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OLG Hamm Urteil vom 09.12.2008 - 9 U 20/08) - Zur Haftung des Arbeitgebers für Unfälle bei Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten-Vorschriften
OLG Hamm v. 09.12.2008: Zur Haftung des Arbeitgebers für Unfälle bei Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten-Vorschriften
Das OLG Hamm (Urteil vom 09.12.2008 - 9 U 20/08) hat entschieden:
Kommt es in Folge der Nichteinhaltung der zulässigen Lenk- und vorgeschriebenen Ruhezeiten gem. Art. 11, 8 AETR bzw. § 6 FPersV zu einem Unfallschaden, haftet der Geschäftsherr des Unfallfahrers aus § 831 BGB. Ob daneben aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Organisationsverschuldens gehaftet wird, bleibt offen.
Zu den hohen Anforderungen an die Entlastung des Geschäftsherrn für gesetzlich vermutetes Auswahl- und Überwachungsverschulden.
Siehe auch Diagrammscheiben / Fahrtenschreiber-Auswertung / EG-Kontrollgerät und Fahrpersonal im Straßenverkehr - Lenkzeiten - Ruhezeiten - EG-Kontrollgerät
Zum Sachverhalt: Die Klägerin verlangt Schadensersatz für die Beschädigung ihrer Sattelzugmaschine durch einen Unfall, der von dem ehemaligen Beklagten zu 2) und jetzigem Streithelfer der Klägerin (im Folgenden: Beklagter zu 2), verursacht wurde, als er am 7.12.2004 die Bundesautobahn # in Fahrtrichtung V. gegen 4:00 Uhr befuhr.
Der Beklagte zu 2) wurde am 01.11.2004 bei der Beklagten zu 1) als LKW-Fahrer eingestellt. Die Sattelzugmaschine wurde der Beklagten zu 1) von der Firma U. überlassen. Diese hatte sie von der Firma G. GmbH durch Vertrag vom 1.4.2003 angemietet. Die Firma G. ihrerseits hatte sie von der Klägerin angemietet.
Der Beklagte zu 2) absolvierte vor dem Unfall folgende Fahrten mit dem LKW der Beklagten zu 1):
Am 5.12.2004 brach er gegen 23:00 Uhr in I3 mit Fahrtziel Y. in N. auf, um dort Frischfleisch auszuliefern. Die Fahrt dorthin dauerte bis ca. 5:30 Uhr. Nach weiteren Anlieferungen in O. und I2 bei der Firma S2 und der Firma E2 fuhr er zur Firma D. in I2, um neue Ware aufzunehmen und nach M. bzw. weiter nach F. in C3 auszuliefern. Während der Fremdbeladung bei der Firma D. konnte er etwa 2 Stunden schlafen. Auf einer Raststätte bei I. hielt er gegen 23:15 Uhr an, um zu schlafen, bis er um 0:15 Uhr die Fahrt fortsetzte. Gegen 4:00 Uhr verunglückte er ohne Fremdeinwirkung, indem er bei B. nach rechts von der Fahrbahn der Autobahn abkam und letztlich mit dem LKW umstürzte.
Die Klägerin hat behauptet, es sei der folgende Sachschaden (sämtliche Beträge ohne MWSt.) eingetreten: Gemäß dem Schadensgutachten L1 hätten die Wiederbeschaffungskosten 59 000,00 Euro betragen; abzüglich des Restwerts von 28.758,62 Euro verbleibe ein Schaden von 30.241,38 Euro. Die Gutachterkosten hätten sich laut Rechnung vom 18.1.2005 auf 2.237,40 Euro belaufen. Ferner seien Bergungskosten ausweislich der Rechnung der Firma U2 vom 3.1.2005 bzw. der Gutschrift vom 4.1.2005 in Höhe von 2.616,36 Euro entstanden. Schließlich habe sie einen Mietausfallschaden bis zur Anlieferung eines Ersatzfahrzeuges nach 25 Tagen erlitten. Die beschädigte Sattelzugmaschine werde für einen täglichen Mietzins von 156,00 Euro netto vermietet. Davon mache sie lediglich 68,43 Euro pro Tag, also insgesamt 1.710,75 Euro geltend. Hinzu komme eine Schadenspauschale von 30,00 Euro. Das ergebe einen Gesamtschaden von 36.835,89 Euro. Darauf sei vorgerichtlich – unstreitig – ein Teilbetrag von 1.600,– Euro gezahlt worden.
