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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss vom 06.03.2023 – 10 S 22.2501 - Zur Annahme von regelmäßigem Cannabiskonsum und sich daraus ergebender fehlender Fahreignung

VG Ansbach v. 06.03.2023: Zur Annahme von regelmäßigem Cannabiskonsum und sich daraus ergebender fehlender Fahreignung




Das Verwaltungsgericht Ansbach -(Beschluss vom 06.03.2023 – 10 S 22.2501) hat entschieden:

   Ergibt sich aus einem chemisch-toxikologischen Gutachten, dass in einer vier Zentimeter langen Haarprobe des Antragstellers THC in einer Konzentration von 6,4 ng/mg, sowie Cannabidiol in einer Konzentration von 2,1 ng/mg als auch Cannabinol in einer Konzentration von 2,0 ng/mg und ist der Betroffene im Hanfanbau tätig, so kann - auch im Zusammenhang mit Cannabisfunden in verschiedensten Verarbeitungsstufen - von regelmäßigem Konsum im Sinne der Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen werden.

Siehe auch
Der regelmäßige Konsum von Cannabis
und
Das Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde bei regelmäßigem (gewohnheitsmäßigem) Cannabiskonsum

Gründe:


I.

Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis sowie gegen die Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins.

Am 23. August 2022 gingen beim Antragsgegner Unterlagen der Kriminalpolizeiinspektion … ein, die ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen illegalen Handels bzw. illegalem Anbaus von Betäubungsmitteln betreffen. Aus der beigefügten Anklageschrift gegen den Antragsteller lässt sich entnehmen, dass in einer angemieteten Wohnung des Antragstellers 190 Marihuanapflanzen sowie abgeerntete getrocknete Dolden aufgefunden werden konnten. Es habe sich um Marihuana mit einem Nettogewicht von 5.659,03 g gehandelt, was einer Wirkstoffmenge von insgesamt 486,6 g THC bedeute. Der Antragsteller und eine weitere Person hätten dabei beabsichtigt, das Marihuana abzüglich eines Eigenkonsumanteils von jeweils zwei Prozent gewinnbringend weiter zu veräußern.

Aus einem in diesem Ermittlungsverfahren erstellten chemisch-toxikologischen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität … vom 16. Mai 2022 ergibt sich, dass im Haar des Antragstellers ein THC-Gehalt von 6,4 ng/mg Haare sowie ein Cannabidiolgehalt von 2,1 bzw. 2,0 ng/mg Haare festgestellt werden konnte. Aus der beigefügten gutachterlichen Stellungnahme ergibt sich, dass auf Grund einer vier Zentimeter langen Haarprobe des Antragstellers aus diesen Werten schließen lasse, dass dem ein intensiver Konsum von Cannabisprodukten während des von der Untersuchung erfassten Zeitraums von ca. vier Monaten vor der Haarabnahme (23.3.2022) zugeordnet werden kann.


Nach entsprechender Anhörung entzog das Landratsamt … dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und forderte diesen auf, den Führerschein unverzüglich abzugeben. Unmittelbarer Zwang wurde angedroht, Sofortvollzug angeordnet. Aus der Begründung des Bescheides lässt sich entnehmen, dass das Landratsamt von regelmäßigem Konsum von Cannabis im Sinne von § 46 Abs. 1 i.V.m. Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ausgeht, weswegen der Antragsteller nicht geeignet sei, weiter am Straßenverkehr teilzunehmen.

Dagegen erhob der Antragsteller Klage, die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass zwar festgestellt worden sei, dass beim Antragsteller ein intensiver Konsum vorgeherrscht haben soll, dass der Schluss, dass dieser Konsum aber ein regelmäßiger Konsum sei, daraus nicht gezogen werden dürfe. So könne der Nachweis von THC in einer Haarprobe beispielsweise auch durch Körperkontakt mit einer Person stammen, die Cannabis geraucht habe. Demzufolge lasse eine Haaranalyse keinen Rückschluss auf einen regelmäßigen Konsum zu. Es sei wissenschaftlich geklärt, dass sich aus einem THC-Gehalt in den Haaren nicht mehr auf eine bestimmte Konsumform rückschließen lasse.

Der Antragsteller beantragte des Weiteren sinngemäß,

   die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 9. November 2022 wiederherzustellen.

Der Antragsteller legte auch klar, dass sich dieser Antrag nicht auf den angedrohten unmittelbaren Zwang zur Abgabe des Führerscheins richtet.

