Das Verkehrslexikon
OLG Frankfurt am Main Urteil vom 05.04.2011 - 22 U 67/09 -Zur Haftungsverteilung bei Kreuzungszusammenstoß zwischen Linksabbieger und Geradeausfahrer bei Gelb
OLG Frankfurt am Main v. 05.04.2011: Zur Schadensteilung bei Kreuzungszusammenstoß zwischen Linksabbieger und Geradeausfahrer bei spätem Gelb bzw. frühem Rot
Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.04.2011 - 22 U 67/09) hat entschieden:
- Stoßen auf einer Kreuzung ein zunächst wartender Linksabbieger und ein ihm aus der ursprünglichen Fahrtrichtung entgegenkommender Geradeausfahrer zusammen, so ist es angemessen, den Schaden hälftig zu teilen, wenn fest steht, dass der Geradeausfahrer zumindest bei spätem Gelb, wenn nicht sogar bei Rot in den Kreuzungsbereich eingefahren ist.
- Macht der Geschädigte bei einem Totalschaden den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes geltend, ohne etwas über die tatsächliche Verwertung des Fahrzeugrestes zu sagen, liegt eine fiktive Schadensabrechnung vor. Auch bei nachgewiesener Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs steht ihm kein anteiliger Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer zu, weil nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Mischung zwischen konkreter und fiktiver Schadensabrechnung nicht möglich ist.
- Der Senat folgt der vom Amtsgericht Siegburg angestoßenen und bereits zuvor von Poppe (DAR 2005, 669) und Winnefeld (DAR 1996, Seite 75) dargelegten Rechtsauffassung, wonach auch bei dem Ausspruch einer Haftungsquote die Kosten für die Feststellung eines Schadens in vollem Umfang ersatzfähig sind (AG Siegburg, 31. März 2010 – 111 C 10/10 –; vgl. auch Schneider DAR 07, 430).
Siehe auch Linksabbiegen und Haftung/Schadensersatz
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über den Hergang des Verkehrsunfalls vom … 2008, der sich auf der Kreuzung der A-Straße/B-Straße mit der C-Straße in O1 abgespielt hat. Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem hat das Landgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Unfall im Kreuzungsbereich allein vom Kläger verursacht und verschuldet worden sei. Diese habe bei dem Abbiegevorgang nach links die Vorfahrt des Beklagten zu 1) nicht beachtet. Der Kläger könne sich weder auf eine überhöhte Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) noch auf einen Rotlichtverstoß berufen. Der Beklagte zu 1) habe an der Unfallstelle mit 50 km/h fahren können. Es sei außerdem unerheblich, ob der Beklagte zu 1) bei Rot in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Zum einen bestehe die Wartepflicht des Linksabbiegers gegenüber den entgegenkommenden Fahrzeugen grundsätzlich auch dann, wenn diese verbotswidrig noch bei Rot in den Kreuzungsbereich einführen. Zum anderen könne sich der Kläger auf die Ampelregelung schon deshalb nicht berufen, weil er diese zum Unfallzeitpunkt nicht habe einsehen können. Fehle wie hier eine besondere Lichtzeichenanlage für Linksabbieger, so gelte für den bei Grün in die Kreuzung eingefahrenen, dort den Gegenverkehr abwartenden Fahrzeugführer keine Ampelregelung. Dieser könne nämlich nicht die Phase der für den Gegenverkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage erkennen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
Er wiederholt im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag. Er rügt, dass das Landgericht übersehen habe, dass die Vorfahrt des Beklagten zu 1) dann nicht mehr gegolten habe, wenn dieser bei Rot über die Ampel gefahren sei. Deshalb habe das Landgericht diesen Vorgang durch Beweisaufnahme aufklären müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 3. März 2009 zu verurteilen, an ihn 5.373,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2008 zu zahlen, sowie als Nebenforderung vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 545,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9. August 2008 an Rechtsanwalt ... zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und legen dar, dass eine überhöhte Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) nicht vorgelegen habe und sich der Kläger auch nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen könne, andere Verkehrsteilnehmer würden keinen Verkehrsverstoß begehen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1, Z2 und Z3 sowie durch Einholung eines Augenscheins. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 18. Januar und 15. März 2011 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, sie ist auch teilweise begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß den §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 115 VVG einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Unfall entstandenen Schadens in Höhe von 50 %.
