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OLG Stuttgart Urteil vom 10.07.2013 - 4 U 26/13 - Straßenverkehrssicherungspflicht bei erkennbarer und vermeidbarer Gefahrenstelle

OLG Stuttgart v. 10.07.2013: Straßenverkehrssicherungspflicht bei erkennbarer und vermeidbarer Gefahrenstelle für den Verkehrsteilnehmer in Baden-Württemberg


Das OLG Stuttgart (Urteil vom 10.07.2013 - 4 U 26/13) hat entschieden:

  1.  Für Baden-Württemberg ist daran festzuhalten, dass eine Haftung wegen Verletzung der (Straßen-) Verkehrssicherungs­pflicht ausscheidet, wenn die Gefahrenstelle für den Verkehrsteilnehmer, der die erforderliche Sorgfalt wahrt, rechtzeitig erkennbar ist und er sich auf sie rechtzeitig einzurichten vermag.

  2.  Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 5. Juli 2012 (III ZR 240/11) eine Haftung des Straßenverkehrssicherungspflichtigen unabhängig von der Frage der Erkennbarkeit der Gefahrenstelle bejaht hat, ist diese Entscheidung auf Baden-Württemberg nicht übertragbar. Sie beruht darauf, dass das dort einschlägige Berliner Straßenrecht als Teil der Straßenbau- und -unterhaltungslast eine dem Straßenbaulastträger obliegende Pflicht enthält, alsbald einen verkehrssicheren Zustand wiederherzustellen (§ 7 Abs. 2 Satz 5 BerlStrG) und es diese Pflicht zum Gegenstand der Straßenverkehrssicherungspflicht macht (§ 7 Abs. 6 Satz 2 BerlStrG). Eine derartige Regelung kennt das baden-württembergische Straßenrecht nicht.

  3.  Im Rahmen der Beurteilung der rechtzeitigen Erkennbarkeit einer in Rissen und/oder Unebenheiten der Fahrbahn einer Straße bestehenden Gefahrenstelle für einen Radfahrer ist zu berücksichtigen, dass dieser grundsätzlich das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVO) und das Gebot, die Geschwindigkeit den (besonderen) Sichtverhältnissen anzupassen, einzuhalten hat.


Siehe auch
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Radfahrern
und
Stichwörter zum Thema Verkehrssicherung

Gründe:


I.

Der Kläger begehrt von der beklagten Gemeinde (i. F.: Beklagte) Schadensersatz (Ersatz materieller Schäden und Schmerzensgeld) aus Amtshaftung und nach dem Haftpflichtgesetz wegen Verletzungen, die er infolge eines Sturzes vom Fahrrad erlitten habe (insbes. Bruch der Halswirbel 4 und 5). Er behauptet, zum Sturz sei es infolge von Fahrbahnunebenheiten der in der Straßenbaulast der Beklagten stehenden Straße gekommen. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe hinsichtlich des Zustands der Straße ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

1. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der Antragstellung wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.


Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Ein Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Grundgesetz bestehe nicht.

Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht aus §§ 44 und 9 des Straßengesetzes richte sich danach, für welche Art von Verkehr ein Weg nach seinem äußeren Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und nach der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet sei. Die Beklagte sei nur verpflichtet gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, die objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar gewesen seien.

Die Straße, auf welcher der Kläger zu Fall gekommen sei, sei nicht mit dem Zeichen X als Radweg gekennzeichnet und auch nicht aufgrund ihrer baulichen Gestaltung als solcher erkennbar. Ob der Radwanderweg an der Unfallstelle verlaufe, könne dahinstehen. An die Sicherung von Radwanderwegen seien grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen als sie für die Fahrbahnbenutzung durch Kraftfahrzeuge gelten, auch dann, wenn Radfahrer besonderen Sturzgefahren ausgesetzt sein könnten.

Der Verkehrssicherungspflichtige müsse nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für einen Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lasse, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar seien und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermöge.

Neben der Erkennbarkeit der Gefahren müsse darüber hinaus die Möglichkeit bestehen, der gut erkennbaren Gefahrenquelle auszuweichen.

Aufgrund der vorgelegten Lichtbilder und der Schilderungen des Klägers und der des Zeugen Y seien sowohl Unebenheiten auf der Fahrbahn als auch die Schachtdeckel ohne weiteres erkennbar gewesen. Dem Kläger, der die Straße häufig befahren habe, sei der Zustand des Belages bekannt gewesen. Nach seiner Schilderung seien die Schachtdeckel und Straßenschäden sowohl rechts als auch links umfahrbar gewesen. Rechts hätten Einschränkungen durch parkende Autos bestanden.

Ein sorgfältiger Straßenbenutzer hätte folglich den schlechten Straßenzustand erkennen und in jedem Falle links umfahren können, weshalb die Beklagte weder ihre Warnpflicht noch ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe.

Ob der Kläger aufgrund der Lichtverhältnisse und eines möglichen Schattenspiels die konkrete Unebenheit nicht habe erkennen können, sei unerheblich. Ein Benutzer, welcher die erforderliche Sorgfalt walten lasse, müsse, wenn er einen schadhaften Fahrbahnbelag erkenne, seine Fahrgeschwindigkeit herabsetzen und wenn wie hier behauptet seine Sicht eingeschränkt sei, auf Sicht fahren. Wäre dies geschehen, wären die von ihm behaupteten Bodenwellen rechtzeitig erkennbar gewesen.

Eine Verletzung der Kontroll- bzw. Verkehrssicherungspflichten käme möglicherweise dann in Betracht, wenn zuständige Mitarbeiter der Beklagten von Anwohnern auf Straßenschäden und auf mehrere Fahrradunfälle an dieser Stelle hingewiesen worden wären. Der Vortrag des Klägers dazu reiche nicht aus. Alleine die Behauptung, eine Anwohnerin habe geäußert, die Beklagte sei verärgert, wenn Anwohner auf den Zustand der Straße hinwiesen, reiche hierfür nicht aus. Daraus sei nicht zu erkennen, ob und wem gegenüber ein Hinweis bezüglich des Unfallorts gegeben worden sein solle. Sicherungsmaßnahmen nach dem Unfall belegten nicht die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zum Unfallzeitpunkt.

Nach der Beweisaufnahme stehe darüber hinaus auch die Kausalität zwischen den Straßenschäden und dem Unfall des Klägers nicht fest. Weder er noch der Zeuge Y hätten die genaue Unfallursache und den genauen Unfallort schildern können. Beide hätten nur vermuten können, dass eine Unebenheit im Straßenbelag vor dem vom Zeugen vermessenen und fotografierten Schachtdeckel zum Sturz des Klägers geführt haben müsse.

Nach der Anhörung des Klägers und der Vernehmung des Zeugen Y habe überdies der Kläger den Unfall ganz überwiegend selbst verschuldet, sodass eine Ersatzpflicht der Beklagten selbst dann nicht in Betracht käme, wenn eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht würde. Das überwiegende Verschulden des Klägers würde ein Verschulden der beklagten Gemeinde zurücktreten lassen.

Das Fahren mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h stelle einen gravierenden Verstoß gegen § 3 StVO dar. Der Kläger sei gehalten gewesen, mit einer den Sichtverhältnissen angepassten Geschwindigkeit zu fahren, zumal Schäden im Straßenbelag ersichtlich gewesen seien. Besondere Vorsicht sei geboten gewesen. Schrittgeschwindigkeit wäre angemessen gewesen, da er nur so auf nicht erkennbare Hindernisse hätte reagieren können.

Auch ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz bestehe nicht. Zwar gehörten zum gemeindlichen Kanalisationsnetz als Anlage i. S. des Haftpflichtgesetzes auch Kanalschachtdeckel und auch direkt neben den Kanalschachtdeckeln befindliche Absenkungen des Straßenbelags, wenn dadurch der Kanalschacht oder der Kanalschachtdeckel nicht mehr plan in die Pflasterung eingebettet sei.

Der Zeuge Y habe bei seiner Vernehmung angegeben, die Schachtdeckelkante sei nicht hoch gewesen. Aus den Lichtbildern auf Bl. 8 und 10 d. A. sei zu erkennen, dass der Schachtdeckel keine erhebliche Kante aufweise und auch der ihn unmittelbar umgebende Straßenbelag ohne Vertiefung sei. § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz sei damit nicht anwendbar.

Der Grundsatz, dass zu vermuten sei, dass bei einem Sturz in der Nähe einer Gefahrenstelle diese Ursache des Sturzes gewesen sei, gelte vorliegend nicht, da sich das Fahrrad des Klägers nach dem Sturz nicht in unmittelbarer Nähe der behaupteten Gefahrenstelle befunden habe.


3. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, zunächst unter pauschaler Verweisung auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Zur Begründung trägt er sodann im Wesentlichen vor:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 des Straßengesetzes für Baden-​Württemberg (i. F.: Straßengesetz) habe der Träger der Straßenbaulast nach seiner Leistungsfähigkeit die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden und den allgemein anerkannten Regeln des Straßenbaus entsprechenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Diese Verpflichtung gelte unabhängig davon, für welche Art von Verkehr ein Weg oder eine Straße öffentlich gewidmet sei. Erst in § 9 Abs. 2 Straßengesetz werde dann definiert, was geschehen solle, wenn der Träger der Straßenbaulast überfordert werde. Dann habe er auf einen nicht verkehrssicheren Zustand hinzuweisen.

Eine Abstufung der Verkehrssicherungspflicht nach der Straßenklasse, Benutzungshäufigkeit, Wichtigkeit etc. lasse sich dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 2 Straßengesetz nicht entnehmen. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 12.11.1964 (III ZR 200/63; NJW 1965, 100) ausgeführt, dass sich nach seiner ständigen Rechtsprechung der Umfang der Straßenverkehrssicherungspflicht nach dem Zweck der Verkehrseinrichtung und der allgemeinen Verkehrsauffassung richte. Der Straßenverkehrssicherungspflichtige solle allen Gefahren vorbeugen, die von dem Zustand der Straße für ihre Benutzer ausgehen können. Der Umfang bemesse sich danach, was zur Sicherung desjenigen Verkehrs erforderlich sei, der sich auf der Wegfläche entsprechend seiner Widmung abspiele. Eine Differenzierung des Schutzes nach Radfahrern, Kfz-​Fahrern und Fußgängern lehne der Bundesgerichtshof offensichtlich ab.

Wenn der Verkehrssicherungspflichtige solche gefährlichen Stellen entstehen lassen dürfe, dass Radfahrer, um Verletzungen zu vermeiden, vorbeugend absteigen müssten, dürfte es gemäß der vom Landgericht zitierten Rechtsprechung objektiv erforderlich sein, diese Stelle zu reparieren und wäre dies nach objektiven Maßstäben auch zumutbar.

Die vom Landgericht zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 01.10.2003 (4 U 118/03, OLGR Stuttgart 2003, 483 = VersR 2004, 215) dürfte so zu verstehen sein, dass es darauf ankomme, ob es eine Straße ist, ein Feldweg, ein durch den Wald führender Schotterweg etc.. Es werde nicht danach unterschieden, ob es sich um eine viel befahrene, wenig befahrene oder eine Hauptverkehrs- oder Anliegerstraße handle. Eine Widmung als Straße setze die für Straßen geltenden Verkehrssicherungspflichten in Gang, auch wenn es sich nur um eine Anliegerstraße handeln sollte, alles andere wäre mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar.

Soweit das Landgericht meine, er hätte die Gefahrenstelle problemlos erkennen können, würden ihm Dinge zugemutet, die weder festgestellt noch mit der Realität vor Ort in Übereinstimmung zu bringen seien.

Richtig sei, dass ihm der Weg als solcher bekannt gewesen sei, nachdem er ihn selbst öfters mit dem Fahrrad befahren habe. Er habe auch die Schachtdeckel gekannt und erkannt, die allerdings gar nicht die Ursache des Unfalls gewesen seien. All die typischen Umstände, mit denen Radfahrer auf Kanaldeckeln zu rechnen hätten (etwa Rutschgefahr wegen Nässe), seien vorliegend nicht gegeben gewesen.

Ursache des Unfalls sei nicht ein hervorstehender oder schräger Kanaldeckel gewesen, sondern dass sich der Straßenbelag (aus seiner Richtung) vor dem Kanaldeckel übermäßig um bis zu 7 cm gesenkt gehabt habe und nach dem Kanaldeckel sich der Asphalt angehoben habe, wenn er nicht sogar von vornherein falsch verlegt worden sein sollte.

Die Kuhle vor dem Kanaldeckel habe er nicht erkennen können, denn sie sei von derselben Konsistenz und Farbe wie der übrige Straßenbelag gewesen. Sie habe auch keine Risse aufgewiesen, die man hätte erkennen können, sondern sei urplötzlich vor ihm aufgetaucht, er habe sich dadurch offensichtlich erschrocken, weshalb vermutet werden müsse - was er bei seiner Anhörung allerdings so nicht bestätigt habe, vermutlich weil er es aufgrund des Unfalls auch nicht mehr wisse -, dass er instinktiv zu bremsen versucht habe, was die Aussage des Zeugen Y erklärlich machen würde, dass sich das Hinterrad gehoben hätte. Durch das plötzliche für ihn nicht erkennbare Absacken des Belags und die dadurch verursachte instinktive Bremsreaktion sei der Unfall verursacht worden, wobei der leichte Überstand des Kanaldeckels, der ohne diese Kuhle völlig unbedeutend gewesen wäre, vermutlich zur Schwere des Unfalls beigetragen habe.

Es treffe zwar zu, dass die Straße beinahe gerade und über 100 bis 200 m einsehbar sei; die Kuhle als solche sei aber nicht erkennbar und überdies durch Schattenwurf auch „versteckt“ gewesen. Jedoch auch bei Sonnenschein und ohne Schatten habe er diese Kuhle nicht erkennen können, da sie in keiner Art und Weise von der Umgebung abgestochen habe.

Das Landgericht habe auch übersehen, dass er vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass an dieser Stelle bereits zuvor zwei Fahrradunfälle geschehen seien mit Beteiligung von Krankenwägen, also ernsthaften Verletzungen.

Erst nach dem dritten Unfall, dem seinen, habe sich die Beklagte nun bemüht, diese Schadensstelle auszumerzen. Diese müsse ihr bekannt gewesen sein bzw. hätte ihr nur wegen grober Fahrlässigkeit nicht bekannt gewesen sein können, denn es sei ein übliches Phänomen, dass sich der Asphalt um Kanaldeckel herum absenke, da die Verdichtung wegen der Nähe zum Kanal nicht in der Form ausgeführt werden könne wie notwendig.

Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gehe dahin, solche Vorkommnisse zu kontrollieren, was sie offensichtlich unterlassen habe.

Wenn das landgerichtliche Urteil daran zweifle, dass der Unfall sich an dem Kanaldeckel ereignet habe, da er ausweislich des Polizeiberichts nach dem Unfall ca. 14 m nach dem Kanaldeckel gelegen habe, zeige dies nur, dass das Gericht eine entsprechende Berechnung unterlassen habe: Bei einer erlaubten Geschwindigkeit von 30 km/h lege ein Fahrzeug 8,33 m in der Sekunde zurück; nach 2 Sekunden somit knappe 17 m. Er sei in die Luft geflogen, um dann auf dem Boden weiter zu schlittern. 14 m wären bei dieser Geschwindigkeit nicht in einem Bereich, bei dem man ernsthaft daran zweifeln dürfe, dass die Kuhle vor dem Kanaldeckel den Unfall verursacht habe. Die Aussage des Zeugen Y habe diese Stelle auch als Unfallstelle bestätigt. Der Polizeibericht widerspreche dem nicht. Selbst wenn die Geschwindigkeit nur 20 km/h gewesen wäre, lege ein Radfahrer in 1 Sekunde 5,5 m zurück und wäre eine Entfernung von 14 m nicht so groß, dass man an der Aussage des Zeugen Y zweifeln dürfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs spreche ein Beweis des ersten Anscheins für eine Schadstelle als Unfallstelle.

Die Annahme des Landgerichts, das Fahren mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h stelle einen gravierenden Sorgfaltsverstoß dar, entbehre jeglichem realen Hintergrund. Die Straße sei über 100 bis 200 m einsichtig; Hindernisse, die sich über der Straße befänden, wären völlig problemlos erkennbar gewesen. Die Kuhle vor dem Kanaldeckel sei aber schlichtweg nicht erkennbar gewesen. Es habe sich nicht um einen Riss gehandelt, der durch andersartige Farbschattierungen aufgefallen wäre, nicht um eine Rinne oder Rille, die sich durch scharfkantige Ränder abgehoben habe, sondern um eine Senkung, die aus demselben Material bestanden habe wie die umliegende Straße ohne besondere Kennzeichen.

