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Amtsgericht Trier Urteil vom 22.05.74 - 5 C 530/73 - Zur Haftung für einen hochgeschleuderten Stein

AG Trier v. 22.05.1974: Zur Haftung für einen hochgeschleuderten Stein bei dichtem Abstand und erkennbar schlechten Straßenverhältnissen


Das Amtsgericht Trier (Urteil vom 22.05.74 - 5 C 530/73) hat bei erkennbar schlechten Straßenverhältnissen und einen dadurch hochgeschleuderten Stein Schadensteilung angenommen:
Bei dichtem Abstand und erkennbar schlechten Straßenverhältnissen ist bei der Haftung für einen hochgeschleuderten Stein Schadensteilung geboten.


Siehe auch Haftung für hochgeschleuderte Steine, Dreck, Fahrzeugteile, Reifen


Die Kl. war Halterin eines Kfz. Der Geschäftsführer P. der Kl. fuhr am 12.6.1972 gegen 10.45 Uhr mit diesem Fahrzeug auf der Straße von W., nach T. Vor dem Fahrzeug der Kl. fuhr ein Pkw, der bei der Bekl. pflichtversichert war.

Beide Fahrzeuge befuhren in der genannten Reihenfolge eine Baustelle. Hierbei wurde durch einen hochgeschleuderten Stein die Windschutzscheibe des Fahrzeuges der Kl. zertrümmert.

Mit der Klage begehrte die Kl. von der Bekl. Zahlung der durch die Zerstörung der Windschutzscheibe entstandenen Kosten.

Das AG hat der Klage zur Hälfte stattgegeben.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Bekl. ist nach § 3 Nr. 1 PflVG, § 7 StVG verpflichtet, der Kl. die Hälfte des ihr entstandenen Schadens zu ersetzen. Die Kl. hat einen direkten Anspruch gegen den Versicherer in dem Umfang, wie er ihr gegen den Halter des Fahrzeuges zugestanden haben würde, wobei die Bekl. alle Einwendungen des Halters geltend machen, kann.

Die Bekl. hat den Nachweis, daß der Unfall für den Halter des bei ihr versicherten Fahrzeuges ein unabwendbares Ereignis gewesen ist, das auch bei Anwendung der höchsten im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können, nicht erbracht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß beide Fahrzeuge einen Baustellenbereich durchfahren haben.

Aus der Aussage des Zeugen H. ergibt ich, daß die Straße sich in einem schlechten Zustand befunden hat. Aus dieser Aussage folgt auch, daß durch das Fahrzeug des VN der Bekl. ein Stein hochgeschleudert worden ist, der die Windschutzscheibe am Auto der Kl. zerstört hat. Damit ist der Nachweis erbracht, daß ein Schaden beim Betrieb eines Kfz entstanden ist. Der entgegenstehenden Ansicht der Bekl. kann nicht gefolgt werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß ein Stein die Windschutzscheibe des Fahrzeuges der Kl. zerstört hat. Demgemäß muß der Stein von vorne an das Auto der Kl. gelangt sein. Aus dem Umstand, daß die Straße beschädigt gewesen ist, und daß ein Fahrzeug vor dem Fahrzeug der Kl. hergefahren ist, muß zwingend entnommen werden, daß dieser Stein von dem Fahrzeug hochgeschleudert worden ist.

Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der VN der Bekl. oder der Führer des versicherten Fahrzeuges erkennen müssen, daß durch die Drehbewegung der Räder und die Haftreibung der Reifen lose Steine, die erkennbar auf der Straße herumlagen, hochgeschleudert werden können. Es handelt sich hierbei um eine allgemeine Erfahrungstatsache, die jedem Kraftfahrer bewußt ist. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wäre der VN der Bekl. verpflichtet gewesen, die Baustelle so langsam zu durchfahren, daß ein Hochschleudern der Steine durch die Reifen seines Fahrzeuges ausgeschlossen gewesen wäre. Hinzu kommt, daß der Zeuge H. bekundet hat, daß das Fahrzeug des VN der Bekl. vor Verlassen der Baustelle beschleunigt hat...

Der Fahrer des Fahrzeuges des VN der Kl. hätte auf jeden Fall erkennen müssen, daß bei einer plötzlichen Beschleunigung durch die Reifen Steine hochgeschleudert werden können. Damit steht die Haftung der Bekl. nach §§ 3 Nr. 1 PflVG, 7 Abs. 1 StVG fest.

Auch die Kl. hat als Halterin den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 7 Abs. 2 StVG nicht zu führen vermocht. Aus der Aussage des Zeugen H. ergibt sich, daß der Geschäftsführer P. mit dem Fahrzeug der Kl. einen Abstand von etwa 1 1/2 Autolängen eingehalten hat. Dieser Abstand muß auch bei der geringen Geschwindigkeit als zu gering angesehen werden. Auch für den Führer des Fahrzeuges der Kl. war erkennbar, daß beim Befahren der beschädigten Straße durch die Reifen des vor ihm fahrenden Fahrzeuges Steine hochgeschleudert werden konnten. Er hätte seine Fahrweise hierauf einrichten und den Sicherheitsabstand vergrößern müssen. Erfahrungsgemäß muß auch immer damit gerechnet werden, daß kurz vor Beendigung einer Geschwindigkeitsbegrenzung die Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit erhöhen. Auch hierauf hätte der Führer des Fahrzeuges der Kl. seine Fahrweise einrichten müssen.

Bei der nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachung ist zu berücksichtigen, daß beide Halter nur die Gefahr des erlaubten Betriebes eines Kraftfahrzeuges trifft. Eine Haftung für vermutetes Verschulden kann im Rahmen des § 17 nicht berücksichtigt werden. Ein Verschulden der Fahrzeugführer oder der Fahrzeughalter ist nicht nachgewiesen. Bei dieser Sachlage nur Berücksichtigung der beiderseitigen Betriebsgefahr ist das Maß der Verursachung auf beiden Seiten gleich hoch anzusetzen. Daher ist jeder der am Unfall beteiligten Halter verpflichtet, die Hälfte des Schadens zu tragen. ...







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