Der Unfall sei auf die Übermüdung und grob fahrlässige Missachtung der vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten zurückzuführen gewesen. Die langen Lenkzeiten seien von der Beklagten zu 1) angeordnet worden, die auch die einzelnen Fahrten veranlasste habe. Die Beklagte zu 1) habe die Lenkzeiten der Fahrer nicht ordnungsgemäß überwacht, sondern es generell gebilligt, dass die Fahrer die vorgeschriebenen Lenkzeiten überschritten.
Mit der Klage hat sie die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 35.235,89 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Die Beklagte zu 1) hat Klageabweisung beantragt und behauptet, sie hätte den Beklagte zu 2) als zuverlässigen Fernfahrer eingestellt. Die Fahrerlaubnis sei gültig gewesen, das sei im Bewerbungsgespräch überprüft worden. Die Fahrer hätten auch immer die Diagrammscheiben zur Überprüfung vorgelegt. Bei dem Beklagten zu 2) habe es keine Beanstandungen gegeben. Der Streithelfer T. sei als Disponent dafür zuständig gewesen, Leerfahrten der LKW auf dem Rückweg zu vermeiden und auch damit beauftragt gewesen, auf Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer zu achten. Es habe keine Anweisungen gegeben, die Lenkzeiten zu überschreiten, um Ladung pünktlich abzuliefern. Der Beklagte zu 2) habe zwischen der Entladung in O. gegen 8:45 Uhr und einer Beladung bei der Firma D. genügend Zeit gehabt, die Ruhezeiten einzuhalten. Der Beklagte zu 2) hätte sich jederzeit über Handy melden können, wenn es Probleme und Zeitverzögerungen gegeben hätte. Entsprechende Anweisungen habe es gegeben. Die Fahrer seien auch deutlich auf die Einhaltung der Vorschriften hingewiesen worden. Das geschehe schon bei den Einstellungsgesprächen.
Mit Schriftsatz vom 30.10.2007 hat die Beklagte zu 1) weiter behauptet, der Beklagte zu 2) hätte sich eigenmächtig über ihre Anordnungen hinweggesetzt. Es hätte keine Vorgabe gegeben, dass er zu einer bestimmten Zeit am Zielort habe ankommen müssen. Selbst bei 100 %-ig wirksamer Organisationskontrolle wäre es zu einer Überschreitung der Lenkzeit gekommen. Anfang des Jahres 2004 habe die Beklagte zu 1) begonnen, Umstrukturierungsmaßnahmen einzuführen, weil es Anfangsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Neugründung des Unternehmens gegeben habe. Das sei noch vor Einleitung der Betriebsprüfung durch das Staatliche Amt für Umweltschutz in S. gewesen. Im April 2004 sei der Betrieb der Beklagten zu 1) erheblich erweitert worden. Im Zuge dieser Maßnahmen sei ein neuer Disponent eingestellt worden, nämlich der sorgfältig ausgesuchte Streithelfer T. Es seien auch neue Fahrer eingestellt worden. Zur Überwachung seien technische Maßnahmen ergriffen worden, so sei im November 2004 ein Ortungssystem „Fleetboard“ und ein Handyortungssystem eingeführt worden, mit dem jederzeit der Aufenthaltsort der LKW habe festgestellt werden können. Zusätzliche Maßnahmen seien ergriffen worden, weil die Fahrer vorher ihre Handys ständig ausgeschaltet ließen und durch bewusstes Belügen der Verantwortlichen der Beklagten zu 1) Lenk- und Ruhezeiten bewusst „kaputt“ gemacht hätten. Die Fahrer seien auch geschult worden im Hinblick auf Lenk- und Ruhezeiten.
Der Schaden werde der Höhe nach bestritten. Belege über die Sachverständigen- und Bergungskosten seien der Klageschrift nicht beigefügt gewesen.
