Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Saarbrücken Urteil vom 31.01.2013 - 4 U 382/11 - Zum Begriff des Wendens und zum Anhalten während des Wendens

OLG Saarbrücken v. 31.01.2013: Zum Begriff des Wendens und zum Anhalten während des Wendens


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 31.01.2013 - 4 U 382/11) hat entschieden:
Das Wenden ist nach dem Regelungsgehalt des § 9 Abs. 5 StVO nicht nur dort erlaubt, wo dies ohne Anhalten möglich ist. Demnach ist es im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 StVO nicht grundsätzlich verboten, beim Wenden die Fahrbahn zu blockieren. Vielmehr muss der Wendende erst dann von dem Fahrmanöver Abstand nehmen, wenn sich aus der Blockierung der Fahrspur eine konkrete Gefahr ergibt. Diese Situation kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn der Wendende bei Nacht eine vielbefahrene Ausfallstraße blockiert.


Siehe auch Auffahren auf Hindernisse und Wenden


Gründe:

I.

1 Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am 9.2.2011 in Heusweiler im Bereich der Straßenkreuzung Saarlouiser Straße - Saarbrücker Straße - Trierer Straße ereignete, auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der Geschäftsführer der Klägerin, kam aus der Saarbrücker Straße und bog nach links in die Saarlouiser Straße ab. Er wollte um die dort nur wenige Meter entfernte Verkehrsinsel wenden und hielt sein Fahrzeug an der Mittellinie unmittelbar hinter der Verkehrsinsel an. Die Beklagte zu 1) befuhr mit ihrem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug die Trierer Straße und bog hinter dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nach rechts in die Saarlouiser Straße ein. Dort stieß sie linksversetzt gegen das Heck des klägerischen Fahrzeugs, welches - dieser Sachverhalt steht im Berufungsrechtszug nicht mehr im Streit - infolge des Anstoßes seinerseits an das Fahrzeug des Zeugen J.S. anstieß, der auf der Gegenfahrbahn in Höhe der Verkehrsinsel auf der Saarlouiser Straße unterwegs war, um in die Trierer Straße einzubiegen.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz, welcher Reparaturkosten, Wertminderung, Gutachterkosten, die Kosten einer Reparaturbestätigung, Mietwagenkosten und eine Kostenpauschale umfasst, auf Zahlung von insgesamt 12.455,92 EUR in Anspruch genommen.

Hinsichtlich der Reparaturkosten steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die J.A. GmbH in Völklingen und die S. GmbH in Saarlouis das Fahrzeug der Klägerin zu Stundenlöhnen von 96 EUR netto repariert hätten. Darüber hinaus hätte die Heckscheibe zerstörungsfrei aus- und wieder eingebaut werden können, weshalb eine sach- und fachgerechte Reparatur zu Kosten in Höhe von 8.536,57 EUR möglich gewesen wäre.

Die Beklagte zu 2) hat mit Abrechnung vom 17.6.2011 auf die Hauptforderung 2.749,14 EUR gezahlt und die nicht anrechenbare Geschäftsgebühr in Höhe von 229,30 EUR beglichen. Hinsichtlich der Verrechnung wird auf den Schriftsatz vom 28.6.2011 (Bl. 68 d. A.) Bezug genommen. In Höhe der Zahlung haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Zum Unfallhergang hat die Klägerin behauptet, ihr Geschäftsführer habe an der Verkehrsinsel wegen Gegenverkehrs angehalten und den linken Blinker gesetzt. Die Beklagte zu 1) sei infolge von Unachtsamkeit und/oder nicht angepasster Geschwindigkeit auf das stehende Fahrzeug der Klägerin aufgefahren.

Hinsichtlich Erstattungsfähigkeit der Reparaturkosten hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass der geltend gemachte Reparaturaufwand nach dem außergerichtlichen Sachverständigengutachten notwendig sei. Hinsichtlich der Mietwagenkosten hat die Klägerin auf die Rechnung vom 11.3.2011 (GA Bl. 29) verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,
  1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 12.455,92 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 11.558,26 EUR seit dem 11.3.2011 und aus 897,66 EUR ab Rechtshängigkeit abzüglich am 20.6.2011 gezahlter 2.749,14 EUR zu zahlen;

  2. die Beklagten weiter gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 703,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit abzüglich am 20.6.2011 gezahlter 229,30 EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs sei unmittelbar vor der Beklagten zu 1) abgebogen. Direkt nach dem Abbiegen habe dieser wenden wollen, um wieder in die Saarbrücker Straße einfahren zu können. Hierzu habe er nach der Verkehrsinsel eine durchgezogene Linie überfahren müssen. Da er aus diesem Grunde abrupt, keineswegs verkehrsbedingt gebremst habe, sei es zur Kollision gekommen.

