Das Verkehrslexikon

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OLG Hamburg Urteil vom 05.12.1972 - 7 U 32/72 - Unfall eines in knappem Abstand von der Bordsteinkante fahrenden Kfz mit der unvorsichtig geöffneten Tür

OLG Hamburg v. 05.12.1972: Zur Schadensabwägung bei Kollision eines in knappem Abstand von der Bordsteinkante fahrenden Kfz mit der unvorsichtig geöffneten Tür eines auf dem Gehweg parkenden Wagens (Haftungsverteilung 70 : 30 zu Lasten des Türöffners)


Das OLG Hamburg (Urteil vom 05.12.1972 - 7 U 32/72) hat entschieden:
  1. Es besteht kein Gebot für Kfz-Führer, einen gewissen Seitenabstand von der Bordkante einzuhalten, um auf dem Gehweg parkende Fahrzeuge im Fall des unvorsichtigen Öffnens von Türen vor Schaden zu bewahren. Vielmehr darf der fließende Verkehr darauf vertrauen, dass die Türen stehender Fahrzeuge nicht unachtsam geöffnet werden.

  2. Zur Schadensabwägung bei Kollision eines in knappem Abstand von der Bordsteinkante fahrenden Kfz mit der unvorsichtig geöffneten Tür eines auf dem Gehweg parkenden Wagens.

Siehe auch Türöffner-Unfälle und Geöffnete Fahrzeugtür und Seitenabstand beim Vorbeifahren


Zum Sachverhalt: Der Kl. hatte ... seinen PKW so auf dem Rand des Gehwegs der F. -Straße in H. abgestellt, dass kein Teil mehr in die Fahrbahn hineinragte. Der Zeuge M. fuhr mit einem LKW der bekl. Bundespost Pakete aus; dabei stand die rechte Schiebetür des Postfahrzeugs offen. Beim Vorbeifahren an dem Wagen des Kl. hakte die geöffnete Tür des PKW hinter den Holm der geöffneten Schiebetür des LKW der Bekl.

Das LG hat die Bekl. zur Zahlung von 1073,11 DM (30 % des Schadens) verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Dem Kl. steht nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG ein über 30 % seines Schadens hinausgehender Ersatzanspruch nicht zu...

Nach dem Beweis des ersten Anscheins hat der Kl. gegen § 14 Abs. 1 StVO n. F. verstoßen. Nach dieser Vorschrift musste er sich beim Aussteigen so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Der erste Anschein geht dahin, dass der Kl. die Tür unvorsichtig geöffnet hat, obwohl der Postwagen schon in der Nähe war. Der Kl. hat den Anscheinsbeweis nicht entkräftet (wird ausgeführt).

Ein Verschulden des Zeugen M. ist nicht bewiesen. Es lässt sich nicht feststellen, dass er im Augenblick des Öffnens der Tür des PKW noch so weit entfernt war, dass er den Unfall durch Bremsen oder Ausweichen hätte vermeiden können.

Ein Verschulden liegt nicht darin, dass M. mit einem sehr knappen Abstand zur Bordsteinkante gefahren ist. Ein Gebot, einen gewissen Seitenabstand einzuhalten, um auf dem Gehweg parkende Fahrzeuge im Fall des unvorsichtigen Öffnens von Türen vor Schaden zu bewahren, besteht nicht. Vielmehr darf der fließende Verkehr darauf vertrauen, dass ein unvorsichtiges Öffnen von Türen unterbleibt (vgl. Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., Anm. 2 zu § 14 StVO)...

Bei der Abwägung nach § 17 Abs. 1 S. 2 StVG ist davon auszugehen, dass der Kl. die weitaus überwiegende Unfallursache gesetzt hat. Ein Verstoß gegen die strenge Vorschrift des § 14 Abs. 1 StVO wiegt als Unfallursache sehr schwer.

Dem fließenden Verkehr steht der Vertrauensgrundsatz zur Seite. Dem Fahrer, der die Tür zur Fahrbahnseite hin öffnet, wird eine hohe Verantwortung aufgebürdet. Die Bekl. hat nur für die Betriebsgefahr ihres LKW einzustehen.

Unter Berücksichtigung aller Umstände darf der Kl. nur 30 % seines der Höhe nach unstreitigen Schadens fordern. ..."







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