Der Beklagte zu 2) hat behauptet, er sei systematisch und konsequent dazu angehalten worden, Ruhezeiten zu ignorieren, wenn es für das rechtzeitige Anliefern von Ware erforderlich gewesen sei. Ferner habe er die Anweisung erhalten, bis 6:00 Uhr die Lieferung nach M. zu bringen und anschließend weiter nach F. zu fahren. Er habe bei seiner Einstellung durch den Streithelfer zu 1) mitgeteilt, dass er bisher lediglich LKW im Baustellenverkehr und nur einen Monat einmal im Fernverkehr gefahren habe. Hinweise zu Lenk- und Ruhezeiten habe es nicht gegeben. An den Unfall selbst habe er keine Erinnerung mehr. Die Schadenshöhe sei hinsichtlich der Reparaturkosten zweifelhaft; der Mietausfall sei nach seiner Auffassung nicht berechtigt, da die Klägerin weiterhin Miete von ihrem Vertragspartner habe verlangen können.
Der Streithelfer T. hat bestritten, dass er für die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten zuständig gewesen sei. Von der Verzögerung der Entladung bei der Firma S2 habe er keine Kenntnis gehabt. Deshalb sei er davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2) ohne Lenkzeitüberschreitung die Fuhre nach M. habe übernehmen können.
Das Landgericht hat der Klage nach Zeugenvernehmung, Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) sowie des Streithelfers T. und Einholung eines Sachverständigengutachtens der Sachverständigen ... in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte zu 2) hafte gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2, 3, 6, 11 AETR bzw. VO (EWG) 3820/85. Aufgrund des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens stehe fest, dass der Unfall auf einen Sekundenschlaf zurückzuführen sei.
Die Beklagte zu 1) hafte gem. §§ 823, 831 BGB, Art 8, 11 AETR. Sie habe sich nicht mit Erfolg hinsichtlich der Überwachung der Lenkzeit des Beklagten zu 2) und der Tätigkeit des Streithelfers T. entlastet. Unstreitig habe es ab Oktober 2004 ein Ordnungswidrigkeitenverfahren zur Überprüfung der Lenkzeit gegeben, das die Monate August und September 2004 betroffen habe. Der Zeuge O2 habe ein Bußgeld von 12 000,– Euro akzeptiert, sei aber von der Beklagten zu 1) nur vorgeschoben worden und in Wahrheit nicht für die Kontrolle zuständig gewesen. Durch die Anordnung ihres Mitarbeiters T. habe sie den festgestellten Lenkzeitverstoß zumindest billigend in Kauf genommen. Die Gesamtstrecke von ca. 1 240 km, die vom Beklagten zu 2) vom 5.12.2004, 23:00 Uhr, bis zum 7.12.2004, 6:00 Uhr, zurückzulegen gewesen wäre, hätte nur unter Verstoß gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten absolviert werden können.
Jedenfalls könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zu 1) bereits im Dezember 2004 ausreichend die Einhaltung der Lenkzeiten überwacht habe. Soweit die Beklagte zu 1) im Schriftsatz vom 30.10.2007 behauptet habe, die Mitarbeiter seien geschult worden, seien die benannten Zeugen bereits vor diesem Schriftsatz zu diesen Fragen vernommen worden, ohne dass sie dies hätten bestätigen können.
Gegen dieses Urteil wendete sich die Beklagte zu 1) mit ihrer Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt. Das Landgericht habe § 831 BGB falsch angewendet. Der Beklagte zu 2) habe eigenmächtig gegen die Einhaltung der Lenkzeiten verstoßen, ohne dass ihm irgendwelche entgegenstehenden Zeitvorgaben durch die Beklagte zu 1) gemacht worden seien. Aus dem mit der Berufungsbegründung vorgelegten Lieferschein der Firma D. ergebe sich, dass für die Anlieferung am Zielort ein Zeitfenster von 7:00 Uhr bis 13:00 Uhr eröffnet gewesen sei. Deshalb habe genügend Zeit bestanden, die Ruhezeit einzuhalten. Selbst bei einem unterstellten Organisationsverschulden habe die Klägerin nicht den Beweis führen können, dass der Beklagte zu 2) auf Anweisung der Beklagten zu 1) weitergefahren sei. Das Landgericht habe allein auf ein Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 1) abgestellt und Entlastungsbeweise der Beklagten zu 1) unberücksichtigt gelassen. Zu den Strukturen und internen Abläufen bei der Beklagten zu 1) seien die Zeugen nicht vernommen worden. Das Gericht habe sich auch nicht mit dem Schriftsatz vom 30.10.2007 auseinandergesetzt und habe fehlerhaft die angebotenen Beweise nicht erhoben. Der Beklagte zu 2) habe bei der Einstellung angegeben, seit April 2003 im Fernverkehr als Kraftfahrer beschäftigt gewesen zu sein. Darüber hinaus sei die Höhe des Schadens bestritten worden. Schon deshalb sei der Rechtsstreit nicht zu Entscheidung reif.