Der Antragsgegner beantragte,

   den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde auf den Aufsatz „Die Haarprobe als Untersuchungsmatrix zur toxikologischen Fahreignungsdiagnostik“ von Fritz Pragst und Hans Sachs Bezug genommen. Es wurde weiter ausgeführt, dass beim Antragsteller bereits eine Vorgeschichte bestehe, weil dieser im ersten Halbjahr 2020 nachweislich ein- bis zweimal täglich vor dem Schlafengehen sog. Medizinal-Cannabis inhaliert habe, d.h. ca. 0,4 bis 0,5 g täglich. Des Weiteren sei zu Bedenken, dass der festgestellte THC-Wert von 6,4 ng/mg Haar sehr hoch sei. Bereits ab einem Wert oberhalb von 0,5 ng/mg Haar müsse man aber von regelmäßigem Konsum ausgehen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.




II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 9. November 2022 ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid ist hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Ziffer 3 formell rechtmäßig.

Die Begründung des Sofortvollzugs in den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids entspricht den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug in ausreichender Form dargelegt wurde. Es wurde insbesondere ausgeführt, dass eine weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr zu einer unmittelbaren Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen könnte, so dass ein besonderes öffentliches Interesse vorliege, den Antragsteller, dem regelmäßiger Betäubungsmittelkonsum vorgeworfen werde, ohne weiteres Abwarten vom Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr auszuschließen. Soweit ausgeführt wird, dass dies zur Folge habe, dass auch schon vor einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr hingenommen werden könne, dass der Antragsteller weiter am Straßenverkehr teilnehme, ist dies nicht zu beanstanden. Da es sich beim Fahrerlaubnisrecht um einen besonderen Teil des Sicherheitsrechts handelt, entspricht es ständiger Rechtsprechung der Kammer, dass es für die Anordnungsbehörde ausreicht, die typische Interessenslage dieser Fallgruppe aufzuzeigen und auszuführen, dass im Fall möglicherweise ungeeigneter Fahrzeugführer ein Ausschluss an einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr wegen der hiervon ausgehenden akuten Gefahr schnellstmöglich anzuordnen ist. Entsprechend gilt es auch für die Verpflichtung des Antragstellers seinen Führerschein abzugeben, weil sonst durch den von ihm erweckten Rechtsschein, weiterhin die Befugnis zu besitzen, am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, weiterbestünde. Es ist insgesamt also ausreichend, die für solche Fälle allgemein geltende Interessenslage aufzuzeigen.




Das Landratsamt hat daher im streitgegenständlichen Bescheid vom 9. November 2022 den Sofortvollzug im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend begründet. Hierzu wurde allerdings auch nichts vorgetragen. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen, wie hier, die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dagegen ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.

Nach der in diesem Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV vor, so dass der Bescheid des Landratsamtes … vom 9. November 2022 zu Recht ergangen ist.

Für ein Vorliegen formeller Rechtswidrigkeit ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.

Aber auch materiell ist der streitgegenständliche Entzugsbescheid nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Überprüfung dieses Bescheids ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, das ist in diesem Fall der Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 9. November 2022 bzw. dessen Zustellung an den Antragsteller.



Rechtsfehler sind diesbezüglich nicht erkennbar. Dies hat zur Folge, dass Erfolgsaussichten der gleichzeitig mit dem Antrag erhobenen Klage nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht vorliegen. Insbesondere hat der Antragsgegner den streitgegenständlichen Fahrerlaubnisentzug zu Recht auf § 11 Abs. 7 StVG gestützt.

Dabei ist zu beachten, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV eine Fahrerlaubnis dann zu entziehen ist, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein Ermessensspielraum kommt der Fahrerlaubnisbehörde insoweit nicht zu. Von einer Nichteignung ist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. Vorliegend hat der Antragsgegner den Entzug auf die Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV gestützt, wonach bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis ungeachtet der Frage eines Trennungsvermögens zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs die Fahreignung zu verneinen ist. Ein solcher regelmäßiger Konsum kann beim Antragsteller angenommen werden, so dass nach § 11 Abs. 7 FeV eine (weitere) Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleiben musste, da die Nichteignung des Antragsteller bereits ohne weitere Überprüfung festgestanden war.

Wie ausgeführt, geht der Antragsgegner von Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV aus, wonach derjenige ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, der regelmäßig Cannabis zu sich nimmt. Ein solcher regelmäßiger Konsum liegt im Rechtssinn allerdings nur dann vor, wenn von einer täglichen oder nahezu täglichen Einnahme ausgegangen werden muss. Dies findet seine Begründung insbesondere darin, dass durch eine so intensiven Cannabiskonsum Effekte eintreten, die sich so negativ auf die Fahreignung auswirken, so dass diese allein durch den Konsum als solchen bereits ausgeschlossen ist.

