Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Dresden Beschluss vom 07.10-2009 - 5 Qs 50/07 - Zur Kostenerstattung für ein privates Gutachten des Betroffenen im Bußgeldverfahren

LG Dresden v. 07.10-2009: Zur Kostenerstattung für ein privates Gutachten des Betroffenen im Bußgeldverfahren




Das Landgericht Dresden (Beschluss vom 07.10-2009 - 5 Qs 50/07) hat entschieden:

Richtigerweise kann ein Privatgutachten ex ante nur, aber auch immer dann notwendig sein, wenn objektivierbare Mängel vorliegen, die zur Einholung des (Zweit)Gutachtens drängen. Dabei ist es die - ggf. entsprechend zu honorierende - Aufgabe eines Verteidigers, sich ggf. soweit kundig zu machen, dass er Schwachstellen eines von Amts wegen eingeholten Gutachtens erkennen könnte. Bestehen hierfür keine Anhaltspunkte, trägt der Beschuldigte/Betroffene das Risiko für die Kosten eines „ins Blaue“ eingeholten „Kontrollgutachtens“. Ex ante erstattungsfähig notwendig kann ein Privatgutachten sowohl zur Überprüfung eines Erstgutachtens wie auch sonst zur ergänzenden Aufklärung also nur sein, wenn die bisher geführten Ermittlungen unzureichend sind.

Siehe auch
Privatgutachten
und
Stichwörter zum Thema Sachverständigen-Gutachten

Zum Sachverhalt:


Am 13.01.2006 erließ das Landratsamt Weißeritzkreis gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 22 km/h. … Eine Begründung des Einspruchs erfolgte zunächst nicht. Kurz vor dem … Termin zur Verhandlung über den Einspruch beim Amtsgericht Dippoldiswalde erhob der Verteidiger … die Einwendung, wegen Fehlens der nach der beigefügten Gebrauchsanweisung des Messgerätes erforderlichen Testfotos sei eine zur Geschwindigkeitsbestimmung taugliche Positionsbestimmung des Fahrzeugs der Betroffenen auf den Fotos nicht möglich. Über die Richtigkeit dieser Behauptung beantragte er ein Sachverständigengutachten einzuholen. In dem am 22.12.2006 abgehaltenen ersten Hauptverhandlungstermin, welcher zwanzig Minuten dauerte und in dem der Mess-Beamte zeugenschaftlich vernommen wurde, wurde sodann die Aussetzung des Verfahrens beschlossen und die DEKRA mit der Erstellung eines mündlichen Gutachtens entsprechend dem Antrag des Verteidigers beauftragt. Dass der Verteidiger selbst ein Gutachten für die Betroffene in Auftrag gegeben hatte, hat er zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgetragen.

In dem halbstündigen erneuten Hauptverhandlungstermin am 04.05.2007 wurden nochmals der Zeuge sowie der gerichtlich bestellte Sachverständige mündlich gehört und danach die Einstellung des Verfahrens unter Auferlegung der Kosten und der notwendigen Auslagen der Betroffenen auf die Staatskasse beschlossen.

Mit Schriftsatz vom 29.05.2007 beantragte der Verteidiger seine „Vergütung als Verteidiger gegen die Staatskasse festzusetzen“ wobei er diese auf insgesamt 1 384,67 Euro bezifferte. Dabei machte er Kosten für ein Privatgutachten in Höhe von 320,11 Euro sowie seine eigenen Gebühren geltend.

Mit Beschluss vom 23.08.2007 setzte das Amtsgericht Dippoldiswalde, das den Antrag des Verteidigers zutreffend als Auslagenerstattungsantrag für die Betroffene wertete, die Höhe der dieser zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 563,47 Euro fest. Dabei seien die Kosten



Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger für die Betroffene per Fax am Folgetag sofortige Beschwerde ein, mit der der ursprüngliche Erstattungsantrag weiterverfolgt wird.

