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BGH Urteil vom 29.04.1997 - 1 StR 511/95 - Zur Berücksichtigung psychodiagnostischer Beurteilungskriterien für die alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit

BGH v. 29.04.1997: Zur Berücksichtigung psychodiagnostischer Beurteilungskriterien für die alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit


Der BGH (Urteil vom 29.04.1997 - 1 StR 511/95) hat entschieden:
Es gibt keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist (Aufgabe BGH, 22. November 1990, 4 StR 117/90, BGHSt 37, 231).


Siehe auch Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit und Vollrausch im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Alkohol


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Strafausspruch des Landgerichts ist ebenfalls rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch für die Nichtanwendung des § 64 StGB. Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob es zu Recht eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt hat. Dies ist zu bejahen.

1. Andere Anhaltspunkte für eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit als die Blutalkoholkonzentration hat das Landgericht durch rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung von vornherein verneint.

a) Eine toxikologische Untersuchung hat ergeben, dass zur Tatzeit "kein forensisch belangvoller Einfluss von Diazepin (Valium) vorlag". Der Behauptung des Angeklagten, er habe am Tattag gegen 16.00 Uhr zwei Valiumtabletten eingenommen, hat das Landgericht, das offengelassen hat, ob der behauptete Tablettenkonsum überhaupt stattgefunden hatte, deshalb keine Bedeutung beigemessen. Hiergegen ist rechtlich nichts einzuwenden. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung trägt die Schlussfolgerung des Tatrichters.
b) Das Landgericht hat im Einklang mit dem von ihm vernommenen psychiatrischen Sachverständigen wegen des Fehlens jeglicher "Hinweise für einen affektiven Ausnahmezustand", eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung aus diesem Grunde verneint. Auch dies kann mit der Revision hier nicht erfolgreich beanstandet werden; die Erläuterungen der Sachrüge gehen darauf auch nicht ausdrücklich ein. Das sachverständig beratene Landgericht hat die Kriterien, die für und gegen eine affektbedingte tiefgreifende Bewusstseinsstörung sprechen können (vgl. BGH StV 1990, 493 f.), nicht verkannt.

2. Auch die Nichtanwendung des § 21 StGB trotz festgestellten Alkoholkonsums vor der Tat ist rechtlich nicht zu beanstanden.

...

Das vom sachverständig beratenen Landgericht gefundene Ergebnis der Rückrechnung des Tatzeitblutalkoholgehalts, die 2,38 Promille ergibt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Beweiswürdigung des Landgericht dazu, dass bereits in tatsächlicher Hinsicht keine im Sinne von § 21 StGB erhebliche krankhafte seelische Störung durch akute Alkoholintoxikation vorgelegen hat, ist aber auch im übrigen rechtsfehlerfrei. Sie wäre nur zu beanstanden gewesen, wenn das Landgericht die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt, ohne ausreichende Tatsachengrundlage Schlüsse auf die Befindlichkeit des Angeklagten zur Tatzeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB gezogen, gegen einen gesicherten naturwissenschaftlichen Erfahrungssatz oder gegen den Rechtssatz "im Zweifel für den Angeklagten" verstoßen hätte. Dies alles ist jedoch nicht der Fall.

... aa) Der Tatrichter hat nicht verkannt, dass die festgestellte Blutalkoholkonzentration von (höchstens) 2,38 Promille zur Tatzeit Anlass zur Prüfung einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch geboten hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht - aus normativen Erwägungen - davon aus, dass diese Frage regelmäßig ab einem Blutalkoholwert von 2,0 Promille an aufwärts der Erörterung im Urteil bedarf. Bei schwerwiegenden Gewalttaten, die sich gegen Leib oder Leben des Opfers richten, ist dies mit Blick auf die Überschreitung einer höheren Hemmschwelle ab einem Blutalkoholwert von 2,2 Promille zur Tatzeit anzunehmen. Das gilt auch für die gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 16). Demnach überstieg im vorliegenden Fall der festgestellte Tatzeitblutalkoholwert die untere Grenze, ab der die Voraussetzungen des § 21 StGB zu prüfen und im Urteil zu erörtern sind, - geringfügig - um 0,18 Promille. Das Landgericht hat dies zum Anlass genommen, auch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte der Tat, des Verhaltens des Angeklagten vor, während und nach der Tat und seiner Alkoholgewöhnung aufgrund einer Gesamtwürdigung der Frage nachzugehen, ob eine durch Alkoholrausch bedingte krankhafte seelische Störung des Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hatte. Es hat damit seiner Erörterungspflicht genügt und sein Urteil lässt nicht erkennen, dass es einen bedeutsamen Aspekt übersehen hätte.