Ausweislich der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger, nachdem er bei Grün in die Kreuzung eingefahren war, dort als Linksabbieger in die C-Straße abbiegen wollte, als aus der entgegengesetzten Richtung, der B-Straße, der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug entgegen kam und deshalb beide Fahrzeuge auf der Kreuzungsmitte kollidierten. Ob der Beklagte zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, konnte nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden. Aufgrund der Zeugenaussagen steht für den Senat jedoch fest, dass der Beklagte zu 1) zu einem Zeitpunkt die Lichtzeichenanlage überfuhr, als sie mindestens schon längere Zeit Gelb anzeigte, wenn nicht bereits das Wechsel licht auf Rot umgesprungen war. Dies folgt für den Senat aus den überzeugenden Aussagen der Zeuginnen Z1 und Z2. Beide haben in ihrer Vernehmung vor dem Senat ausdrücklich bekundet, dass sie die Lichtzeichenanlage der für sie geltenden Fußgängerampel an der B-Straße im Blick hatten und beide schon des längeren beabsichtigt hatten, die Straße zu überqueren. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sie darauf achteten, wann die Ampel auf Grün umsprang. Beide Zeuginnen haben übereinstimmend bekundet, dass ein Fahrzeug schnell an ihnen vorbeigefahren ist und es unmittelbar danach zur Kollision gekommen ist. In diesem Augenblick bereits sei die Fußgängerampel auf Grün umgesprungen.
Daraus kann zwangsläufig nur folgen, dass die für den Beklagten zu 1) geltende Ampel bereits längere Zeit mindestens Gelb angezeigt hat, wenn sie nicht bereits auf Rot umgesprungen war. Angesichts der von den Zeuginnen bekundeten Funktionsfähigkeit der Ampel kann ausgeschlossen werden, dass diese gleichzeitig für die Autofahrer und die Fußgänger Grün anzeigte. Ebenso ist davon auszugehen, dass das gelbe Lichtzeichen, das den Autofahrer verpflichtet, sein Fahrzeug möglichst anzuhalten, bereits mehrere Sekunden aufgeleuchtet hat.
Die Zeuginnen haben übereinstimmend bekundet, dass zwischen dem Aufprall und der Sicht auf die grüne Fußgängerampel kein messbarer Zeitraum vergangen ist, sondern sich alles in Sekundenbruchteilen abgespielt hat. Beide Zeuginnen waren sich übereinstimmend in dieser Sache sicher. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass beide Zeuginnen objektiv richtige Angaben gemacht haben. Die im Termin gemachten Aussagen stimmen mit den im Ermittlungsverfahren getätigten schriftlichen Aussagen überein. Sie waren emotional stimmig, nachvollziehbar, detailreich und wurden auch auf kritische Nachfragen hin kohärent erweitert.
Allerdings weichen die im Verfahren eingeholten schriftlichen Aussagen der Zeuginnen deutlich von ihren mündlichen Bekundungen ab. In diesen haben die Zeuginnen nämlich bekundet, dass die Ampel für den Beklagten zu 1) Grün gehabt habe. Beide Zeuginnen haben allerdings auf Vorhalt dies so erklärt, dass sie davon ausgegangen seien, dass das Fahrzeug nur bei Grün habe fahren können. Diese Einlassungen sind zwar nicht stichhaltig, die Zeuginnen haben dies aber glaubhaft bekundet und auch mitgeteilt, dass sie keinen Einfluss versuchen von irgendeiner Seite ausgesetzt worden sind. Beide Zeuginnen machten auch nicht den Eindruck, als wenn dies der Fall gewesen wäre. Für den Senat ist deshalb zwar nicht abschließend erklärlich, weshalb die schriftlichen Aussagen abweichen, dies führt allerdings zu keinem anderen Ergebnis. Es war schon nicht erklärlich, weshalb die Zeuginnen in ihrer im Verfahren gemachten schriftlichen Aussage so deutlich von den im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen abwichen. Für den Senat ist dies nur dahingehend erklärlich, dass sich die Zeuginnen beim Ortstermin wieder besser erinnert haben und die schriftlichen Aussagen von der Absicht geprägt waren, in Unkenntnis des Verfahrensablaufs sich möglichst zurück zu halten.
Soweit die Zeuginnen auch bekundet haben, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) sehr schnell an ihnen vorbeigefahren sei und deshalb mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sein müsse, reicht dies für den Senat nicht aus, um tatsächlich einen Geschwindigkeitsverstoß anzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass die 30 Kilometer-Zone bereits an der Einmündung der B-Straße endete, so dass eine Beschleunigung auf die Kreuzung hin durchaus möglich und nachvollziehbar war. Angesichts der engen Straßenverhältnisse, insbesondere der B-Straße, kann es ebenfalls sein, dass die Zeuginnen eine Geschwindigkeit im Bereich des noch zulässigen als besonders schnell angesehen haben. Subjektive Einschätzungen der Geschwindigkeiten von Fahrzeugen sind ausgesprochen schwierig und können gerade in einer solchen Situation, in der die Zeuginnen auf vorbeifahrende Fahrzeuge nicht besonders geachtet haben, nur sehr eingeschränkt verwertet werden.