Das Landgericht hat die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 8.344,27 EUR nebst Nebenforderungen zu zahlen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Beklagten in vollem Umfang für die entstandenen Schäden einstandspflichtig seien. Bei der Berechnung des Schadensersatzes hat das Landgericht erstattungsfähige Reparaturkosten von 8.536,57 EUR anerkannt und hinsichtlich der Mietwagenkosten die Auffassung vertreten, dass die erstattungsfähigen Mietwagenkosten auf einen Betrag von 627,84 EUR zu begrenzen seien. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstreben die Beklagten eine Korrektur der landgerichtlichen Entscheidung auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 %. Sie legen ihrer Berechnung die Feststellungen des Landgerichts zur Höhe des erstattungsfähigen Gesamtschadens zugrunde.

Die Beklagten vertreten die Auffassung, der Geschäftsführer der Klägerin habe beim Wenden gegen die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO verstoßen, da er bei seinem Wendemanöver quer zur Fahrbahn gestanden habe und hierdurch die Richtungsfahrbahn der Beklagten zu 1) blockiert habe. Hinzu komme, dass an dieser Stelle das Wenden wegen einer durchgezogenen Linie untersagt gewesen sei. Überdies habe die Stelle, an der der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs habe wenden wollen, unmittelbar hinter einer Kurve und zudem im unmittelbaren Einmündungsbereich einer T-Kreuzung gelegen. An einer solchen Stelle sei das Wenden grundsätzlich untersagt. Auch sei das Landgericht unter fehlerhafter Würdigung des Beweisergebnisses davon ausgegangen, dass beide Fahrzeuge nicht unmittelbar hintereinander abgebogen seien.

Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des am 30.8.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken - 9 O 116/11 - die Klage insoweit abzuweisen, als

  1. der Klägerin ein höherer Betrag als weitere 2.797,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.203,04 EUR für die Zeit vom 11.3.2011 bis zum 20.6.2011, aus 343,67 EUR für die Zeit vom 14.5.2011 bis zum 20.6.2011 und aus 2.797,57 EUR ab dem 11.3.2011

  2. und höhere vorgerichtliche Kosten als weitere 186,53 EUR zugesprochen wurden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung (Bl. 133 d. A.), der Berufungserwiderung (Bl. 143 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23.1.2012 (Bl. 146 ff. d. A.) verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen (Bl. 156 f. d. A.).


II.

A.

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, da das angefochtene Urteil weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG steht zwischen den Parteien außer Streit. Soweit das Landgericht den geltend gemachten Schadensersatz der Höhe nach teilweise abgewiesen hat, ist die insoweit rechtskräftig gewordene Entscheidung einer Überprüfung durch den Senat entzogen. Die Berufung der Beklagten wendet sich allein gegen die Bestimmung der beiderseitigen Haftungsanteile. Indessen hat das Landgericht den Beklagten mit zutreffenden Erwägungen die volle Haftung auferlegt.

1. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen (BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 27.6.2000 - VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 17 StVG Rdnr. 5) sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben.

2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts ist der Beklagten zu 1) eine Unaufmerksamkeit (Verstoß gegen § 1 Abs. 1 StVO) beziehungsweise eine nicht angemessene Geschwindigkeit (Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO) vorzuwerfen. Denn sie stieß - so die Feststellungen des Landgerichts - auf das bereits eine gewisse Zeit hinter der Verkehrsinsel an der Mittellinie quer stehende Fahrzeug der Klägerin an. An diese Feststellungen ist der Senat gem. § 529 ZPO gebunden, da die Feststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen worden sind und keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Zweifel an ihrer Richtigkeit wecken:

a) Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht seine Überzeugung auf die Aussagen der Zeugen J.S. und S. gestützt hat, die den Unfallhergang im Wesentlichen übereinstimmend geschildert haben: Beide Zeugen haben glaubhaft ausgesagt, dass der Geschäftsführer der Klägerin bereits eine gewisse Zeit angehalten hatte, als es zum Zusammenstoß kam.

aa) Entgegen der Auffassung der Berufung wird der Beweiswert der Zeugenaussagen nicht dadurch relativiert, dass die Richtigkeit einer Zeugenaussage nicht selten durch Wahrnehmungsdefizite und Erinnerungslücken beeinflusst wird (vgl. PG/Laumen, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rdnr. 12). Das Wahrnehmungsvermögen eines Zeugen gelangt insbesondere dann an seine Grenzen, wenn die Aufmerksamkeit nicht auf den Beweisgegenstand fokussiert war, der Zeuge vielmehr unvermittelt mit einem Beweisgeschehen konfrontiert wird. Diese Einschränkung ist gewissermaßen idealtypisch in der Beweissituation des Verkehrsunfalls zu beachten, die dadurch gekennzeichnet wird, dass sich Verkehrsunfälle unerwartet und plötzlich ereignen, weshalb die Aufmerksamkeit des Unfallzeugen im Regelfall erst durch das Unfallereignis selber auf das Geschehen gelenkt wird. Allerdings führen diese gewissermaßen in der Natur der Sache liegenden Wahrnehmungsdefizite nicht dazu, den Beweiswert einer Zeugenaussage im Verkehrsunfallprozess grundsätzlich in Frage zu stellen. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen Analyse im jeweiligen Einzelfall, in welchem Umfang einer Zeugenaussage Glauben geschenkt werden kann.

