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Landgericht Saarbrücken Urteil vom 21.04.2006 - 3 0 79/04 - Zum Ersatzanspruch des Unfallgeschädigten auf Bereitschaftsdienstzulagen und Überstundenvergütung

LG Saarbrücken v. 21.04.2006: Zum Ersatzanspruch des Unfallgeschädigten auf Bereitschaftsdienstzulagen und Überstundenvergütung


Das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 21.04.2006 - 3 0 79/04) hat entschieden:
Kann ein zu 50% in seiner Erwerbsfähigkeit verminderter Unfallverletzter auf Grund der Unfallfolgen keine Bereitschaftsdienste und Überstunden mehr leisten, so ist ihm der dadurch entstehende Verdienstausfall in vollem Umfang zu ersetzen.


Siehe auch Erwerbsschaden - Einkommensnachteile - Verdienstausfall und Prognosebildung bezüglich des hypothetischen Zukunftseinkommens


Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrte die Zahlung von Verdienstausfall.

Die Klage geht zurück auf ein Unfallereignis vom Oktober 2001 in H. Der Kläger ist unfallbedingt zu 50 % erwerbsgemindert. Der Kläger hat bei seinem Arbeitgeber, der in H. Überstunden und Bereitschaftsdienst bei der Betriebsfeuerwehr geleistet.

Über die Eintrittspflicht der Beklagten besteht kein Streit.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist der Umfang der Schadenersatzpflicht streitig. Im Streit verblieben sind die Positionen, ob und in welcher Höhe entgangene Vergütung für Überstunden und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

Der Kläger behauptete, dass er die Zusatzdienste, die er regelmäßig geleistet habe und auch in der Zukunft geleistet hätte, verletzungsbedingt nicht mehr leisten könne. Aufgrund der 50 %-igen Erwerbsminderung könne er keine schweren Lasten heben. Sehr viel gravierender sei jedoch die Tatsache, dass er wegen der den HNO-Bereich betreffenden Verletzungsfolgen nicht mehr - wie erforderlich - ein schweres Atemgerät tragen könne. Der Werksarzt der … GmbH habe deshalb festgestellt, dass der Kläger zu Verrichtung der bisher geleisteten Zusatzarbeiten nicht mehr geeignet sei. Er sei und wäre, abgesehen von den unfallbedingten Verletzungsfolgen, körperlich noch fit und wäre ohne die Verletzungen problemlos in der Lage gewesen, noch weiterhin die Zusatzdienste zu erbringen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. ...

Der Kläger hat einen Schaden, d.h. eine unfreiwillige Einbuße am rechtlich geschützten Vermögen erlitten. Der Kläger kann wegen der Folgen des Unfalls vom 13.10.2001 nicht mehr wie vor dem Unfallereignis Bereitschaftsdienst und Überstunden bei seinem Arbeitgeber ableisten. Die haftungsausfüllende Kausalität zwischen den Verletzungen und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Dies steht als Ergebnis der am 30.06.2005 durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest.

Nach der schriftlichen Aussagen des Zeugen Dr. vom 28.06.2005 und der mündlichen Aussagen der Zeugen … und … im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.06.2005 kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund der/ Unfallfolgen weder in der Lage ist, Bereitschaftsdienst zu versehen noch Überstunden zu leisten.

Was den Bereitschaftsdienst anbetrifft, so folgt dies allein schon daraus, dass der Kläger unfallbedingt nicht mehr in der Lage ist, schweres Atemgerät zu tragen. Zwar ist das Tragen von schwerem Atemgerät natürlich nicht während der gesamten Dauer des Bereitschaftsdienstes erforderlich. Da die Ableistung des Bereitschaftsdienstes aber für denjenigen keinen Sinn macht, der im Ernstfall schweres Atemgerät nicht tragen kann/darf, und der Zeuge … den Ablauf des Bereitschaftsdienstes im Einzelnen dargelegt hat, bestehen für das erkennende Gericht keinen Zweifel daran, dass der Kläger keinen Bereitschaftsdienst mehr bei seinem Arbeitgeber, der . GmbH, leisten kann und leisten darf.

Nach den Aussagen der Zeugen … und … fuhrt dies gleichzeitig aufgrund der innerbetrieblichen Organisation der … GmbH dazu, dass der Kläger keine Überstunden mehr leisten kann.

Denn zu einen wird der Bereitschaftsdienst bei der … GmbH in der Abteilung, welcher der Kläger angehört, offensichtlich regelmäßig dazu genutzt, bestimmte Arbeiten, die im täglichen Ablauf in der Woche nicht angegangen werden können (sei es, weil dafür keine Zeit ist, sei es, dass der laufende Betrieb diese Arbeiten nicht zulässt, weil zum Beispiel bestimmte Anlagen oder Anlagenteile für diese Arbeiten abgestellt werden müssen), während der Bereitschaftszeit auszuführen. Zum anderen sind diese Arbeiten, wie der Zeuge … plastisch und nachvollziehbar dargestellt hat, mit schwerer körperlicher Arbeit oder dem Tragen schwerer Lasten verbunden. Dabei kommt es nicht auf die Fähigkeiten während des Bereitschaftsdienste, sondern allein darauf an, dass der in Bereitschaft stehende im Schadensfall die notwendigen Maßnahmen treffen kann, und im Schadensfall muss die Betriebsfeuerwehr, in welcher der Kläger eingesetzt war, Atemmasken tragen können und unbeschränkt einsatzfähig sein. Das ist die Beeinträchtigung, die sich unter normalen Lebensumständen einstellt, nicht jedoch die zusätzliche, die sich beim Tragen einer Gasmaske beziehungsweise unter höherer körperlicher Belastung einstellt.

Der Umfang des Schadens ergibt sich aus § 252 BGB. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ist ein zu erwartender Gewinn zu ersetzen. Maßgebliche ist der Verdienst, den der Verletzte ohne das schädigende Ereignis hätte erzielen können. Seitens des erkennenden Gerichts bestehen keine Bedenken, dass der Kläger ohne das schädigende Ereignis auch weiterhin diese Zusatzdienste in den mit der Klage geltend gemachten Zeiträumen erbrachte hätte. Hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit der Bescheinigung vom 18.08.2003 bestehen, auch im Hinblick auf die glaubhafte und nachvollziehbare Aussage des Zeugen …, für das erkennende Gericht keine Zweifel. ..."