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Verwaltungsgerichtshof München Beschluss vom 19.04.2021 - 11 ZB 21.388 -Straßenverkehrsrechtliche Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots

VGH München v. 19.04.2021: Straßenverkehrsrechtliche Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots




Der Verwaltungsgerichtshof München (Beschluss vom 19.04.2021 - 11 ZB 21.388) hat entschieden:

  1.  Grundsätzlich gilt für jedes Verkehrszeichen, dass dessen Anordnung angesichts der allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrsordnung eigenverantwortlich zu beachten, nur dort getroffen werden darf, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten (§ 39 Abs. 1 StVO) bzw. zwingend erforderlich (§ 45 Abs. 9 Satz 1 StVO) ist.

  2.  Die erhöhten Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO, die eine aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehende Gefahrenlage voraussetzen, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, gelten nicht für Beschränkungen und Verbote, die den ruhenden Verkehr, also das Halten und Parken, betreffen.

  3.  Zur Annahme einer Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO bedarf es nicht des Nachweises, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Es genügt die Feststellung, die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder auf einer bestimmten Strecke einer Straße lege die Befürchtung nahe, es könnten – möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände – irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten.


Siehe auch
Verkehrsrechtliche Anordnungen von Halt- und Parkeinschränkungen
und
Stichwörter zum Thema Halten und Parken


Gründe:


I.

Die Kläger wenden sich gegen die verkehrsrechtliche Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots in einem Teilbereich einer Ortsstraße, an die ihr Wohngrundstück O... Straße 1 angrenzt.

Mit Verfügung vom 15. Oktober 2018 ordnete die beklagte Marktgemeinde gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO an der „O... Straße zwischen der sogenannten E...gasse und der W... Straße in Fahrtrichtung Staatsstraße“ ein eingeschränktes Haltverbot durch Verkehrszeichen 286 „(Beginn und Ende lt. Plan)“ an, da der fließende Verkehr aufgrund parkender Fahrzeuge im Kurven- und Einmündungsbereich in und aus der O... Straße erheblich behindert werde. Dies sei bei einer Verkehrsschau im Jahr 2015 als überwachungswürdig eingestuft worden, da bei Begegnungsverkehr durch die abgestellten Fahrzeuge ein Rückstau in die Staatsstraße zustande komme und zu verkehrsgefährdenden Situationen führe. Bedingt durch die Gesamtsituation im Umfeld der Einmündung (Ausbaubreite, Steigung, unübersichtliche Kuppe und enge Grundstücksausfahrten gegenüber, Linienverkehr, öffentlicher Personennahverkehr, landwirtschaftliche Fahrzeuge) sei zuletzt am 20. Juni 2018 bei einem Ortstermin mit der Polizei die Situation besprochen und der Umfang des Haltverbots festgelegt worden. Die Beschilderung sei geeignet und erforderlich, da ein zur Behebung des Gefährdungszustands milderes Mittel nicht ersichtlich sei. Das kurzzeitige Halten zum Be- und Entladen sei weiter gestattet. Andere Maßnahmen erschienen nicht zielführend. Bedingt durch frei nutzbare Parkplätze, z.B. an der Kirche St. Michael, sei die Maßnahme auch angemessen. In wenigen Metern Entfernung stehe ausreichend kostenfreier Parkraum zur Verfügung.

In der Folge wurde unmittelbar nach der Einmündung der E...gasse in die O... Straße und vor der Einmündung der O... Straße in die Staatsstraße (W... Straße/Hauptstraße) jeweils ein mit Richtungspfeilen versehenes Verkehrszeichen VZ 286 aufgestellt.

Am 11. Januar 2019 ließen die Kläger Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben mit der Begründung, die Anordnung des eingeschränkten Haltverbots sei formell und materiell rechtswidrig.