Die Beklagte zu 1) hat in der Berufungsinstanz - ebenso wie der Streithelfer der Beklagten - beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz - ebenso wie der Streithelfer der Klägerin - beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigte das angefochtene Urteil. Die Beklagte zu 1) habe den Entlastungsbeweis gemäß § 831 BGB nicht geführt. Es sei nicht konkret dargelegt worden, welche Überwachung und Überprüfung hinsichtlich ihres Fahrers erfolgt sei. Auf den Inhalt des Lieferscheins der Firma D. komme es nicht an, da der Beklagte zu 2) davon keine Kenntnis gehabt habe. Er sei aufgefordert worden, bis 6:00 Uhr am Zielort zu sein. Es liege darüber hinaus bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zu 1) ein Organisationsverschulden vor.
Die Berufung hatte lediglich hinsichtlich der Höhe - vorläufigen - Erfolg; dem Grunde nach blieb es bei dem angefochtenen Urteil.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Berufung, die ausschließlich von der Beklagten zu 1) eingelegt worden ist, ist zurückzuweisen, soweit das Landgericht dem Grunde nach eine Haftung der Beklagten zu 1) für gerechtfertigt gehalten hat. Hinsichtlich der Höhe der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 1) ist das Urteil auf die im Senatstermin erklärte Anregung der Beklagten zu 1) aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
1. Das Landgericht hat eine Haftung dem Grunde nach zu Recht angenommen. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Haftung sich aus einem möglichen Organisationsverschulden der Beklagten zu 1) bezüglich der Leitung und Überwachung des Beklagten zu 2) bei der Durchführung der Fahrt oder des Streithelfers T, der jedenfalls für die Einteilung der Rückfahrten zuständig war, ergibt. Denn jedenfalls folgt die Haftung dem Grunde nach aus der Vorschrift des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB. Beide Haftungstatbestände bestehen nebeneinander und sind schon deshalb streng voneinander zu trennen, weil die Haftung für ein Organisationsverschulden Teil der der Beklagten zu 1) obliegenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 i.V.m. den Vorschriften über die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten gemäß Art. 11, 8 AETR bzw. § 6 FPersV ist. Für eine Haftung nach diesen Vorschriften musste die Klägerin der Beklagten zu 1) eine schuldhafte Pflichtverletzung nachweisen. Ob das Landgericht die Verurteilung zutreffend auch auf diesen Haftungstatbestand hat stützen können, bedarf keiner weiteren Prüfung, denn die Beklagte zu 1) hat den ihr im Rahmen des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt.
a. Die Haftung aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB auf Grund vermuteter Schutzpflichtverletzung (Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 831 Rn. 7) setzt – vorbehaltlich des Entlastungsbeweises des Satzes 2 – voraus, dass der Klägerin durch einen Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 1) ein Schaden zugefügt wird und dabei der objektive Tatbestand des § 823 BGB verwirklicht wird. Dass der Beklagte zu 2) als Verrichtungsgehilfe in Ausübung der ihm durch die Beklagte zu 1) übertragenen Aufgabe zum Führen des LKW tätig geworden ist, wird von der Berufung zu Recht nicht in Zweifel gezogen.
b. Der Klägerin ist auch durch die unfallbedingte Beschädigung in objektiv rechtswidriger Weise ein Schaden an dem in ihrem Eigentum stehenden LKW zugefügt worden. Damit ist der objektive Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB durch den Verrichtungsgehilfen verwirklicht worden. Das hat das Landgericht auch zutreffend auf die inzwischen rechtskräftige Klage gegen den nunmehr noch als Streithelfer der Klägerin am Rechtsstreit beteiligten Beklagten zu 2) angenommen. Die Beklagte zu 1) hat es nicht vermocht darzulegen und zu beweisen, dass der Beklagte zu 2) sich objektiv in jeder Hinsicht fehlerfrei verhalten hat, als es zu dem Unfall kam. Dazu wäre sie aber verpflichtet gewesen, weil sich der Geschäftsherr auch insoweit von einer Haftung nach § 831 BGB entlasten muss ( BGH NJW 1996, 3205, 3206). Aus den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts ergibt sich vielmehr das genaue Gegenteil. Durch das vom Landgericht eingeholte Gutachten der Sachverständigen T1 ist bewiesen, dass der Beklagte zu 2) auf Grund der langen Fahrdauer übermüdet war und entsprechende Warnzeichen hätte erkennen müssen. Der Streitverkündete hatte auch ohne Zweifel die zulässigen Lenkzeiten längst überschritten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er mehrere kürzere Pausen zum Schlafen nutzen konnte. Nach Art. 8 AETR ist erforderlich, dass der Fahrer innerhalb von 24 Stunden mindestens 8 zusammenhängende Stunden Ruhezeiten genommen haben muss. Das war ersichtlich nicht der Fall.
