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Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil vom 15.12.2021 - 2 U 68/21 - Zur Haftung des Automobilherstellers wegen sittenwidriger Schädigung nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem so genannten Dieselfall

OLG Saarbrücken v. 15.12.2021: Zur Haftung des Automobilherstellers wegen sittenwidriger Schädigung nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem so genannten Dieselfall




Das Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 15.12.2021 - 2 U 68/21) hat entschieden:

   Zur Haftung des Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem so genannten Dieselfall (hier: Motor EA288).

Siehe auch
Autokauf - Abgasskandal - Sittenwidrigkeit
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht

Gründe:


A.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen des behaupteten Einsatzes unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in seinem Fahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger erwarb gemäß einer verbindlichen Bestellung vom 15. Dezember 2018 von der V. GmbH & Co. KG einen gebrauchten VW Passat 2.0 TDI (Erstzulassung am 2. Juni 2017) zum Preis von 19.980 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA288 (Abgasnorm Euro 6) ausgestattet. In der Motorsteuerungssoftware kommt ein so genanntes Thermofenster zum Einsatz, das bewirkt, dass die Abgasrückführung bei bestimmten Außentemperaturen reduziert und dadurch der Schadstoffausstoß erhöht wird. Das Fahrzeug unterliegt keinem verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).

Der Kläger hat geltend gemacht, dass der streitgegenständliche Motor als Nachfolgemotor des im Zentrum des so genannten Dieselskandals stehenden Motors der Baureihe EA189 ebenso wie dieser über unzulässige Abschalteinrichtungen verfüge und dass die Beklagte sich die EG-Typgenehmigung für das Fahrzeug durch Manipulation des Emissionsverhaltens auf dem Prüfstand erschlichen habe.

Die Motorsteuerungssoftware sei so programmiert, dass anhand der Fahrkurven erkannt werde, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, wobei in diesem Fall die Abgasreinigung so geregelt werde, dass die gesetzlichen Emissionsvorgaben, anders als im normalen Fahrbetrieb, eingehalten würden. Damit verknüpft sei eine Funktion, bei der der Wirkungsgrad des SCR-Katalysators im Prüfstandbetrieb durch Veränderungen der Einspritzmengen des beigemischten AdBlue-Harnstoffes beeinflusst werde. Die Beklagte habe zudem das On-Board-Diagnose System (OBD) bewusst so programmiert, dass bei einer Inspektion fälschlich die ordnungsgemäße Funktionsweise der Abgasrückführung angezeigt werde, was ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen sei. Verschiedene unter anderem von der Deutsche Umwelthilfe e.V. durchgeführte Fahrtests zeigten, dass mit dem Motor des Typs EA288 ausgestattete Fahrzeuge die Grenzwerte der Euro 6-Norm im Straßenbetrieb deutlich überschritten.