Sein Prozessbevollmächtigter könne aus eigener Kenntnis bestätigen, dass die Kuhle nicht erkennbar gewesen sei. So habe er bei einem seiner Augenscheinsbesuche einen Pkw bergaufwärts mit den aus seiner Sicht rechten Rädern über die Stelle fahren sehen, was zu deutlichen „Wackelbewegungen“ dieses Fahrzeugs geführt habe. Da ein Fahrrad keine Stoßdämpfer habe, seien die durch die Kuhle ausgelösten Stöße unmittelbar auf das Fahrrad und den Fahrer übertragen worden.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sei seine Geschwindigkeit den Sichtverhältnissen angepasst gewesen. Er sei nicht schneller als 30 km/h gefahren; die Straße sei gut einsehbar gewesen und es habe zum Unfallzeitpunkt gutes Wetter geherrscht. Selbst bei höchster Aufmerksamkeit habe er die Gefahrenstelle nicht vorher erkennen können.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz anwendbar. Der Schluss des Landgerichts, da sich das Fahrrad nach dem Sturz nicht mehr in unmittelbarer Nähe der Gefahrenstelle befunden habe, würde ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit nicht greifen, sei falsch. Der Grundsatz müsse auch für Unfälle gelten, bei denen ein Verunfallter durch die Geschwindigkeit eben nicht oder neben dem Kanaldeckel bzw. der Unfallstelle zu liegen komme, sondern weiter weg geschleudert werde.

Dass die Rechtsprechung des LG Stuttgart zu kommunalfreundlich sei, insbesondere an Unfallstellen, bei denen schon mehrere schwere Unfälle geschehen seien, ergebe sich auch aus anderen Urteilen. So habe das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 03.08.1983 (7 U 36/83) geurteilt, dass Schachtabdeckungen im Fahrbahnbereich, die 2 cm oder weniger über das Niveau des Straßenbelags herausragten, verkehrswidrig sein können. Der Bundesgerichtshof habe in einem Beschluss vom 19.06.2008 eine Zustandshaftung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz angenommen, weil eine Absenkung der Pflasterung um 4,5 cm nicht mehr als verkehrssicher anzusehen sei. Das KG habe in einer Entscheidung vom 16.07.2010 (9 U 103/09) dahingehend geurteilt, dass, wenn ein sorgfältiger Radfahrer die Gefährlichkeit einer Aufwölbung nicht rechtzeitig erkenne, der Verkehrssicherungspflichtige auf diese Gefahrenstelle hinweisen müsse, was vorliegend nicht geschehen sei.

Der vorliegende Fall sei mit demjenigen vergleichbar, den das OLG Frankfurt am 19.06.2008 entschieden habe (1 U 30/08). Dieses habe angenommen, dass das „Vorhandensein der Anlage“ als Schadensursache in Betracht komme, wenn ein Kanaldeckel nicht mehr vollständig in die Pflasterung eingefügt gewesen sei, nachdem diese sich am Rand des Deckels abgesenkt habe, zumal ausreiche, dass die Anlage eine der Schadensursachen gewesen sei.

Wenn man die Maßstäbe an die Erkennbarkeit einer Gefahrenstelle anlege, die der BGH in seiner Entscheidung vom 05.07.2012 (III ZR 240/11) aufgestellt habe, könne vorliegend erst recht keine Erkennbarkeit angenommen werden. § 7 des Berliner Straßengesetzes, auf den der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung abgehoben habe, entspreche § 9 des Straßengesetzes Baden-​Württemberg. Das Argument des Bundesgerichtshofs, dass es auf die Erkennbarkeit nach der konkreten landesrechtlichen Regelung nicht ankomme, gelte auch für § 9 Straßengesetz. Auch stelle der Bundesgerichtshof klar, dass es nicht nur auf die Erkennbarkeit ankomme, sondern auch darauf, dass sich der Benutzer auf die Gefahr einstellen könne, was etwa dann in Betracht komme, wenn er einer auf einem Gehweg vorhandenen Gefahrenstelle unproblematisch auszuweichen vermöge. Insofern dürfte die bisherige Rechtsprechung des OLG Stuttgart, jedenfalls in der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung, zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Widerspruch stehen.

Der Kläger beantragt:

   Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.01.2013 (15 O 358/11) wird aufgehoben und auf die Berufung hin wie folgt abgeändert:

  1.  Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materielle Schäden aus dem Unfall vom 24.10.2009 auf dem Weg in Z zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

  2.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.08.2010 zu bezahlen.

  3.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 750,00 € ab 01.11.2009 monatlich im Voraus, jeweils zum 1. eines Monats zu bezahlen.



Die Beklagte beantragt:

   Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.


Das Landgericht habe die beigebrachten Tatsachen fehlerfrei erfasst und auch bewertet. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung seien nicht ansatzweise erkennbar. Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts begegne keinen Bedenken. Deshalb sei die Berufungsinstanz an die vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen gebunden.

Das Landgericht habe festgestellt, und zwar aufgrund der vorgelegten Lichtbilder und der Schilderungen des Klägers und des Zeugen Y, dass die Unebenheiten auf der Fahrbahn als auch die Schachtdeckel ohne weiteres erkennbar gewesen seien. Die Feststellung des Landgerichts, dem Kläger sei der Zustand des Belags bekannt gewesen, sei aufgrund dessen eigener Angabe, er sei diese Strecke mal rauf- und mal runtergefahren und es sei seine Hausstrecke gewesen, berechtigt.

Auch die Erkennbarkeit der angeblich unfallursächlichen Bodenwelle im Speziellen habe das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt und seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Nachdem dies im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.07.2012 ausführlich erörtert und der Kläger darauf hingewiesen worden sei, dass ein Problem darin gesehen werde, dass die Straße insgesamt in schlechtem Zustand gewesen sei, er diese Strecke gekannt habe und insoweit in hohem Maße hätte vorsichtig sein müssen (S. 4 des Protokolls, Bl. 94), habe der Kläger erstinstanzlich keinen Vortrag gehalten, der bezüglich der Erkennbarkeit der Bodenwelle und des Straßenzustands eine vom nach Inaugenscheinnahme der von den Parteien vorgelegten Lichtbildern gewonnenen Eindruck abweichende Beurteilung erlaubt hätte.

Auf den mit dem Verkehrsunfallbericht der Polizei vorgelegten Lichtbildern sei deutlich erkennbar, dass die dort beschriebene leichte Bodenwelle vor dem Kanaldeckel von der Fahrtrichtung des Klägers aus gesehen nicht zuletzt wegen der umgebenden Rissbildung im Asphalt deutlich zu erkennen gewesen sei. Der Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung, wonach im Bereich der Bodenwelle keine Risse im Asphalt vorhanden gewesen seien, entspreche nicht den Tatsachen.

Ihr Vortrag in I. Instanz, der Weg sei zum Unfallzeitpunkt in seinem gesamten Verlauf sichtbar nicht durchweg in tadellosem Zustand gewesen, der aber ein lückenlos gefahrloses Befahren ermöglicht habe, aber in loser Abfolge immer wieder erkennbar Unebenheiten oder Risse im Asphalt aufgewiesen habe, sei vom Kläger nicht bestritten worden.

Das Landgericht habe sich auch mit dem letztlich irrelevanten Sachvortrag des Klägers auseinandergesetzt, die Sicht auf den Bodenbelag sei durch die tiefstehende Sonne beeinträchtigt gewesen.

Zu Unrecht greife der Kläger auch die Tatsachenbewertung des Landgerichts Stuttgart im Zusammenhang mit der angeblichen Unfallursächlichkeit der Bodenwelle an. Der Kläger selbst habe die Unfallstelle nicht bezeichnen können (S. 3 des Protokolls vom 27.07.2012, Bl. 93). Nach den Angaben des Zeugen Y habe nicht zweifelsfrei festgestanden, dass die nähere Umgebung des dortigen Schachtdeckels tatsächlich unfallursächlich gewesen sei. Seine im nachvollziehbaren Bestreben, seinem Schwiegervater zu helfen, getätigten Aussagen seien letztlich in sich widersprüchlich gewesen, denn einerseits habe er die Unfallursache nicht sicher benennen können, sei sich andererseits aber sicher gewesen, dass es durch eine äußere Vertiefung oder Erhebung passiert sein müsse. Eine „Kante“, welche nach der Vermutung des Zeugen den Sturz verursacht habe, sei am Schachtdeckel nach den Lichtbildern nicht vorhanden gewesen.