Die rechtliche Bewertung ergibt, dass beide Seiten für die Folgen des Verkehrsunfalls haften. Der Unfall ist bei Betrieb beider Fahrzeuge im Sinne des § 7 StVG entstanden und war für keinen der Fahrzeugführer oder Halter ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG.
Da sowohl Kläger als auch Beklagter zu 1) Halter und Eigentümer ihrer Fahrzeuge sind, richtet sich die Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StVG. Bei der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 StVG ist zunächst davon auszugehen, dass die Beteiligten gleichermaßen, nämlich nach Kopfteilen gemäß § 426 BGB haften, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Diese andere Bestimmung findet sich in § 17 StVG, wonach die Haftungsverteilung sich nach den Umständen und dort insbesondere nach der Verursachungswahrscheinlichkeit richtet. Auszugehen ist dabei zunächst von gleich hohen Betriebsgefahren, die sich daraus ergeben, dass beide Seiten gemäß den §§ 7 StVG, 840 BGB in vollem Umfang für die bei dem Unfall eingetretenen Schäden haften.
Die so gefundene gleich hohe Verantwortlichkeit ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Unfallhergangs nach den Grundsätzen der überwiegenden Verursachung im Sinne des § 17 StVG zu modifizieren. Dabei kommt es allerdings entgegen der Formulierung des Landgerichts in erster Linie nicht auf Verschulden oder Mitverschulden an. § 17 spricht ausdrücklich nur von Mitverursachung, ebenso wie auch die Haftungsverteilung nach § 254 BGB nach Mitverursachungsanteilen erfolgt. Lediglich die Möglichkeit der Haftungsverteilung setzt nach § 254 BGB ein Mitverschulden voraus, so wie § 17 Abs. 1 StVG die Haftung beider Halter voraussetzt.
Ein besonderes Verschulden kann im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG in besonderen Fällen die Verursachungswahrscheinlichkeit erhöhen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Mitverschulden, sondern um die Erhöhung der Betriebsgefahr unter Berücksichtigung eines besonderen Verschuldensgrades.
Bei der Abwägung nach § 17 StVG sind zum einen die Beschaffenheit der Fahrzeuge, die abstrakte Gefährlichkeit der Fahrvorgänge und das Vorliegen von Verkehrsverstößen zu berücksichtigen. Da vorliegend keine Besonderheiten hinsichtlich der Fahrzeuge oder der Fahrvorgänge bestehen, kommt es auf die Verkehrsverstöße an. Dabei ist dem Kläger, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 StVO zur Last zu legen. Dieser musste als Linksabbieger entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bei Rot gefahren ist oder nicht. Denn der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass die Ampel für den Beklagten zu 1) bereits Rot war. Dies konnte er tatsächlich nicht sehen, da auch nach den Angaben der Zeuginnen die Ampel erst im Zeitpunkt des Unfalls bzw. kurz danach auf Grün umsprang.
Der danach bestehende Verstoß gemäß § 9 Abs. 3 StVO ist aber nicht allein unfallverursachend gewesen. Zu Lasten des Beklagten zu 1) ist zu berücksichtigen, dass dieser gegen § 37 Abs. 2 StVO verstoßen hat, indem er das gelbe oder sogar das rote Licht nicht ausreichend beachtet hat. Auch bei gelbem Licht hätte er vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen, nämlich Rotlicht, warten müssen.
In diesem Punkt geht das Landgericht in seiner Einschätzung fehl. Es kommt bei der Verursachungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG nicht darauf an, inwieweit der Kläger auf ein korrektes Verhalten des Beklagten zu 1) vertrauen dürfte. Dies ist lediglich für die Einschätzung der Sorgfaltspflicht nach § 9 Abs. 3 StVO erforderlich. Im Rahmen des § 17 StVG sind sämtliche Umstände, die zur Unfallverursachung beigetragen haben, abzuwägen, selbst dann, wenn der Schutzzweck der Vorschrift, was vorliegend allerdings nicht der Fall ist, nicht den Unfallgegner schützt (BGH 16.1.07 – VI ZR 248/05 – NZV 07, 354; OLG Hamm 20.9.10 – 6 U 222/09 –; OLG Frankfurt am Main 15.5.2007 – 17 U 242/06 –; KG 28.12.06 – 12 U 47/06 – NZV 07, 406; OLG Hamm 20.9.10 – 6 U 222/09 – NJW 10, 3790).