Das Rechtsmittel war teilweise erfolgreich.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen durch die Betroffene sind nicht erstattungsfähig, weil sie für eine sachgerechte Verteidigung möglicherweise zweckmäßig, aber nicht notwendig i.S.v. § 464a Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG waren.

a) Es entspricht zu Recht nahezu allgemeiner Meinung, dass private Ermittlungen – mögen sie auch die Verteidigung erleichtern – normalerweise nicht notwendig sind (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. (2009), § 464a, Rz. 16 mit zahlreichen Nachweisen aus der kasuistischen Rechtsprechung auch zu dort angenommenen Ausnahmefällen). Denn die Interessen des Beschuldigten bzw. Betroffenen im Straf- bzw. Bußgeldverfahren sind durch die gesetzliche Verpflichtung der Ermittlungsbehörden und Gerichte zur umfassenden Sachaufklärung gewahrt, auf die die Verteidigung zudem durch die Stellung von Beweisanträgen und -anregungen in sich vom Ermittlungsverfahren bis zur Hauptverhandlung zunehmend steigerndem und formalisierterem Maße Einfluss nehmen kann (§§ 163a Abs. 2, 219, 220, 244 Abs. 3-6 StPO), wobei die Einflussmöglichkeiten des Betroffenen im Bußgeldverfahren zwar deutlich gemindert sind (§§ 55 Abs. 2 S. 2, 77 Abs. 2 OWiG), dies aber am Ausgangspunkt der Überlegungen, dass nämlich das Verfahren ein Amtsermittlungsverfahren ist, welches schon auf der Ebene der Ermittlungen auch auf alle dem Betroffenen günstigen Umstände zu erstrecken ist (§§ 160 Abs. 2 StPO, 46 Abs. 2 OWiG), nichts ändert.




Allerdings werden hiervon – in uneinheitlicher Terminologie und Kasuistik – Ausnahmen anerkannt. Abgesehen von der Konstellation, in der das Privatgutachten tatsächlich ursächlich für den Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens geworden ist, wird es ausnahmsweise z.B. dann als erstattungsfähig angesehen, wenn es ein „abgelegenes und technisch kompliziertes Sachgebiet betrifft“ (OLG Frankfurt VRS 42, 430 f.), wobei es teilweise als hinreichender Grund angesehen wird, dass es die Verteidigung in den Stand setzt, ein bereits vorliegendes amtlich veranlasstes (Erst)Gutachten kritisch zu würdigen bzw. es dazu dient, gegenüber mit Spezialwissen versehenen Ermittlungsbehörden die „Waffengleichheit“ herzustellen (so etwa OLG Düsseldorf NStZ 1991, 353f. m. zust. Anm. Dahs). Auch wird darauf abgehoben, ob die Behörden den Beweisanregungen oder gar – antragen der Verteidigung nicht nachkommen und/oder ohne die private Ermittlung „sich die Prozesslage des Beschuldigten/Betroffenen verschlechtern würde“. Dabei werden alle diese Gesichtspunkte in unterschiedlicher Weise teilweise für sich allein, teilweise (zumindest verbal) nur kummulativ als hinreichender Grund angesehen, die Kosten eines Privatgutachtens ausnahmsweise zu erstatten.

b) Nach Auffassung der Kammer folgt aus dem das Bußgeld- wie das Strafverfahren beherrschenden Grundsatz der Amtsermittlung, dass allein die Entlegenheit der Materie die Einholung eines Privatgutachtens niemals erstattungsfähig notwendig macht. Anders als im Zivilprozess, in dem die Natur des Parteiprozesses ein (zweites) Privatgutachten zur Herstellung von „Waffengleichheit“ erforderlich machen kann, weil zum Beispiel dann, wenn die Gegenseite ihren Vortrag auf ein eigenes Parteigutachten stützen kann, der eigenen Substantiierungsobliegenheit sonst nicht genügt werden kann, bietet die Verpflichtung des Gerichts und nach dem Gesetz auch der Anklagebehörde zur umfassenden Sachaufklärung zunächst Gewähr für die umfassende Objektivität auch eines amtswegig bestellten Gutachtens. Im Übrigen werden selbst im Zivilprozess über den Aspekt der „Waffengleichheit“ hinaus auch im Falle eines gegnerischen Erstgutachtens für die Erstattungsfähigkeit des Gegengutachtens einschränkende weitere Voraussetzungen aufgestellt (vgl. zuletzt OLG Zweibrücken MDR 2009, 415 f. m.w.N.). Es ist deshalb ex ante ohne objektiven Anhalt für dessen Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit im Falle eines amtlich veranlassten Gutachtens nicht notwendig, dieses auf den Prüfstand eines Gegengutachtens zu stellen, wie sich auch aus der Wertung des § 244 Abs. 3, S. 2, 2. HS StPO ergibt. Die anderslautende Auffassung des OLG Düsseldorf, der ein Teil der Rechtsprechung und Literatur (Dahs a.a.O., ebenso Jakubetz JB 1999, 564 ff.) folgt, müsste konsequenterweise auch bei weniger abgelegenen Sachgebieten – hier etwa einer Geschwindigkeitsmessung –, in denen der Verteidiger ebenfalls nicht über ausreichende eigene Sachkunde verfügt, die Einholung eines privaten Gutachtens für regelmäßig „notwendig“ erachten. Ein allgemeines kostenrechtliches Pendant des Rechtes, sich aktiv zu verteidigen (so explizit etwa Degenhard, StV 2001, 633 (634); Eisenberg/Puschke, JR 2003, 436; i.E. wohl auch Jakubetz a.a.O. 569 f.) gibt es aber, wie auch § 220 Abs. 3 StPO für die Fälle des § 245 Abs. 2 StPO zeigt, de lege lata nicht.