c. Die Beklagte zu 1) konnte sich hinsichtlich der erforderlichen sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Beklagten zu 2) nicht entlasten. Die Beklagte zu 1) musste insoweit darlegen und beweisen, dass sie diesen Anforderungen hinsichtlich des Beklagten zu 2) genüge getan hat. Es reichte nicht aus darzulegen, wie üblicherweise verfahren worden ist bzw. nach der Umstrukturierung des Betriebes im Jahre 2004 verfahren werden sollte. Wegen der erheblichen vom Schwerlastverkehr ausgehenden Gefahren hat die Rechtsprechung strenge Anforderungen an Auswahl und Überwachung von Fernfahrern gestellt (vgl. BGH NJW 1997, 2756; VersR 1984, 67; OLG Köln, VersR 2005, 851; OLG Hamm, MDR 1998, 1222). Danach hat der Geschäftsherr die Qualifikationen und Erfahrungen der angestellten Kraftfahrer vor deren Einstellung genauestens zu überprüfen. Die Beklagte zu 1) hat nicht konkret dargelegt und bewiesen, inwieweit sie diese Eigenschaften bei dem Beklagten zu 2) überprüft hat. In erster Instanz hat sie nur allgemein ausgeführt, dass im Regelfall Auswahlgespräche geführt werden, an denen oftmals ihre Disponenten, die Zeugen B2 und Q, beteiligt waren. Welche konkreten Qualifikationen und Eigenschaften bei dem Beklagten zu 2) durch wen abgefragt und überprüft worden sind, hat die Beklagte zu 1) nicht konkret vorgetragen. Sie hat nicht darlegen können, wer mit dem Beklagten zu 2) das Einstellungsgespräch geführt haben soll und welche Zeugnisse bzw. sonstigen Unterlagen er vorgelegt hat. Erst mit Schriftsatz vom 2.12.2008 hat die Beklagte zu 1) einen Personalbogen vorgelegt, der von dem Beklagten zu 2) im September 2004 ausgefüllt worden sein soll. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte zu 2) lediglich ab April 2003 Erfahrungen als Kraftfahrer im Fernverkehr angegeben hat, während er vorher als Richtmeister und Bauleiter tätig war. Dass sich die Beklagte zu 1) irgendwelche Zeugnisse hat vorlegen lassen, wird nicht konkret behauptet, schon gar nicht, welchen Inhalts sie gewesen sein sollen. Soweit sich die Beklagte zu 1) nunmehr auch auf ein von ihr angefordertes Schreiben der früheren Arbeitgeberin vom 1.12.2008 bezieht, ergibt sich daraus eindeutig, dass der Beklagte zu 2) nur von Juni 2004 bis Oktober 2004 als Kraftfahrer eingesetzt war. Diese Informationen wäre der Beklagten zu 1) nicht entgangen, wenn sie sich beizeiten ein Arbeitszeugnis der Firma C. hätte vorlegen lassen oder dort nachgefragt hätte. Bereits auf Grund dieser auch für die Beklagte zu 1) erkennbar kurzen Tätigkeit als Kraftfahrer war eine besondere Eignungs- und Fähigkeitsüberprüfung des Beklagten zu 2) erforderlich.
