesamte Bundesgebiet gegeben und auch - selbst bei nur räumlich beschränkter Betroffenheit - bundesweit durchsetzbar (vgl. BGH GRUR 1999, 509 - Vorratslücken; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, Rn. 1.69 zu § 8 UWG mit weiteren Nachweisen).

2. Die bei der Beklagten angeschlossenen Taxiunternehmer haben durch Teilnahme an den Rabattaktionen der Beklagten gegen die sog. Tarifpflicht gem. §§ 39 III, 51 V PBefG verstoßen und damit eine Marktverhaltensregelung gem. § 3a UWG verletzt.

a) Taxiunternehmen unterliegen gem. §§ 39 III, 51 V PBefG der sogenannten Tarifpflicht. Ihnen ist es untersagt, die amtlich festgelegten Beförderungsentgelte zu über- bzw. zu unterschreiten und sie sind verpflichtet, die Beförderungsentgelte gleichmäßig anzuwenden. Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugutekommen, sind dementsprechend verboten und nichtig. Der Taxiunternehmer darf sich seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung seiner Kunden nicht durch Umgehungsgeschäfte entziehen (§ 6 PBefG).

Die Landesregierungen sind gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 PBefG ermächtigt, durch Rechtsverordnung Beförderungsentgelte- und -bedingungen für den Taxiverkehr festzusetzen. Diese Ermächtigung kann auf eine andere Stelle übertragen werden (§ 51 Abs. 1 Satz 3 PBefG). In der Praxis wird die Festsetzung in der Regel auf die Gemeinden übertragen, so dass es im Bundesgebiet ca. 800 Tarifgebiete gibt (vgl. König BB 2015, 1095, 1097 mit weiteren Nachweisen).

b) Die Festpreisregelung in §§ 39 III, 51 Abs. V PBefG ist eine Marktverhaltensregelung. Sie verfolgt in erster Linie das Ziel, Fahrgäste vor willkürlich festgelegten überhöhten Fahrpreisen zu schützen und zugleich den Taxiunternehmern eine auskömmliche Honorierung ihrer Beförderungsdienstleistungen zu garantieren. Darüber hinaus soll durch die Tarifpflicht ein unbilliger und ruinöser Wettbewerb unter den (Beförderungs-​) Unternehmen verhindert werden (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, 2. Aufl., Stand: 2004, Rn. 131 zu § 39 PBefG). Die Vorschriften sind daher auch dazu bestimmt, im Interesse der Verbraucher, der Mitbewerber und der Allgemeinheit ein funktionsfähiges örtliches Taxigewerbe zu erhalten (vgl. BGH GRUR 2013, 412 Tz. 15 zur sog. Rückkehrpflicht gem. § 47 PBefG - Taxibestellung).

c) Die Tarifpflicht richtet sich an "Unternehmer", das heißt an diejenigen Personen, die den Verkehr im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung betreiben (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 PBefG).

Die Beklagte gehört selbst nicht zu diesem Personenkreis, denn sie bietet dem beförderungswilligen Kunden lediglich die Vermittlung von Beförderungsleistungen an (Ziffer I. 5. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten - Anlage B 10). Soweit die Beklagte gegenüber den Kunden Taxidienstleistungen abrechnet, geschieht dies im Namen und im Auftrag der bei ihr angeschlossenen Taxiunternehmen und unter deren Umsatzssteueridentifikationsnummer (Anlage B 10).

d) Mit der Beförderung von Nutzern der App "A" während der Aktionszeiträume und mit ihrer darin bestehenden Beteiligung an den Bonusaktionen der Beklagten verstießen die Taxiunternehmer gegen ihre Tarifpflicht, weil sie den teilnehmenden Fahrgästen Abschläge auf die Beförderungsentgelte gewährt haben, wodurch die amtlich festgelegten Tarife unterschritten wurden.

