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BGH Urteil vom 26.05.1992 - VI ZR 253/91 - Keine Befreiung der Versicherung von der Verjährungseinrede durch Vorbehalt in der Abfindungserklärung

BGH v. 26.05.1992: Keine Befreiung der Versicherung von der Verjährungseinrede durch Vorbehalt in der Abfindungserklärung


Der BGH (Urteil vom 26.05.1992 - VI ZR 253/91) hat entschieden:
Akzeptiert nach einem Verkehrsunfall der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in einer Abfindungserklärung des Geschädigten einen auf den materiellen Zukunftsschaden gerichteten Vorbehalt, so liegt darin allein auch dann keine "konstitutive" Befreiung von der Verjährungseinrede, wenn damit zu rechnen ist, dass weitere Unfallfolgen erst nach mehr als drei Jahren auftreten könnten.


Siehe auch Abfindungsvergleich und Verjährung der Schadensersatzansprüche und Stichwörter zum Thema Personenschaden


Aus den Entscheidungsgründen:

"... 1. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Klageanspruch verjährt ist, wenn die Bekl. dadurch, dass sie sich auf den Vorbehalt in der Abfindungserklärung vom 13.10.1975 einließ, dem Kl. (lediglich) ein deklaratorisches Anerkenntnis erteilt hat. Denn eine solche schuldbestätigende Erklärung veränderte nicht die Länge der in § 852 Abs. 1 BGB und § 14 StVG festgelegten und gem. § 3 Nr. 3 PflVG auch im Verhältnis des Kl. zur Bekl. geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren, sondern führte gem. § 208 BGB nur zu einer Unterbrechung der Verjährung mit der Folge ihres Neubeginns nach § 217 BGB (vgl. Senat vom 13.10.1964 - VI ZR 142/63 - = VersR 65, 155 (156); vom 28.9.1965 - VI ZR 88/64 - = VersR 65, 1153 (1154) und vom 23.10.1984 - VI ZR 30/83 - = VersR 85, 62 (63). Lief aber ab dem 13.10.1975 lediglich eine neue dreijährige Verjährungsfrist, so kann sich die Bekl. gegenüber der erst am 13.9.1990 bei Gericht eingegangenen Klage selbst dann auf den Eintritt der Verjährung berufen, wenn in dem Verhalten der Bekl., wie das Berufungsgericht unterstellt, ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung für denjenigen Zeitraum gelegen hat, in dem der Kl. über den Eintritt von Spätfolgen des Unfalls noch im ungewissen war. Denn diese Ungewissheit bestand seit dem Jahr 1984 und damit bei Eingang der Klageschrift bereits seit rd. sechs Jahren nicht mehr.

2. Das Rechtsmittel des Kl. könnte deshalb nur dann Erfolg haben, wenn in der Aufnahme des Vorbehalts in die Abfindungserklärung vom 13.10.1975 und deren Entgegennahme durch die Bekl. ein zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren führendes selbständiges (konstitutives) Anerkenntnis der Bekl. i. S. v. § 781 BGB gelegen hätte oder wenn durch Vereinbarung der Parteien der Anspruch des Kl. auf Ersatz seines Zukunftsschadens wie bei einem Feststellungsurteil gem. § 218 Abs. 1 BGB von der Verjährungseinrede der Bekl. aus § 852 Abs. 1 BGB befreit worden wäre. Beides hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Die dazu in tatrichterlicher Würdigung vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom 13.10.1975, die vom Revisionsgericht nur beschränkt nachgeprüft werden kann (vgl. Senat vom 28.9.1965 VersR 65, 1153 und vom 22.1.1974 - VI ZR 26/73 - = VersR 74, 571 (572) BGH vom 16.2.1984 - III ZR 208/82 - = VersR 84, 441 (442), verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und lässt auch keinen erheblichen Parteivortrag außer Betracht.

a) Der von der Bekl. akzeptierte Vorbehalt in der Abfindungserklärung spricht bei revisionsrechtlicher Überprüfung weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem vom Berufungsgericht dargelegten Zweck, den materiellen Zukunftsschaden aus dem Verzicht des Kl. auf die den Abfindungsbetrag übersteigenden Ansprüche auszugrenzen, dafür, dass die Parteien für diesen Zukunftsschaden eine von dem zugrundeliegenden Haftungstatbestand losgelöste selbständige Rechtsgrundlage schaffen wollten. Auch die Revision vermag keine Umstände aufzuzeigen, die das Berufungsgericht hätten veranlassen müssen, die Erklärung der Bekl. als derart schuldbegründendes Anerkenntnis zu beurteilen.

b) Keinen Erfolg kann die Revision auch mit ihrer Rüge haben, die Bekl. habe mit der Entgegennahme der Abfindungserklärung den Kl. wie bei einem Feststellungsurteil von der Verjährungseinrede "konstitutiv" befreit (zu dieser rechtlichen Möglichkeit s. Senat vom 23.10.1984 VersR 85, 62 und vom 4.2.1986 - VI ZR 82/85 = VersR 86, 684 (685). Im Unterschied zu den diesen Urteilen zugrundeliegenden Fallgestaltungen bestand nämlich hier nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt für die Bekl. weder besonderer Anlass zu der Annahme, ohne Abgabe einer die Verjährung langfristig hinausschiebenden Erklärung vom Kl. mit einer auf den Zukunftsschaden gerichteten Feststellungsklage überzogen zu werden, noch hat die Bekl. ein auf den Zukunftsschaden gerichtetes Anerkenntnis mit dem Ziel abgegeben, den Kl. insoweit klaglos zu stellen.

Freilich war, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, der Vorbehalt des Kl. in der Abfindungserklärung und seine als Anerkenntnis i. S. v. § 208 BGB anzusehende Entgegennahme durch die Bekl. ohne einen Verzicht der Bekl. auf die Einrede der Verjährung jedenfalls dann nicht sinnvoll, wenn die Parteien, wie das Berufungsgericht unterstellt, am 13.10.1975 davon ausgingen, dass ein Folgeschaden möglicherweise erst nach Ablauf von drei Jahren eintreten würde. Die sich daraus für solche Zukunftsschäden ergebende Interessenlage des Kl. reicht aber für sich allein nicht aus, um den Kl. allein schon aufgrund der Entgegennahme des Vorbehalts durch die Bekl. so zu stellen, als ob er eine gerichtliche Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. erwirkt hätte.

Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darlegt, hätte der bereits bei der Abfindungsvereinbarung anwaltlich vertretene Kl., wenn er einen langfristigen Ausschluss der Verjährung erreichen wollte, entweder eine Feststellungsklage erheben oder vor dem Hintergrund einer solchen Klage und zu deren Vermeidung die Bekl. zur Abgabe einer eindeutigen Anerkenntniserklärung veranlassen müssen oder er hätte, als für ihn bis Oktober 1978 noch keine Spätfolgen erkennbar waren, die Bekl. zu einem noch über den Zeitpunkt der Erkennbarkeit von Spätfolgen im Jahr 1984 hinaus bis zur Klagerhebung wirkenden Verzicht auf die Einrede der Verjährung veranlassen müssen. Das erstere hat der Kl. nicht getan und die Verwirklichung einer der beiden anderen Möglichkeiten kann nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Berufungsgerichts den Erklärungen der Parteien vom 13.10.1975 und ihrem nachfolgenden Verhalten nicht entnommen werden. ..."



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