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Amtsgericht Hannover Urteil vom 29.03.2011 - 562 C 13120/10 - Kollision eines auf einem Bürgersteig fahrenden Radfahrers

AG Hannover v. 29.03.2011: Kollision eines auf einem Bürgersteig fahrenden Radfahrers mit dem aus einer Hofeinfahrt herausfahrenden Pkw


Das Amtsgericht Hannover (Urteil vom 29.03.2011 - 562 C 13120/10) hat entschieden:

   Ein verbotswidrig auf dem Bürgersteig fahrender erwachsener Radfahrer hat den durch den Zusammenstoß mit dem aus einer Hofeinfahrt herausfahrenden Pkw entstandenen Schaden allein zu tragen, wenn den Pkw-Fahrer kein Verschulden trifft.


Siehe auch
Radfahrer-Unfälle - Verkehrsunfall mit Fahrradbeteiligung
und
Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer


Tatbestand:


Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Pkw Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen ... .

Am 13.08.2010 gegen 19.45 Uhr fuhr der Sohn der Klägerin mit diesem Pkw aus der Hofeinfahrt der B... straße .... Er musste, um auf die Straße zu gelangen, den Fußweg überqueren. Auf dem Fußweg kam es zu einer Kollision mit dem Beklagten, der mit seinem Fahrrad von links kommend mit dem klägerischen Pkw zusammenstieß.

Am klägerischen Pkw entstand ein Schaden in Höhe von 667,07 €. Für den Kostenvoranschlag hatte die Klägerin 80,00 € aufzuwenden. Zzgl. einer Pauschale beziffert die Klägerin ihren Schaden auf 772,07 €. Darüber hinaus hatte die Klägerin 46,41 € aufzuwenden, um die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung für den Verkehrsunfall einzuholen. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind der Klägerin in Höhe von 120,67 € entstanden.




Die Klägerin behauptet, ihr Sohn sei langsam aus der Hofeinfahrt gefahren, die seitlich durch Hauswände begrenzt wird, so dass der Fußweg schwer einsehbar sei. Der Beklagte habe sich von links mit seinem Fahrrad auf dem Fußweg genähert. Er sei dicht an der Hauswand gefahren mit hoher Geschwindigkeit.

Die Klägerin ist entsprechend der Ansicht, der Beklagte habe das Unfallgeschehen allein verursacht und verschuldet.

Die Klägerin beantragt,

  1.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 772,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.10.2010 zu zahlen,

  2.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 46,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.10.2010 zu zahlen,

  3.  den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 120,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er sei langsam mit Abstand von der Hauswand gefahren, er sei erst 20 m zuvor losgefahren. Der klägerische Pkw sei zu schnell aus der Hofeinfahrt herausgefahren.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten aus §§ 823, 249 BGB.

Der Beklagte hat das Verkehrsunfallgeschehen allein verursacht und verschuldet.

Ein verbotswidrig auf dem Bürgersteig fahrender erwachsener Radfahrer hat den durch den Zusammenstoß mit dem aus einer Hofeinfahrt herausfahrenden Pkw entstandenen Schaden allein zu tragen, wenn den Pkw-​Fahrer kein Verschulden trifft. Die bloße Betriebsgefahr des Pkw tritt in diesem Fall vollständig zurück (OLG Celle, MDR 2003, Seite 928). Bürgersteige sind für Fußgänger und Fahrrad fahrende Kinder bis 10 Jahren (§ 2 Abs. 5 StVO) bestimmt, nicht aber für erwachsene Radfahrer. Selbst wenn den Fahrzeugführer ein geringfügiges Mitverschulden wegen eines minimal überhöhten Ausfahrttempos oder einer um Sekundenbruchteile verzögerten Bremsreaktion träfe, würde dieses einschließlich der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges gegenüber dem Verursachungs- und Verschuldensanteil des leichtsinnig handelnden Radfahrers zurücktreten (OLG München, ZFSch 1997, Seite 171, Schadenpraxis 1996, Seite 371).


Unstreitig ist der Beklagte als Erwachsener auf dem Gehweg mit dem Fahrrad gefahren, was verboten ist. Den Lichtbildern (Bl. 30 d.A.) ist auch zu entnehmen, dass zwischen Hauswand und Auto nur eine Breite verbleibt, die sich in etwa auf die Breite des Radabstandes des klägerischen Pkws beläuft. Der Beklagte musste mithin, wollte er nicht mit dem linksseitig geparkten Pkw kollidieren, mit geringem Abstand zur Hauswand fahren. Der Beklagte trägt auch vor, er sei durch die Kollision an die Hauswand gestoßen und habe sich an der Schulter verletzt. Der Unfall kann sich folglich nicht in weiter Entfernung von der Hauswand ereignet haben.

Für den Fahrer des klägerischen Pkw bestand eine Einsichtmöglichkeit auf den Fußweg aber erst, nachdem er sich mit der Motorhaube seines Fahrzeuges bereits auf den Gehweg hinausbewegt hatte. Durch die seitlich begrenzenden Hauswände war eine vorherige Einsichtnahme auf den Gehweg nicht möglich.

Nach Vortrag des Beklagten ist dieser bei dem Zusammenstoß an dem Autokennzeichen hängen geblieben. Mithin erfolgte die Kollision zu einem Zeitpunkt, als sich der Pkw noch soweit in der Einfahrt befand, dass er den Fußweg nach links nicht einsehen konnte. Ein erhebliches Mitverschulden des Fahrers des klägerischen Pkw ist deshalb ausgeschlossen.

Selbst wenn den Sohn der Klägerin ein allenfalls geringfügiges Mitverschulden wegen eines minimalen überhöhten Ausfahrttempos träfe, wie der Beklagte behauptet, so würde dieses einschließlich der Betriebsgefahr des Kraftwagens hinter dem Verursachungs- und Verschuldensanteil des leichtsinnig handelnden Beklagten zurücktreten (vgl. München a.a.O.).

Der Beklagte hat mithin vollumfänglich für den Schaden einzustehen.

Unstreitig belaufen sich die Nettoreparaturkosten auf 667,07 € an dem klägerischen Pkw. Unstreitig ist auch, dass die Klägerin weitere 80,00 € für den Kostenvoranschlag aufzuwenden hatte. Zzgl. einer Pauschale in Höhe von 25,00 € ergibt sich damit der ausgeurteilte Schaden in Höhe von 772,07 €.



Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten schuldet der Beklagte ebenfalls als Schadensersatz nach §§ 823, 249 BGB.

Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Einholung der Rechtsschutzdeckungszusage aus §§ 823, 249 BGB besteht nicht (vgl. OLG Celle 14 U 78/10, Urteil vom 12.01.2011, NJW Spezial 2011, 754).

Zinsen schuldet der Beklagte aus Verzug nach §§ 286, 288 BGB. Zumindest ab ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung vom 14.10.2010 befindet sich der Beklagte in Verzug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.

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