Wenig konkret ist auch die Darlegung der Beklagten zu 1), ob sie bei dem Beklagten zu 2) die erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse hinsichtlich der einzuhaltenden Lenk- und Ruhezeiten abgefragt und überprüft hat. Sie behauptet insoweit nur, es sei bei der Einstellung jeweils darauf hingewiesen worden, dass die Fahrer die entsprechenden Vorschriften einzuhalten hätten. Dass insbesondere der Beklagte zu 2) dahingehend überprüft wurde, dass er aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse dazu in der Lage war und das erforderliche Verantwortungsbewusstsein mitbrachte, ist nicht vorgetragen worden. Es reicht dazu insbesondere nicht aus, auf eine Klausel über die Verpflichtung zur Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten hinzuweisen, denn daraus ergibt sich nicht ansatzweise, dass die Beklagte zu 1) davon ausgehen konnte, dass der Beklagte zu 2) diese Verpflichtung einhalten werde.
Auch der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), der im Senatstermin erneut ausführlich zu der Auswahl des Beklagten zu 2) befragt worden ist, konnte keinerlei konkrete Angaben dazu machen, inwiefern eine sorgfältige Auswahl erfolgt ist. Er hat lediglich angegeben, dass die Einstellung wohl von dem Streithelfer T. abgewickelt worden sei. Dabei ist allerdings im Hinblick auf eine Entlastung der Beklagten zu 1) zu berücksichtigen, dass auch T. erst wenige Monate zuvor mit Wirkung zum August 2004 eingestellt worden ist und seinerseits nach seinen eigenen Angaben vor dem Landgericht keinerlei Zeugnisse, die seine Qualifikation für die Führung derartiger Einstellungsgespräche belegen könnten, vorgelegt hat. Bei seiner Einstellung sei vor allen Dingen wichtig gewesen, dass er unterschiedliche Firmenkontakte habe vorweisen können, um Aufträge für die Rückfahrten der LKW der Beklagten zu 1) akquirieren zu können.
d. Nachdem schon keine sorgfältige Auswahl des Beklagte zu 2) von der Beklagten zu 1) dargelegt und bewiesen worden ist, hat die Beklagte zu 1) ebenfalls den Entlastungsbeweis hinsichtlich der erforderlichen Kontrolle des Verrichtungsgehilfens nicht geführt. Auch hier sind hohe Anforderungen an den Entlastungsbeweis zu stellen. Das gilt insbesondere in den ersten Monaten der Beschäftigung eines neuen Kraftfahrers. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 2) auf den ersten Fahrten durch einen erfahrenen Mitarbeiter begleitet worden ist. Die Beklagte zu 1) hat zwar behauptet, dass „Pärchen“ gebildet worden seien. Das betraf aber nicht eine Überwachung des Beklagten zu 2) nach der Einstellung, sondern sei – teilweise – nur dann praktiziert worden, wenn Fahrten wegen der Lenkzeiten nicht durch einen Fahrer allein bewältigt werden konnten. Auch der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) hat in seiner persönlichen Anhörung keine konkreten Maßnahmen zur Überwachung des Beklagten zu 2) dargelegt.
Soweit die Beklagte zu 1) einen Verfahrensfehler des Landgerichts daraus abzuleiten versucht, dass ihr Schriftsatz vom 30.10.2007 nicht bei der Entscheidung in ausreichender Weise berücksichtigt worden sei, ist dieser Einwand schon deshalb unbegründet, weil sich aus diesem Schriftsatz nicht auch nur ansatzweise eine ausreichende Kontrolle des Beklagte zu 2) ergibt. Im Gegenteil räumt die Beklagte zu 1) in dem Schriftsatz ein, dass sie seit Anfang 2004 erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen gerade im Bereich der Kontrolle und Überwachung der Fahrer umzusetzen begann, weil sie insoweit selbst Handlungsbedarf erkannt habe. Insbesondere die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten sollte intensiviert werden. Das Landgericht hat sich entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) mit dem Stand dieser Kontrollen während der Beschäftigung des Beklagten zu 2) auseinandergesetzt und die von der Beklagten zu 1) bereits im Schriftsatz vom 3.7.2007 benannten Zeugen dazu vernommen. Dabei hat das Landgericht zutreffend nicht darüber Beweis erhoben, welche Möglichkeiten zur Kontrolle bei der Beklagten zu 1) vorgesehen waren, sondern welche Kontrollen tatsächlich durch wen durchgeführt worden sind.