Vorliegend äußert sich der Antragsteller zu der Art seines Konsums nicht. Maßgeblich herangezogen hat das Landratsamt … aber die insoweit übersendeten Ermittlungsakten, insbesondere das chemisch-toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität … vom 16. Mai 2022 sowie die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vom 23. September 2022.

Aus dem chemisch-toxikologischen Gutachten vom 16. Mai 2022 ergibt sich, dass in einer vier Zentimeter langen Haarprobe des Antragstellers THC in einer Konzentration von 6,4 ng/mg vorgefunden werden konnte, sowie Cannabidiol in einer Konzentration von 2,1 ng/mg als auch Cannabinol in einer Konzentration von 2,0 ng/mg. Aus der sich an das Testergebnis anschließenden gutachterlichen Stellungnahme ist zu entnehmen, dass von einem intensiven Konsum von Cannabisprodukten während des von der Untersuchung erfassten Zeitraums von ca. vier Monaten vor dem Termin der Haarabnahme ausgegangen werden muss. Aus der Anklageschrift vom 23. September 2022 ergibt sich des Weiteren, dass der Antragsteller zusammen mit einer weiteren Person in nicht unerheblichem Ausmaß Cannabis angebaut hatte, den er gewinnbringend weiterveräußern habe wollen, allerdings „abzüglich eines Eigenkonsumanteils von jeweils zwei Prozent“.

Ausweislich dieser Tatsachen geht das Gericht davon aus, dass das Konsumverhalten des Antragstellers als „regelmäßig“ im Sinne der Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV bezeichnet werden muss.




Dabei geht das Gericht des Weiteren davon aus, dass der Begriff „intensiver Konsum“ den das rechtsmedizinische Institut wählt, nicht direkt Rückschlüsse auf die Konsumfrequenz der Einnahme von Cannabis zulässt, da intensiv auch der gelegentliche Konsum von Cannabisprodukten mit sehr hohem Wirkstoffgehalt sein könnte. Des Weiteren erkennt die Kammer an, dass der Nachweis des Hauptwirkstoff THC sowie auch von Nebenwirkstoffen Cannabidiol und Cannabinol nicht zwangsläufig mit einem aktiven Cannabiskonsum in Verbindung gebracht werden können, da neueren Untersuchungen zu Folge auch Körperkontakt zu Cannabis bzw. das bloße Hantieren mit Cannabis auf das Haar übertragen werden können (so auch die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des VG Augsburg, B.v. 9.10.2019 – AU 7 S 19.897 – juris). Auch die vom Antragsteller zitierte Presseveröffentlichung hinsichtlich einer Studie der Universität Freiburg kommt zum Schluss, dass insbesondere auch durch bloßes Hantieren mit Cannabis relevante Mengen Cannabinoide auf das Haar übertragen werden.

Unter Berücksichtigung all dieser Maßgaben ist das Gericht aber dennoch davon überzeugt, dass, wovon eben auch das Landratsamt ausgeht, dem Antragsteller ein regelmäßiger Cannabiskonsum unterstellt werden kann. Die Kammer stützt diese Rechtsauffassung im Wesentlichen auf das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität … vom 16. Mai 2022, worin dem Antragsteller ein intensiver Konsum über einen Zeitraum von etwa vier Monaten zugeordnet werden könnte, was die Gutachter – wohl – aus den hohen festgestellten Werten entnehmen. Da es sich bei den Gutachtern allesamt um Fachleute des rechtsmedizinischen Instituts einer renommierten Universität handelt, geht das Gericht weiter davon aus, dass eine solche Schlussfolgerung nicht leichtfertig getroffen wurde. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Ermittlungsbehörden ausweislich der Anklageschrift vom 23. September 2022 davon ausgehen, dass auch für den Antragsteller ein Eigenkonsumanteil des angebauten Marihuanas in Höhe von zwei Prozent eingeplant gewesen war, und zwar zwei Prozent von immerhin einem festgestellten Marihuana-Nettogewicht in Höhe von 5.659,03 g bei einer THC-Wirkstoffmenge von insgesamt 486,6 g, hat das Gericht keine Zweifel, dass der festgestellte intensive Konsum geradezu zwangsläufig ein regelmäßiger Konsum sein muss. Wie sich aus der vom Antragsgegner herangezogenen Studie (a.a.O.) ergibt, sind hohe Werte bei der Annahme eines sog. „Cut-off-Wertes“ von 0,5 ng/mg nur durch ständige Einlagerung aus dem Sebum, die eine Akkumulation im Haar verursache, denkbar, ein Ergebnis, das durch den Test mit Alkoholmärkern im Haar erarbeitet worden war. Das Gericht durfte des Weiteren die mittlerweile unstrittige Erkenntnis heranziehen, dass ein einmaliger oder auch höchst seltener Konsum von Cannabispräparaten überhaupt zu keinem Nachweis im Haar des Betroffenen führt. Wenn man nunmehr davon ausgeht, dass im Haar des Antragstellers eine Konzentration von 6,4 ng/mg THC festgestellt worden war, so kann davon ausgegangen werden, dass ein so hoher Wert in einem Zeitraum von vier Monaten nicht so akkumuliert werden könnte, wenn nur ein gelegentlicher Konsum stattfindet. Wenn man weiter berücksichtigt, dass der polizeilich ermittelte Eigenkonsum zwei Prozent der sichergestellten Menge beträgt, also bei einer vom Antragsteller eingeräumten Erntemenge in einem Umfang von ca. 113 g Marihuana mit einem Trockengewicht von über 102 g und einer angenommenen Wirkstoffmenge von nahezu 10 g THC, so ist ein anderer Rückschluss, als dass dieses Marihuana regelmäßig konsumiert wird, nach menschlichem Ermessen kaum mehr möglich.