...

aa) Der Senat hat im Hinblick auf Rechtsprechung anderer Strafsenate, die der Entscheidung entgegenstehen könnte (vgl. nur BGHSt 37, 231 ff.; BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 31), ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG durchgeführt.

(1) Er hat angenommen, dass das Urteil des Tatgerichts nicht im revisionsrechtlichen Sinne gegen einen allgemein anerkannten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz verstoße. Auch sei der Zweifelssatz als Rechtsnorm im Sinne des § 337 StPO dann nicht verletzt, wenn der Tatrichter bei seinem Urteil keine Zweifel an der Feststellung der zu beweisenden Tatsache hatte. Der Senat hat deshalb durch Beschluss vom 9. Juli 1996 bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob deren Rechtsprechung der Annahme entgegenstehe, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB infolge Alkoholeinflusses nicht als gesicherter medizinischer Erfahrungssatz zugrundegelegt werden könne, dass ab einem bestimmten Grenzwert des Blutalkoholgehalts die Steuerungsfähigkeit in aller Regel erheblich vermindert ist und psychopathologische Kriterien eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen.

(2) Der 2. Strafsenat hat durch Beschluss vom 6. November 1996 (2 ARs 357/96) mitgeteilt, er halte an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass eine Blutalkoholkonzentration von 2 Promille und mehr ein derart starkes Indiz für eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit sei, dass volle Schuldfähigkeit nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden könne, sofern nicht andere Indiztatsachen von gleichem Gewicht die Zweifel entkräften. Von einem gesicherten medizinischen Erfahrungssatz, dass ab einem Blutalkoholgehalt von 2 Promille an aufwärts die Schuldfähigkeit in aller Regel erheblich vermindert ist, gehe er entgegen der Annahme im Anfragebeschluss jedoch nicht aus. Er bewerte jedoch die Beweisbedeutung einzelner psychodiagnostischer Beurteilungskriterien anders als der anfragende Senat. So sei das Erinnerungsvermögen als Beurteilungskriterium in der psychiatrischen Wissenschaft umstritten, weshalb darauf eine Entscheidung zu Lasten des Angeklagten nicht gestützt werden könne. Auch einer Alkoholgewöhnung komme keine Aussagekraft für die hier interessierende Frage zu, da diese bei Menschen, die einen Blutalkoholgehalt von 2,0 Promille und mehr erreichen, regelmäßig gegeben sei. Als Beweisanzeichen bedeutsam sei dagegen im Einzelfall ein umsichtiges Reagieren auf unvorhergesehene Situationsveränderungen und eine außergewöhnliche Körperbeherrschung. Der Senat gehe auch davon aus, dass es dem Revisionsgericht überlassen sei zu klären, ob ein psychodiagnostisches Kriterium überhaupt Aussagekraft besitze. Solche Kriterien seien zudem nur im Symptomverband beweisrechtlich von Bedeutung. Liege allerdings eine Vielzahl von Symptomen vor, die - von Wissenschaftlern anerkannt - für eine nur unerhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sprechen könnten, so könne daraus auf eine vollständig erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit geschlossen werden.

(3) Der 3. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 30. Oktober 1996 (3 ARs 17/96) ausgeführt, dass seine Rechtsprechung der Auffassung des anfragenden Senats nicht entgegenstehe; soweit einzelne Ausführungen in Entscheidungen des 3. Strafsenats eine andere Auffassung nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, werde daran nicht festgehalten. Die Blutalkoholkonzentration sei ein wichtiges, aber nicht unwiderlegliches Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit. Psychopathologische Kriterien seien bei der Beweiswürdigung daneben zu berücksichtigen. Dies sei in erster Linie Aufgabe des Tatrichters, der dafür nicht in jedem Falle einen Sachverständigen heranziehen müsse. Die Entscheidung des Tatrichters über die Anwendung oder Nichtanwendung des § 21 StGB enthalte zudem eine der revisionsrechtlichen Kontrolle weitgehend entzogene rechtliche Wertung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit.