Keiner der von der Beklagten zu 1) benannten Mitarbeiter hat bestätigen können, dass er für die Lenkzeitkontrolle zuständig war. Der Streithelfer T. hat ausdrücklich angegeben, er habe bis zu dem Unfall Diagrammscheiben der LKW niemals zu Gesicht bekommen. Bei seiner Einstellung habe festgestanden, dass er mit der Überwachung der Lenkzeiten nichts zu tun habe. Erst Mitte bzw. Ende Dezember 2004 sei ihm dann die Verantwortung für die Lenk- und Ruhezeiten übertragen worden. Auch der Zeuge O2 hat ausgesagt, dass er nur als „Sündenbock“ den Bußgeldbescheid des Amtes für Arbeitsschutz unterschrieben habe, obwohl auch er für die Überwachung nicht zuständig gewesen sei. Der Zeuge C2 hat lediglich bestätigen können, dass Tachoscheiben bei ihm im Büro abzugeben waren. Dass er oder ein anderer Mitarbeiter die Scheiben kontrolliert hätten, konnte er nicht bestätigen. Er selbst habe mit keinem Fahrer über Lenkzeiten gesprochen.
Der Zeuge Q. hat bekundet, dass T. ausdrücklich für die Überwachung der Lenkzeiten eingestellt worden sei. Dass er selbst oder ein anderer den Streithelfer T. bei seiner Tätigkeit überwacht hätte, hat er nicht bekundet. Er könne auch nicht bestätigen, ob der Beklagte zu 2) auf die Einhaltung der Lenkzeiten hingewiesen worden sei. Die Aussage der Zeugin Q. war ebenso wenig ergiebig.
Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) hat auch bei seiner Anhörung durch den Senat nicht konkret beschreiben können, durch wen eine Lenkzeitüberwachung bei dem Beklagten zu 2) durchgeführt worden sein könnte. Er hat eingeräumt, dass ein im Schriftsatz vom 30.10.2007 als zentral dargestelltes Überwachungsinstrument, nämlich das Ortungssystem „Fleetboard“ letztlich nicht zum Einsatz gelangt sei. Die Beklagte zu 1) hat selbst immer wieder darauf hingewiesen, dass in erster Linie die Fahrer einschließlich des Beklagten zu 2) in die Lage versetzt werden sollten, sich bei Problemen selbstständig zu melden. Dazu sei ihnen ein Mobiltelefon ausgehändigt worden, über das die Disposition tags und nachts erreichbar gewesen sei. Die Beklagte zu 1) räumt aber gleichzeitig ein, dass sie erkannt hat, dass eine derartige „Selbstkontrolle“ nicht greife, sondern von den Fahrern bewusst umgangen worden sei. Im Schriftsatz vom 30.10.2007 wird ausführlich dargelegt, dass die Fahrer durch Belügen der Verantwortlichen Lenk- und Ruhezeiten bewusst „kaputt“ gemacht hätten, was zur Installation des Ortungssystems im November 2004 geführt habe.
In Kenntnis dieser Umstände durfte sich die Beklagte zu 1) nicht darauf verlassen, dass der im November 2004 neu eingestellte Beklagte zu 2) ihren Anweisungen Folge leisten und sich bei Problemen von sich aus melden würde. Sie hätte vielmehr die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen müssen und jedenfalls in regelmäßigen zeitlichen Abständen aktiv werden und über das vorhandene Mobiltelefon Aufenthaltsort bzw. Verlauf der Fahrt bei den Fahrern erfragen müssen. Gerade in den ersten Monaten der Beschäftigung wären engmaschige Kontrollen angezeigt gewesen. Dazu hätte jedenfalls in den ersten Monaten auch gehört, dass regelmäßig bei den Empfängern der Fracht nachgefragt und die Angaben des Fahrers überprüft werden. Diese Möglichkeiten hat die Beklagte zu 1) nicht genutzt. Die Beklagte zu 1) beruft sich selbst darauf, dass der Streithelfer T. von ganz erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Auslieferung an die Firma S2 in O. nichts gewusst habe. Angeblich soll der Beklagte zu 2) in Absprache mit dem Empfänger selbst die Ablieferung bei der Firma E2 in I2 abgestimmt und durchgeführt haben, ohne dass dies bei der Beklagten zu 1) irgendjemand aufgefallen sei. Dass tagsüber am 6.12.2004 irgendeine Kontrolle des Aufenthalts des Fahrers erfolgt sei, wird von der Beklagten zu 1) nicht behauptet. Es wird nicht einmal behauptet, dass vor Vergabe des Rücktransports von I2 nach M. über „freie“ Lenkzeiten auch nur gesprochen worden sei.