Dem steht nicht entgegen, dass die mit der Beklagten verbundenen Taxiunternehmer den nach den örtlichen Taxitarifen ermittelten Fahrpreis (abzüglich einer hier unerheblichen Vermittlungsprovision) in voller Höhe erhalten haben, weil die Differenzbeträge zu den Zahlungen der Fahrgäste von der Beklagten ausgeglichen worden sind. Maßgeblich ist vielmehr, dass das amtlich festgelegte Beförderungsentgelt im Verhältnis zum Kunden unterschritten wird. Der Senat will deswegen der in dieser Frage abweichenden Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (WRP 2016, 240 ) und der 12. und 15. Kammer für Handelssachen Landgerichts Großstadt3 (Urteil vom 15. 9. 2015 - Az.: 2 = Anlage B9 und Urteil vom 23. 12. 2016 - Az.: 3 = Anlage B 26) nicht folgen.

Der Begriff "Beförderungsentgelt" in § 39 I, III PBefG ist zwar gesetzlich nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis, ebenso wie nach der beschriebenen Zielrichtung der Vorschriften, muss auf das "Außenverhältnis" der Unternehmen gegenüber ihren Kunden abgestellt werden. "Beförderungsentgelt" ist demnach die finanzielle Forderung des Verkehrsunternehmers an den Beförderten für eine bestimmte Beförderungsleistung (vgl. BVerwG, Transportrecht 1980, 58 Tz. 24 bei Juris mit weiteren Nachweisen).

Nicht nur der Wortlaut der Vorschrift sondern auch ihre gesetzespolitische Zielsetzung spricht für diese Auslegung. Wie oben schon dargestellt, soll durch die Tarifpflicht ein Preiswettbewerb der Taxiunternehmer verhindert werden, der die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen und ruinöser Verdrängung durch Preisunterbietungen nach sich zieht.

Diese Zielsetzung wird durch die Bonusaktionen der Beklagten beeinträchtigt, denn nach ihrem Geschäftsmodell erhält der Fahrgast ihren Zuschuss - verständlicherweise - nur dann, wenn er einen Beförderungsvertrag mit einem mit der Beklagten verbundenen Taxiunternehmen abschließt. Damit entsteht zwischen den verbundenen und den anderen Taxiunternehmen ein Preiswettbewerb, den die Tarifpflicht im Interesse der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen örtlichen Taxengewerbe auch verhindern will.

Die Beklagte kann sich nicht damit verteidigen, dass die Ausgabe sogenannter Taxigutscheine durch amtliche Stellen, Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte üblich wäre (Berufungsbegründung Ziffer 4). Die dort aufgeführten Fallkonstellationen sind aus wettbewerblicher Sicht völlig anders gelagert als der hiesige Sachverhalt.

Mit der Ausgabe von Taxigutscheinen verfolgen die Gemeinden und Gebietskörperschaften oder die Sozialversicherungsträger ausdrücklich sozialpolitische oder gemeinnützige Ziele. Das wird besonders deutlich an den von der Beklagten herangezogenen Beispielen des "C" oder des "D" der Großstadt5 für Jugendliche oder jungen Erwachsenen bis 26 Jahren, denn damit soll der Unfallgefahr bei nächtlichen Fahrten unerfahrener Verkehrsteilnehmer entgegen getreten werden (Anlage B 19). Eine Beeinträchtigung des Preiswettbewerbs im Taxiverkehr wird dadurch vermieden, dass es dem Kunden freisteht, bei welchem Taxiunternehmen er den Gutschein einlöst.

Unerheblich bleibt auch der Hinweis der Beklagten, eine der Gründungsmitglieder der Klägerin, die E, biete selbst sog. "Gutscheinkarten" an, die in der Taxizentrale erworben und als "klassischer Geschenkartikel" verwendet werden könnten (Anlage B 2). Dies ist deshalb unbeachtlich, weil in diesem Fall der vom Fahrgast oder einem Dritten in der Taxizentrale erworbene und im nominellen Gegenwert bezahlte Gutschein als Zahlungsmittel für die Beförderungsleistungen verwendet wird. Im Gegensatz dazu "finanziert" die Beklagte die von ihr ausgegebenen Gutscheine oder Gutschriften selbst mit dem Ziel, die Wettbewerbsposition der bei ihr angeschlossenen Taxiunternehmer zu verbessern.

