Ausnahmsweise kann auch bei einem sehr alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von über 180.000 km noch ein Anspruch auf Ersatz eines merkantilen Minderwerts gegeben sein.
Gründe:
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 analog ZPO abgesehen.
Die Berufung hat zum Teil Erfolg. Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte, die dem Grunde nach unstreitig für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 18.02.2008 haftet, einen Anspruch auf Erstattung der merkantilen Minderwerts aus § 251 Abs. 1 BGB in tenorierter Höhe.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme über die schlüssige Behauptung des Klägers von einem merkantilen Minderwert von 770,00 € schätzt das Gericht den weiteren Schaden des Klägers gemäß § 287 ZPO auf 450,00 €.
Es liegt kein wirtschaftlicher Totalschaden vor, bei dem ein merkantiler Mindert ausscheiden würde. Insoweit ist das neue Vorbringen der Beklagten mit Schriftsatz vom 13.05.2009, der Wiederbeschaffungswert betrage im Vergleich zu den geschätzten Reparaturkosten von 7 830,38 € brutto nur 5 500,00 € schon nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Der in dem von ihr eingeholten …-Gutachten vom 28.02.2008 geschätzte Wiederbeschaffungswert von 7 950,00 €, an dem sich der Kläger bei seiner Reparatur und die Beklagte bei ihrer Erstattung der Reparaturkosten orientiert hat, war in erster Instanz - und auch zunächst in zweiter Instanz - unstreitig, ehe der Sachverständige … in seinem schriftlichen Gutachten vom 30.04.2009 ohne einen entsprechenden Auftrag Zweifel an dessen Höhe geäußert hat.
Gemäß dem Ergebnis dieses Gutachtens des von der Industrie- und Handelskammer zu Berlin öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Kraftfahrzeugschäden und - bewertung ist an dem Klägerfahrzeug durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 18.02.2008 ein merkantiler Minderwert von 450,00 € eingetreten.
Das Gericht hat keine Bedenken, dass nach den Umständen dieses Einzelfalls als Ausnahme von der Regel (vgl. KG NZV 2005, 46) bei dem erstmals am 01.10.1996 auf nur einen Vorbesitzer zugelassenen, zum Unfallzeitpunkt elf Jahre und drei Monate alten, unfallfreien, nicht vorbeschädigten, scheckheftgepflegten Fahrzeug in einem überdurchschnittlichen Pflegezustand mit einer Laufleistung von 183 502 km, erheblichen Reparaturkosten von geschätzten und erstatteten 7 830,38 € und einem geschätzten Wiederbeschaffungswert von 7 950,00 € brutto ein Minderwert zu bejahen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., BGB, § 251 Rn. 14; Hentschel/König/ Dauer, 40. Aufl., Straßenverkehrsrecht, StVG § 12 Rn. 26).
Hier liegt der Fall, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat, anders als der, über den der Bundesgerichtshof ( NJW 2005, 277) zu befinden hatte. Dort war das Fahrzeug bereits 16 Jahre alt und der Wiederbeschaffungswert betrug nur 2.100,00 €. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof bisher nicht abschließend entschieden, bis zu welchem Alter eines Fahrzeugs bzw. bis zu welcher Laufleistung ein merkantiler Minderwert zuerkannt werden kann, vielmehr bestätigt, dass nach sachverständiger Beratung auch die Zubilligung eines merkantilen Minderwerts bei einem Fahrzeug mit einer Fahrleistung von über 100.000 km nicht zu beanstanden ist (vgl. BGH a.a.O., 279). Der Annahme eines merkantilen Minderwerts steht nicht entgegen, dass der Sachverständige technische Folgeschäden aus dem eingetretenen Schadensereignis ausgeschlossen hat. Maßgebend ist insoweit nicht die technische Sicht eines Sachverständigen. Denn es handelt sich bei dem merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, der trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht (vgl. BGH a.a.O.).
Zur Bestimmung des Publikums reichte eine aktuelle Befragung von insgesamt sieben ortsansässigen Automobilhändlern, davon vier markengebundenen und drei freien, aus, auch wenn nach dem …-Gutachten vom 28.02.2008 vergleichbare Fahrzeuge überwiegend am Privatmarkt angeboten werden. Die Automobilhändler repräsentieren jedenfalls auch einen großen Teil des Publikums. Selbst wenn von den sechs Angaben der sieben Händler jeweils der höchste Wert von 795,00 € und der niedrigste Wert von 0 nicht berücksichtigt würden, verbliebe ein durchschnittlicher Wert von (397,50 € + 783,00 € + 500,00 € + 596,25 € = 2 276,75 €: 4 =) 569,19 €, der über dem vom Sachverständigen festgestellten läge.
Für die Einschätzung der kaufmännischen Betrachtung musste der Sachverständige nicht das Fahrzeugzug im beschädigten Zustand untersuchen oder die Schadensfotos laut S. 4 des …-Gutachtens sehen. Maßgebend für den merkantilen Minderwert ist der Zeitpunkt der Ingebrauchnahme nach der Reparatur (vgl. Hentschel/König a.a.O. Rn. 26). Es sind auch keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass der merkantile Minderwert bei einer Umfrage zu diesem Zeitpunkt nach der Reparatur des Fahrzeugs am 28.03.2008 geringer gewesen wäre als im April 2009.
Hinsichtlich des behaupteten merkantilen Minderwerts von insgesamt 770,00 €, mithin von weiteren 320,00 €, ist der Kläger beweisfällig geblieben, weil der Sachverständige nur einen von 450,00 € bestätigt hat.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB, beginnend einen Tag nach dem Zugang des Schreibens der Beklagten vom 09.05.2008 am 14.05.2008, in dem sie einen Anspruch auf Wertminderung verneint hat.
Weitere Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nur in Höhe von 2,28 € beanspruchen, weil die begründete Forderung nunmehr bei 8.295,18 € + 450,00 € = 8.745,18 €, bei bis zu 9.000,00 € liegt und die Beklagte die insoweit entstandenen Gebühren von (1,3 × 449,00 € = 583,70 € + 20,00 € + 12,00 € = 615,70 € + 19 % Umsatzsteuer =) 732,68 € mit 730,40 € schon weitgehend erstattet hat. Offen ist lediglich die Umsatzsteuer von 2,28 € auf die Kosten der Akteneinsicht in Höhe von 12,00 €. Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe, die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, lagen wegen der Einzelfallentscheidung nicht vor.