Das Landgericht sei deshalb zu Recht nicht davon überzeugt gewesen, dass der Kläger tatsächlich an der auf dem Lichtbild Nr. 2 des Verkehrsunfallberichts dokumentierten Stelle zu Fall gekommen sei. Insbesondere habe es die Entfernung der Endlage des Klägers zu der Bodenwelle von 14 m nicht fehlerhaft in seine Tatsachenbewertung einfließen lassen, denn ein erstinstanzlicher Tatsachenvortrag des Klägers dahin, dass seine Endlage mit einem Sturz an der behaupteten Stelle zwanglos in Zusammenhang gebracht werden könne, sei nicht gehalten worden. Im Gegenteil habe der Kläger im Rahmen seiner Anhörung (S. 3 des Protokolls vom 27.07.2012, Bl. 94) auf die Frage, ob er das Gefühl gehabt habe, er sei 14 m „geflogen“, ausgesagt: „Nein, das Gefühl habe er nicht“.

Angesichts der insgesamt unebenen Ausgestaltung des Weges im Bereich vor der Endlage des Klägers sei ein Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich der Unfallursächlichkeit der Bodenwelle ausgeschlossen. Diese habe auch für sich genommen keine gefährlichen Ausmaße gehabt, insbesondere keine exponierte Stellung im Verhältnis zu ihrer unmittelbaren Umgebung oder solch gravierende Ausmaße, die als Anknüpfungspunkt für einen typischerweise darauf folgenden Geschehensablauf geeignet wären.

Zu Unrecht meine der Kläger, das Landgericht habe übersehen, dass an dieser Stelle bereits zwei Fahrradunfälle geschehen seien. Der Kläger habe nämlich in I. Instanz keinen Beweis dafür angeboten, dass ihr, der Beklagten, die behaupteten Stürze bekannt geworden seien, sondern das Zeugnis der Frau A dafür angeboten, dass an dieser Stelle Unfälle geschehen seien. Ihre, der Beklagten Kenntnis der Stürze sei weder dargelegt noch unter Beweis gestellt worden.

Das Urteil des Landgerichts beruhe auch nicht auf einer unzutreffenden Anwendung des materiellen Rechts. Zu Unrecht meine der Kläger, dass es für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht nicht auf die Stärke des (zu erwartenden) Verkehrs ankomme. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung werde der Umfang der Verkehrssicherungspflicht maßgebend bestimmt durch die Art und Häufigkeit der Benutzung der Straße und ihre Verkehrsbedeutung. Der Straßenbenutzer müsse sich den gegebenen Straßenverhältnissen grundsätzlich anpassen und habe die Verkehrsfläche so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbiete. Selbstverständlich bestünden an eine Hauptverkehrsstraße höhere Sorgfaltsanforderungen als an eine bloße Anliegerstraße und an Fußgängerzonen höhere als an Bürgersteige am Rande eines Wohngebiets.

Der Verkehrssicherungspflichtige müsse nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lasse, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar seien und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermöge. Vor Besonderheiten einer Straße, die ein sorgfältiger Fahrradfahrer mit beiläufigem Blick erfassen könne, brauche nicht gewarnt zu werden.

Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Landgericht eine Verkehrssicherungspflichtverletzung zutreffend verneint. Der Weg sei eine Anliegerstraße mit völlig untergeordneter Verkehrsbedeutung, was der Kläger erstinstanzlich auch nicht in Abrede gestellt habe. Die geringe Asphaltverwerfung vor dem Kanaldeckel sei, wie erstinstanzlich unter Beweisantritt vorgetragen, gut erkennbar gewesen. Der Asphaltbereich sei nicht zuletzt durch die Risse deutlich als nicht ebene Fläche erkennbar gewesen.

Vorliegend handle es sich nicht einmal um eine schlecht erkennbare scharfkantige Schadstelle, sondern um eine weithin sichtbare leichte Bodenwelle. Flache Mulden in der Fahrbahndecke stellten jedoch für den Verkehr keine für die Verkehrssicherungspflicht relevante Gefährdung dar. Dies gelte auch unter Berücksichtigung von zu erwartendem Fahrradverkehr.

Auch im Hinblick auf die Höhe der Bodenwelle liege eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht vor. Die erstinstanzlich vom Kläger vorgetragenen, von ihr bestrittenen Höhenangaben beruhten auf einer abenteuerlichen Messung, deren Ergebnis mit der Realität nichts zu tun habe. Zu Recht habe das Landgericht zur Höhe der Asphaltverwerfung kein Sachverständigengutachten eingeholt, denn auf die Höhe sei es angesichts der Lage der Welle mitten auf der Straße und ihrer guten Erkennbarkeit nicht angekommen. Selbst wenn die Höhenangabe des Klägers von 7 cm als richtig unterstellt werde, würde hieraus angesichts der weitläufigen Verteilung der Höhendifferenz und des Fehlens scharfkantiger Verwerfungen keine Verkehrssicherungspflichtverletzung folgen. Selbst bei Schlaglöchern tendiere die Rechtsprechung dazu, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nur anzunehmen, wenn es sich um Schlaglöcher mit einer Tiefe von um die 20 cm handle. In Bezug auf Radfahrer stellten Unebenheiten mit einer Tiefe von bis zu 5 cm generell keinen verkehrswidrigen Zustand dar und seien hinzunehmen. Schlaglöcher und Fahrbahnunebenheiten mit einer Tiefe von mehr als 5 cm seien vom Radfahrer ebenfalls hinzunehmen, wenn die betreffende Strecke sich in einem erkennbar schlechten Gesamtzustand befunden habe.

Ferner fehle es an der weiteren Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung, nämlich an der naheliegenden Gefahr, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten. Dies sei vorliegend bereits aufgrund der minimalen Ausmaße der Bodenwelle nicht der Fall gewesen. Sie habe nicht annehmen müssen, dass sich ein Radfahrer unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO und das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 StVO inmitten der Straßenfläche abwärts bewege. Aufgrund der festgestellten Tatsachen habe der Kläger aber gegen diese beiden Gebote verstoßen, insbesondere habe das Landgericht seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei einen Verstoß gegen das Sichtfahrgebot aus § 3 Abs. 1 StVO zu Grunde gelegt.

Zu Recht habe das Landgericht auch einen Anspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz verneint. In diesem Zusammenhang führe es zutreffend aus, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweifelsfrei feststehe, dass der Schachtdeckel im Verhältnis zum ihn umgebenden Asphalt keine erhebliche Vertiefung aufweise. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der umliegende Asphalt nicht in die Beurteilung einzubeziehen, da dieser nicht mehr Teil der Anlage sei, für die eine Gefährdungshaftung aufgrund typischerweise auftretender Gefahren gerechtfertigt wäre. Dies ergebe sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt vom 19.06.2008, denn dort sei es so gewesen, dass der Radfahrer gegen einen nicht mehr plan in die Pflasterung eingebetteten Kanalschacht oder Kanaldeckel gefahren sei. Hier habe der Kläger aber in I. Instanz vorgetragen, er habe die Kontrolle über sein Fahrrad aufgrund der Bodenwelle verloren. Nach den Lichtbildern sei außerdem ausgeschlossen, dass der Kläger gegen einen Kanalschacht/-​deckel gestoßen sei, da ein entsprechender Überstand nicht existiere. Eine Welle des umgebenden Asphaltes genüge für eine Gefährdungshaftung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz nicht, da hierunter keine Schäden fielen, die nicht durch den Zustand der Anlage, sondern entscheidend aus anderen Ursachen wie Setzungen und Einbrüchen im Straßengrund eingetreten seien.

4. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2013 verwiesen.

5. Die Akten des Polizeireviers B (Az.: VUO/.../2009) waren beigezogen (nach Bl. 64).

Der Senat hat im Termin vom 19.06.2013 Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der am 18.06.2013 in digitaler Form vom Polizeirevier B übersandten Farblichtbilder.





II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Klage zwar zulässig, aber nicht begründet ist.

Dabei ist der Klagantrag Ziff. 3 nur insoweit Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, als der Kläger mit Berufungsantrag Ziff. 3 eine monatliche Schmerzensgeldrente i. H. v. 750 € begehrt. In erster Instanz hatte er eine solche von 1.000 € beantragt (S. 2 des Schriftsatzes vom 26.11.2012, Bl. 106). Zwar findet sich im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ein Antrag auf Zahlung einer monatlichen Rente von 750 € (LGU S. 6 oben), dessen Beweiskraft gem. § 314 Satz 1 ZPO ist aber vorliegend gem. § 314 Satz 2 ZPO entkräftet, weil ausweislich des Protokolls vom 27.11.2012 der Kläger den Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.11.2012 stellte, der einen Antrag auf Zuerkennung einer Rente von 1.000 € monatlich beinhaltete (S. 5, Bl. 114); die Stellung des Antrags gilt dabei nach §§ 165, 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO als bewiesen.