Auch bei dem Thermofenster handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Abgasreinigung funktioniere lediglich in einem Temperaturfenster von 20 bis 30 Grad Celsius optimal, bei Temperaturen von unter 17 und über 30 Grad Celsius werde sie hingegen regelmäßig ganz abgeschaltet. Einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen der Einsatz eines Thermofensters zulässig sei, liege nicht vor.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch den Einbau und das Inverkehrbringen der mit einer manipulierten Steuerungssoftware versehenen Motoren gegen die guten Sitten verstoßen, indem sie den Käufern vorgespiegelt habe, dass das betreffende Fahrzeug die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen habe und die gesetzlichen Bestimmungen erfülle. In Wahrheit habe sie aus Gewinnstreben rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung bewusst nicht gewählt. Der Kläger behauptet, maßgeblich für seine Kaufentscheidung sei insbesondere das Interesse an dem Erwerb eines umweltverträglichen und wertstabilen Fahrzeugs gewesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt Zahlung von 16.641,08 € (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung) nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangt. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die ihm durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung entstehenden Schäden zu ersetzen habe. Daneben hat der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten beantragt sowie die Feststellung, dass der in der Hauptsache verfolgte Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrühre. Schließlich hat er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 € beansprucht.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, dass der streitgegenständliche Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer so genannten Umschaltlogik, wie sie aus den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Motor der Baureihe EA189 bekannt sei, enthalte. Zu diesem Ergebnis sei das KBA bereits 2016 nach eingehender Überprüfung gelangt. Die temperaturabhängige Abgasrückführung sei bei einer Außentemperatur von - 24 bis + 70 Grad Celsius zu 100 % aktiv, lediglich bei Extremtemperaturen außerhalb dieses Bereichs erfolge aus Gründen des Motorschutzes und zur Gewährleistung eines sicheren Betriebs des Fahrzeugs keine Abgasrückführung.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Zur Begründung trägt er vor, dass zeitnah für sein Fahrzeug mit der Bereitstellung eines - für andere Fahrzeuge mit einem Motor des Typs EA288 bereits entwickelten - Software-Updates zu rechnen sei. Ziel des Updates sei die Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtungen sowie die Reduzierung der Stickoxidemissionen, allerdings träten nach dem Update erfahrungsgemäß häufig Folgemängel wie bspw. ein erhöhter Kraftstoffverbrauch, eine geringere Motorleistung oder Korrosionsschäden auf. Im Übrigen bekräftigt und vertieft der Kläger seinen Vortrag zu den in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten unzulässigen Abschalteinrichtungen (Fahrkurvenerkennung, Thermofenster, OBD). Er rügt, das Landgericht habe hinsichtlich des Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen die Anforderungen an die Substanziierung des Klagevortrags überspannt und dabei insbesondere die Bedeutung der durch neutrale Stellen erzielten Messergebnisse sowie die Indizwirkung der in den USA zu dem Motor EA288 gewonnenen Erkenntnisse verkannt. Auf diesen seien die in der Rechtsprechung zum EA189-Motor entwickelten Grundsätze ohne weiteres übertragbar.

Der Kläger beantragt,

   unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Februar 2021, Az. 12 O 72/20 wie folgt zu erkennen:

  1.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.553,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. Dezember 2019 zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ Passat B8 2.0 TDI Variant mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... an die Beklagte.

Hilfsweise:

  2.  Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke VW vom Typ Passat B8 2.0 TDI Variant mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... resultieren.

Weiter wird beantragt:

  3.  Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in den vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

  4.  Es wird festgestellt, dass der in Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.

  5.  Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.789,76 € freizustellen.


In Höhe des die ursprüngliche Klageforderung übersteigenden Betrages hat der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung die Hauptsache für erledigt erklärt unter Hinweis auf den aktuellen Kilometerstand des Fahrzeugs von 90.712.

Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Ergänzend trägt sie vor, dass sie die bei Motoren des Typs EA288 verwendete Fahrkurvenerkennung bereits im Oktober 2015 gegenüber dem KBA offengelegt habe, mit dem die in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen abgestimmt worden seien. Dabei sei es einzig darum gegangen, der allgemeinen Verunsicherung im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Fahrkurvenerkennung zu begegnen. Eine Beanstandung dieser Funktion durch das KBA sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16. November 2021 Bezug genommen.




B.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB verneint.

1. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen nicht bereits deshalb als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB zu qualifizieren ist, weil sie den streitgegenständlichen Motortyp EA288 mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat. Dazu kann dahinstehen, ob das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der (unions-)rechtlichen Vorschriften darstellt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsbegründung kommt es ebenso wenig an wie auf den Parteivortrag dazu, bei welchen Außentemperaturen die temperaturabhängige Abgasrückführung aktiv bzw. inaktiv ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die auf einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung beruhende Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems und das Inverkehrbringen eines solchen Fahrzeugs für sich genommen auch dann nicht als sittenwidrig zu qualifizieren, wenn der Hersteller mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat. Für die Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft, erforderlich sind vielmehr weitere Umstände. Es muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, wobei sich die Verwerflichkeit auch aus einer bewussten Täuschung ergeben kann. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht. Solche Umstände sind etwa gegeben, wenn die für den Fahrzeughersteller handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein gehandelt haben, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben. Sind solche Umstände nicht feststellbar, wobei die Darlegungs- und Beweislast diesbezüglich nach allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsteller trägt, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 14 ff.; Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, NZV 2021, 525 Rn. 11 ff.; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 321/20, BeckRS 2021, 30608 Rn. 13 ff.).