e. Die Beklagte zu 1) kann auch nicht mit ihrer Behauptung durchdringen, dass selbst eine einhundertprozentige Kontrolle den Unfall nicht verhindert hätte, weil der Beklagte zu 2) sich in jedem Fall über die Lenkzeitbeschränkungen hinweggesetzt hätte. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB gestattet dem Geschäftsherrn zwar den Beweis der fehlenden Kausalität der eigenen Sorgfaltspflichtverletzung. Die Beklagte zu 1) möchte diese Entlastung aus der nicht bewiesenen Behauptung ableiten, der Beklagte zu 2) hätte keinen Zeitdruck zur Ablieferung der Ware in M., sondern insoweit ein bequem einzuhaltendes Zeitfenster zwischen 7:00 Uhr und 13:00 Uhr gehabt. Dabei wird aber bereits nicht berücksichtigt, dass der Fahrer schon bei Antritt der Fahrt nach M. die zulässigen Lenkzeiten längst überschritten hätte. Dass dies bei einer ausreichend sorgfältigen Kontrolle nicht aufgefallen wäre, ist von der Beklagten zu 1) nicht dargelegt und bewiesen worden.
2. Die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils, soweit es die Haftung der Beklagten zu 1) der Höhe nach betrifft, beruht auf § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dem Landgericht ist ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen, weil es die volle Schadensersatzforderung zugesprochen hat, obwohl die Beklagte zu 1) sowie ihr Streithelfer die Forderung auch der Höhe nach bestritten hatten. Dazu findet sich im angefochtenen Urteil lediglich der Hinweis, dass die Klageforderung durch das Gutachten L1 bewiesen worden sei. Das Schadensgutachten des Privatgutachters L1 verhielt sich aber nur zu dem eigentlichen Sachschaden an dem LKW, während die Klägerin mit den Sachverständigenkosten, Mietausfallschäden und Bergungskosten weitere Schadenspositionen geltend gemacht hat, die ebenfalls der Höhe nach bestritten worden sind. Eine Beweisaufnahme darüber im eigentlichen Sinne hat auch gar nicht stattgefunden. Über die von dem Streithelfer der Beklagten zu 1) geltend gemachten Einwände gegen die Schlüssigkeit des Vortrages zum Mietausfallschaden ist das Landgericht vollständig hinweggegangen.
Damit hat es den Anspruch der Beklagten zu 1) auf rechtliches Gehör verletzt. Denn es besteht grundsätzlich nur die Möglichkeit, dass das Bestreiten als ausreichend substantiiert angesehen wird oder ein rechtlicher Hinweis gem. § 139 ZPO zu erteilen ist, verbunden mit der Gelegenheit den erforderlichen Vortrag nachzuholen. Das ist nicht geschehen. Es kommt hinzu, dass die Beklagte zu 1) darauf hingewiesen hatte, dass ihr die Anlagen 3 bis 5 der Klageschrift, also die Belege über die Sachverständigen- und die Bergungskosten nicht mit der Klageschrift übersandt worden sind. Es ist nachvollziehbar, dass sie erst nach Übersendung dieser Anlagen in der Lage ist, konkret die geltend gemachten Forderungspositionen zu bestreiten.
Eine eigene Entscheidung des Senats ist nicht sachgerecht. Da mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass eine Schadensersatzforderung in irgendeiner Höhe bestehen wird, stand einer Aufrechterhaltung des Urteils dem Grunde nach nichts im Wege. Der Rechtsstreit ist zu den soeben erörterten Fragen des Haftungsumfangs nicht ausgeschrieben. Es ist davon auszugehen, dass eine durchaus umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich wird, wenn Feststellungen zu der Höhe der Klageforderung getroffen werden müssen. Denn es wäre auch der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag etwa im Hinblick auf erforderliche Darlegungen zum Verdienstausfallschaden zu ergänzen und ggf. Beweis anzutreten. Das kann dazu führen, dass umfangreiche Sachverständigengutachten einzuholen sind. Es wäre nicht sachdienlich, dass die Ausführungen der Parteien zur Höhe der Forderung erstmals im Berufungsverfahren erfolgen, weil dadurch der Rechtsstreit nicht schneller erledigt würde und die Parteien eine Tatsacheninstanz verlieren. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1) hat im Senatstermin die Aufhebung und Zurückverweisung angeregt. ..."