Richtigerweise kann ein Privatgutachten ex ante nur, aber auch immer dann notwendig sein, wenn objektivierbare Mängel vorliegen, die zur Einholung des (Zweit)Gutachtens drängen. Dabei ist es die – ggf. entsprechend zu honorierende Aufgabe eines Verteidigers, sich ggf. soweit kundig zu machen, dass er Schwachstellen eines amtswegigen Gutachtens erkennen könnte (so jedenfalls der Ansatz der – zutreffenden – Kritik der Entscheidung des OLG Düsseldorf durch D. Meyer JB 90 1385 f.). Bestehen hierfür keine Anhaltspunkte, trägt der Beschuldigte/Betroffene das Risiko für die Kosten eines „ins Blaue“ eingeholten „Kontrollgutachtens“ (aber sogleich unten c)). – Ex ante erstattungsfähig notwendig kann ein Privatgutachten sowohl zur Überprüfung eines Erstgutachtens wie auch sonst zur ergänzenden Aufklärung also nur sein, wenn die bisher geführten Ermittlungen unzureichend sind.

Allerdings ist es dem Beschuldigten/Betroffenen auch dann zuzumuten, die Behebung solcher Ermittlungslücken durch das Gericht zu beantragen. Zweite – übergeordnete – Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten ex ante ist es daher, dass dem Betroffenen/Beschuldigten andernfalls eine wesentliche Verschlechterung seiner Prozesslage droht (so zutreffend zusammenfassend OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 127 f. = JR 2003, 435 f. m. abl. Anm. Eisenberg/Puschke). Dies kommt – von eher theoretischen Fällen unmittelbar drohenden Beweisverlustes abgesehen – nur dann in Betracht, wenn die Ermittlungsbehörde bzw. das Gericht einem Beweisantrag nicht nachkommt und ein Zuwarten bis zur Hauptverhandlung nicht zumutbar ist. Dies wird umso eher der Fall sein, je bedeutender die Sache (insbesondere je gewichtiger der Tatvorwurf) einerseits und je wichtiger das in Frage stehende Gutachten für die Abwehr des Tatvorwurfes im Tableau der sonstigen Beweislage andererseits ist. Im Bußgeldverfahren ist es nach Auffassung der Kammer dem Betroffenen stets zumutbar, auch ex ante notwendig scheinende Ermittlungen erst dann selbst zu veranlassen, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht diese abgelehnt hat (a.A. LG Cottbus, Beschluss vom 26.08.2004 – 24 Qs 111/04 – JURIS, Tz. 28). Ob dies im Strafverfahren jedenfalls in Fällen eines nicht ganz unerheblichen Tatvorwurfes anders ist und dort bereits das Ziel, eine öffentliche Hauptverhandlung abzuwenden, die private Veranlassung sachlich angezeigter Ermittlung rechtfertigt (so etwa Mümmler JB 1976, 207 (209) – Anmerkung zu KG ebenda, 205 ff. und OLG Hamm NStZ 1989, 588, 589) kann in diesem Zusammenhang offen bleiben.