b) Hieran gemessen fehlt es im Streitfall an ausreichenden Anhaltspunkten für ein sittenwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen.

aa) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass es sich bei der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt. Hieraus lassen sich allerdings keine Rückschlüsse auf ein sittenwidriges Verhalten ziehen. Die europarechtliche Gesetzeslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines Thermofensters war sowohl zum Zeitpunkt der Erstzulassung des Fahrzeugs Mitte 2017 als auch zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger Ende 2018 weder unzweifelhaft noch eindeutig. Eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, erschien vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII 321/20, aaO, Rn. 29 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 28. September 2021 - 24 U 208/20, BeckRS 2021, 30025 Rn. 35; OLG Koblenz, Urteil vom 8. Februar 2021 - 12 U 471/20, BeckRS 2021, 1241 Rn. 33; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Juni 2020 - 10 U 553/19, BeckRS 2020, 27263 Rn. 43 ff.).


Anders als die in dem Motor EA189 zum Einsatz gekommene Motorsteuerungssoftware unterscheidet das vorliegend eingesetzte Thermofenster bei der Abgasrückführung auch nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Es weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern es arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb also derjenigen auf dem Prüfstand (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, aaO, Rn. 18). Bei einem solchen System, für dessen Verwendung ernsthaft ein Motor- oder Bauteileschutz als Rechtfertigung in Betracht gezogen werden kann, kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen in dem Bewusstsein gehandelt haben, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 19; OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Dezember 2020 - 3 U 101/18, BeckRS 2020, 37652 Rn. 47; OLG Schleswig, Urteil vom 16. Februar 2021 - 7 U 68/20, BeckRS 2021, 8809 Rn. 33). Anhaltspunkte, die einen entsprechenden Rückschluss zuließen, werden durch den Kläger nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

bb) Dessen ungeachtet ergibt sich aus dem im April 2016 veröffentlichten Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen", dass das KBA im Rahmen seiner nach Bekanntwerden des so genannten VW-Dieselskandals aufgenommenen Nachforschungen unter anderem einen VW Passat 2.0 Liter mit einem Motor des Typs EA288 Euro 6 - also ein dem streitgegenständlichen zumindest vergleichbares Fahrzeug - untersucht hat, ohne dass eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt werden konnte (vgl. S. 62 des Berichts, im Anlagenband Beklagte). Auch bei allen weiteren Untersuchungen dieses Motortyps in anderen Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns durch das KBA in den vergangenen mehr als fünf Jahren wurde in keinem einzigen Fall eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Die Beklagte hat hierzu zuletzt mit der Berufungserwiderung mehrere in anderen Verfahren erteilte Auskünfte des KBA vorgelegt (GA III/539 ff.), in denen das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung jeweils verneint wurde.

