Das Verkehrslexikon

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Zeugengebühren für Fahrerbenennung durch Autovermietung?

Kasten NZV 2005, 106 f.: Zeugengebühren für Fahrerbenennung durch Autovermietung?


Stadtamtsrat M. Kasten, Böblingen führt zur stritten Frage einer Zeugenentschädigung zugunsten von Autovermietungen für die Benennung eines Fahrzeugmieters bzw. -fahrers in seiner Anmerkung zum Urteil des AG Leipzig (NZV 2005, 106) in NZV 2005, 106 f. aus:

"Der Beschluss des AG Leipzig widmet sich einer Problematik, die seit dem Beschluss des AG Stuttgart vom 13. 1. 2004 bundesweit für Unsicherheit bei Bußgeldstellen und Gerichten gesorgt hat. Da die Beschlüsse der einzelnen Amtsgerichte gem. § 62 OWiG nicht angefochten werden können, wird es auch keine einheitliche Rechtsprechung (ähnlich wie bei den Halterkostenentscheidungen nach § 25 a StVG) geben. Umso mehr hilft die zutreffende Auffassung des AG Leipzig zur Stabilisierung der Rechtsmeinung beizutragen.


Siehe auch Zeugengebühren - Entschädigung für den Zeitverlust von Zeugen


Durch die Aufhebung des ZSEG und die Einführung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5. 5. 2004 ist die Situation nicht klarer geworden. Die Entschädigung von Zeugen und Dritten wird nunmehr in den §§ 19—23 JVEG bestimmt, ohne dass besondere inhaltliche Änderungen zu den Regelungen des ZSEG festzustellen sind.

Neben dem Beschluss des AG Leipzig vom 14. 6. 2004 gibt es auch andere gerichtliche Entscheidungen, in denen der Entschädigungsanspruch bejaht worden ist ...

In der Entscheidung des AG Stuttgart vom 13. 1. 2004 hat das Gericht allerdings verkannt, dass es sich bei der Mietwagenverleihfirma um eine juristische Person handelt, die nicht als Zeuge nach § 2 ZSEG in Betracht kommen konnte. Zu Unrecht hat das Gericht zudem eine Entschädigung nach § 17 ZSEG bestimmt und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Autovermietfirma sowohl Zeuge als auch Dritter im Sinne des ZSEG ist. Diese Konstellation ist jedoch unzutreffend.

Nachdem der Bundesverband der Autovermietfirmen die Entscheidung des AG Stuttgart vom 13. 1. 2004 in seiner Verbandszeitschrift veröffentlichte, haben nahezu alle Autovermietfirmen bundesweit bei den Bußgeldstellen Entschädigungsansprüche angemeldet, wenn sie als Halter eines Mietfahrzeugs den Mieter/Fahrer benannten.

Ermutigt durch Rechtsprechung wie die des AG Leipzig, aber auch anderer Gerichte, wie zum Beispiel das AG Ludwigshafen am Rhein vom 2. 7. 2004 (4 d OWi 536/04), wurden die entsprechenden Anträge zumeist abgelehnt. Auch das AG Stuttgart hat in anderen Referaten mit entsprechenden Entscheidungen den Entschädigungsanspruch von Autovermietfirmen verneint (Beschl. v. 12. 1. 2004, NZV 2005, 104...).

Es gibt nämlich Folgendes zu bedenken: Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift zur Zeugenentschädigung dazu beitragen wollen, den Zeugen vor unverhältnismäßigen Aufwendungen zu schützen bzw. ihm diese zu erstatten. Besondere Nachteile und finanzielle Einbußen, die durch die Tätigkeit als Zeuge entstanden sind, sollen ausgeglichen bzw. erstattet werden.

Vorliegend können für den Zeugen keine ersichtlichen Nachteile festgestellt werden, so dass ein Entschädigungsanspruch ausgeschlossen ist (§ 2 III ZSEG).