Im Ergebnis trägt also der Betroffene im Bußgeldverfahren außer in dem hier nicht vorliegenden Fall drohenden Beweisverlustes ex ante das volle Kostenrisiko für die Einholung eines Privatgutachtens. Dabei kann im Einzelfall eine Beauftragung auch vor der Hauptverhandlung dann notwendig i.S.d. Kostenerstattungsrechts sein, wenn der Betroffene mit einer (im Bußgeldverfahren erleichterten) Ablehnung eine Beweisantrags nach § 77 Abs. 2 OWiG rechnen muss, dass das Gericht einer Beweisanregung nicht nachkommt und aufgrund der Kompliziertheit der Beweisthematik ein mündliches Gutachten eines ggf. von ihm selbst zu ladenden Sachverständigen ohne schriftliches Vorgutachten oder jedenfalls vorherige Einarbeitung in dem Fall nicht sinnvoll zu erstatten ist.




Wenn allerdings ein Privatgutachten in diesem Sinne ex ante ausnahmsweise notwendig war, kann es auf eine Relevanz für den späteren Freispruch/die Einstellung ex post nicht mehr ankommen (so auch OLG Celle StV 2006, 32 f.: Privatgutachten nach Ablehnung des mit substantiierten Angriffen auf das Erstgutachten begründeten Antrags auf Einholung eines Zweitgutachtens; vgl. auch LG Hamburg, Beschluss vom 30.01.2008 – 603 Qs OWi 28/08 – JURIS).

c) Wenn dann aber zunächst auf eigenes Kostenrisiko veranlasste private Ermittlungen sich tatsächlich entscheidungserheblich zugunsten des Betroffenen auswirken, sind die Kosten hierfür stets zu erstatten (statt aller: D. Meyer, JB 1989, 737, 739 und Schmehl in: KK – OWiG, 3. Aufl. (2006) § 105, Rz. 69 mit zahlreichen Nachweisen – (wohl) allgem. Meinung). Dabei wird es häufig so sein, dass das dem Betroffenen günstige Ergebnis als Beleg für die objektive Richtigkeit seiner (zunächst subjektiven) Prognose von der Notwendigkeit der Beweiserhebung dienen kann (so explizit LG Göttingen JB 1997, 370 f.). Tragend für die Erstattungsfähigkeit der Kosten solcher für einen Freispruch oder eine Einstellung zumindest mitursächlichen Beweiserhebungen ist dieser Gesichtspunkt zur Überzeugung der Kammer allerdings nicht. Vielmehr spielt in diesen Fällen die Frage der Notwendigkeit der Beweiserhebung ex ante richtigerweise keine Rolle. Denn wenn schon bei einer Verurteilung unter bestimmten Umständen Mehrkosten für dem Betroffenen günstig ausgegangene Untersuchungen der Staatskasse gesondert aufzuerlegen sind (§ 465 Abs. 2 StPO) muss dies erst recht gelten, wenn entsprechende Untersuchungen zum vollständigen Freispruch oder zur Einstellung des Verfahrens geführt haben, und zwar unabhängig davon, ob die entsprechenden privaten Ermittlungen ex ante notwendig erschienen oder auf Kostenrisiko des Angeklagten/Betroffenen von diesem auf gut Glück veranlasst worden sind.

Schließlich entspricht es den zivilrechtlichen Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, dass dem Angeklagten, welcher selbst im Ergebnis für ihn entscheidungserheblich günstige Beweiserhebungen veranlasst und bezahlt hat, die dafür entstandenen Kosten zumindest insoweit erstattet werden, als sie bei einer Beweiserhebung allein durch das Gericht ebenfalls angefallen wären. Dabei bestimmt sich für die Sonderfälle der vom Angeklagten selbst geladenen und auf Antrag gehörten Zeugen und Sachverständigen die Erstattungsfähigkeit nach § 220 Abs. 3 StPO (KG NStZ 1999, 476). Nur in diesem Sinne vermag die Kammer die weiter formulierte und teilweise auch erweiternd gemeinte Auffassung zu teilen, dass es für die Erstattung eines Privatgutachtens hinreicht, wenn dieses das Verfahren „gefördert“ hat (so Meyer-Goßner a.a.O. mwN; explizit im weiten Sinn bspw. OLG Frankfurt a.a.O. – i.E. dagegen zutreffend D. Meyer a.a.O., der die Erstattung auf für die Nichtverurteilung ursächliche private Beweiserhebungen beschränkt). Danach sind die vom Betroffenen/Angeklagten beauftragten (in der Regel schriftlichen) Vorarbeiten des Gutachters auch dann zu erstatten, wenn dieser auf dessen Antrag durch das Gericht geladen wird; dies jedenfalls dann, wenn Kosten in dieser Höhe auch bei einer anfänglichen Beauftragung durch das Gericht angefallen wären. Bestellt das Gericht hingegen einen anderen Gutachter, so sind die Kosten des zuvor eingeholten Privatgutachtens (nur) dann erstattungsfähig, wenn die gerichtliche Beweiserhebung erst und gerade durch das Privatgutachten veranlasst wurde. Dies wird in der Regel nur anzunehmen sein, wenn das Gericht eine vorgehende Beweisanregung nicht aufgegriffen hatte. Auch wenn durch das private Gutachten (erstmals) Lücken insbesondere eines amtswegig eingeholten Vorgutachtens aufgedeckt werden, die vorher nicht erkennbar waren, dürfte von einer Erstattungsfähigkeit auch dann auszugehen sein, wenn der bestellte Sachverständige hierdurch zu einer Änderung des Gutachtens veranlasst wird (LG Saarbrücken StraFo 2009, 174).

