Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Urteil vom 21.01.2005 - 20 U 228/03 - Klageabweisung bei ausgeschlossenem Unfallhergang

OLG Hamm v. 21.01.2005: Zur Klageabweisung bei ausgeschlossenem Unfallhergang trotz kompatibler Fahrzeugschäden


Das OLG Hamm (Urteil vom 21.01.2005 - 20 U 228/03) hat entschieden:
Kann sich der Unfall nicht so, wie behauptet, ereignet haben, ist die Klage abzuweisen. Dass die Schäden bei einem behaupteten Leitplankenanstoß kompatibel sind, sich der Unfall deshalb zu anderer Zeit und an anderer Stelle ereignet haben mag, ändert nichts.


Siehe auch Unfallmanipulationen - Unfallbetrug - Berliner Modell und Die Beweiswürdigung in Zivilsachen


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer für seinen BMW 728 i genommenen Vollkaskoversicherung auf Zahlung von Reparaturkosten in Höhe von 8.274,79 € mit der Behauptung in Anspruch, er habe am 4./5.Februar 2001 mit dem Wagen einen Unfall erlitten, bei dem er nach Kontrollverlust über das Fahrzeug mit einer Leitplanke kollidiert sei.

Der Beklagte hat die vom Kläger zum behaupteten Unfallhergang vorgetragenen Umstände bestritten und in Abrede gestellt, dass ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vorliegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund früherer Vorfälle der Verdacht bestehe, dass der Kläger gemeinsam mit einem Bekannten, dem Zeugen I, Unfälle manipuliere. Zudem hat er sich darauf berufen, dass er – wenn der Unfall überhaupt stattgefunden habe – wegen vorsätzlicher Herbeiführung leistungsfrei sei (§ 61 VVG).

Das Landgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 2.10.03 persönlich angehört und im Anschluss die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung, auf die zur näheren Darstellung und Begründung verwiesen wird, im Kern darauf gestützt, dass der Kläger das Unfallgeschehen nicht nachgewiesen habe.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlich gestellten Antrag weiter. Er wiederholt seinen Vortrag aus erster Instanz und meint, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft die von ihm angebotenen Beweise, insbesondere die Einvernahme des Zeugen I, der den Wagen am Unfallort abgeholt habe, und außerdem die Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht erhoben.

Die Beklagte verteidigt das Urteil.

Der Senat hat zu der Frage, ob die dokumentierten Beschädigungen an dem BMW des Klägers durch den von diesem behaupteten Unfall entstanden sind, ein Gutachten des Sachverständigen T eingeholt.

Bzgl des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 6.8.04 Bezug genommen.

Die Ermittlungsakten der StA Bochum (Az. 11 JS 828/01) und der Ermittlungsaktenauszug des PP S (Tgb-Nr. ...) waren beigezogen.


II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht Ansprüche des Klägers auf Versicherungsleistung aus §§ 12 Abs. I Ziffer II. e, 13 Abs. V der Vertragsbestandteil gewordenen AKB 2000 wegen des behaupteten Verkehrsunfalls vom 4./5. Januar 2001 verneint.

Der für den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalles darlegungs – und beweisbelastete Kläger hat nicht nachweisen können, dass sich der Unfall so, wie er ihn in der Schadensanzeige dargestellt und im vorliegenden Verfahren behauptet hat, ereignet hat.

Es steht im Gegenteil aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 6.8.2004, die er im Senatstermin am 21.1.2005 mündlich erläutert hat und denen der Senat sich anschließt, fest, dass die Angaben des Klägers mit dem behaupteten Unfall nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

So hat der Sachverständige nachvollziehbar im Anschluss an eine mit einem Fahrzeug des Typs BMW 316 i durchgeführte und fotografisch festgehaltene Versuchsreihe aufgezeigt, dass mit den am Fahrzeug des Klägers entstandenen und dokumentierten Beschädigungen zwangsläufig erhebliche Schäden an der in Mitleidenschaft gezogenen Leitplanke korrespondieren müssen. An der angeblichen Unfallstelle, die der Kläger im Senatstermin noch präzisiert hat, gab es solche Beschädigungen aber – unstreitig - nicht.

Ausgeschlossen hat der Sachverständige außerdem, dass sich das Fahrzeug des Klägers wie von diesem behauptet vor dem Zusammenstoß mit der Leitplanke in einem Schleudervorgang befunden hat. Der BMW ist unstreitig schwerpunktmäßig an der rechten Vorderfront beschädigt worden. Das Beschädigungsbild lässt sich – so der Sachverständige – zwanglos einem Zusammenstoss mit einer Leitplanke in einem stumpfen Winkel von etwa 75 ° zuordnen. Allerdings musste der Wagen auf den letzten fünf Metern vor dem Zusammenprall geradeaus gefahren sein : Wäre er im Zeitpunkt des Zusammenstosses im Schleudern begriffen gewesen, dann wäre er nach den schlüssigen Darstellungen des Sachverständigen aufgrund der ihn treibenden Bewegungsenergie nicht an bzw unter der Leitplanke stehen geblieben, sondern hätte sich, beginnend von der rechten über die linke Fahrzeugfront, an der Leitplanke "abgerollt".

Soweit der Kläger im Senatstermin hat andeuten lassen, dass er nur anfänglich mit seinem Wagen ins Schleudern gekommen sei, dann gebremst habe und möglicherweise anschließend auf geradem Weg in die Leitplanke gefahren sei, hat der Sachverständige auch das ausgeschlossen und aufgezeigt, dass der Kläger dann einen Kurvenradius hätte nehmen müssen, der ihn weit auf die Gegenfahrbahn getragen hätte.

Ein solcher Verlauf ist vom Kläger indessen zu keiner Zeit geschildert worden.

Er wäre auch angesichts der Straßenverhältnisse vor Ort - die Strasse ist fast gerade, sie erfährt lediglich eine langgezogene Kurve - nicht erklärbar.

Wird außerdem berücksichtigt, dass das Fahrzeug des Klägers nach den Berechnungen des Sachverständigen vor der Kollision eine maximale Ausgangsgeschwindigkeit von 35 km/h gehabt haben kann und die serienmäßig im BMW eingebaute Traktionskontrolle das vom Kläger als Grund für den angeblichen Schleudervorgang in Betracht gezogene "Durchdrehen" der Räder verhindert hätte, kann sich der Unfall nicht wie vom Kläger angezeigt zugetragen hat.

Das geht zu seinen Lasten.

Denn ob der Kläger möglicherweise im versicherten Zeitraum, aber an anderer Stelle und unter anderen Bedingungen mit dem Fahrzeug verunfallt ist, ist unerheblich. Gegenstand der vorliegenden Verfahrens und der Schadensanzeige ist nur der hier vorgetragene Unfall.


III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 Abs II Satz 1 ZPO.