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OLG Bamberg Beschluss vom 24.06.2013 - 3 Ss OWi 824/13 - Überleitung des Bußgeldverfahrens in das Strafverfahren

OLG Bamberg v. 24.06.2013: Zur Überleitung des Bußgeldverfahrens in das Strafverfahren


Das OLG Bamberg (Beschluss vom 24.06.2013 - 3 Ss OWi 824/13) hat entschieden:
  1. Mit dem gerichtlichen Hinweis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 OWiG, dass auch eine Verurteilung "auf Grund eines Strafgesetzes" in Betracht komme, wird das Bußgeldverfahren endgültig, d.h. unanfechtbar und unwiderruflich in das Strafverfahren übergeleitet; zugleich erhält der (bislang) "Betroffene" gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG "die Rechtsstellung des Angeklagten" (Anschluss an BGHSt 29, 305/308).

  2. Ist das Bußgeldverfahren in das Strafverfahren übergeleitet worden, finden für das Rechtsmittelverfahren ausnahmslos die Vorschriften der Strafprozessordnung auch dann Anwendung, wenn der Betroffene gleichwohl "nur" wegen einer oder mehrerer Ordnungswidrigkeiten schuldig gesprochen und gegen ihn deshalb lediglich auf eine Geldbuße, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Verhängung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots, erkannt wird (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 3. April 2008, 4 Ss OWi 182/08, BA 46 [2009], 280).

Siehe auch Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren und Übergang vom Bußgeldverfahrens in das Strafverfahren - richterlicher Hinweis


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten (und ehemals Betroffenen) am 31.01.2013 wegen einer am 09.08.2012 fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels nach § 24 a Abs. 2 i.V. Abs. 3 StVG in Tateinheit mit unerlaubter Benutzung eines Mobiltelefons (§ 23 Abs. 1a StVO) zu einer Geldbuße von 520 Euro verurteilt und gegen ihn entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vom 28.09.2012 vorgesehenen Ahndung ein Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verhängt. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten „Rechtsbeschwerde“ rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.


II.

Das Rechtsmittel ist als strafprozessuale Berufung anzusehen und als solche von dem zuständigen Berufungsgericht durchzuführen.

1. Mit dem vom Amtsgericht unter dem 21.11.2012 nach Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vom 28.09.2012 zusammen mit der Bestimmung des Hauptverhandlungstermins an den Betroffenen (und seinen Verteidiger) erteilten Hinweis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 OWiG, wonach „auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316I, II StGB in Betracht“ komme, ist das Bußgeldverfahren endgültig, d.h. unanfechtbar und unwiderruflich (BGHSt 29, 305/308) in das Strafverfahren übergeleitet worden; zugleich erhielt hierdurch der (bislang) „Betroffene“ gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG „die Rechtsstellung des Angeklagten“, worauf das Amtsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat.

2. Für das Rechtsmittelverfahren finden damit ausnahmslos die Vorschriften der Strafprozessordnung auch dann Anwendung, wenn der Betroffene unbeschadet der bewirkten Überleitung ins Strafverfahren – wie hier – ‚nur‘ wegen einer oder mehrerer Ordnungswidrigkeiten schuldig gesprochen und gegen ihn deshalb ‚lediglich‘ auf eine Geldbuße, gegebenenfalls unter gleichzeitiger Verhängung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots, erkannt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 03.04.2008 – 4 Ss OWi 182/08 = BA 46 [2009], 280; Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 81 Rn. 24; Burhoff/Gübner, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 2557, jeweils m.w.N.). Ist damit das angefochtene Urteil im Strafverfahren ergangen, kann es nur mit den strafprozessualen Rechtsmitteln der Berufung oder der Revision angefochten werden.

3. Die mit Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom 01.02.2013 an diesem Tag eingelegte „Rechtsbeschwerde“ des Betroffenen, die er nach Zustellung des schriftlichen Urteils vom 31.01.2013 an seinen Verteidiger am 15.02.2013 mit am 15.03.2013 eingegangenem weiteren Telefax-Schreiben seines Verteidigers vom 14.03.2013 mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat, ist demgemäß, wie die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen ihrer Antragsschrift vom 14.06.2013 zutreffend feststellt, als strafprozessuale Berufung anzusehen und durchzuführen. Hiervon geht nicht zuletzt das Gesetz selbst, wie sich u.a. aus § 313 Abs. 3 StPO ergibt, aus (vgl. neben KK/Wache OWiG 3. Aufl. § 82 Rn. 21 und Göhler/Seitz § 82 Rn. 25 zuletzt auch OLG Bamberg, Beschluss vom 27.09.2012 – 2 Ss OWi 1189/12 [bei juris] = NStZ 2013, 182 f. = OLGSt StPO § 300 Nr. 3 = VRR 2013, 149 f., jeweils m.w.N.; siehe auch BGHSt 35, 290 ff. = DAR 1988, 314 ff.= NStZ 1988, 465 f.).

4. Dem steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht selbst und mit ihm Verteidigung und Staatsanwaltschaft jeweils unzutreffend von der Statthaftigkeit einer „Rechtsbeschwerde“ ausgehen. Gemäß § 300 StPO ist der Irrtum in der korrekten Bezeichnung des statthaften Rechtsmittels vielmehr unschädlich und die Falschbezeichnung dahin umzudeuten, dass der vom Rechtsmittelführer erstrebte Zweck möglichst erreichbar ist; im Zweifel gilt das Rechtsmittel als eingelegt, das die umfassendere Nachprüfung erlaubt (Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 300 Rn. 3). Danach ist ein unzutreffend als „Rechtsbeschwerde“ bezeichnetes Rechtsmittel in aller Regel als Berufung zu behandeln. Trifft der Angeklagte nämlich unter den zulässigen strafprozessualen Rechtsmitteln der Berufung und der Revision keine Wahl, so sieht das Gesetz in erster Linie das Rechtsmittel der Berufung vor; ein nicht näher bezeichnetes Rechtsmittel ist damit als Berufung zu behandeln (Meyer-Goßner § 335 Rn.2). Nichts anderes kann im Grundsatz gelten, wenn der Angeklagte – wie hier – der irrigen Auffassung ist, gegen das angefochtene Urteil sei die Rechtsbeschwerde gegeben. Einer solchen unrichtigen Bezeichnung ist nicht zu entnehmen, welches der beiden ihm wahlweise eröffneten Rechtsmittel der Angeklagte ergreifen wollte. Da sich der Rechtsmittelführer in derartigen Fallkonstellationen der Wahlmöglichkeit zwischen Berufung und Revision regelmäßig gerade nicht bewusst gewesen sein wird, ist deshalb eine gegen das Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde regelmäßig als Berufung zu behandeln (OLG Hamm und OLG Bamberg, jeweils a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vorliegend auf eine Nachprüfung des Urteils in tatsächlicher Hinsicht verzichten wollte, so dass ausnahmsweise von einer Revision auszugehen wäre (OLG Bamberg a.a.O.; KK/Wache § 82 Rn. 21 und Göhler/Seitz § 82 Rn. 25, jeweils m.w.N.), fehlen.


III.

Die Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung obliegt dem Landgericht. Entsprechend § 348 StPO erklärt sich der Senat deshalb für unzuständig und gibt die Sache an das für die Berufung des Angeklagten zuständige Landgericht ab.


IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 348 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz1 OWiG.