Soweit ein VW T6 mit Euro 6-Motor einem Rückruf unterlag, hat die Beklagte erläutert, dass der Grund hierfür eine technische Konformitätsabweichung gewesen sei. Konkret habe die Regeneration des Dieselpartikelfilters bei bestimmten Neufahrzeugen des Typs VW T6 2.0 TDI Euro 6 zu höheren Stickoxid-Emissionen geführt als ursprünglich bei der Genehmigung angenommen und in dem so genannten Ki-Wert festgehalten. Die Abweichung sei durch ein Software-Update beseitigt worden, welches durch das KBA geprüft und genehmigt worden sei, ohne dass in diesem Zusammenhang eine unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet worden sei. Diesem Vorbringen ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Es wird zudem bestätigt durch die Auskunft des KBA vom 11. Februar 2021 in dem Verfahren 14 U 322/19 vor dem Oberlandesgericht Oldenburg (GA III/548). Darin erläutert das KBA, dass der Fahrzeughersteller laut einer Mitteilung bei eigenen Prüfungen festgestellt habe, dass der Ki-Faktor für die Berücksichtigung periodisch regenerierender Abgasreinigungssysteme (im konkreten Fall des Dieselpartikelfilters) zu niedrig berechnet worden sei und daher nicht als repräsentativ für die betroffenen Fahrzeuge angesehen werden könne. Dies sei - so das KBA - als Konformitätsabweichung gewertet worden und es seien Maßnahmen zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit angeordnet worden, ohne dass indes unzulässige Abschalteinrichtungen bei den betroffenen Fahrzeugen festgestellt worden seien.

cc) Konkrete Umstände, die dafür sprechen könnten, dass das KBA bei seinen Prüfungen nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat, ergeben sich aus dem Klägervorbringen nicht. Das KBA ist die für die hier maßgeblichen Prüfverfahren in der Bundesrepublik Deutschland zuständige Fachbehörde. Gelangt eine solche Fachbehörde im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen Überprüfung und noch einmal im Rahmen einer anlassbezogenen ergänzenden Überprüfung - wie hier - zu dem Ergebnis, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen, kann unabhängig von der Richtigkeit dieser Beurteilung zu Lasten des betroffenen Fahrzeugherstellers jedenfalls nicht von einem sittenwidrigen oder vorsätzlichen Handeln ausgegangen werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Juli 2021 - 17 U 63/19, BeckRS 2021, 21740 Rn. 40 f.). Es ist zudem fernliegend, dass das KBA im Rahmen der durchgeführten Überprüfungen die vom Kläger vorliegend gerügten Abschalteinrichtungen übersehen und deshalb im Rahmen seiner Beurteilung unberücksichtigt gelassen haben könnte. Das KBA hat seit dem Bekanntwerden der Manipulation des Motors EA189 im September 2015 eine Vielzahl unterschiedlicher Fahrzeugtypen des Volkswagenkonzerns hinsichtlich des Vorliegens unzulässiger Abschalteinrichtungen untersucht. Obwohl es dabei Kenntnis von der auf seine Täuschung ausgerichteten Vorgehensweise der Beklagten im Zusammenhang mit dem Motor EA189 hatte und es deshalb naheliegt, dass es bei der Untersuchung der nach Bekanntwerden des so genannten Dieselskandals überprüften Fahrzeuge mit einem Motor des Typs EA288 besondere Gründlichkeit walten ließ, konnten keine unzulässigen Abschalteinrichtungen entdeckt werden.

Soweit der Kläger mit seinem Vortrag, das KBA und das Bundesverkehrsministerium würden als "verlängerter Arm" der Autoindustrie angesehen, ein kollusives Zusammenwirken des KBA und der Beklagten in den Raum stellt, fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, die diese Annahme stützen. Das als Beleg angeführte Zitat aus einer Pressemitteilung der Deutsche Umwelthilfe e.V. (GA IV/670) gibt hierfür nichts her.

dd) Auch mit seiner Behauptung, die Beklagte habe die im Zeitraum ab 2012 in dem Motor des Typs EA288 verwendeten Abschalteinrichtungen bis heute nicht vollständig gegenüber dem KBA offengelegt, vermag der Kläger ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht schlüssig darzulegen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Nutzung von Thermofenstern seit der Einführung der Abgasrückführungstechnologie in Dieselfahrzeugen bzw. seit dem Jahr 2008 dem KBA bekannt gewesen sei und dass der allgemeine Einsatz einer temperaturgesteuerten Emissionsregulierung sowohl für vor Mai 2016 als auch für danach typgenehmigte Fahrzeuge mit EA288-Motor im Rahmen der vorgelegten EG-Typgenehmigungsunterlagen mitgeteilt worden sei. Selbst wenn die Beklagte dabei etwa erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen (BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 286/20, BeckRS 2021, 30338 Rn. 26). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 24), werden von dem Kläger nicht aufgezeigt.

