Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 22.03.2012 - 14 L 321/12 - Fahrtenbuchauflage - Schweigerecht und Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters

VG Gelsenkirchen v. 22.03.2012: Fahrtenbuchauflage - Schweigerecht und Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters




Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 22.03.2012 - 14 L 321/12) hat entschieden:

  1.  Das bloße Bestreiten einer korrekten Geschwindigkeitsmessung reicht nicht aus, um Zweifel an dem Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des Verkehrsverstoßes als Voraussetzung für die Anordnung eines Fahrtenbuchs zu begründen.

  2.  Erklärt ein Rechtsanwalt im Ordnungswidrigkeitenverfahren, seine Mandantin berufe sich auf ihr Schweigerecht, entfällt der dieser Aussage innewohnende Erklärungsinhalt, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht mitwirken zu wollen, nicht nachträglich dadurch, dass der Rechtsanwalt vorträgt, es handele sich um eine „Standardformulierung bei Akteneinsichtsanträgen in OWi-Verfahren.“


Siehe auch
Aussageverweigerungsrecht - Zeugnisverweigerungsrecht - Schweigerecht
und
Zeugnisverweigerungsrecht und Fahrtenbuchauflage

Gründe:


Der sinngemäß gestellte Antrag gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -,

   die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 15. März 2012 - 14 K 1544/12 - gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. Februar 2012 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung in Fällen, in denen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse durch die Behörde besonders angeordnet worden ist, fällt hier zu Lasten der Antragstellerin aus.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage in der streitbefangenen Ordnungsverfügung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat die Vollzugsanordnung in der angegriffenen Verfügung schriftlich gesondert begründet. Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der eine Fahrtenbuchauflage nach § 31a der Straßenverkehrszulassungsordnung - StVZO - rechtfertigenden Lebenssachverhalte ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dabei auf das bei der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches regelmäßig bestehende öffentliche Interesse verweist, zu verhindern, dass bei zukünftigen Verkehrsverstößen der Führer des betroffenen Fahrzeugs erneut nicht ermittelt werden kann bzw. dafür Sorge zu tragen, dass künftige, die körperliche Unversehrtheit aller Bürger gefährdende Verkehrsverstöße unterbleiben und dazu einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem wegen fehlender Ermittlung des Fahrers nicht geahndeten Verkehrsverstoß und dem Führen des Fahrtenbuchs für erforderlich erachtet.

   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 8 B2036/05 -; Beschluss vom 28. Februar 2005,- 8 B 2736/04 - und vom 16. September 2008 - 8 B 1208/08 -.

Allein im letzteren Zusammenhang ist auch das von der Antragstellerin als Ermessensfehler bei der Anordnung des Fahrtenbuchs bemängelte Abstellen auf die "spezialpräventive" Funktion der Fahrtenbuchanordnung zu verstehen. Aus dem Kontext der Begründung der Vollziehungsanordnung, in der alleine dieser Begriff verwendet wird, ergibt sich, dass der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Fahrtenbuchanordnung unter anderem deshalb für erforderlich hält, weil - im Interesse der Allgemeinheit - dem jeweiligen Fahrzeugführer verdeutlicht wird, dass er sich nicht hinter der Anonymität eines "fremden" Fahrzeugs "verstecken" kann und deshalb der jeweilige Fahrer im Interesse der Allgemeinheit in der Regel die Verkehrsregeln beachten wird. Die Bezeichnung dieses in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannten Aspekts als "Spezialprävention" mag unglücklich sein, führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Vollziehungsanordnung.




Auf eine konkrete Wiederholungsgefahr kommt es für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht an. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Begründung nicht erheblich über die Gründe hinausgeht, welche den Erlass der Fahrtenbuchauflage rechtfertigen. Gerade § 31a StVZO gehört zu denjenigen Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr und damit letztlich auch die Bewegungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit aller Bürger, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse zulässigerweise im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammenfallen kann.

   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 8 B2036/05 -; Beschluss vom 28. Februar 2005 - 8 B 2736/04 - und vom 16. September 2008 - 8 B 1208/08 -.

Die in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht in den Fällen, in denen die Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil es sich bei dem Verwaltungsakt um eine Maßnahme handelt, deren sofortige Vollziehbarkeit - wie hier - durch die erlassende Behörde angeordnet wurde, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen.

Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kommt nur in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes das Interesse der Antragstellerin, von Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, nicht überwiegt. Bei der in diesem Zusammenhang gebotenen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen. Stellt sich heraus, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, spricht dies für ein vorrangiges Vollziehungsinteresse, sofern nicht besondere Umstände im Einzelfall eine andere Entscheidung erfordern.

Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. Februar 2012, mit welcher der Antragstellerin aufgegeben wurde, für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen °°-°° 2246 für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, stellt sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig dar, so dass die dagegen erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Nach § 31a Abs. 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.


Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ist gegeben. Mit dem auf die Antragstellerin als Halterin zugelassenen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen °°-°° 2246 wurde am 14. Oktober 2011 auf der Bundesstraße B 51 bei Euskirchen außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h - nach Abzug der Toleranz - um 34 km/h überschritten. Anhaltspunkte dafür, dass die getroffenen Feststellungen fehlerhaft waren, sind nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen. Das bloße Bestreiten des Geschwindigkeitsverstoßes und das Bezweifeln der Verwendung ordnungsgemäßer Software, wie es hier durch die Antragstellerin erfolgte, reichen nicht aus, um das Messergebnis und den Geschwindigkeitsverstoß in Zweifel zu ziehen. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterlagen wurde die Geschwindigkeitsmessung mit einem bis zum Ende des Jahres 2012 geeichten Gerät des Typs Traffipax Traffiphot S unter Verwendung eines ebenfalls bis zum Ende des Jahres 2012 geprüften, in der Fahrbahndecke fest installierten Messwertaufnehmers durchgeführt. Der Geschwindigkeitsverstoß wurde an einer Stelle gemessen, an dem die angeordnete Geschwindigkeit von 70 km/h ausweislich des Messprotokolls vom 10. Oktober 2011, bzw. 17. Oktober 2011 durchgehend ausgeschildert war.

Messergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, können, wenn möglichen Fehlerquellen durch den Abzug von Messtoleranzen (wie hier) Rechnung getragen worden ist, von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden.

   Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92 -, NJW 1993, 3081; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 31. März 1995 - 25 A 2798/93 -, NWVBl 1995, 388 und Beschluss vom 15. April 2009 - 8 B 400/09 -.

Die Eichbescheinigung einer Geschwindigkeitsmesseinrichtung sowie das bei der durchgeführten Messung erstellte Messprotokoll sind öffentliche Urkunden, die den vollen Beweis der Funktionsfähigkeit der Messanlage und der Ordnungsmäßigkeit des Messvorgangs erbringen. Um diese gesetzliche Beweisregel zu erschüttern, hätte die Antragstellerin nach § 418 Abs. 2 ZPO substantiiert durch einen Beweisantritt, der den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufes hätte beinhalten müssen, dem Verwaltungsgericht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen darlegen müssen.

   Vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 1999 - 12 L 4605/99 -, m.w.N.; VG Braunschweig, Urteil vom 1.September 2005 - 6 A 98/05 -, m.w.N., beide Juris

Dies ist durch die bloße Anregung der Einholung eines Sachverständigengutachtens, die ohnehin dem Hauptsacheverfahren vorbehalten wäre, nicht einmal ansatzweise geschehen. Dies gilt insbesondere, da dem Bevollmächtigten der Antragstellerin aufgrund seiner Einsicht in die Ermittlungsakte bekannt sein müsste, dass neben dem Messprotokoll auch die Prüfbestätigung für den verwendeten stationären Sensor als auch die Eichbescheinigung für das verwendete Kontrollgerät in dem Vorgang enthalten sind. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand, "Feststellungen zu einer ordnungsgemäßen Messung seien von der dortigen Behörde nicht getroffen", nicht nachzuvollziehen.

Der Antragsgegner durfte auch zu Grunde legen, dass die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht möglich war.

"Unmöglichkeit" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde dürfen sich an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Der Grund für die Unmöglichkeit ist unerheblich, solange nicht ein Ermittlungsdefizit der Behörde ursächlich gewesen ist.

   BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993- 11 B 113.93 -, juris, Rdnr. 4; Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 162.87 -, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 18, jeweils m. w. N.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. November 1999 - 10 S 2436/99 -, juris, Rdnr. 2; OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2004 - 8 B 1519/04 -; Hessischer VGH, Urteil v. 22. März 2005 - 2 UE 582/04 -, juris, Rdnr. 21.

Ein hier beachtliches Ermittlungsdefizit ist nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht gegeben.




Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Behörden nicht gehalten sind, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden, insbesondere den Täter eines Verkehrsverstoßes (etwa durch Anhalteposten) auf frischer Tat zu stellen.

   BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, juris, Rdnr. 4, m.w.N.