Andererseits verhält sich der Antragsteller zu einem Konsumverhalten überhaupt nicht. Er lässt lediglich im Rahmen der Klagebegründung vortragen, dass Haaranalysen grundsätzlich nicht geeignet sind, einen Konsum festzuhalten, weil sich Ablagerungen im Haar auch durch den - vom Antragsteller im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeräumten – Umgang mit Marihuanapflanzen ergeben können. Da dieser Umgang im Wesentlichen die Anzahl und die Aufzucht der Pflanzen beinhaltete, könnte eine Ablagerung im Haar eigentlich nur durch entsprechenden Hautkontakt erfolgen. Dieser wird auch seitens des Gerichts zwar nicht ausgeschlossen, doch ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass in der Wohnung des Antragstellers neben den Pflanzen selbst in unterschiedlichem Verarbeitungsstadium und einer Vielzahl von Ausrüstungsgegenständen auch Arbeitshandschuhe, die dem Antragsteller zugeordnet wurden, sichergestellt worden sind. Trägt der Antragsteller bei der Pflege der Marihuana-Anpflanzungen allerdings Arbeitshandschuhe, ist wiederum der Eintrag von THC über die Haut in die Haare als eher gering anzusehen. Einen Eintrag direkt in die Haare des Antragstellers sieht die Kammer angesichts der ermittelten Umstände jedenfalls nicht.

Zusammenfassend geht das Gericht, wie dargelegt, also anhand der festgestellten Konzentrationen, der Umstände im Einzelfall und der Auswertung der Ermittlungsergebnisse in der Anklageschrift davon aus, dass beim Antragsteller von regelmäßigem Cannabiskonsum auszugehen ist.

Damit erweist sich der streitgegenständliche Entziehungsbescheid vom 9. November 2022 als rechtmäßig.



Die abschließende Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig wieder am Straßenverkehr teilnehmen zu können und den öffentlichen Interessen, möglicherweise ungeeignete Verkehrsteilnehmer vom Führen eines Kraftfahrzeugs auszuschließen, führt zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses. Dabei geht das Gericht, wie dargelegt, von einem regelmäßigen Cannabiskonsum des Antragstellers aus. Allerdings kann darüber hinaus festgestellt werden, dass auch unabhängig vom festgestellten regelmäßigen Cannabiskonsum die Interessensabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfallen muss, da die festgestellte hohe THC-Konzentration in den Haaren des Antragstellers, die sich, wie gutachterlich festgestellt wurde, über einen Gesamtzeitraum von mindestens vier Monaten in den Haaren des Antragstellers abgelagert hatte, sich zuvor im Blut des Antragstellers befunden haben muss, so dass zur Wahrung der Verkehrssicherheit das Interesse des Antragstellers auch dann hinter das öffentliche Interesse zurücktreten muss, wenn sich die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache als offen darstellen würden.

Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist daher abzulehnen.

Dies hat zur Folge, dass auch die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 9. November 2022 ergebende Verpflichtung des Antragstellers, seinen Führerschein abzugeben, gemäß § 3 Abs. 2 StVG rechtmäßig ist.

Der Antrag ist daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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