ee) Solche Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus dem Klägervortrag zu angeblichen sittenwidrigen Absprachen der Beklagten mit anderen Motorherstellern über die Verwendung von (unzulässigen) Abschalteinrichtungen. Der Kläger hat weder dargelegt, worin genau diese Absprachen bestanden, noch dass sie Auswirkungen auf die Konzeption des streitgegenständlichen Motors vom Typ EA288 und der darin verwendeten Steuerungssoftware hatten. Ein Bezug zu dem streitgegenständlichen Motor ist ferner nicht erkennbar, soweit der Kläger behauptet, leitende Angestellte der Beklagten seien bereits ab 2006 an der Planung einer Software-Manipulation zur Reduzierung des Stickstoffausstoßes beteiligt gewesen und kurz danach durch Mitarbeiter der mit der Beklagte zusammenarbeitenden R. B. GmbH darauf hingewiesen worden, dass der Einsatz einer solchen Software nicht gesetzeskonform sei. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers wurde der EA288-Motor erst ab 2012 verbaut.


2. Auch ein sittenwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen durch die Entwicklung und Verwendung sonstiger unzulässiger Abschalteinrichtungen steht nicht fest. Insoweit fehlt es bereits an einem schlüssigen Sachvortrag des Klägers, der Voraussetzung für die Erhebung des angebotenen Sachverständigenbeweises wäre.

a) Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, NZV 2021, 525 Rn. 20). Diese Grund-sätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrundeliegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Gemäß § 403 ZPO hat die Partei, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen will, die zu begutachtenden Punkte zu bezeichnen. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in die Sachkenntnis des Sachverständigen gestellten Behauptung habe. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen (BGH, aaO, Rn. 21 f.).

b) Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe bei dem in seinem Fahrzeug eingebauten Motor die Motorsteuerung mit einer (in den Schriftsätzen teilweise auch als Zykluserkennung, Akustikfunktion oder Prüfstanderkennung bezeichneten) Fahrkurvenerkennung versehen, um die Emissionswerte prüfstandbezogen zu manipulieren, nicht gerecht.

aa) Im Ausgangspunkt unstreitig werden in den von der Beklagten hergestellten Motoren vom Typ EA288 SCR-Katalysatoren und NSK-Speicherkatalysatoren zur Abgasreinigung eingesetzt. Der Kläger, der in der Berufungsbegründung offengelassen hat, welcher der beiden Katalysatortypen in seinem Fahrzeug zum Einsatz gelangt, hat zuletzt klargestellt, dass das Fahrzeug - wie bereits in der Klageschrift vorgetragen - über einen SCR-Katalysator verfüge.

bb) Nach dem Vortrag des Klägers wird bei einem SCR-Katalysator, bei dem die Dieselabgase mit einer Harnstofflösung (AdBlue) gereinigt würden, der Wirkungsgrad des Katalysators durch eine Veränderung der AdBlue-Einspritzmengen beeinflusst, wobei die Motorsteuerung bewusst so programmiert sei, dass unter den Prüfstandbedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) deutlich mehr AdBlue eingespritzt werde als im normalen Fahrbetrieb, in dem somit die Abgasreinigung gegenüber dem Prüfstandbetrieb deutlich reduziert sei.