Zu den angemessenen Maßnahmen gehört - worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist - jedoch grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend, im Regelfall innerhalb von zwei Wochen, von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Die Versäumung dieser Frist schließt eine Fahrtenbuchauflage indessen dann nicht aus, wenn - bei typisierender Betrachtung - auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Eine verspätete Anhörung ist unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters nicht beeinträchtigt worden ist, bzw. die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist. Das gilt namentlich, falls nach den gegebenen Umständen zu erkennen ist, dass auch eine frühere Unterrichtung des Fahrzeughalters nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil dieser ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken.

   OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, DAR 2006, 172; Beschluss vom 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -, m. w. N.

Insoweit ist es grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dem Halter obliegt es, zur Aufklärung eines mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert.

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, DAR 2006, 172; Beschlüsse vom 12. Dezember 2005 - 8 B 1652/05 - und 15. März 2007 - 8 B 2746/06 -.

Lehnt der Halter dagegen die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 7 C 3.80 -, Juris, Beschluss vom 9. Dezember 1993 - 11 B 113.93 -, Juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2006 - 8 A 1330/05 - und vom 6. April 2009 - 8 B 315/09 -.

Die Antragstellerin war im Rahmen der Ermittlungen nicht nur gehalten, einen ihr bekannten Täter zu benennen oder die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten zu fördern, sondern es oblag ihr auch, den Täterkreis gegenüber der Ordnungswidrigkeitenbehörde so umfassend wie möglich einzugrenzen.

   OVG NRW, Beschluss vom 16. September 2008 - 8 A 1250/08 -.

Vorliegend trägt der an die Antragstellerin adressierte Anhörungsbogen der Verfolgungsbehörde das Datum 27. Oktober 2011. Ein Abvermerk oder ein Zustellungsnachweis befinden sich nicht in der Akte, so dass sich der Zeitpunkt des Zugangs des Zeugenfragebogens bei der Antragstellerin nicht feststellen lässt. Allein das Bestellungsschreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 15. November 2011 lässt keinen Rückschluss auf den Zugangszeitpunkt zu. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, wann der Zeugenfragebogen bei der Antragstellerin eingegangen ist, denn dies ist vorliegend unerheblich. Es kann unterstellt werden, dass der Zeugenfragebogen der Antragstellerin, wie in der Antragsbegründung vorgetragen, erst am 14. November 2011 und somit deutlich nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist zugegangen ist, denn die Nichteinhaltung dieser Frist aus mehreren Gründen unschädlich.


Das gefertigte Messfoto, welches bereits dem Zeugenanhörungsbogen beigefügt war und im Óbrigen Bestandteil der durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin eingesehenen Ermittlungsakte ist, ist durchaus von einer solchen Qualität, dass ihr auch angesichts des Umstandes, dass sie Mutter von vier als Fahrer möglicherweise in Betracht kommenden Söhnen ist, zum mindesten die Eingrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises möglich gewesen wäre. Insoweit werden keine Anforderungen an das Erinnerungs-, sondern an das Erkenntnisvermögen gestellt.

Darüber hinaus war die verspätete Anhörung für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers auch deshalb nicht ursächlich, weil die Antragstellerin innerhalb der Verjährungsfrist der Ordnungswidrigkeit nicht ernstlich an der Identifizierung des verantwortlichen Fahrzeugfahrers mitgewirkt hat. Auf den Zeugenfragebogen des Kreises Euskirchen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sich ausdrücklich auf das Schweigerecht der Antragstellerin berufen und sich eine Einlassung nach Akteneinsicht vorbehalten. Soweit der Bevollmächtigte sich diesbezüglich darauf beruft, es handele sich um eine Standardformulierung bei Akteneinsicht in Ordnungswidrigkeiten, nimmt dies dem objektiven Erklärungswert dieser für seine Mandantin gemachten Aussage nichts. Allein der Umstand, dass eine Vorgehensweise sich in bestimmten (prozessualen) Situationen in einer Vielzahl der Fälle wiederholt, kann nicht dazu führen, dass der (standardisierten) Erklärung eines Verfahrensbevollmächtigten keine Bedeutung beigemessen werden könnte.

Auch der Umstand, dass die Berufung auf das "Schweigerecht" unter dem Vorbehalt erfolgte, eine Einlassung bleibe nach Akteneinsicht vorbehalten, lässt nicht die Deutung zu, die Antragstellerin habe sich nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Im Gegenteil hat sich die Antragstellerin nachfolgend trotz ausdrücklicher Aufforderung der Ermittlungsbehörde innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Akteneinsicht eine Stellungnahme abzugeben, nicht geäußert. Es ist zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, warum es ihr nicht möglich gewesen sein sollte, der Verfolgungsbehörde zumindest den Kreis der in Betracht kommenden Fahrzeugbenutzer anzugeben, um so weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze zu bieten. Dies verdeutlicht, dass ihr die auf dem Radarmessfoto abgebildete Person bekannt ist und sie deshalb keine Angaben machen wollte.

Aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergibt sich des Weiteren, dass vor Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens durchaus weitere Ermittlungen angestellt wurden. Mit Telefax der Stadt D. -S. an den Antragsgegner vom 19. Januar 2012 teilte die ersuchte Ermittlungsbehörde mit, es seien auf das Ermittlungsersuchen vom zuständigen Ermittlungsdienst zwei Hausbesuche bei der Antragstellerin durchgeführt worden, bei denen niemand angetroffen wurde.

Dass es lediglich bei zwei Hausbesuchen blieb, führt ebenso wenig zu einem Ermittlungsdefizit, wie der Umstand, dass das Ermittlungsersuchen erst Mitte Januar 2012 gestellt wurde, denn aufgrund des vorherigen Verhaltens der Antragstellerin war es der Behörde von Rechts wegen nicht zuzumuten, über die getätigten Ermittlungsansätze hinaus weitere zeitraubende Ermittlungen durchzuführen. Die Feststellung des Fahrzeugführers hätte vielmehr einen unter Anlegung der vorgenannten Grundsätze unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand verlangt. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich solche staatlichen Maßnahmen jedenfalls nicht geboten, die die Belange des Betroffenen oder Dritter stärker beeinträchtigen als die Sanktion, auf die sie abzielen (vgl. hierzu § 46 Abs. 3 und 4 OWiG sowie die Formulierung in § 24 Abs. 1 OWiG). Gerade aber solche müssen vielfach ergriffen werden, wenn der Halter selbst nicht willens oder in der Lage ist, das ihm Mögliche zur Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit beizutragen. Die Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist angesichts dessen im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zu bemängeln.

Die Fahrtenbuchauflage erweist sich auf der Rechtsfolgenseite als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. Der begangene Verkehrsverstoß ist als erhebliche Verkehrszuwiderhandlung zu werten.




Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist an dem Punktsystem der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung - FeV -) vom 18. August 1998, Bundesgesetzblatt I, S. 2214 mit nachfolgenden Änderungen zu orientieren.

   Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 - 8 A 699/97 -, amtlicher Umdruck S. 12, und Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 -, DAR 2006, 172.

Dabei genügt bereits eine Ahndung des betreffenden Verkehrsverstoßes mit einem Punkt, damit der Verkehrsverstoß als nicht unwesentlich zu qualifizieren ist, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes oder eine konkrete Wiederholungsgefahr ankommt.

   Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 - 3 B 94.99 -, BayVBl 2000, 380; OVG NRW, Urteil vom 30. November 2005 - 8 A 280/05 - a.a.O sowie BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2007 - 11 B 05.427 -.

Die hier festgestellte Óberschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 34 km/h ist gemäß Ziff. 5.4 der o. g. Anlage mit drei Punkten im Verkehrszentralregister einzutragen. Damit handelt es sich um einen Verkehrsverstoß, der die Auferlegung eines Fahrtenbuches für die Dauer von zwölf Monaten rechtfertigt.

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.04.1999 - 8 A 699/97 -, juris.

Ermessensfehler lassen sich auch im Óbrigen nicht erkennen. Soweit die Antragstellerin meint, in der Begründung sei auf eine spezialpräventive Funktion der Fahrtenbuchanordnung ihr gegenüber abgestellt worden, betrifft dieser Teil der Begründung nicht die Anordnung des Fahrtenbuchs selbst, sondern die darüber hinausgehende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO Bezug genommen.



Die Fahrtenbuchauflage ist schließlich nicht aus sonstigen Gründen unverhältnismäßig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Führen eines Fahrtenbuches für die Antragstellerin keine schwerwiegenden Belastungen mit sich bringt. Die damit verbundenden Handlungen gehen über eine mit einem geringen Zeitaufwand verbundene Belästigung nicht wesentlich hinaus.

   Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17.01.2006 - 8 B 2036/05 - und vom 15.03.2007 - 8 B 2746/06 -.

Auch entspricht die konkrete Ausgestaltung der Auflage der Bestimmung des § 31 a Abs. 2 StVZO. Die Erstreckung auf ein etwaiges Ersatzfahrzeug ist bedenkenfrei.

   vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1989 - 7 B 18.89 -, Buchholz, 442.16 § 31 a StVZO Nr. 19,

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Kammer geht in Anwendung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Ziffer 46.13, von einem Hauptsachewert von 400 EUR je Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage aus. Dieser Wert ist gemäß Ziffer 1.5 Satz 1 des Katalogs in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu ermäßigen.

- nach oben -

...............................

Datenschutz    Impressum