bb) Dies vorausgeschickt besteht bei der Würdigung der Zeugenaussagen im vorliegenden Rechtsstreit kein Anlass, die Kernaussage beider Zeugen zu bezweifeln:

Beide Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass das Fahrzeug der Klägerin bereits eine gewisse Zeit gestanden hatte, als die Beklagte zu 1) an das Fahrzeug anstieß. Demgegenüber will die Beklagte zu 1) nach dem von ihr geschilderten Unfallhergang auf das abrupt anhaltende Fahrzeug aufgefahren sein. Angesichts des Umstandes, dass beide Zeugen unmittelbar in das Unfallereignis eingebunden waren - das Fahrzeug der Klägerin wurde durch den Anstoß auf das Fahrzeug der Zeugen aufgeschoben - wäre es den Zeugen in Erinnerung geblieben, wenn sich der Unfall auf die von der Beklagten zu 1) geschilderte Weise ereignet hätte. Denn dann wären sowohl das Fahrzeug der Klägerin als auch das von der Beklagten zu 1) gesteuerte Fahrzeug nahezu gleichzeitig in das Gesichtsfeld der Zeugen getreten. Einen solchen Unfallhergang haben beide Zeugen nachvollziehbar und plausibel ausgeschlossen.

b) Auch war es nicht verfahrensfehlerhaft, von der Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens abzusehen. Mangels hinreichend gesicherter Anknüpfungstatsachen war die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur weiteren Erforschung des Unfallhergangs im vorliegenden Sachverhalt nicht geeignet: Es ist weder gesichert, wie schnell das Fahrzeug der Beklagten zu 1) in die Saarlouiser Straße einbog, noch ist es nachgewiesen, zu welchem Zeitpunkt eine Reaktionsaufforderung an die Beklagte zu 1) erging. Ausweislich des Aktenstandes wurden keine Bremsspuren vorgefunden, die eine retrospektive Bestimmung des genauen Kollisionsortes ermöglichen würden. Schließlich steht nicht fest, wie lange das klägerische Fahrzeug bereits angehalten hatte. Insbesondere lassen sich in diesem für eine sachverständige Beurteilung wesentlichen Detail aus den Zeugenaussagen keine belastbaren Schlüsse ziehen. Die Zeugenaussagen divergieren in der Antwort auf die Frage, wie weit das von den Zeugen gefahrene Fahrzeug vom anhaltenden Fahrzeug der Klägerin entfernt war, als die Zeugen das klägerische Fahrzeug erstmals wahrnahmen. Insoweit haben sich in den Zeugenaussage die spezifischen Wahrnehmungsdefizite des „Unfallzeugen“ realisiert, weshalb es der Wahrheitsfindung auch nicht förderlich wäre, einer sachverständigen Begutachtung den größeren Wert (4 - 5 Fahrzeuglängen) zugrunde zu legen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Aussage der Zeugin J.S. den Abstand zu kurz wiedergibt.

3. Auf der Grundlage dieses Beweisergebnisses ist demgegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin kein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vorzuwerfen. Nach dieser Vorschrift muss sich der Fahrzeugführer beim Wenden so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

a) Entgegen der Auffassung der Berufung erlaubt die Vorschrift das Wenden nicht nur dort, wo dies ohne Anhalten, gewissermaßen in einem Zuge, möglich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.7.1982 - 24 U 92/82, VRS 64, 10).