A.

Die Klage ist insgesamt und auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig.

Die von der Beklagten gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage geäußerten Bedenken greifen nicht durch:

Ein ausreichendes Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich vorliegend bereits aus dem auch vom Kläger geltend gemachten Zweck, die Verjährung zu unterbrechen. Die Verjährung wäre vorliegend aufgrund des Umstands, dass sich der Unfall am 24.10.2009 ereignete, gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31.12.2011 eingetreten. Nachdem die Haftpflichtversicherung der Beklagten die geltend gemachten Schadensersatzansprüche (Schreiben vom 05.08.2010, Anl. K 2, Bl. 22) in ihrer ersten Reaktion bereits definitiv zurückgewiesen hatte (Schreiben vom 04.10.2010, Bl. 25), bestand für die Klägerseite auch hinreichender Anlass für verjährungshemmende Maßnahmen. Hinzu kommt, dass bei der Verletzung eines absoluten Rechts ein Feststellungsinteresse bereits dann gegeben ist, wenn künftige Schadensfolgen möglich sind, selbst wenn ihr Eintritt noch ungewiss ist (BGH MDR 2007, 792 Tz. 5; BGH NJW 2001, 1431, 1432; Zöller-​Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 9). Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, ebenda).Im vorliegenden Fall ist die Möglichkeit künftiger Schadensfolgen angesichts der behaupteten schweren Verletzungen des Klägers ohne weiteres gegeben.

Im Übrigen steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage vorliegend auch nicht der Grundsatz entgegen, dass dann, wenn eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist, regelmäßig kein Feststellungsinteresse besteht (Zöller-​Greger, a.a.O., § 256 Rn. 7a), denn dies gilt nicht, wenn zu erwarten ist, dass der Beklagte bereits auf Feststellungsurteil hin leisten wird, was für die öffentliche Hand anzunehmen ist (BGH NJW 1984, 1118, 1119 m.w.N.). Abgesehen davon ist der vom Kläger geltend gemachte Schaden aufgrund der behaupteten dauerhaften Verletzungsfolgen noch in der Entwicklung begriffen.


B.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu.

1. Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Grundgesetz) verneint. Die Beklagte hat ihre Straßenverkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

a) Vorliegend ist die Straßenverkehrssicherungspflicht einschlägig, da es sich bei dem Weg unstreitig um eine Gemeindestraße handelt, für welche die Beklagte gemäß § 44 Straßengesetz die Straßenbaulast im Sinne von § 9 Straßengesetz trägt mit der Folge, dass sie auch die Verkehrssicherungspflicht in Form der Straßenverkehrssicherungspflicht trifft. Die Verletzung derartiger hoheitlich ausgestalteter Verkehrssicherungspflichten ist drittschützend und grundsätzlich geeignet, einen Amtshaftungsanspruch auszulösen (BGH NJW 1991, 33, 34; BGH VersR 1979, 541).

aa) Inhaltlich entspricht die öffentlich-​rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (BGH NJW 1979, 2043 f.; VersR 1979, 1055; NJW 1980, 2193, 2194; NJW 2003, 3622; Staudinger-​Wöstmann, BGB, Neubearbeitung 2013, § 839 Rn. 697; speziell zu § 59 Straßengesetz Lorenz, Landesstraßengesetz Baden-​Württemberg, § 59 Rn. 9, 12).

Der Umfang der Straßenverkehrssicherungspflicht wird dabei von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustands. Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH VersR 1979, 1055; NJW 1980, 2193, 2194; NJW 1979, 2043, 2044; speziell zu § 59 Straßengesetz Lorenz, a.a.O., Rn. 23). Die Straßenverkehrssicherungspflicht ist dabei von der Straßenbau- und -unterhaltungslast zu unterscheiden, auch wenn beide Pflichten den Straßenbaulastträger treffen; die Straßenbau- und -unterhaltungslast besteht dabei nur im öffentlichen Interesse und kann mithin keine Amtshaftungsansprüche begründen (siehe nur BGH NJW 1991, 33, 34 und aus der Literatur Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Staats- und Amtshaftungsrechts, 2. Aufl., Rn. 519).

Ein „hinreichend sicherer“ Straßenzustand bedeutet aber nicht, dass die Straße praktisch völlig gefahrlos sein muss (BGH VersR 1957, 371; BGH VersR 1989, 927 = NJW 1989, 2808 = BGHZ 108, 273; BGH VersR 1967, 281 Rn. 18 in Juris; aus der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa OLG Hamm OLGR 2009, 424, 425; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.01.2012, 4 U 480/10 Rn. 40 in Juris; OLG Koblenz, DAR 2001, 460 Rn. 9 in Juris, Senat, NJW-​RR 2004, 104 Rn. 12 in Juris).

bb) An diesen Grundsätzen hat sich jedenfalls nach der in Baden-​Württemberg geltenden Rechtslage durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.07.2012 (III ZR 240/11, VersR 2012, 1434 = DAR 2012, 572) nichts geändert:

(1) Soweit der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung (a.a.O., Tz. 10) ausführt, eine Pflichtverletzung könne auch bei Erkennbarkeit der Gefahrenlage nicht ausscheiden, weil es hierauf nach der konkreten landesrechtlichen Regelung nicht ankomme, unterscheidet sich die Rechtslage in Berlin in entscheidenden Punkten von der in Baden-​Württemberg geltenden Rechtslage:

Zwar ist es zutreffend, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Straßengesetz wie nach § 7 Abs. 2 Satz 2 des Berliner Straßengesetzes die öffentlichen Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten sind, wobei die Belange von Menschen mit Behinderungen und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung zu berücksichtigen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 3 Berliner Straßengesetz und § 9 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. Straßengesetz), und ist hier wie dort auf einen nicht verkehrssicheren Zustand durch Verkehrszeichen hinzuweisen (§ 7 Abs. 2 Satz 4 Berliner Straßengesetz und § 9 Abs. 2 Straßengesetz, allerdings mit der Einschränkung im 2. Hs. für beschränkt öffentliche Wege).

Entscheidend ist aber, dass § 7 Abs. 2 Satz 5 Berliner Straßengesetz ausdrücklich Straßenbaulastträgern die Pflicht auferlegt, alsbald einen verkehrssicheren Zustand wieder herzustellen (unabhängig von der Erkennbarkeit der Gefahrenquelle) und dass - insbesondere - über die Verweisung in § 7 Abs. 6 Satz 2 des Berliner Straßengesetzes diese aus der Straßenbaulast fließende Pflicht zum Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht gemacht wird. Das Straßengesetz kennt hingegen eine solche ausdrückliche Wiederherstellungspflicht nicht, insbesondere fehlt es aber an einer § 7 Abs. 6 Satz 2 Berliner Straßengesetz entsprechenden Norm, welche die an den Träger der Straßenbaulast gestellten Anforderungen zum Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht machte. Vielmehr richtet sich deren Inhalt, nachdem diese in § 59 Straßengesetz hoheitlich ausgestaltet, aber nicht inhaltlich näher definiert wird, nach den oben dargestellten und in Jahrzehnten entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung zur (Straßen-​)Verkehrssicherungspflicht. Dies entspricht sowohl der Ansicht der Kommentarliteratur (etwa Lorenz, ebenda) als auch der ständigen Rechtsprechung des Senats (neben den von den Parteien und dem Landgericht bereits in erster Instanz angeführten Entscheidungen etwa auch Senat, NJW-​RR 2004, 104 Rn. 12 in Juris).


(2) Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 05.07.2012 (a.a.O., Tz. 11) den schon bisher geltenden Grundsatz betont, dass die bloße Erkennbarkeit der Gefahrenstelle einen verkehrspflichtwidrigen Zustand nicht ausschließt, vielmehr dies nur dann gilt, wenn der Verkehrsteilnehmer sich auf die Gefahrenstelle rechtzeitig einzurichten vermag und dabei klargestellt, dass dem nicht so ist, wenn der Verkehrsteilnehmer der Gefahrenstelle nicht unproblematisch ausweichen kann, etwa weil wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sich der ganze Überweg in einem so desolaten Zustand befand, dass er in jedem Falle gezwungen war, Teile zu begehen, die sich in einem schlechten Zustand befanden und mithin eine gefahrlose Benutzung nicht möglich war (a.a.O., Tz. 11 und 12).

cc) Zu Unrecht folgert der Kläger aus der Formulierung in § 9 Abs. 1 Satz 2 Straßengesetz, wonach die Straßen „in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu unterhalten seien“, dass es auf die Art von Verkehr, Benutzungshäufigkeit, Wichtigkeit (der Straße) etc. nicht ankomme. Vielmehr entscheidet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage, ob eine Straße „in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand“ ist, nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, wobei gerade Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seine Bedeutung zu berücksichtigen sind und mit der Formulierung nicht gemeint ist, dass die Straße praktisch völlig gefahrlos sein muss (BGH VersR 1989, 927).