In einem Aktenvermerk der Polizeiinspektion H... vom 20. Mai 2020 ist ausgeführt, ein Vertreter der Verkehrspolizei habe sich im Juni 2018 mit einem Vertreter des Bauamts des Beklagten die Park- bzw. Verkehrssituation in der O... Straße auf Höhe des Anwesens Nr. 1 angesehen. Der Beklagte habe berichtet, Verkehrsteilnehmer hätten sich wiederholt über die dortige Parksituation beschwert. Aufgrund regelmäßig am Fahrbahnrand parkender Fahrzeuge sei es teilweise zu erheblichen Verkehrsbehinderungen gekommen. Gerade der Schwerverkehr und auch landwirtschaftliche Gespanne müssten teilweise bei Gegenverkehr rangieren bzw. rückwärtsfahren. Insbesondere im Einmündungsbereich in die Staatsstraße berge dies ein nicht zu unterschätzendes Unfallrisiko. Verschlimmert habe sich die Situation noch durch die Bauarbeiten am Anwesen Nr. 1, als regelmäßig Fahrzeuge entsprechender Baufirmen am Fahrbahnrand geparkt und somit das Nadelöhr noch verlängert hätten. Der Beklagtenvertreter habe berichtet, man habe mit der Bauherrin wiederholt das Gespräch zur Entschärfung der Situation gesucht, sei jedoch auf keine Einsicht gestoßen. Aus polizeilicher Sicht sei daher nur die Aufstellung von Stationierungsverboten am betreffenden Streckenabschnitt als zielführend zu erachten. Nach Abwägung aller zu berücksichtigenden Interessen (Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, weiterer in der Nähe zur Verfügung stehender Parkraum) sei es durchaus möglich, die Straßenbenutzung durch die Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots einzuschränken. Es werde hier Handlungsbedarf gesehen, auch wenn es bis jetzt zu keinen Verkehrsunfällen oder polizeilichen Einsätzen gekommen sei.