Bei Abwägung der beiden Sorgfaltspflichtverstöße kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass beide gleich schwer wiegen, so dass eine Haftungsteilung anzunehmen ist. Dies entspricht auch der zu dieser Frage veröffentlichten Rechtsprechung (vgl. auch nur KG 21. November 1983 – 12 U 1235/83 -; OLG Düsseldorf, 16. Oktober 1975 – 12 U 156/74 -; OLG Hamm, 13. April 1988 – 13 U 275/87 -; OLG Köln, 11. Januar 1965 – 7 U 115/64 -).
Für die Schadensberechnung gilt Folgendes:
Der Kläger hat ausweislich des Gutachtens einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten, da der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert durch die Reparaturkosten erheblich überstiegen wird. Mit der Klage hat der Kläger den Bruttowiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes geltend gemacht. Er hat allerdings nicht nachgewiesen, dass er sich ein Fahrzeug zum Preis des ausgewiesenen Wiederbeschaffungswertes angeschafft hat. Er hat zwar einen Kaufvertrag und entsprechende Zulassung vorgelegt. Daraus ergibt sich aber, dass er lediglich einen Betrag von 4.800,00 € aufwenden musste, ohne dass dabei das beschädigte Fahrzeug in irgendeiner Art und Weise in Zahlung gegeben worden wäre. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises von 4.800,00 € könnte der Kläger lediglich einen Betrag von 2.100,00 € verlangen, da von diesem der Restwert abzuziehen wäre. Da der Kläger aber auf Basis des Sachverständigengutachtens abrechnet, handelt es sich um eine fiktive Abrechnung, bei der gemäß § 249 BGB die nicht angefallene Umsatzsteuer abzuziehen ist. Diese beläuft sich nach dem nicht angefochtenen Sachverständigengutachten auf 2,4 %, wobei der Sachverständige zutreffend von der Differenzbesteuerung gemäß § 25 UStG ausgegangen ist. Dies ergibt einen Nettowiederbeschaffungswert von 7.128,90 €, von dem der Restwert abzuziehen ist. Es ergibt sich deshalb ein ersatzfähiger Sachschaden von 4.428,90 €, von dem der Kläger die Hälfte, nämlich 2.214,45 €, ersetzt verlangen kann.
Der Kläger kann auch nicht etwa hinsichtlich des Betrages von 4.800,00 € teilweise Mehrwertsteuer verlangen, da eine Mischung nach ständiger Rechtsprechung des BGH zwischen konkreter und fiktiver Schadensabrechnung nicht möglich ist (BGH NJW 05, 1110; NJW 06, 2320; LG Frankfurt am Main 14.11.08 - 16 S 160/08 –).
Dem Kläger sind auch 26,00 € an allgemeiner Unkostenpauschale zuzusprechen. Zwar geht der Senat mangels anderer Anhaltspunkte grundsätzlich von der gesetzlichen Regelung der Auslagenvergütung in Ziffer 7002 des RVG-Vergütungsverzeichnisses aus, die einen Höchstsatz von 20,00 € festlegt. Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger sich ein neues Fahrzeug angeschafft hat, weshalb Ummeldekosten angefallen sind. Diese werden gesondert nicht geltend gemacht, so dass im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO ein Mindestbetrag von 32,00 € dafür angesetzt werden kann. Dies stellt ausdrücklich keine Pauschale für die Ab- und Anmeldung eines Fahrzeugs dar, deren Zulässigkeit in der Rechtsprechung unterschiedlich eingeschätzt wird (vgl. OLG München 7.12.07 – 10 U 4653/07 –; OLG Hamm 16.3.92 – 13 U 228/91 – NJW 92, 3244; 23.03.1999 – 27 U 11/98 –; OLG Stuttgart 27.08.1996 – 12 U 95/96 –).
Im Rahmen der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ist es möglich, einen Mindestschaden anzunehmen, der vorliegend durch den Senat als gerichtsbekannt mit mindestens 32,00 € angenommen wird. In Addition zur allgemeinen Unkostenpauschale von 20,00 € ergibt sich ein Gesamtbetrag von 52,00 €, so dass der Kläger bei hälftiger Ersatzfähigkeit den geforderten Betrag von 26,00 € verlangen kann.