(4) Der 4. Strafsenat hat durch Beschluss vom 6. November 1996 (4 ARs 6/96 = NStZ-RR 1997, 162) erklärt, dass seine Rechtsprechung der vom erkennenden Senat beabsichtigten Entscheidung nicht entgegenstehe. Soweit er den psychopathologischen Kriterien im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung gegenüber der Blutalkoholkonzentration eine allenfalls untergeordnete Rolle zugewiesen und im Ergebnis eine BAK von 2 Promille und mehr als einzigen berücksichtigungsfähigen Umstand angesehen hat, der unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB führt (BGHSt 37, 231, 244), halte er daran so nicht fest. Es bestehe nur eine Wahrscheinlichkeitsregel, dass ab einem Blutalkoholgehalt von 2 Promille aufwärts die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sei, nicht aber ein gesicherter medizinisch-statistischer Erfahrungssatz, dass stets davon auszugehen sei. Die Wirkung des genossenen Alkohols auf verschiedene Menschen sei auch bei prozentual gleicher Menge des in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkohols sehr unterschiedlich. Die Blutalkoholkonzentration sei nur eines von verschiedenen möglichen Beweisanzeichen, die für und gegen eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sprechen könnten. Nur dort, wo andere Beweisanzeichen völlig fehlten, sei allein aufgrund der Blutalkoholkonzentration von einer erheblichen alkoholischen Beeinträchtigung im Sinne des § 21 StGB auszugehen. Der Beweiswert anderer Indizien sei eine Frage des Einzelfalls, für die das Revisionsgericht keine allgemein verbindlichen Leitlinien aufstellen könne. Dessen Beurteilung obliege grundsätzlich dem Tatrichter, dessen Urteil dann auf die Sachrüge zu beanstanden sei, wenn es Darstellungs- oder Erörterungsmängel aufweise.

(5) Der 5. Strafsenat hat durch Beschluss vom 6. November 1996 (5 ARs 59/96 = StV 1997, 73 ff. = NStZ-RR 1997, 163 ff.) mitgeteilt, der Anfragebeschluss gebe ihm "Anlass, den Stellenwert der psychodiagnostischen Kriterien zu überdenken. Im Blick darauf wird es im Einzelfall eher, als bislang anerkannt, möglich sein, zu einer tragfähigen Abweichung von der angenommenen Regel des Vorliegens einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei einem Tatzeitblutalkoholgehalt von 2 Promille und mehr zu gelangen." Eine festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2 Promille und mehr löse nur eine Pflicht für den Tatrichter zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB aus. Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sei dann wahrscheinlich. Dies könne aber durch aussagekräftige psychodiagnostische Kriterien widerlegt werden. Die Beurteilung der psychodiagnostischen Kriterien obliege dem gegebenenfalls sachverständig beratenen Tatrichter. Das Revisionsgericht habe eine gewisse Bandbreite unterschiedlicher Auffassungen hinzunehmen, müsse aber auf die Sachrüge eingreifen, wenn anerkanntermaßen nicht aussagekräftige Indizien zur Grundlage der richterlichen Entscheidung gemacht würden. In diesem Umfang sei das Revisionsgericht zur Rechtskontrolle aufgerufen.

bb) Demnach besteht Einigkeit unter den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs darüber, dass es keinen Erfahrungssatz gibt, nach dem ab einem bestimmten Grenzwert der Blutalkoholkonzentration alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorliegt. Revisionsrechtlich bedeutet dies, dass die Ablehnung erheblich verminderter Schuld bei Vorliegen eines solchen Blutalkoholgehalts für sich allein genommen noch keinen Rechtsfehler im Sinne von § 337 StPO darstellt.

Die revisionsgerichtliche Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu den tatsächlichen Voraussetzungen des § 21 StGB hat sich daher an allgemeinen Maßstäben zu orientieren. Der erkennende Senat teilt die Auffassung des 2. und 5. Strafsenats, dass bei Heranziehung "anerkanntermaßen nicht aussagekräftiger Indizien" ein Rechtsfehler vorliegt; in diesem Falle verstößt der Tatrichter nämlich wiederum gegen einen Erfahrungssatz. Rechtsfehlerhaft wäre bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille oder mehr auch ein Beweisschluss, der nicht auf einer aussagekräftigen Tatsachengrundlage für die Annahme einer vollständig erhaltenen Steuerungsfähigkeit beruht. Insofern stimmt der erkennende Senat mit dem 2. Strafsenat überein. Welche psychodiagnostischen Kriterien im einzelnen ohne Aussagekraft sind, kann allerdings nur von Fall zu Fall geprüft werden. Eine allgemeinverbindliche Aussage dieses Inhalts ist nicht möglich. Das gilt auch für die Alkoholgewöhnung. Es hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab, ob diesem Gesichtspunkt Bedeutung zukommt oder nicht. Ähnliches muss auch für andere psychodiagnostische Beurteilungskriterien gelten.

cc) Eine Vorlage der Sache an den Großen Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen ist nach Durchführung des Anfrageverfahrens nicht mehr geboten, nachdem kein Strafsenat des Bundesgerichtshofs mehr an der Auffassung festhält, es gebe einen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz, wonach ab einem bestimmten Grenzwert des Blutalkoholgehalts die Steuerungsfähigkeit in aller Regel erheblich vermindert ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 132 GVG Rdn. 11). Soweit in den Stellungnahmen der anderen Strafsenate angedeutet ist, dass künftig Unterschiede in der Bewertung und Gewichtung einzelner psychodiagnostischer Kriterien im Einzelfall auftreten können, nötigt dies nicht zur Vorlage dieser Sache an den Großen Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen. Es handelt sich insoweit nicht um verbindliche Entscheidungen eines anderen Senats in einer Rechtsfrage im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO Rdn. 14).