Die Maßstäbe, von denen das Landgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, ausgegangen ist (LGU S. 9 f. unter I. 1. a der Entscheidungsgründe), sind mithin nicht zu beanstanden.

b) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Beklagte ihre (Straßen-​)Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.

aa) Dabei trifft für das Vorliegen eines objektiv verkehrspflichtwidrigen Zustands die Beweislast den Kläger (vgl. nur BGH NJW 2009, 3302 Tz. 4 - zur Räum- und Streupflicht -; BGH VersR 1985, 641 Rn. 19 in Juris; BGH VersR 1957, 371; Staudinger-​Hager, a.a.O., § 823 Rn. E 96; Palandt-​Sprau, BGB, 72. Aufl., § 823 Rn. 54) .

Der Umstand, dass die Beklagte die beanstandete Stelle zwischenzeitlich saniert hat, ändert hieran nichts. Zwar kann in der Sanierung der vom Geschädigten als unfallursächlich behaupteten Gefahrenstelle unter Umständen ein Fall der Beweisvereitelung liegen (etwa OLG Köln OLGR 1992, 50, 51 = VersR 1992, 355; OLG Bremen OLGR 2008, 488, 489 = MDR 2008, 1061) mit der Folge, dass es Beweiserleichterungen für die beweisbelastete Partei bis hin zur Beweislastumkehr gibt (allgemein BGH NJW 1986, 59, 61). Vorliegend ist aber kein Fall gegeben, in dem die Beklagte als Verkehrssicherungspflichtige dem Kläger als Geschädigten durch die Sanierung die Beweisführung schuldhaft unmöglich gemacht oder erschwert hat. Dies wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Auch wenn der Geschädigte bereits Ansprüche geltend gemacht hat, ist eine Sanierung nicht zwingend eine Beweisvereitelung, jedenfalls dann nicht, wenn der vorherige Zustand dokumentiert wird (vgl. OLG Frankfurt VersR 1984, 1154; OLG Köln VersR 1992, 355, 356) oder dem Geschädigten bzw. dem anwaltlichen Vertreter des Geschädigten vorher Gelegenheit für entsprechende Feststellungen gegeben wird (OLG Köln ebenda). Im vorliegenden Fall ist der Zustand vor der Sanierung sowohl durch die von den Polizeibeamten im Rahmen der Unfallaufnahme gefertigten Lichtbilder (nach Bl. 64 sowie in farbiger Version übersandt am 18.06.2013 und vom Senat im Termin vom 19.06.2013 in Augenschein genommen) als auch durch von der Beklagten selbst (Bl. 42 ff.), insbesondere aber auch vom Zeugen Y gefertigte Lichtbilder (Bl. 8 ff.), welche dem Kläger zur Verfügung gestellt wurden, in aussagekräftiger Weise fotografisch festgehalten worden und hat auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Unfallort vor der Sanierung (mehrfach) in Augenschein nehmen können (S. 5 und 7 der Berufungsbegründung, Bl. 186 und 188).

bb) Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht geführt. Vielmehr ergibt sich aus den vorliegenden Lichtbildern, dass die vom Kläger beanstandete Stelle nicht in einem objektiv verkehrspflichtwidrigen Zustand war.

(1) Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass die Straße an der vom Kläger behaupteten Unfallstelle Unebenheiten in einem Maß aufgewiesen hat, welche einen objektiv verkehrswidrigen Zustand begründen würden.

(a) Bei der Beurteilung derartiger Unebenheiten ist der bereits oben unter a) aa) dargelegte Grundsatz zu beachten, dass der Straßenverkehrssicherungspflichtige nicht für einen schlechthin gefahrlosen Zustand der Straße sorgen muss. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verlangt mithin nicht, dass eine Straße keinerlei Unebenheiten aufweist. Gewisse Unebenheiten / Höhendifferenzen im öffentlichen Straßenraum sind hinzunehmen, da zum Einen ein völliges Freihalten der Verkehrsflächen von Unebenheiten dem Verkehrssicherungspflichten nicht zumutbar ist und zum Anderen bei geringen Höhendifferenzen die Unfallgefahr als so geringfügig zu bewerten ist, dass der Zustand der Straße trotz der (kleinen) Bodenunebenheit noch als verkehrssicher einzustufen ist (BGH VersR 1957, 371; BGH NJW-​RR 1995, 1302, 1303). Diese Grundsätze sind vom Bundesgerichtshof zunächst für den Fußgängerverkehr auf Gehwegen aufgestellt worden (VersR 1957, 371), aber hierauf nicht beschränkt, wie die Entscheidung BGH NJW-​RR 1995, 1302 allgemein und insbesondere die zahlreichen ober- und instanzgerichtlichen Entscheidungen zeigen, welche sich mit der Frage befassen, welche Schlaglöcher oder sonstigen Unebenheiten der Fahrbahn noch hinzunehmen sind (siehe etwa die Nachweise bei Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl., Rn. 90 ff und Stein/Itzel/Schwall, a.a.O., Rnrn. 533, 541, 542). Schlaglöcher von geringer Tiefe sind danach auf der Fahrbahn regelmäßig hinzunehmen (OLG Braunschweig NVwZ-​RR 2003, 755 Rn. 30 in Juris), auch von Radfahrern (ebenda). Während für den Fußgängerverkehr in Fußgängerzonen, auf Gehwegen an belebten Hauptstraßen (etwa BGH VersR 1967, 281; OLG Hamm NJW-​RR 1987, 412 f.) oder auf Überwegen über belebte Kreuzungen (OLG Karlsruhe MDR 1984, 59) je nach den Umständen des Einzelfalls schon Niveauunterschiede von 1,5 bis 2 cm als nicht mehr hinnehmbar anzusehen sind, werden auf Fahrbahnen von Straßen, und zwar auch gegenüber Radfahrern, Schlaglöcher oder Vertiefungen im Bereich von 4 cm mitten in der Straße als gewöhnlich noch nicht verkehrswidriger Zustand angesehen (etwa OLG Koblenz DAR 2001, 460), wobei aber immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dabei sind Mulden eher hinzunehmen als scharfkantige Ver-​/Absätze (OLG Frankfurt VersR 1984, 394; OLG Braunschweig, ebenda), weil sie eine geringere Gefährlichkeit aufweisen.

(b) Vorliegend kann nicht angenommen werden, dass die beanstandete Stelle der Straße mehr als kleine, noch hinzunehmende Bodenunebenheiten aufwies und sich deshalb nicht (mehr) in einem verkehrssicheren Zustand befand.

Der Kläger behauptet das Vorliegen eines verkehrspflichtwidrigen Zustands infolge einer „Kuhle“ von ca. 7 cm Tiefe vor dem Kanaldeckel und einer „Vertiefung“ von ca. 4 cm hinter dem auf den Lichtbildern Bl. 8 ff. sichtbaren Schachtdeckel (jeweils gesehen in Fahrtrichtung des Klägers, bergab) und meint ferner, der „leichte Überstand“ des Kanaldeckels (nach der Richtung, aus welcher der Kläger kam) habe „vermutlich“ zur Schwere des Unfalls beigetragen.