Der Senat billigt dem Kläger außerdem den Gesamtbetrag von 747,57 € für die Einholung des Sachverständigengutachtens zu. Zwar hat der Kläger lediglich Anspruch auf 50 % des ihm entstandenen Schadens. Die bisher übliche Rechtspraxis ging deshalb davon aus, dass auch die Sachverständigenkosten wie der unmittelbare Sachschaden zu quoteln seien. Der Senat folgt jedoch der vom Amtsgericht Siegburg angestoßenen und bereits zuvor von Poppe (DAR 2005, 669) und Winnefeld (DAR 1996, Seite 75) dargelegten Rechtsauffassung, wonach auch bei dem Ausspruch einer Haftungsquote die Kosten für die Feststellung eines Schadens in vollem Umfang ersatzfähig sind (AG Siegburg, 31. März 2010 – 111 C 10/10 –; vgl. auch Schneider DAR 07, 430).
Zwar werden die Sachverständigenkosten zur Feststellung des Schadens als unmittelbarer Sachschaden betrachtet, so dass sie im Rahmen des Quotenvorrechts (z. B. § 86 Abs. 3 VVG) als quotenbevorrechtigt angesehen werden. Dies würde dafür sprechen, dass sie dem gleichen Schicksal unterliegen wie der eigentliche Sachschaden.
Andererseits handelt es sich bei den Kosten des Sachverständigengutachtens um solche, die der Schadensfeststellung dienen, also ausschließlich erforderlich sind, um den aufgrund der jeweiligen Haftungsquote erstattungsfähigen Anteil des dem Geschädigten entstandenen Gesamtschadens von dem Schädiger erstattet zu bekommen. Im Gegensatz zu den Reparaturkosten fallen Sachverständigenkosten regelmäßig überhaupt nicht an, wenn der Geschädigte den Unfall vollständig selbst verursacht hat.
Eine Quotierung solcher Schadensfeststellungskosten kann nur dann in Betracht kommen, wenn der Geschädigte die Möglichkeit hat, diese Kosten entsprechend der späteren gerichtlichen Quotierung zu begrenzen, mithin bei korrekter Einschätzung der Haftungsquote nicht auf einem Teil des Schadens sitzenbleiben zu müssen. Dies würde dem das Schadensrecht beherrschenden Grundsatz der Differenzbetrachtung widersprechen, nämlich dass der Geschädigte so gestellt werden muss, wie er ohne den Unfall gestanden hätte.
Eine solche Handhabung ist für den Geschädigten unmöglich. In der Praxis sind die vom Geschädigten aufzuwendenden Kosten die gleichen, ob er mithaftet oder ob der Gegner alleine haftet. Das Sachverständigenhonorar richtet sich nahezu ausnahmslos nach der Schadenshöhe, also dem Wiederbeschaffungswert oder den Reparaturkosten. Der Geschädigte hat nicht die Möglichkeit, den Sachverständigen zu bitten, lediglich einen Teilprozentsatz seines Schadens zu schätzen. Dies wäre auch der falsche Weg, da es für eine Quotierung nicht auf einen Teil des Schadens, sondern auf den gesamten Schaden ankommt und lediglich die Haftungsverteilung eine Korrektur vornimmt. Auch im Fall einer Haftungsverteilung ist der Geschädigte deshalb darauf angewiesen, den Gutachter anzuweisen, den gesamten Schaden aufzunehmen, der letztlich zur Grundlage der Schätzung und Haftungsverteilung gemacht wird. Damit sind auch im Falle der Haftungsverteilung die Sachverständigenkosten insgesamt erforderlich, um den Schaden festzustellen; auch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten ist nicht feststellbar.
Soweit dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung bisher anders gesehen worden ist (OLG Hamm 5.10.09 – 6 U 94/09 –; OLG Dresden 30.6.10 – 7 U 313/10 –; AG Landshut 23.8.10 – 3 C 1392/10 –), fehlt es regelmäßig an einer Begründung, so dass sich der Senat insoweit auch nicht mit weiteren Argumenten auseinandersetzen kann.
Insgesamt ergibt die Addition der Beträge den tenorierten Betrag. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind lediglich aus diesem Betrag erstattungsfähig, eine Quotierung findet nicht statt (BGH 7.11.2007 – VIII ZR 341/06 – MDR 08, 351; BGH 18.1.05 – VI ZR 73/04 – NJW 05, 1112; BGH 29.4.08 – VI ZR 220/07 –).
Die Zinsforderung folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Senat hat gemäß § 543 ZPO die Revision zugelassen, da er hinsichtlich der Bemessung der Sachverständigenkosten von veröffentlichter Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweicht und auch zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dieser Frage erforderlich ist.