Einer vorherigen, abschlägig beschiedenen Beweisanregung bedarf es in diesen Fällen nicht. Soweit auch ex post entscheidungserhebliche Privatermittlungen nur dann als erstattungsfähig angesehen werden, wenn ihre Durchführung zuvor vergeblich beantragt wurde (Meyer JB 1993, 8 ff.), vermag die Kammer dem so nicht zu folgen. Denn der für jene Ansicht herangezogene Gedanke, dass nämlich den Strafverfolgungsbehörden Gelegenheit gegeben werden müsse, die mit der beantragten Beweiserhebung verbundenen Kosten durch eine „prozessökonomische Entscheidung“ zu vermeiden, trägt nur dann, wenn eine solche tatsächlich in Betracht kam. Dann kann auch der von der Kammer als tragend herangezogene zivilrechtliche Gedanke des Aufwendungsersatzes, bei dem zu prüfen ist, ob dieser dem mutmaßlichen Willen des „Geschäftsherrn“ entsprach (vgl. §§ 670, 683 BGB kein Ausgleich einer „aufgedrängten Bereicherung“), einer Erstattung entgegenstehen. Trotz der weiten Einstellungsmöglichkeit nach § 47 OWiG ist dies aber gerade in den Fällen typischer Verkehrsordnungswidrigkeiten idR nicht der Fall. Denn etwa bei Geschwindigkeitsüberschreitungen werden von den Amtsgerichten (richtigerweise) für deren Nachweis Sachverständigenkosten aufgewendet und die Verfahren vor Einholung eines solchen Gutachtens nur in besonderen Konstellationen eingestellt.



c) Nach diesen Grundsätzen sind die von der Betroffenen verauslagten Sachverständigen-Kosten nicht erstattungsfähig. Ein Beweisverlust drohte nicht. Die Betroffene wäre auch ohne das private Gutachten freigesprochen bzw. das Verfahren eingestellt worden. Denn das Amtsgericht hätte sich schon von Amts wegen zum Beweis der Geschwindigkeitsübertretung eines Sachverständigen bedienen müssen, um die Ordnungsmäßigkeit der Messvorrichtungen als Grundlage für die Feststellung der Geschwindigkeitsübertretung feststellen zu können. Anders als etwa bei einer Blutalkoholbestimmung ergibt sich die Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung nicht schon aus der Anwendung eines standardisierten Verfahrens. Es bedarf stets auch des Nachweises einer ordnungsgemäßen Installation und Bedienung der Messstation. Um diese Beweiserhebung, die dann auch tatsächlich durch das Amtsgericht veranlasst worden ist, zu erreichen bedurfte es eines konkret substantiierten Angriffs auf die Richtigkeit der Messwerte nicht (a.A. offenbar LG Cottbus a.a.O.). Es kann deshalb offen bleiben, ob zur Beschaffung der Bedienungsanleitung und ihrer Auswertung die Einschaltung eines Sachverständigen überhaupt notwendig war.

Durch die Bemühungen des Privatgutachters sind auch nicht gerichtliche Sachverständigenkosten erspart worden. Denn Ergebnisse einer gutachterlichen Tätigkeit sind nicht vorgelegt worden und konnten deshalb gar nicht in die konkrete Beweiserhebung durch das Gericht einfließen, so dass auch unter dem oben letztgenannten Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag keine Erstattungsfähigkeit besteht."

- nach oben -



Datenschutz    Impressum