(aa) Was die „Vertiefung“ nach dem Kanaldeckel von behaupteten, aber bestrittenen 4 cm betrifft, so ist eine solche auf den Lichtbildern nicht sichtbar, weder aus den vom Kläger zu den Akten gegebenen Lichtbildern (Bl. 8 ff.) noch auf denen der polizeilichen Unfallaufnahme (Verkehrsunfallanzeige des Polizeireviers B, nach Bl. 64 sowie die dem Senat am 18.06.2013 in digitaler Form übersandten und im Termin vom 19.06.2013 in Augenschein genommen Farblichtbilder) noch auf den von der Beklagten zur Akte gegebenen Lichtbildern (Anl. B 3, Bl. 42 ff.). Diese behauptete Unebenheit kann aber auch deshalb außer Betracht bleiben, weil nach dem Sachvortrag des Klägers nicht ersichtlich ist, dass dieser Zustand nach dem Kanaldeckel für den Unfall relevant war: Der Kläger hat den Unfall selbst so geschildert, dass er in die „Kuhle oder Schanze“ geraten sei und es ihm dann den Lenker verrissen habe (S. 2 des Protokolls vom 27.07.2012, Bl. 92) und sein Prozessbevollmächtigter hat nach Durchführung der Vernehmung des Zeugen Y, der den Riss mit einer Kante vor dem Schachtdeckel für unfallursächlich hielt (S. 3 des Protokolls vom 27.11.2012, Bl. 112) vorgetragen, der Kläger sei erschrocken, als ihn die Kuhle von rund 7 cm völlig überraschend nach unten gebracht habe. Auch in der Berufungsbegründung wird darauf abgestellt, dass unfallverursachend die „Kuhle vor dem Kanaldeckel“ gewesen sei (S. 4 und 7, Bl. 185 und 188).

(bb) Es lässt sich aber nicht feststellen, dass vor dem Kanaldeckel eine „Kuhle von rund 7 cm“ gegeben war. Vielmehr ergibt sich aus den vom Kläger selbst vorgelegten Lichtbildern Bl. 9 und 10, dass die maßgeblichen Höhendifferenzen weitaus geringer waren und die von der Beklagten genannte Größenordnung von ca. 1,5 cm kaum überschritten haben:

Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass sich bei der Messung, wie sie auf dem Lichtbild Bl. 8 fotografisch wiedergegeben ist, an dem an der Wasserwaage angelegten Meterstab ein Wert von 7 cm (sogar noch etwas mehr) ergab (siehe Lichtbild Bl. 11). Abgesehen davon, dass offenbar die Person, welche mit dem Fuß auf der dem Schachtdeckel zugewandten Seite der Wasserwaage steht (nach eigenen Angaben der Zeuge Y, S. 3 des Protokolls vom 27.11.2012, Bl. 112), die Wasserwaage nach unten drückt und diese nicht ins Wasser gestellt war (S. 4 des Protokolls, Bl. 113), gibt diese Messung nicht die maßgebliche Höhendifferenz wieder: Bei der Frage, welche Bodenunebenheiten und aus diesen resultierenden Höhenunterschiede hinzunehmen sind, kann es nur darum gehen, welchen Unebenheiten sich der Verkehrsteilnehmer tatsächlich gegenübersieht, also welche Höhendifferenzen er tatsächlich zu meistern hat. Der auf den Schachtdeckel zufahrende Radfahrer hat hier aber gerade nicht „auf einmal“ einen Versatz von 7 cm meistern müssen: er musste vielmehr eine leichte Bodenwelle - wie sie auch in der Verkehrsunfallanzeige des Polizeireviers B zu Recht bezeichnet wird (S. 2) - meistern, wobei quer in der Fahrbahn Risse verliefen.

Aussagekräftig für die beim Durchfahren der Bodenwelle („Kuhle“) zu meisternden Höhendifferenzen sind vielmehr die vom Kläger als Bl. 9 und 10 sowie die von der Beklagten als Teil der Anl. B 3 vorgelegten Lichtbilder Bl. 42 und 47. Diese zeigen im Bereich des sich rechts befindenden, quer vor dem Schachtdeckel verlaufenden Risses (auf den Lichtbildern 3 und 4 der polizeilichen Unfallaufnahme, nach Bl. 64, der „linke“ der beiden vor dem Kanaldeckel zu sehenden Risse) zwar eine Bodenwelle (oder Mulde), deren Tiefe aber als geringfügig anzusehen ist: Berücksichtigt man, dass die Wasserwaage ausweislich der Bl. 11 vorgelegten Lichtbilds eine Breite von ca. 4,5 bis 5 cm aufweist, so ergibt sich aus Bl. 9 allenfalls eine Vertiefung von ca. 2 cm. Weiter ergibt sich aus den Lichtbildern Bl. 9 und 10, aber auch aus dem Lichtbild Bl. 47, dass die vom Zeugen Y als unfallursächlich vermutete Kante an dem Riss, der sich auf Bl. 8 ungefähr unter der Libelle der Wasserwaage befindet (also auf den Lichtbildern 3 und 4 der polizeilichen Unfallaufnahme der linke Riss) eine minimale Höhe aufweist und sich nicht einmal feststellen lässt, dass diese den cm-​Bereich erreicht.

Diese Höhendifferenzen, wie sie sich aus den Lichtbildern ergeben, sind bei einer Straße wie dem Weg hinzunehmen, zumal die Bodenwelle lediglich leichte Schwingungen aufweist und sich an den Rissen allenfalls minimale Kanten gebildet hatten, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei dem Weg um eine Erschließungsstraße für eine Wohnbebauung handelt, welche unstreitig jedenfalls für den Kraftfahrzeugverkehr geringe Verkehrsbedeutung hat. Selbst unterstellt, dass der Weg in dem Abschnitt, in welchem der Unfall geschah, Teil eines Radwanderweges war bzw. ist, begründet dies keine weitergehenden Verkehrssicherungspflichten gegenüber Radfahrern. Anders mag dies sein, wenn es sich bei dem Weg um einen als Radweg gekennzeichneten Weg gehandelt hätte oder er aufgrund seiner baulichen Gestaltung als solcher einzuordnen wäre. Unangegriffen und zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass dies nicht der Fall ist.

Vielmehr bestand vorliegend aufgrund der (nur feststellbaren) geringen Höhendifferenzen, die überdies nicht scharfkantig waren, nicht - wie für die Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung erforderlich (vgl. nur BGH NJW 2006, 610 Tz. 10 m.w.N.) - die naheliegende Möglichkeit, dass Radfahrer durch Unfälle an der besagten Stelle, wie sie der Kläger bedauerlicherweise dennoch erlitten hat, zu Schaden kommen, zumal zu berücksichtigen ist, dass sich die beanstandete Stelle etwa in der Mitte der Straße befand und mithin außerhalb des Bereichs, den Radfahrer gewöhnlich (infolge des Rechtsfahrgebots, § 2 Abs. 2 StVO) benutzen (vgl. OLG Celle, VersR 1989, 207).

Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von demjenigen, den das Kammergericht in der vom Kläger für seinen Rechtsstandpunkt angeführten Entscheidung 9 U 103/09 vom 16.07.2010 (DAR 2011, 135) zu beurteilen hatte, denn dort gab es zwei Aufbrüche im Belag mit einer 20 cm breiten Riefenbildung, die „hoch“ waren, wozu noch Wurzelerhebungen von 4,5 cm Höhe traten, die sich überdies über die gesamte Radwegbreite erstreckten (a.a.O., Rn. 2 in Juris).

(cc) Ein objektiv verkehrswidriger Zustand lässt sich auch nicht aus dem vom Kläger selbst so bezeichneten „leichten Überstand“ des Kanaldeckels (nach der Richtung, aus welcher der Kläger kam) herleiten.


Wie das Landgericht im Rahmen der Prüfung einer Haftung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz zu Recht festgestellt hat (LGU S. 12 unter I. 2. der Entscheidungsgründe), ergibt sich aus den vom Kläger selbst vorgelegten Lichtbildern Bl. 8 und 10, dass der Schachtdeckel (nach der Richtung, aus welcher der Kläger kam) keine erhebliche Kante aufwies. Vielmehr ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Lichtbildern Bl. 43 f., dass der Kanaldeckel nicht nennenswert, jedenfalls keine 2 cm oder mehr, aus dem Belag herausragt. Ein derart geringfügiger Überstand ist im allgemeinen im öffentlichen Straßenraum hinzunehmen (BGH NJW-​RR 1995, 1302, 1303; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Aufl., § 12 Rn. 79; Stein/Itzel/Schwall, a.a.O., Rn. 533). Bei Nebenstraßen wie dem Weg wäre ohnehin tendenziell auch bei einem noch höheren Herausragen ein (noch) verkehrssicherer Zustand anzunehmen (siehe die umfangreichen Nachweise bei Filthaut, ebenda).

Soweit der Kläger sich auf die Entscheidung OLG Karlsruhe 7 U 36/83 (MDR 1984, 59) beruft, in welcher das Herausragen eines Kanaldeckels von maximal 2 cm als verkehrswidriger Zustand angesehen wurde, handelt es sich um einen nicht vergleichbaren Sachverhalt, da es in dem damals entschiedenen Fall um eine Stelle auf der Fahrbahn ging, an der Fußgänger eine belebte innerstädtische Kreuzung überqueren mussten. Bei einer Nebenstraße, wie sie vorliegend in Rede steht, beanstandet auch das OLG Karlsruhe derartige Überstände nicht (vgl. VersR 1993, 332: 4 - 5 cm aus der Fahrbahn herausragender Kanaldeckel in Sackgasse nicht zu beanstanden).