Mit Urteil vom 13. Januar 2021 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. Die Kläger seien klagebefugt, auch wenn ihnen entgegen ihrer Auffassung der Anliegergebrauch keine Klagebefugnis vermittle. Sie könnten jedoch neben ihrer Rechtsstellung als Eigentümer des anliegenden Grundstücks geltend machen, wie alle Verkehrsteilnehmer von der geregelten Verkehrsbeschränkung betroffen zu sein. Die materiellen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 9 StVO für die angeordnete Beschränkung der Straßenbenutzung lägen vor. Das eingeschränkte Haltverbot sei zwingend geboten im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Die durch (längeres) Parken im fraglichen Bereich verursachten verkehrsgefährdenden Situationen stellten eine qualifizierte Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dar. Hiervon sei bereits auszugehen, wenn sich die konkrete Gefahr aus den besonderen örtlichen Gegebenheiten ergebe und nicht erst dann, wenn ohne das Handeln der Straßenverkehrsbehörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zusätzliche Schadensfälle zu erwarten gewesen wären. Die innerhalb der geschlossenen Ortslage befindliche W... Straße diene als Staatsstraße – zumindest auch – dem Durchgangsverkehr. Dem Verkehrsfluss komme im fraglichen Streckenabschnitt eine erhebliche Bedeutung zu, da sie überörtlichen Verkehr vor allem aus den Richtungen H... und der im Süden an die Gemeinde angrenzenden Landkreise aufzunehmen habe bzw. über andere Teilstrecken auch an die Autobahn A9 angebunden sei. Es sei nachvollziehbar, dass Behinderungen des fließenden Verkehrs auf der Staatsstraße selbst zu potentiell gefährlichen Situationen führen könnten. Da sich das Grundstück der Kläger im Kreuzungsbereich W... Straße/Hauptstraße und O... Straße befinde, sei es auch nachvollziehbar, dass Verkehrsbehinderungen hier, aber auch im näheren Verlauf der O... Straße bei Begegnungsverkehr und entsprechenden Ausweich- und Rangiermanövern zu Problemen führen könnten. Dies sei insbesondere der Fall, wenn dort auch landwirtschaftlicher Verkehr mit Fahrzeugen mit einer Überbreite bis zu 3 m stattfinde, was sich auch aus einem verkehrspolizeilichen Aktenvermerk vom 20. Mai 2020 ergebe. Dort werde u.a. geschildert, es komme zu erheblichen Verkehrsbehinderungen aufgrund regelmäßig am Fahrbahnrand parkender Fahrzeuge und der Schwerverkehr sowie landwirtschaftliche Gespanne müssten teilweise bei Gegenverkehr rangieren und rückwärtsfahren, was im Einmündungsbereich zur Staatsstraße ein Unfallrisiko bedeute. Die verkehrspolizeiliche Einschätzung gehe dahin, dass eine Einschränkung der Straßenbenutzung durch die Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots möglich sei und Handlungsbedarf gesehen werde. Es sei nicht zu erkennen, dass die Straßenverkehrsbehörde den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der Mittel zur Gefahrenbekämpfung überschritten habe. Es handele sich nicht nur um den Einmündungsbereich in die Staatsstraße. Die O... Straße weise auch ein leichtes Gefälle mit einem nicht allzu übersichtlich gestalteten Einmündungsbereich auf. Weiter bestehe die grundsätzliche Gefahr, dass bei Rückstaus bzw. Rangiervorgängen die Gehwegfläche mit in Anspruch genommen werden könne, was zusätzlich die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gefährden würde. Auch sei nicht ersichtlich, wie die Situation verkehrsrechtlich auf andere Art und Weise bewältigt werden könnte. Allenfalls durch bau- oder auch straßenrechtliche Maßnahmen könnte der Einmündungsbereich übersichtlicher gestaltet werden, wozu der Straßenbaulastträger aber nicht verpflichtet sei. Die Einwände der Kläger gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung, aus der sich der Geltungsbereich (nur) in der O... Straße und dort zwischen E...gasse und Staatsstraße eindeutig ergebe, träfen nicht zu. Dem entspreche die Beschilderung auch tatsächlich. Die Verkehrszeichen stünden in Fahrtrichtung Staatsstraße nach der Einmündung der E...gasse und vor der Einmündung in die Staatsstraße, jeweils mit Richtungspfeilen versehen. Der beiliegende Lageplan widerspreche dem nicht, denn dort seien die Schilder im Einzelnen nicht eingezeichnet. Auch der Einwand einer jahrelangen Untätigkeit des Beklagten greife nicht durch. Vielmehr hätten mehrfache Beschwerden zu einer Diskussion anlässlich der Verkehrsschau im Jahr 2015, zu einer weiteren Beschäftigung mit der Situation im Juni 2018 und schließlich zu der streitgegenständlichen Anordnung geführt. Aus diesem Ablauf ergebe sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den dauerhaften Fortbestand der Parkmöglichkeiten in der O... Straße. Die streitgegenständliche Anordnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Dabei sei nicht entscheidungserheblich, ob der Betriebssitz des diese Straße befahrenden Busunternehmers baurechtlichen Vorschriften entspreche oder ob es in der näheren Umgebung ausreichende Parkmöglichkeiten gebe. Die Regelungen des § 45 StVO seien dem Grunde nach (nur) auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung von Individualinteressen gerichtet. Der Anliegergebrauch umfasse nicht das Parken vor dem eigenen Grundstück. Im Übrigen habe der Beklagte dies mit dem Hinweis auf kostenfreien Parkraum im Bereich der benachbarten Kirche berücksichtigt. Auch Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Der Beklagte habe die verkehrliche Situation im streitgegenständlichen Bescheid über einen hinreichend langen Zeitraum beobachtet und entsprechend den einschlägigen Verwaltungsvorschriften die Verkehrspolizei hinzugezogen. In Abwägung der Gesamtsituation sei er unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kläger an grundstücksnahem Parkraum zu dem Ergebnis gekommen, dass die angeordnete Maßnahme umzusetzen sei, weil alternative Lösungen nicht ersichtlich seien. Soweit die Kläger die Länge des Halteverbots beanstandeten, sei der große Gestaltungsspielraum der Straßenverkehrsbehörde und gleichzeitig zu berücksichtigen, dass sie nur eingeschränkt klagebefugt seien. Zwar sei der Bereich zwischen der E...gasse und der Bebauung des klägerischen Grundstücks, jedenfalls direkt an die Straße angrenzend, nicht bebaut. Doch sei der Gehweg nur bis auf Höhe der Bebauung gezogen, was im Falle dann dort parkender Fahrzeuge zu weiteren Problemen zwischen Fußgängern und dem fließenden Verkehr führen könnte.