3. Hat das Landgericht demnach bereits aus tatsächlichen Gründen eine krankhafte seelische Störung im Sinne von § 21 StGB ohne Rechtsfehler verneint, so kommt es auf die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht mehr an. Das Landgericht hat sie folgerichtig nicht mehr geprüft. Der Senat weist jedoch auf folgendes hin:

Stellt der Tatrichter eine krankhafte seelische Störung zur Tatzeit infolge einer Trunkenheit fest, so führt dies alleine noch nicht zur Anwendung des § 21 StGB (gegen eine automatische Anwendung des § 21 StGB etwa Lemke in Ulsamer , Lexikon des Rechts, Strafrecht/Strafverfahrensrecht 2. Aufl. S. 820, 825). Vielmehr muss die durch die Störung bedingte Minderung der Steuerungsfähigkeit auch "erheblich" sein. Ist dies der Fall, so "kann" der Tatrichter den Strafrahmen mildern oder davon absehen.

Bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit "erheblich" im Sinne des § 21 StGB ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage (BGHSt 8, 113, 124 ; BGH, Urt. vom 4. März 1997 - 1 StR 657/96; Foth in Festschrift für Salger 1995 S. 31, 32; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 ff.), die der Tatrichter - ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung (BGH aaO) - zu beantworten hat. Dabei fließen normative Überlegungen ein. Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens hängt entscheidend von den Ansprüchen ab, die durch die Rechtsordnung an das Wohlverhalten eines in diesem Grade Berauschten gestellt werden müssen (s. bereits BGH, Urteile vom 12. Juli 1960 - 5 StR 239/60 und vom 16. Januar 1962 - 5 StR 588/61; Jähnke aaO Rdn. 9). Zu bewerten ist die Tatschuld im Einzelfall. Die Entwürfe zu § 51 Abs. 2 StGB a.F. und § 21 StGB n.F. (Entwurfstexte und Fundstellennachweise bei Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit 1984 S. 10 ff. und passim, zusammengefasst aaO S. 182 f.) weisen darauf hin, gerade auch für selbstverschuldete Trunkenheit sei ein starkes Bedürfnis feststellbar, dass solche Fälle zumindest keinen Milderungszwang zur Folge haben" (Rautenberg aaO S. 183).

Auch bei der weiteren Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblich verminderter Schuld eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen werden soll, kann der Tatrichter solche Überlegungen einbeziehen (vgl. auch BGH NJW 1986, 793 f.; Foth aaO S. 37). Schon der Vorentwurf zur ersten gesetzlichen Regelung der Strafmilderung wegen "verminderter Zurechnungsfähigkeit", dem das Gesetz zunächst in § 51 Abs. 2 StGB a.F., dann in § 21 StGB n.F. gefolgt ist, hatte bei der Rechtsfolgenprüfung nach dem Vorbild der Versuchsmilderung die volle Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles gestattet (Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, veröffentlicht vom Reichsjustizamt, 1909 S. 232; dazu auch Rautenberg aaO S. 78). Die Rechtsprechung fordert dementsprechend, dass der Tatrichter aufgrund einer Gesamtabwägung aller wesentlichen Tatumstände und der Täterpersönlichkeit über den maßgeblichen Strafrahmen ent scheidet (vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 49 Rdn. 2 m.w.Nachw.). Mag auch bei für den Betroffenen schicksalhaft auftretenden krankhaften seelischen Störungen der erheblich verminderten Schuld regelmäßig mit einer Strafrahmenmilderung Rechnung zu tragen sein, so gilt bei selbstverschuldetem Rauschzustand nicht dasselbe. Des weiteren hat die Rechtsprechung entschieden, dass dann, wenn der Angeklagte seinen Trunkenheitszustand und die Gefahr der Begehung von Straftaten als dessen Folge vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, von der Strafrahmenmilderung abgesehen werden kann (BGH NStZ 1993, 537; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 19, 22, 66 ; ebenso Foth NJ 1991, 386; vgl. auch BGH, Beschl. vom 6. November 1996 - 5 ARs 59/96 = NStZ-RR 1997, 163, 165 f.). ..."