(1) Soweit der Kläger darin eine unzulässige Abschalteinrichtung erblickt, folgt dies allerdings aus der in Bezug genommenen internen Unterlage der Beklagten mit dem Titel "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA 288" (Anlage K 2d, im Anlagenband Kläger; im Folgenden Applikationsrichtlinie) nicht. Zwar heißt es auf Seite 5 der Applikationsrichtlinie, dass vor der 22. Kalenderwoche 2016 produzierte Fahrzeuge mit SCR-Katalysator eine Fahrkurvenerkennung enthielten. Der Umstand, dass der Prüfstand des NEFZ anhand einer Fahrkurve erkannt wird, lässt jedoch für sich genommen nicht den Schluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu. Hierfür ist maßgeblich, ob das Erkennen des Prüfstands Auswirkungen auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs hat und dies zudem relevanten Einfluss auf die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte auf dem Prüfstand hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Mai 2021 - 16a U 1576/20, juris Rn. 26). Dies ist der Applikationsrichtlinie nicht zu entnehmen. Darin heißt es vielmehr, dass für Fahrzeuge mit einem Produktionsstart ("SOP") vor der 22. Kalenderwoche 2016 Fahrkurven nicht zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte genutzt werden dürften. Weiter heißt es, dass bei Fahrzeugen mit einem Produktionsstart ab der 22. Kalenderwoche 2016 die Fahrkurven aus der Software entfernt seien. Da das streitgegenständliche Fahrzeug im Juni 2017 erstmals zugelassen wurde, bedürfte es somit näherer Darlegungen des Klägers, dass die Motorsteuerung überhaupt die beanstandete Fahrkurvenerkennung enthielt. Dazu ist nichts vorgetragen.




(2) Die Ausführungen des Klägers zu der technischen Funktionsweise des SCR-Katalysators und der AdBlue-Dosierung stellen keinen ausreichenden Sachvortrag zu der Verwendung einer unzulässigen Prüfstanderkennung dar. Nach der Behauptung des Klägers dosiert die Steuerungssoftware die Zufuhr der Harnstofflösung AdBlue anhand externer Kriterien mit der Folge, dass die Abgasreinigung durch den SCR-Katalysator mit unterschiedlicher Effizienz aktiviert bzw. deaktiviert werde. Dabei trete die maximale Stickoxid-Reduktion nur zu einem geringen Anteil der Fahrzeit in Aktion, wohingegen in der restlichen Zeit weniger oder gar kein AdBlue zugeleitet und entsprechend erheblich mehr Stickoxid ausgestoßen werde. Die hierauf basierende Schlussfolgerung des Klägers ("Mit anderen Worten wurde nur auf dem Prüfstand ausreichend Harnstoff genutzt, um die Emissionen gemäß den vorgegebenen Grenzwerten zu reduzieren") ist jedoch in Ermangelung näherer Darlegungen zu den externen Kriterien für die AdBlue-Dosierung keineswegs zwingend und stellt nicht mehr als eine Mutmaßung dar.

(3) Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte nicht gehalten, von sich aus die Beweggründe für die Verwendung einer Fahrkurvenerkennung sowie deren Funktionsweise im Einzelnen zu erläutern. Die Beklagte trifft keine sekundäre Darlegungslast für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem streitgegenständlichen Motor.