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, machen die Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten geltend. Eine „Verkehrsgefährdung“ sei weder zu befürchten noch anzunehmen. Es frage sich bereits, von welcher Sachlage das Verwaltungsgericht, das den Einmündungsbereich für „nicht allzu übersichtlich gestaltet“ gehalten habe, ausgegangen sei. Darüber hinaus gelte natürlich, dass Halten und Parken an engen und unübersichtlichen Straßenstellen sowie im Bereich von scharfen Kurven ohnehin unzulässig sei, was ein Verkehrszeichen überflüssig mache. Mit dem Einwand, Anordnung und Planbeilage stimmten nicht überein, setze sich das Gericht nicht auseinander. In der Anlage K2 gebe es für das „VZ 286“ lediglich einen „Beschilderungsbereich“, jedoch keinen konkreten Standort. Im Urteil werde eingeräumt, dass „dort die Schilder im Einzelnen nicht eingezeichnet“ seien. Dem Einwand der Kläger, es gebe für das ausgeschilderte Halteverbot keinen Grund, auch nicht in der Begründung der Anordnung, halte das Gericht zusammengefasst entgegen, das dem Beklagten eingeräumte Ermessen sei „groß“ und die Klagebefugnis der Kläger demgegenüber „klein“, was ihren Rechtsschutz unzulässig aushöhle. Die gerichtlichen Ausführungen seien weder logisch konsequent noch werde bei einer solchen Auslegung der maßgeblichen Vorschriften der Willkür eine Grenze gezogen. Weder das Gericht noch der Beklagte nähmen dazu Stellung, dass es zur Vermeidung einer Verkehrsgefährdung ausreichen würde, das Halteverbot auf den wirklich notwendigen Umfang von 22 m zu verkürzen. Gerade im Rahmen der Ermessensausübung, spätestens aber bei der Frage der Erforderlichkeit müsse sich der Beklagte mit einer solchen Alternative auseinandersetzen. Daneben weise die Rechtssache auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf, da sie signifikant vom Spektrum der zu entscheidenden Streitfälle abweiche. Eine nur kursorische bzw. summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung im Zulassungsverfahren erlaube keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vom Beklagten im Verfahren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.





II.



Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Diese sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 = juris Rn 32 jeweils m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548 = juris Rn. 19).

Das auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung vom 6. März 2013 (BGBl I S. 367, StVO), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl I S. 3047), i.V.m. Zeichen 286 nach Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO angeordnete eingeschränkte Haltverbot ist rechtmäßig. Grundsätzlich gilt für jedes Verkehrszeichen, dass dessen Anordnung angesichts der allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrsordnung eigenverantwortlich zu beachten, nur dort getroffen werden darf, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten (§ 39 Abs. 1 StVO) bzw. zwingend erforderlich (§ 45 Abs. 9 Satz 1 StVO) ist. Die darüber hinausgehenden erhöhten Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO, die eine aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehende Gefahrenlage voraussetzen, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, gelten nicht für Beschränkungen und Verbote, die den ruhenden Verkehr, also das Halten und Parken, betreffen (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 45 StVO Rn. 49e; Will in Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, BeckOK Straßenverkehrsrecht, Stand 15.1.2021, Rn. 384 ff.). Indes erfordert auch § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO hierfür keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37.09 – BVerwGE 138, 21 = juris Rn. 27). Eine zwingende Erforderlichkeit im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ist bereits dann gegeben, wenn die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO konkret gefährdet ist, d.h. wenn der Eintritt eines schädigenden Ereignisses, hauptsächlich von Verkehrsunfällen, hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/ Janker, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 45 Rn. 3). Zur Annahme einer derartigen Gefahrenlage bedarf es nicht des Nachweises, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Es genügt die Feststellung, die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder auf einer bestimmten Strecke einer Straße lege die Befürchtung nahe, es könnten – möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände – irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten (BVerwG, B.v. 12.9.1995 – 11 B 23.95 – NZV 1996, 86 = juris Rn. 5).

Das Verwaltungsgericht ist unter Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung der Staatsstraße, der konkreten Verhältnisse im Einmündungsbereich der O... Straße in die Staatsstraße, der Art des dort stattfindenden Verkehrs (Schwerverkehr, Bus- und landwirtschaftlicher Verkehr mit Überbreite bis zu 3 m) und der Folgen dieser Verhältnisse insbesondere im Begegnungsverkehr im Kreuzungsbereich und im näheren Verlauf der O... Straße von der zwingenden Erforderlichkeit des eingeschränkten Haltverbots ausgegangen. Es hat darüber hinaus sogar eine qualifizierte Gefahrenlage angenommen. Die Kläger haben zwar die gerichtliche Einschätzung, nicht aber die maßgebenden Umstände in Abrede gestellt. Insoweit haben sie lediglich behauptet, es sei unklar, von welcher Sachlage das Verwaltungsgericht ausgegangen sei, und eine Verkehrsgefährdung komme allenfalls auf einer Länge von 22 m in Betracht, ohne dies näher darzulegen. Insoweit sind schon die Darlegungserfordernisse des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht erfüllt.


