Das Verkehrslexikon

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Fahrerlaubnisfreiheit von motorisierten Krankenfahrstühlen

Zur Fahrerlaubnisfreiheit von motorisierten Krankenfahrstühlen


Siehe auch Motorisierte Krankenfahrstühle




Grundsätzlich sind motorisierte Krankenfahrstühle fahrerlaubnisfrei. § 4 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) definiert insoweit Krankenfahrstühle als

einsitzige,
nach der Bauart zum Gebrauch durch körperlich behinderte Personen bestimmte Kraftfahrzeuge
mit Elektroantrieb,
einem Leergewicht von nicht mehr als 300 kg einschließlich Batterien, aber ohne Fahrer,
mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht als 500 kg,
einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 15 km/h,
einer Breite über alles von maximal 110 cm und
einer Heckmarkierungstafel nach ECE-Regelung 69 oben an der Fahrzeugrückseite.




Krankenfahrstühle alten Rechts nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 StVZO (alt - aufgehoben) mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h durften bereits fahrerlaubnisfrei geführt werden. Für Krankenfahrstühle mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 30 km/h wurde die Fahrerlaubnis der Klasse 5 (alt) benötigt.

Mit einer Gesetzesänderung (ÄnderungsVO zur FeV v. 07.08.2002) mit Wirkung zum 01.09.2002 wurde in erster Linie das Ziel verfolgt, die Fahrerlaubnisfreiheit der Krankenfahrstühle mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 25 km/h zu den vorher herrschenden Bedingungen zu beenden; siehe hierzu die amtl. Begründung ( 497/02BRDrucks.):

   "Die Regelungen zum Führen von motorisierten Krankenfahrstühlen werden aus Verkehrssicherheitsgründen und im Interesse der Leichtigkeit des Verkehrs neu gefasst. Für behinderte oder gebrechliche Personen werden Krankenfahrstühle bis 15 km/h mit Elektroantrieb unter den näher geregelten Voraussetzungen künftig von der Fahrerlaubnispflicht und auch von der Pflicht zum Erwerb einer Prüfbescheinigung ausgenommen. Bisher galt diese Erleichterung nur für Krankenfahrstühle bis 10 km/h. Den Mobilitätsinteressen behinderter Personen wird damit entsprochen. Die bisher für andere Krankenfahrstühle bis 25 km/h geltende Fahrerlaubnisfreiheit wird aufgehoben, da derartige Kraftfahrzeuge in der Praxis sowohl ein Erscheinungsbild eines Pkw besitzen also auch entsprechende Bedienungs- und Fahreigenschaften wie Pkw aufweisen. ...

Die bisherigen Regelungen haben dazu geführt, dass in der Praxis "Pkw-artige" Kraftfahrzeuge in Verkehr gebracht wurden. Das Fahrverhalten und die zum Führen erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse dieser Kraftfahrzeuge rechtfertigen keinen Verzicht auf die Fahrerlaubnis."

Hinsichtlich der Fahrerlaubnisfreiheit ist noch die Übergangsvorschrift des § 76 Nr. 2 FeV zu berücksichtigen:

Inhaber einer Prüfbescheinigung für Krankenfahrstühle nach § 5 Abs. 4 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung sind berechtigt, motorisierte Krankenfahrstühle mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 10 km/h nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung und nach § 76 Nr. 2 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung zu führen. Wer einen motorisierten Krankenfahrstuhl mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung führt, der bis zum 1. September 2002 erstmals in den Verkehr gekommen ist, bedarf keiner Fahrerlaubnis oder Prüfbescheinigung nach § 5 Abs. 4 dieser Verordnung in der bis zum 1. September 2002 geltenden Fassung.

Motorisierte Krankenfahrstühle "von mehr als 10 km/h nach § 4 Abs. 1 S. 2" sind die alten Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 25 und bis 30 km/h.

Nach vielfach vertretener Auffassung (vgl. die Nachweise bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., 2005, Rdnr. 7 zu § 4 FeV) muss ein Fahrzeug, um als Krankenfahrstuhl anerkannt zu werden, nach Konstruktion und Ausstattung speziell auf die Bedürfnisse körperlich Behinderter ausgerichtet sein, vgl. z. B. VGH München NZV 2001, 444 ff. = DAR 2001, 472 ff. = VRS 101, 143 ff. (Urt. v. 08.05.2001 - 11 B 99.3454):

  1.  Auch ein Kraftfahrzeug, welches das äußere Erscheinungsbild eines "Klein- bzw Kleinst-Pkw" aufweist, kann iSd § 4 Abs 1 S 2 Nr 2 FeV nach seiner Bauart zum Gebrauch durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen bestimmt sein.

  2.  Ob ein Kraftfahrzeug nach seiner Bauart zum Gebrauch durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen bestimmt ist, hängt wesentlich von der Herstellerkonzeption ab.

  3.  Handelt es sich bei einem Serienkraftfahrzeug nach der Herstellerkonzeption um einen PKW, können nur solche Veränderungen an seiner Konstruktion und/oder Ausstattung dazu führen, dass es nach seiner Bauart zum Gebrauch durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen bestimmt ist, durch die dem besonderen Bedürfnis dieses Personenkreises nach erleichterter Benutzung und Bedienbarkeit des Fahrzeugs in nachhaltiger Weise Rechnung getragen wird.

Anders beurteilt dies allerdings das Bundesverwaltungsgericht NJW 2002, 2335 f. = NZV 2002, 246 ff. = DAR 2002, 282 ff. = VRS 102, 316 ff. (Urt. v. 31.01.2002 - 3 C 39/01):

   Die Fahrerlaubnisfreiheit des "motorisierten Krankenfahrstuhls" gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV hängt nicht davon ab, ob der Führer körperlich behindert oder gebrechlich ist. Das Merkmal "nach der Bauart zum Gebrauch durch körperlich gebrechliche oder behinderte Personen bestimmte Kraftfahrzeuge" ( § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV ; § 18 Abs. 2 Nr. 5 StVZO ) setzt neben der Eignung des Kraftfahrzeugs zur Benutzung durch diesen Personenkreis lediglich die durch konstruktive Maßnahmen erzielte und auf Dauer angelegte Einhaltung der weiteren vorgeschriebenen Merkmale des Kraftfahrzeugs (Einsitzigkeit, Höchstgewicht, Höchstgeschwindigkeit) voraus.

Dadurch, dass eine Ausstattung mit Elektromotor vorgeschrieben und die Höchstgeschwindigkeit - bis auf die Altfälle - auf 15 km/h begrenzt ist, dürfte aber die früher verbreitete Nutzung von Klein-Pkw-ähnlichen Gefährten durch z. B. infolge von strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis betroffenen Personen weitestgehend erledigt sein.

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