3. Die Beklagte haftet als Anstifterin bzw. Gehilfin der Taxiunternehmer. Ihre Haftung setzt nicht voraus, dass sie Normadressat der §§ 39, 51 PBefG ist (BGH GRUR 2015, 1025, Tz. 16 - TV-​Wartezimmer; Köhler/Bornkamm, UWG, a.a.O., Rn. 2.15 zu § 8 UWG). Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob den angeschlossenen Taxiunternehmern ein Verschuldensvorwurf zu machen ist, denn die Gehilfenhaftung tritt auch dann ein, wenn der Anspruchsgegner vorsätzlich an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Zuwiderhandlung mitgewirkt hat (BGH GRUR 2008, 810 Tz. 14 f. - Kommunalversicherer). Dazu gehört nicht nur die Kenntnis des Teilnehmers von den objektiven Tatbestandsmerkmalen, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat. Beides ist hier gegeben:

Die Beklagte hat die Tarifverstöße der bei ihr angeschlossenen Taxiunternehmer bewusst und gewollt gesteuert und durch die Bewerbung ihrer Aktionen und die Abrechnung der Entgelte maßgeblich beeinflusst. Spätestens nach Erlass der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Großstadt6 vom 12. Mai 2015 (Az.: 1) war der Beklagten bekannt, dass die Rechtmäßigkeit ihres Rabattmodells juristisch zweifelhaft war. Sie hat danach zunächst im Juli 2015 bundesweit (bis auf das Stadtgebiet Großstadt6) und im November 2015 bundesweit erneute Rabattaktionen durchgeführt.

Die Beklagte konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass das Rechtsamt der Großstadt3 in einer Stellungnahme vom Juli 2015 die Bonusaktionen für rechtlich unbedenklich angesehen hat. Nach Erlass der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Großstadt6 hatte die Beklagte schon realisieren müssen, dass diese für den Zivilprozess unverbindliche Einschätzung des Rechtsamts nicht allseits geteilt wurde, zumal sie sich mit den oben dargestellten Rechtsfragen nicht auseinandersetzt und ordnungspolitische, nicht aber wettbewerbsrechtliche Ziele in den Vordergrund stellt.

B. Die Widerklage ist unzulässig. Eine im Berufungsverfahren erhobene Widerklage kann nur dann zugelassen werden, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht die Widerklage für sachdienlich hält (§ 533 Nr. 1 ZPO). Beides ist hier nicht gegeben.

Die Klägerin hat sich im Schriftsatz vom 11. 8. 2016 ausdrücklich der Zulassung der Widerklage widersetzt. Für die Frage der Sachdienlichkeit kommt es darauf an, ob die Widerklage geeignet ist, den Streit der Parteien endgültig und alsbald zu beenden (Zöller-​Heßler, ZPO, 31. Aufl., Rn 10 zu § 533 ZPO). Das ist nicht der Fall, denn die Klägerin ist den Behauptungen der Beklagten zur vermeintlich irreführenden Aussage auf der beanstandeten Internet-​Seite ausdrücklich unter Beweisantritt entgegen getreten.

Im Übrigen scheitert die Widerklage auch daran, dass die Beklagte zur Begründung ihres Unterlassungsanspruchs neuen Streitstoff vorbringt, der aus den oben genannten Gründen für die Senatsentscheidung keine Rolle spielt und daher der Berufungsverhandlung und -entscheidung nicht ohnehin zugrunde zu legen ist (§ 533 Nr. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist - beschränkt auf die Entscheidung über die Klage - zuzulassen, weil der Auslegung von §§ 39 III, 51 V PBefG in wettbewerblicher Sicht grundsätzliche Bedeutung zukommt und weil dazu eine divergierende Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vorliegt.