Der erste Einwand trifft in Anbetracht der Darstellung auf Seite 7 f. der Entscheidungsgründe trotz der unbestimmten Formulierung „nicht allzu übersichtlich“ nicht zu. Zum einen hat das Verwaltungsgericht hiermit die auf den Lichtbildern in der Gerichtsakte wiedergegebenen Sichtverhältnisse im Einmündungsbereich richtig beschrieben. Denn aus einem sich auf der O... Straße der Einmündung nähernden Fahrzeug ist die Sicht auf die Staatsstraße nach rechts durch die Bebauung auf dem klägerischen Anwesen völlig verdeckt und die Sicht nach links durch die gegenüberliegende Bebauung äußerst eingeschränkt, d.h. im Wesentlichen nur in Breite der O... Straße gegeben. Zum andern ist die gerichtliche Einschätzung der Gefahrenlage nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden. Die O... Straße ist zwischen der E...gasse bis kurz vor der Einmündung in die Staatsstraße nur etwa 6,30 m breit (vgl. den Plan auf Bl. 8 d.A. und die Lichtbilder auf Bl. 90, 91 d.A.). Einen Schutzstreifen gibt es nicht. Der sich der Einmündung nähernde Verkehr auf der Staatsstraße ist von der O... Straße aus erst unmittelbar vor der Einmündung zu sehen. Ein sich näherndes Fahrzeug ist damit nicht in der Lage, vorausschauend aus sicherer Entfernung den einbiegenden Verkehr abzuwarten, wenn dieser mehr als eine Fahrspur zum Einbiegen benötigt. Auf der O... Straße zwischen der E...gasse und der Einmündung in die Staatsstraße abgestellte Fahrzeuge würden angesichts der üblichen Fahrzeugbreiten in den meisten Fällen mehr als weitere 2 m zuzüglich eines Sicherheitsabstands von 0,25 m des vorhandenen Straßenraums von ca. 6,30 m in Anspruch nehmen (vgl. die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen [RASt 2006], S. 25; vgl. auch die empfohlenen Straßenbreiten, die bei vorhandenem Linienbusverkehr 6,50 m bzw. 4,50 m zuzüglich eines beidseitigen Schutzstreifens von jeweils 1,50 m bzw. 5,5 m oder 6,0 m zuzüglich Parkstreifen von 2,0 m betragen [ebenda, S. 39, 43, 45]). Bei ruhendem Verkehr müsste sich ein Fahrzeug folglich ohne zureichende Sicht unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn der Einmündung in die Staatsstraße nähern und ggf. zurücksetzen, um entgegenkommenden Verkehr einbiegen und durchfahren zu lassen, oder den Verkehrsfluss auf der Staatsstraße anhalten, um zunächst selbst einzubiegen. Ferner trifft die Annahme zu, dass Busse und landwirtschaftliche Gespanne, die beim Abbiegen den Innenbereich von Kurven schneiden und gleichzeitig auch in den Außenbereich von Kurven ausschwenken (Schwenkbereich), sowohl beim Einbiegen von der Staatsstraße in die O... Straße als auch umgekehrt rangieren müssten, wenn sich ein anderes Fahrzeug im Einmündungsbereich befindet. Auf der Straßenseite, an die das klägerische Wohngebäude angrenzt, und gegenüber vor einer Grundstücksmauer befindet sich jeweils nur noch ein schmaler Gehweg, so dass kein Rangierspielraum außerhalb der Fahrbahnen vorhanden ist. Es liegt auf der Hand, dass diese beengte Situation sowohl durch unmittelbar vor dem klägerischen Wohngebäude als auch im näheren Bereich vor der Einmündung auf der O... Straße abgestellte Fahrzeuge verschärft würde und dass unzureichende Sicht in die Straße, in die ein Fahrzeug einbiegt, und etwa erforderliches Rangieren beim Einbiegen nicht nur zu den Verkehrsfluss behindernden Rückstaus auf den jeweiligen Straßen, sondern auch zu Gefahrensituationen führen kann. Die Lichtbilder in der Gerichtsakte bestätigen – ungeachtet dessen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen von § 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 StVO erfüllt sind –, dass auf der rechten Fahrbahn der O... Straße vor der Einmündung in die Staatsstraße tatsächlich geparkt wird. So dient auch die vorliegende Klage gerade dem Ziel, diese Möglichkeit durchzusetzen. Diese Gegebenheiten rechtfertigen den Schluss auf eine hinreichend konkrete Gefährdung von Fahrzeugführern und Fußgängern. Eine derartige Gefährdung wird nicht schon generell durch die geltende Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO oder spezifische Verhaltensregeln, wie hier des § 12 StVO, ausgeschlossen (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 39 Rn. 37 a.E.), deren Beachtung die Anordnung von Verkehrszeichen jeder Art weitgehend überflüssig machen würde. Vielmehr kann aufgrund besonderer Umstände zwingend geboten bzw. erforderlich ein Verkehrszeichen auch dann sein, wenn auch ohne Verkehrszeichen geltende Regelungen in der Straßenverkehrsordnung, hier etwa das Verbot, an engen Straßenstellen zu halten (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO) oder das allgemeine Rücksichtnahmegebot und Behinderungsverbot (§ 1 StVO), ständig missachtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2020 – 11 ZB 20.2176 – NJW 2021, 961 = juris Rn. 21).

Soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht und der Beklagte hätten nicht dazu Stellung genommen, dass eine Verkehrsgefährdung allenfalls auf einer Länge von 22 m (gemeint ist damit offenbar die unmittelbar vor dem an die Straße grenzenden Gebäude der Kläger befindliche Fläche) in Betracht komme, haben sie dies nicht substantiiert dargetan. Abgesehen davon ist nachvollziehbar, dass das Verkehrsgeschehen und die damit verbundenen Gefahren unmittelbar an der Einmündung auch in einen angrenzenden Bereich ausstrahlen, der hier bis zur E...gasse bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h in ca. sechs Sekunden durchfahren ist. Aus der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung vom 15. Oktober 2018 geht zudem hervor, dass „die Gesamtsituation im Umfeld der Einmündung (Ausbaubreite, Steigung, unübersichtliche Kuppe und enge Grundstücksausfahrten gegenüber, Linienverkehr, öffentlicher Personennahverkehr, landwirtschaftliche Fahrzeuge)“ für den festgelegten Umfang des Haltverbots ausschlaggebend gewesen sei. Das ist weder in Zweifel gezogen worden noch zu beanstanden.



Auch die Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit der verkehrsrechtlichen Anordnung sind nicht berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend festgestellt, dass – was maßgebend ist – der Geltungsbereich des eingeschränkten Haltverbots im Anordnungstext hinreichend bestimmt beschrieben wird und sich aus dem beiliegenden Plan nichts Gegenteiliges ergibt. Der mit der eingezeichneten blauen Linie markierte Bereich entspricht vielmehr der Beschreibung im letzten Absatz der Anordnung vom 15. Oktober 2018. Auch die angeordneten und aufgestellten Verkehrszeichen 286 selbst sind inhaltlich klar und verständlich (vgl. Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 39 Rn. 55) und haben den in der Anordnung beschriebenen und in dem Plan bezeichneten Geltungsbereich richtig bekannt gemacht. Der Beklagte hat zutreffend angeführt, dass sie aus sachlichen Gründen nicht an anderer Stelle hätten aufgestellt werden können; zur Bekanntmachung einer Haltverbotsstrecke nämlich an deren Beginn und Ende, hier unmittelbar nach der Einmündung der E...gasse und vor der Einmündung der O... Straße in die Staatsstraße. Die etwa 50 m lange Haltverbotsstrecke wird durch keine einmündende Straße unterbrochen, so dass ein weiteres Verkehrszeichen nicht erforderlich ist (vgl. Nr. 61 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO).

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Die Kläger haben entgegen ihrem Vortrag nicht dargelegt, dass und inwiefern die Rechtssache vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle abweicht. Dies ist auch nicht ersichtlich. Weder handelt es sich um einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt noch lässt die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits zu (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 16, 25, 27, 33).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

4. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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