Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Urteil vom 06.03.1996 - 13 U 211/95 - Entgangene Erschwerniszulagen eines Polizeibeamten sind erstattungspflichtig; sie gehören mit zum Einkommen

OLG Hamm v. 06.03.1996: Entgangene Erschwerniszulagen eines Polizeibeamten sind erstattungspflichtig; sie gehören mit zum Einkommen


Entgangene Erschwerniszulagen eines Polizeibeamten sind erstattungspflichtig; sie gehören mit zum Einkommen und sich auch nicht durch den Unfallausgleich abgegolten, vgl. OLG Hamm (Urteil vom 06.03.1996 - 13 U 211/95):
Einem bei einem Verkehrsunfall verletzten Polizeibeamten stehen für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit gegen den Schädiger Ansprüche auf Ersatz der ihm entgangenen Erschwerniszulagen zu. Erschwerniszulagen wie die Wechselschichtzulage und die Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten sind nämlich keine echten Aufwandsentschädigungen, sondern sie gehören, ebenso wie Überstundenvergütungen, zu dem Einkommen des Geschädigten.


Siehe auch Erwerbsschaden - Einkommensnachteile - Verdienstausfall und Prognosebildung bezüglich des hypothetischen Zukunftseinkommens


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Dem Kläger steht aufgrund des Verkehrsunfalles vom 4.9.1991, für den die Beklagten unstreitig einzustehen haben, ein Anspruch auf Ersatz der ihm als Polizeibeamten für die Zeit vom 1.1.1994 bis 30.6.1995 entgangenen Wechselschichtzulage (monatlich 100 DM) und der Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten - DUZ (monatlich 190 DM) in Höhe von insgesamt 5 220 DM zu (§§ 842, 843 BGB, 11 StVG, 3 Nr. 1 und 2 PfIVG).

Der Senat ist mit dem LG der Auffassung, dass die genannten Zulagen, bei denen es sich um Erschwerniszulagen nach § 22 der Erschwerniszulagen-Verordnung = EZulVO (Wechselschichtzulage) und nach § 3 EZulVO (Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten - DUZ) handelt, ersatzfähig sind. Die Ersatzfähigkeit von Zulagen zu Lohn oder Gehalt richtet sich nach dem Zweck, zu welchem sie bestimmt sind. Grundsätzlich ist zusätzliches Einkommen des Geschädigten ersatzfähig. Als nicht ersatzfähig anzusehen ist die s. g. echte Aufwandsentschädigung, die eine Vergütung für tatsächliche Aufwendungen, z. B. Spesen oder Kleidergeld, sein soll (vgl. BGH LM Nr. 4 zu § 842 BGB = VersR 1967, 1080 = MDR 1968, 38; Boujung RGRK-BGB, 12. Aufl., Rn. 13 zu § 842; siehe auch BGH VersR 1986, 264, 265 1 b; 1979, 622, 624). Erschwerniszulagen, die nicht zu dieser echten Aufwandsentschädigung zählen, sind daher grundsätzlich ersatzfähig (so MünchKomm. BGB/Grunsky, 2. Aufl., Rn. 7 a zu § 252; Palandt-Heinrichs, BGB, 55. Aufl., 1996, Rn. 9 zu § 252; auch LG Kassel NJW RR 1987, 799 = ZfS 1987, 91). Dass die Erschwerniszulagen an besondere Anstrengungen des Geschädigten geknüpft sind, die er unfallbedingt nicht mehr zu erbringen braucht und deshalb "erspart", steht - entgegen der Ansicht der Beklagten - der Ersatzfähigkeit nicht entgegen (vgl. BGH LM Nr. 4 § 842 BGB für eine Bordzulage). Die Erschwerniszulagen, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, nämlich die Wechselschichtzulage und die DUZ, sind keine echten Aufwandsentschädigungen, sondern sie gehören - ebenso wie Überstundenvergütungen - zum Einkommen des Geschädigten. Nach § 2 III der EZulVO soll mit ihnen ein allgemeiner mit der Erschwernis verbundener Aufwand mitabgegolten werden. Gleichwohl müssen die Erschwerniszulagen versteuert werden (§ 19 EStG; LStR 70 II Nr. 4; vgl. dazu auch Hofmann, Haftpflichtrecht für die Praxis, 1989, S. 463). Im Krankheitsfalle sind sie fortzuzahlen (§ 4 I 2 Entgeltfortzahlungsgesetz). Überdies ist - wie das LG zutreffend ausgeführt hat - nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Ausgaben des Geschädigten bei der Leistung von Wechselschichten und beim Dienst zu ungünstigen Zeiten hier - anders mag es bei Zulagen für Nacht- und Wechseldienst außerhalb des Wohnortes sein (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1972, 695 f) - anfallen. Auch die Beklagten haben solche notwendigerweise anfallenden zusätzlichen Ausgaben des Geschädigten nicht aufzeigen können. Deshalb kommt auch die Schätzung (gem. § 287 I ZPO) eines Prozentsatzes, den zusätzliche notwendige Ausgaben ausmachen könnten (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1977, 727, 728; OLG Hamm VersR 1983, 927) nicht in Betracht, sondern es bleibt dabei, dass die Erschwerniszulagen, um die es hier geht (Wechselschichtzulage und DUZ), in vollem Umfange ersatzfähig sind.

Der Senat folgt dem LG auch darin, dass - entgegen der Auffassung der Beklagten - § 35 BeaVG (Unfallausgleich) der Ersatzfähigkeit der Erschwerniszulagen nicht entgegensteht. § 35 BeaVG gleicht die unfallbedingten Nachteile des Klägers, um welche es hier geht, nicht aus. Diese Vorschrift soll vielmehr unfallbedingte Nachteile des Beamten im Vergleich zu Angestellten und Arbeitern ausgleichen, wie der Senat im Urteil vom 16.3.1994 (13 U 204/93) dargelegt hat (= NJW RR 1994, 991 m. N.; vgl. auch BVerwGE 15, 51, 52 f). Dass § 35 BeaVG nicht den Wegfall der Erschwerniszulagen ausgleichen soll, ist daraus zu ersehen, dass der Unfallausgleich nach dem Grad der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Beamten bemessen wird (vgl. § 35 II BeaVG), während es sich bei den Erschwerniszulagen um feste Beträge handelt. Zudem erhalten sämtliche Beamte, deren MdE nach Maßgabe des § 35 II BeaVG eingeschränkt ist, den Unfallausgleich unabhängig davon, ob sie tatsächlich Erschwerniszulagen erhalten haben oder - was auf die meisten Beamten zutrifft - nicht. Der unfallbedingte Verlust der Erschwerniszulagen, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, ist deshalb durch § 35 BeaVG nicht mitabgegolten. ..."






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