Bereits der Regelungszusammenhang steht diesem Rechtsverständnis entgegen: Die Vorschrift regelt nicht nur das Wenden, sondern stellt dieselben Sorgfaltsanforderungen auch für das gleichermaßen gefahrenträchtige Fahrmanöver des Abbiegens in ein Grundstück auf. Will ein Linksabbieger, der eine einspurige Fahrbahn benutzt, bei Gegenverkehr in ein Grundstück einbiegen, so muss er zunächst dem entgegenkommenden Verkehr den Vorrang gewähren. Dies führt zwangsläufig dazu, dass er die Fahrbahn während seines Anhaltens blockiert und den gleichgerichteten Verkehr zu einem Anhalten zwingt. Will man dies vermeiden, so wäre der Linksabbieger bei Gegenverkehr stets gehalten, von einem Abbiegen abzusehen, um sich unter Inkaufnahme eines Umwegs der Grundstückseinfahrt auf andere Weise zu nähern. Eine solche Verhaltensweise wird der Lebenswirklichkeit des Straßenverkehrs in keiner Weise gerecht. Vielmehr ist gerade ein kurzes Anhalten nicht nur im Anwendungsbereich des § 9 StVO, sondern auch in Erfüllung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots mit Blick auf die heutige Verkehrsdichte kaum je zu vermeiden. Die hieraus resultierenden Gefahren sind der Teilnahme am Straßenverkehr gewissermaßen immanent und von Verkehrsteilnehmern, die das Gebot des § 1 Abs. 1 StVO beachten, ohne weiteres beherrschbar. Nach richtiger Auffassung ist der Vorschrift nicht der Sinn zu unterlegen, dass sie den Verkehr auch vor solchen Behinderungen schützen will, die aus einer Verminderung der Geschwindigkeit oder einem kurzen Anhalten resultieren (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 9 StVO, Rdnr. 58). Demnach ist es im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 StVO nicht grundsätzlich verboten, beim Wenden die Fahrbahn zu blockieren. Vielmehr muss der Wendende erst dann von dem Fahrmanöver Abstand nehmen, wenn sich aus der Blockierung der Fahrspur eine konkrete Gefahr ergibt. Diese Situation kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn der Wendende bei Nacht eine vielbefahrende Ausfallstraße blockiert (Zieres, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, Kapitel 27, Rdnr. 303).

b) Auch ist dem Geschäftsführer der Klägerin nicht vorzuwerfen, das Wendemanöver an einer unübersichtlichen Stelle eingeleitet zu haben:

Ausweislich der im beigezogenen Bußgeldverfahren enthaltenen Lichtbilder (Bl. 9) ist der Einmündungsbereich gut zu übersehen. Hinzu kommt, dass der Geschäftsführer der Klägerin nicht unmittelbar in der Straßeneinmündung, sondern erst hinter einem Fußgängerüberweg und einer hinter dem Fußgängerweg befindlichen Straßeninsel wenden wollte. Auch mündet die Trierer Straße nicht spitzwinklig in die Saarlouiser Straße ein, weshalb auch für den aus der Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) einbiegenden Fahrer der gesamte Einmündungsbereich einschließlich des Fußgängerüberwegs und der Verkehrsinsel gut einsehbar ist. Darüber hinaus wird der abbiegende Verkehr seine Geschwindigkeit schon allein mit Blick auf den Fußgängerüberweg herabsetzen, weshalb ein situationsadäquat aufmerksamer Verkehrsteilnehmer keine Schwierigkeiten hat, rechtzeitig auf ein haltendes Fahrzeug zu reagieren.

c) Weiterhin ist widerlegt, dass sich der Unfall deshalb ereignete, weil der Geschäftsführer der Klägerin das Wendemanöver abrupt und für die Beklagte zu 1) überraschend einleitete: Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts hatte das klägerische Fahrzeug vor dem Zusammenstoß bereits eine gewisse Zeit gestanden (Ziff. 2).

d) Schließlich trifft es nicht zu, dass sich im Bereich des Wendemanövers eine durchgehende Fahrbahnmarkierung (Zeichen Nr. 295; Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) befand, die der Geschäftsführer der Klägerin nicht hätte überfahren dürfen: Die in der Akte (Bl. 69 d. A.) und der Beiakte enthaltenden Lichtbilder belegen mit Klarheit, dass die Linie gerade im fraglichen Bereich unterbrochen war. Ob diese tatsächlich vorhandene Unterbrechung der Linie unbeabsichtigt durch nachträgliche Straßenbauarbeiten entstanden sein mag, konnte sich dem Geschäftsführer der Klägerin in der konkreten Verkehrssituation nicht erschließen, weshalb sich das Gebot jedenfalls zum Unfallzeitpunkt nicht aktualisierte.

4. Stehen sich demnach in der Haftungsabwägung ein nachgewiesener Sorgfaltsverstoß der Beklagten zu 1) und lediglich die einfache Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs gegenüber, so war den Beklagten nach der anerkannten Kasuistik zur Unfallsituation des Heckaufpralls (Nachweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, aaO, § 4 StVO Rdnr. 32; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, aaO, § 4 StVO Rdnr. 25) die volle Haftung zu übertragen. Die Frage, ob das Unfallereignis aus Sicht des Geschäftsführers der Klägerin i.S. des § 17 Abs. 3 StVO unvermeidbar war oder ob ein Idealfahrer mit den Argumenten des Landgerichts vorausschauend von einem Wendemanöver Abstand genommen hätte, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

Hinsichtlich der Schadensberechnung lässt die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler erkennen. Der Senat nimmt auch insoweit auf die zutreffenden, von der Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts Bezug. Nach alldem bleibt die Berufung ohne Erfolg.


B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).