(a) Wer einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, trägt im Grundsatz die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Lediglich in bestimmten Fällen ist es Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungslast zu den Behauptungen der beweisbelasteten Partei substanziiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substanziierung des Bestreitens zunächst davon ab, wie substanziiert der darlegungspflichtige Gegner - hier der Kläger - vorgetragen hat. In der Regel genügt ein einfaches Bestreiten. Eine sekundäre Darlegungslast kann den Gegner der primär darlegungsbelasteten Partei treffen, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 25 ff.; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, BeckRS 2021, 30341 Rn. 26). Stets muss allerdings der unstreitige oder zu beweisende Vortrag der darlegungspflichtigen Partei greifbare Anhaltspunkte für ihre Behauptung liefern, um eine prozessual unzulässige Ausforschung des Sachverhalts zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 90/13, NJW 2015, 947 Rn. 21: "schlüssige Indizien"; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., Vor § 284 Rn. 34). (b) Daran fehlt es hier. Der Kläger hat für seine Behauptung, in der Motorsteuerung der Motorbaureihe EA288 sei eine Umschaltlogik ähnlich wie in der Vorgängerbaureihe EA189 enthalten, keine konkreten Anhaltspunkte geliefert, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Hinzu kommt, dass das KBA die (ursprünglich) in Motoren des Typs EA288 mit SCR-Katalysator verwendete Fahrkurvenerkennung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung ansieht, wie aus mehreren von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften hervorgeht, die das KBA in Parallelverfahren erteilt hat (GA III/539 ff.). Bei der Erteilung dieser Auskünfte war die Funktionsweise der Fahrkurvenerkennung dem KBA bekannt, denn sie wird jeweils näher beschrieben (vgl. etwa die Auskunft des KBA vom 11. Februar 2021 in dem Berufungsverfahren 14 U 322/19 vor dem OLG Oldenburg, GA III/548). Dafür, dass dem KBA dabei nicht alle für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Informationen vorlagen, ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte. Dem vom Kläger auszugsweise zitierten Schreiben der Beklagten an das KBA vom 29. Dezember 2015 (GA IV/674), in dem die Verwendung einer Fahrkurvenerkennung offengelegt worden sei, kommt angesichts dessen für die hier maßgeblichen Fragen keine Relevanz zu.

(4) Nach alledem bedarf es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Funktionsweise der Softwaresteuerung, da es sich hierbei um einen prozessual unzulässigen Ausforschungsbeweis handeln würde. Dessen ungeachtet ist allerdings bereits zweifelhaft, ob das beantragte Sachverständigengutachten überhaupt ein taugliches Beweismittel darstellt im Hinblick darauf, dass der Motor der Baureihe EA288 in den vergangenen mehr als fünf Jahren Gegenstand umfangreicher Untersuchungen war, ohne dass sich Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung ergaben, und der Kläger nicht aufzeigt, dass hierbei Untersuchungsmethoden nicht zum Einsatz kamen, die ein durch das Gericht zu beauftragender Sachverständiger der Begutachtung zugrunde legen würde.

c) Sonstige Umstände, die auf ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem streitgegenständlichen Motor des Typs EA288 hindeuten, lassen sich dem Klägervortrag nicht entnehmen.




aa) Die durch verschiedene Organisationen, darunter die Deutsche Umwelthilfe e.V., vorgenommenen Schadstoffmessungen bei Fahrzeugen mit einem Motor des Typs EA288 erfolgten laut dem Klägervortrag im Straßenbetrieb. Dass die gesetzlichen Grenzwerte, anders als im Prüfstandbetrieb, auf der Straße nicht eingehalten werden, ist kein greifbarer Umstand für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Es ist allgemein und durch entsprechenden Sachvortrag in zahlreichen parallel gelagerten Verfahren auch gerichtsbekannt, dass die Angaben der Hersteller zu Emissionswerten von den realen Werten im Straßenbetrieb abweichen. Daraus folgt indes nicht, dass die Beklagte die Motorensteuerungssoftware in manipulativer Absicht so programmiert hat, dass auf dem Prüfstand andere Werte gemessen werden als im Straßenbetrieb, um unberechtigt eine Typengenehmigung zu erhalten (OLG Bamberg, Urteil vom 20. Mai 2021 - 1 U 90/20, BeckRS 2021, 28927 Rn. 58). Besondere Umstände, die im Streitfall eine andere Beurteilung nahelegen könnten, werden von dem Kläger nicht aufgezeigt und sind auch ansonsten nicht ersichtlich.

