Das Verkehrslexikon

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OLG Köln Beschluss vom 03.11.2000 - Ss 422/00 B - Entsprechende Anwendung des Regelbußgeldrahmens und Fahrverbots für qualifizierte Rotlichtverstöße auf die Missachtung eines Sonderlichtzeichens gem. § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO

OLG Köln v. 03.11.2000: Entsprechende Anwendung des Regelbußgeldrahmens und Fahrverbots für qualifizierte Rotlichtverstöße auf die Missachtung eines Sonderlichtzeichens gem. § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO


Das OLG Köln (Beschluss vom 03.11.2000 - Ss 422/00 B) hat entschieden:
Benutzt ein Fahrzeugführer berechtigt einen Sonderfahrstreifen (hier: Taxifahrer) und missachtet dabei das für diese Fahrspur geltende "Halt" gebietende Sonderlichtzeichen "weißer waagerechter Lichtbalken" trotz schon länger als eine Sekunde andauernder Lichtphase und gefährdet oder schädigt dadurch andere Verkehrsteilnehmer, so liegt zwar kein Regelfall des BKatV § 2 vor, weil das Sonderlichtzeichen eben kein rotes Wechsellichtzeichen ist, er handelt aber ebenso pflichtwidrig wie derjenige, der eine den Tatbestand der laufenden Nr 34.2.1 des Bußgeldkatalogs ausfüllende Zuwiderhandlung begeht.


Siehe auch Sonderfahrstreifen - Busspur - Taxispur und Sonderlichtzeichen - Sonderampeln


Aus den Entscheidungsgründen:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen "wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1, 37, 49 StVO, 24 StVG" eine Geldbuße von 400,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
... Zur Rechtsfolgenbemessung heißt es im Urteil des Amtsgerichts u.a.:

Die festgesetzte Geldbuße ist schuldangemessen und entspricht der BKatV, wovon abzugehen kein Anlass bestand. ... Darüber hinaus war gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 BkatV, § 25 StVG ein Fahrverbot von einem Monat anzuordnen. Durch die begangene Ordnungswidrigkeit ist die Notwendigkeit der Nebenfolge indiziert. Das Gericht war sich der Tatsache bewusst, dass ein Absehen vom Fahrverbot, eventuell unter Erhöhung einer Geldbuße, möglich ist. Es hat diese Frage geprüft und verneint ... . Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Was den Schuldspruch angeht, ist die Rechtsbeschwerde dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO). Das Amtsgericht hat einen fahrlässig begangenen Verstoß des Betroffenen gegen § 37 Abs. 2 StVO und damit eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 24 StVG angenommen. Gegen welches der in § 37 Abs. 2 StVO genannten Gebote der Betroffene verstoßen hat, ist im angefochtenen Urteil allerdings nicht ausdrücklich vermerkt. Die - auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden - Feststellungen des Amtsgerichts belegen indes eine fahrlässige Zuwiderhandlung des Betroffenen gegen § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StVO i.V.m. der Anlage 4 Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab).

Nach § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 StVO können für Schienenbahnen besondere Zeichen, auch in abweichenden Phasen, gegeben werden. Diese Zeichen sind in der Anlage 4 BOStrab aufgeführt (Vwv-StVO zu § 37 Abs. 2 Nr. 4). Nach § 37 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StVO können sie auch für Linienomnibusse und Taxen eingerichtet werden, wenn sie einen vom übrigen Verkehr freigehaltenen Verkehrsraum benutzen (vgl. zu allem: BayObLGSt VRS 67, 436). Die Anlage 4 BOStrab sieht unter Nr. 3 als Fahrsignale u.a. einen weißen Lichtpunkt mit der Bedeutung "Halt zu erwarten" (Signal F 4) sowie einen waagerechten weißen Lichtbalken mit der Anordnung "Halt" (Signal FO) vor.

In den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist von "Rotphase (Querbalken)" die Rede. Damit ist ersichtlich das Halt gebietende Fahrsignal "weißer waagerechter Lichtbalken" gemeint.

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Dem Zusammenhang der Feststellungen und der Begründung des Rechtsfolgenausspruchs lässt sich entnehmen, dass das Amtsgericht die Tat als Regelfall der Nr. 34.2.1 BKat gewertet hat. Nach dieser Bestimmung des Bußgeldkatalogs ist zur Ahndung der Nichtbeachtung roten Wechsellichtzeichens bei einer schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase mit Gefährdung oder Sachbeschädigung eine Geldbuße von 400,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen. Danach ist die Bewertung der Tat des Betroffenen als Regelfall im Sinne dieser Bußgeldkatalogbestimmung rechtsfehlerhaft. Der "Halt" gebietende "weiße waagerechte Lichtbalken" des Sonderlichtzeichens der Anlage 4 BOStrab ist kein rotes Wechsellichtzeichen.