Abgesehen davon ist die Forderung von regelmäßig (!) 15 Euro überzogen. Es gehört zu den grundlegenden Geschäftsabläufen eines gewerbsmäßigen Autovermieters, die mit der Vermietung gegen Entgelt verbundenen Verwaltungsarbeiten durchzuführen. Dazu gehören nicht nur der Abschluss des Mietvertrages und das Bereitstellen des Fahrzeugs, sondern auch alle Registratur- und Überprüfungsarbeiten, die mit dem Gebrauch des Fahrzeugs verbunden sind. Hat der Mieter durch sein Verschulden beim Gebrauch des Mietgegenstands einen Schaden verursacht, so haftet er üblicherweise gegenüber dem Vermieter des Fahrzeugs. Dabei muss es sich nicht nur um Unfallschäden handeln; es genügt auch die Verursachung unvorhergesehener Aufwendungen, indem der Vermieter verpflichtet wird, wie im vorliegenden Fall, eine einfach zu erstellende Auskunft an eine Verfolgungsbehörde zu übermitteln. Die Rückantwort ist im Wesentlichen vorbereitet und muss nur in einigen Bereichen ausgefüllt werden. (Blatt 1 bzw. Rückseite) Eines Begleitschreibens bedarf es regelmäßig nicht. Es ist Sache des Vermieters, sich diese Aufwendungen, soweit sie nicht bereits im Mietpreis einkalkuliert worden sind, vom Mieter erstatten zu lassen. Die Allgemeinen Vermietbedingungen der Vermietfirma AVIS enthalten beispielsweise folgende Vertragsklausel:
„Gem. Ziff. 9, 3. Abs. der Mietvertragsbedingungen ist der Mieter für die Folgen derartiger Handlungen (Anm. des Autors: Verkehrsverstöße) voll verantwortlich und haftet AVIS für alle daraus entstehenden Gebühren und Kosten. Zum Ausgleich des resultierenden Verwaltungsaufwandes berechnen wir für jeden solchen Vorgang eine Bearbeitungsgebühr V/S von 11,60 Euro [10,– Euro].”
Ähnliche Bedingungen finden sich bei den Vermietfirmen Hertz und Sixt. Gewerbliche Unternehmen ermitteln einen Mieter durch Aufrufen im Computer. Dies geschieht in kaum messbarer Zeit. Die Rückantwort erfolgt dann in einem formlosen nicht unterschriebenen Computerausdruck. Der Zeitaufwand liegt somit im untersten Minutenbereich. Dass in dieser Zeit bei dem für die Auskunft verantwortlichen Mitarbeiter eine andere Arbeit liegen bleiben musste, ist nicht realistisch. Vielmehr hat das Unternehmen ersichtlich keine auf Verdienst ausgerichteten Nachteile erlitten. Die Geltendmachung angeblichen Verdienstausfall erscheint missbräuchlich.

Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass – sofern eine Zeugenentschädigung zu zahlen wäre diese Auslagen der Verwaltung wiederum dem Betr. aufzuerlegen wären. Da diese Möglichkeit aber im Verwarnungsverfahren ausscheidet, müsste in allen entsprechenden Fällen ein Bußgeldbescheid erlassen werden, um eine entsprechende Kostenentscheidung treffen zu können. Abgesehen davon, dass bei einer Geldbuße wegen eines Parkverstoßes mit beispielsweise 10 Euro die Verfahrenskosten mehr als 30 Euro ausmachen und somit die Wahrscheinlichkeit besteht, dass Betroffene Bescheide mit einem Einspruch anfechten werden, steht der Erlass des Bußgeldbescheides auch im Widerspruch zur Regelung von § 1 I 2 der BkatV, wonach bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG bis zu einem Regelsatz von 35 Euro lediglich ein Verwarnungsgeld zu erheben ist. An der grundsätzlichen Problematik ändert sich auch nichts, wenn, wie vorliegend, eine Geschwindigkeitsüberschreitung der Anlass für das Bußgeldverfahren ist.

Der Gesetzgeber kann für die einfachen Auskünfte eines gewerblichen Kfz-Halters, der sein Fahrzeug kurzfristig vermietet hat, keine generelle Zeugenentschädigung (als Dritter) vorgesehen haben, zumal dies bei massenhaft vorkommenden Verstößen (bei der Bußgeldstelle der Landeshauptstadt Stuttgart werden beispielsweise pro Jahr ca. 700 000 Verwarnungs- und Bußgeldverfahren bearbeitet) zu erheblichen Aufwendungen, mit der Folge von Rechtsmitteln und weiteren Belastungen für die Behörden und die Justiz verbunden wäre.

Sollte sich die Rechtsprechung nicht stabilisieren, ist der Gesetzgeber aufgefordert, eine gedeihliche Regelung herbeizuführen.



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