bb) Aus dem nach dem Klagevorbringen durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen die Beklagte verhängten und von dieser akzeptierten Bußgeld in Höhe von einer Milliarde Euro vermag der Kläger nichts für eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB herzuleiten. Der Kläger trägt selbst vor, dass dem Bußgeldbescheid der Vorwurf einer fahrlässigen Aufsichtspflichtverletzung zugrunde lag und dass er nicht nur im Zusammenhang mit dem Motortyp EA288 stehende Vorgänge betraf, sondern auch die Manipulation der Abgasreinigung bei dem Vorgängermotor der Baureihe EA189. Auf ein zur Erfüllung des Tatbestands der zivilrechtlichen Haftungsnorm erforderliches vorsätzliches Handeln der für die Beklagte handelnden Personen, was den Einsatz einer - unterstellt - unzulässigen Abschalteinrichtung in Motoren vom Typ EA288 betrifft, kann aus dem Bußgeldbescheid nicht geschlossen werden.

cc) Der vom Kläger angeführte Rückruf von Fahrzeugen mit einem Motor der Baureihe EA288 in den USA ist für das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen unerheblich. Die Beklagte hat erstinstanzlich auf die abweichenden rechtlichen Rahmenbedingungen in den USA, etwa was die Schadstoff-Grenzwerte betrifft, sowie auf zahlreiche technische Unterschiede in der Ausgestaltung des SCR-Katalysators für den US-Markt hingewiesen. Diesem Vorbringen ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

dd) Der Vortrag des Klägers zur Ausgestaltung der On-Board-Diagnose vermag von vornherein keine Anhaltspunkte für eine Täuschung zu begründen. Da das On-Board-Diagnose-System lediglich die werkseitig vorgesehene Funktionsweise des Fahrzeugmotors nachvollzieht, kann aus dem Ausbleiben einer Fehlermeldung nicht der Schluss darauf gezogen werden, dass dessen Ausgestaltung in Kenntnis einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 8. Juni 2021 - 19 U 1567/19, BeckRS 2021, 15648 Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Juni 2021 - 6 U 142/20, BeckRS 2021, 19764 Rn. 88 f.).

ee) Auch aus seinem Vortrag zu einem bevorstehenden Software-Update für sein Fahrzeug vermag der Kläger nichts herzuleiten, was den geltend gemachten Anspruch begründen könnte. Es fehlt bereits an konkreten Darlegungen, dass ein Software-Update für den VW Passat 2.0 TDI der Modellreihe B8 in der Entwicklung befindlich oder auch nur geplant ist. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass mit dem Update der Zweck verfolgt wird, eine bislang in der Motorsteuerungssoftware vorhandene Abschalteinrichtung zu beseitigen. Die behaupteten Nachteile etwa für den Kraftstoffverbrauch, mit denen bei der Durchführung eines der Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung dienenden Updates aus der Sicht des Klägers zu rechnen sei, rechtfertigen für sich genommen den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 30). Im Übrigen wird auch nicht konkret dargelegt, dass im konkreten Fall mit einem Software-Update derartige Nachteile verbunden wären.


II.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus sonstigen Anspruchsgrundlagen.

1. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet im Hinblick auf das Fehlen von Anhaltspunkten dafür, dass auf Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und mangels Vorliegens von Umständen, die für eine Täuschung durch für die Beklagte handelnden Personen sprechen, aus.

2. Die Beklagte haftet auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der Verordnung (EG) 715/2007. Das vorliegend streitgegenständliche Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 10 ff.; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 322/20, BeckRS 2021, 31797 Rn. 36).



III.

In Ermangelung eines Schadensersatzanspruchs kann auch nicht festgestellt werden, dass der Rechtsstreit sich im Hinblick auf die höhere Nutzungsentschädigung, die sich der Kläger in Anbetracht der seit dem erstinstanzlichen Urteil zurückgelegten Fahrstrecke anrechnen lässt, teilweise erledigt hat. Ebenso erweist sich der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag, mit dem der Kläger die Ersatzpflicht der Beklagten für alle aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in sein Fahrzeug resultierenden Schäden festgestellt wissen will, als unbegründet. Gleiches gilt für die Nebenforderungen (Verzugszinsen, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und des Bestehens einer Haftung wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung, Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZP

O.

Die Revision wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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