...

Im Ergebnis bleibt es bei der Rechtsfolgenentscheidung im angefochtenen Urteil. Die Missachtung des Wechsellichtzeichens "weißer Querbalken" ist weder im Verwarnungsgeldkatalog noch im Bußgeldkatalog genannt. Die Erfassung einer Verkehrsordnungswidrigkeit in diesen Katalogen ist aber nicht Voraussetzung für ihre Ahndung. Alleinige Rechtsgrundlage für die Sanktionierung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind ohnehin die §§ 24, 24 a, 25 StVG (vgl. Jagusch/Hentschel, StVR, 35. Aufl., StVG § 25 Rdnr. 15 b mit Nachweisen). Soweit Katalog-Regelsätze fehlen, können sich die Gerichte bei der Zumessung der Geldbuße (§ 17 Abs. 3 OWiG) aber an Regelsanktionen für Tatbestände ähnlicher Art und Schwere orientieren (vgl. Jagusch/Hentschel a.a.O., StVG § 24 Rdnr. 63, 64 mit Nachweisen). Entsprechendes gilt für die Entscheidung, ob ein Fahrverbot zu verhängen ist. Ein Fahrverbot kann auch dann zulässig sein, wenn kein Regelfall nach § 2 BKatV gegeben ist. In einem solchen Fall ist aber für das Gericht der Begründungsaufwand größer als in den katalogmäßig bestimmten Regelfällen (vgl. BGHSt 38, 125 = NJW 1992, 446, 448). Die Annahme grober Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 StVG erfordert die Feststellung einer besonderen Gefährlichkeit und Verantwortungslosigkeit unter Berücksichtigung der Örtlichkeit und der Verkehrslage (vgl. Senatsentscheidung vom 23.12.1997 - Ss 719/97 (B); vgl. auch BGH DAR 1997, 450 = NZV 1997, 525). Darüber hinaus setzt in den Fällen eines nicht durch § 2 BKatV indizierten Fahrverbots die Anordnung eines solchen die Feststellung voraus, dass der angestrebte Erfolg auch durch eine erhöhte Geldbuße nicht erreicht werden kann (vgl. BGHSt 38, 125 = NJW 1992, 446; BGHSt 38, 231 = NJW 1992, 1397).

Zur Ahndung der Nichtbeachtung des Halt gebietenden Wechsellichtzeichens (weißer waagerechter Lichtbalken) und der damit tateinheitlich begangenen fahrlässigen Schädigung eines anderen Verkehrsteilnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO hält der Senat eine Geldbuße von 400,00 DM und die Anordnung eines Fahrverbots von einem Monat für tat- und schuldangemessen. Diese Sanktion entspricht der Regelsanktion für die Zuwiderhandlung: Missachtung roten Wechsellichtzeichens bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase und Sachbeschädigung (laufende Nr. 34.2.1 BKat). Die Ordnungswidrigkeit des Betroffenen wiegt nämlich ebenso schwer wie eine solche. Für die Gefährdung eines Verkehrsteilnehmers des Querverkehrs in der Grünlichtphase macht es keinen Unterschied, ob seine Bevorrechtigung durch Nichtbeachtung eines Rotlichts oder eines weißen waagerechten Lichtbalkens missachtet wird. Wer als Kraftfahrzeugführer einen Sonderfahrstreifen (berechtigt) benutzt, dabei das für diese Fahrspur geltende "Halt" gebietende Sonderlichtzeichen "weißer waagerechter Lichtbalken" trotz schon länger als eine Sekunde andauernder Lichtphase missachtet und dadurch einen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet oder gar (wie hier) schädigt, handelt daher ebenso grob pflichtwidrig wie derjenige, der einen den Tatbestand der laufenden Nr. 34.2.1 BKat ausfüllende Zuwiderhandlung begeht.

Der mit dem Fahrverbot angestrebte Erfolg lässt sich mit einer - selbst empfindlichen - Erhöhung der Geldbuße nicht erreichen. Auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf es vorliegend der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots, zumal der vorliegende Fall über die Fallgestaltung der laufenden Nr. 34.2.1 BKat auch insoweit hinausgeht, als der Zeuge K. durch den vom Betroffenen verschuldeten Unfall verletzt worden ist. ..."