Auch in einem „Zusammenwirken“ von Bodenwelle (mit Rissen) und nachfolgendem geringen Überstand des Kanaldeckels kann kein verkehrswidriger Zustand gesehen werden, abgesehen davon, dass letzteres vom Kläger in der Berufung gar nicht (mehr) dezidiert als unfall(mit)ursächlich angesehen wird (die Kante des Kanaldeckels soll „vermutlich“ für die Schwere des Unfalls relevant gewesen sein). Es ist nicht anzunehmen, dass die Bodenunebenheiten auch in ihrer Abfolge einen Zustand bildeten, der nicht mehr als verkehrssicher angesehen werden kann. Der Umstand allein, dass der Kläger dort - bedauerlicherweise - verunglückt ist, ändert nichts daran, dass es sich um eine Stelle handelt, an der die Beklagte als Verkehrssicherungspflichtige die Unfallgefahr aufgrund der geringen Unebenheiten als nur geringfügig ansehen durfte und mithin zu Maßnahmen der Verkehrssicherung objektiv kein Anlass bestand.

(dd) Auch der Vortrag des Klägers, es habe an dieser Stelle bereits zuvor zwei Unfälle gegeben, bei denen Fahrradfahrer gestürzt und sich schwer verletzt hätten, führt zu keiner anderen Bewertung. Dies rechtfertigt schon deshalb keine andere Beurteilung, weil die Beklagte nicht nur die Unfälle als solche, sondern auch bestritten hat, von diesen behaupteten Unfällen erfahren zu haben. Sie hat bereits in der Klagerwiderung vorgebracht, ihr sei kein Fall bekannt, in dem zuvor bereits andere Personen an der Stelle zu Fall gekommen seien. Beweis dafür, dass der Beklagten die behaupteten Unfälle bekannt geworden sind, hat der Kläger nicht angetreten.

Die Beklagte haftet auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens: sie traf nicht die Pflicht, durch besondere Maßnahmen sicherzustellen, dass ihr solche Unfälle bekannt werden, nachdem damit zu rechnen ist, dass (wenn tatsächlich solch gravierende Unfälle geschehen sein sollten) ihr diese dadurch, dass die Geschädigten Ansprüche stellen oder durch Mitteilungen der die Unfälle aufnehmenden Polizei bekannt werden.

(ee) Soweit der Kläger schließlich „zur Deutung der Bilder und zur angegebenen Höhe der Erhebung bzw. Kuhle“ Beweis durch Sachverständigengutachten dafür angeboten hat (S. 4 der Replik, Bl. 52), dass sich bei der mit Lichtbild Bl. 8 fotografisch dokumentierten Messung ein Höhenunterschied von etwa 7 cm ergeben hat, kann dies als wahr unterstellt werden, ist aber aus den genannten Gründen nicht erheblich.

Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern es für die Deutung der Lichtbilder und der daraus abzuleitenden Höhendifferenzen besonderer Sachkunde bedürfte.

(2) Ferner kann ein objektiv verkehrspflichtwidriger Zustand auch deshalb nicht angenommen werden, weil die Gefahrenstelle rechtzeitig und gut erkennbar war und die Verkehrsteilnehmer - auch Radfahrer - sich auf diese bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt rechtzeitig einrichten konnten:

(a) Soweit der Kläger vorbringt, die „Kuhle“ wäre als solche nicht erkennbar gewesen, mag dies isoliert betrachtet zutreffen. Das ist aber auch nicht entscheidend: Entscheidend ist vielmehr, dass die im Bereich vor dem Kanaldeckel (in Fahrtrichtung des Klägers gesehen) sich befindenden Risse im Belag deutlich sichtbar sind. Dies ergibt sich sowohl aus den von der Polizei gefertigten Lichtbildern 2 bis 4 (nach Bl. 64) - eindrücklich auch in der farbigen, im Termin vom 19.06.2013 in Augenschein genommenen Version - als auch den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern Bl. 8 bis 10 und den von der Beklagten vorgelegten Lichtbildern Bl. 42 und 46. Ist aber der Belag aufgerissen, liegt es nahe, dass sich dort Unebenheiten gebildet haben (die eben zum Aufreißen des Belags geführt haben); jedenfalls ist damit für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer erkennbar, dass es sich hier um einen Bereich handelt, der „nicht in Ordnung“ und (potenziell) gefährlich sein könnte.


(b) Mangelnde Erkennbarkeit kann auch nicht mit der Begründung angenommen werden, die Sonne habe tief gestanden und durch das „Licht- und Schattenspiel“ bei tiefstehender Sonne seien die Risse nicht erkennbar, sondern durch Schattenwurf „versteckt“ gewesen. Zum Einen ergibt sich aus den Lichtbildern der polizeilichen Unfallaufnahme (Bl. 64, Lichtbilder 1 bis 4, insbesondere Lichtbilder 1 und 2 - noch eindrücklicher in der farbigen Version), die noch, während die Rettungskräfte vor Ort waren, gefertigt wurden und mithin zeitnah nach dem Unfall, dass zwar durchaus ein Schattenwurf von neben der Straße befindlichen Bäumen und Pflanzen gegeben war, aber dennoch die Rissbildungen und insbesondere die Risse vor dem in Frage stehenden Schachtdeckel gut erkennbar sind, und, wie das Lichtbild 2 der polizeilichen Unfallaufnahme zeigt, auch nicht erst, wenn man sich unmittelbar vor der betreffenden Stelle befindet.

Zum Anderen hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass dieses Vorbringen auch nicht erheblich ist: Wenn nämlich die Fahrbahn so verschattet gewesen sein sollte, dass Auffälligkeiten wie die Rissbildung nicht erkennbar waren, hätte der Kläger aufgrund des Sichtfahrgebotes des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und des Gebots des § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO, die Geschwindigkeit den (besonderen) Sichtverhältnissen anzupassen, nur mit einer Geschwindigkeit fahren dürfen, welche ihm ermöglicht hätte, notfalls vor der ver- schatteten Stelle anzuhalten, denn es ist anerkannt, dass mit Fahrbahnhindernissen stets zu rechnen ist, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit (OLG Jena, Urteil vom 24.06.2009, 4 U 67/09 Rn. 25 in Juris), wobei ein Schlagloch auf der Fahrbahn kein außergewöhnliches Hindernis ist, mit dem unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt zu rechnen ist, weshalb insoweit das Sichtfahrgebot durch den Vertrauensgrundsatz nicht eingeschränkt ist (a.a.O., Rn. 25 f.). Nichts anderes gilt für Risse in der Fahrbahn und in deren Bereich sich befindende Unebenheiten. Da nur vor denjenigen Gefahren zu sichern ist, die auch für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht rechtzeitig einzurichten vermag, hat das Landgericht den Einwand der Verschattung zu Recht für unerheblich gehalten.

(c) Aus den zuletzt angestellten Erwägungen ergibt sich auch, dass das Vorbringen des Klägers, die beanstandete Stelle sei nicht rechtzeitig erkennbar gewesen, weil er über das Hindernis schon hinweg gefahren gewesen sei, bevor er hätte reagieren und ausweichen können, unbehelflich ist, denn wenn dem so war, belegt dies nur, dass der Kläger die Anforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 2, 4 StVO an die einzuhaltende Geschwindigkeit nicht erfüllt hat.

(d) Der rechtzeitig erkennbaren Gefahrenstelle hätte der Kläger, wie das Landgericht zu Recht annimmt, auch ohne weiteres problemlos ausweichen können. Die schadhafte Stelle nahm, wie sich aus der Rissbildung zeigt, wie sie auf den von der Polizei gefertigten Lichtbildern 2 bis 4 und dem Lichtbild Bl. 46 erkennbar ist, bei weitem nicht die gesamte Breite der Fahrbahn ein. Das Landgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass selbst dann, wenn wegen der parkenden Fahrzeuge eine Vorbeifahrt rechts von dem Kanaldeckel nicht möglich gewesen wäre, das Hindernis jedenfalls links hätte umfahren werden können. Hiergegen wendet sich die Berufung auch nicht, sondern beharrt lediglich darauf, mangels rechtzeitigen Erkennens der Stelle wäre ein Ausweichen nicht mehr möglich gewesen.

Auch in diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt mithin entscheidend von denjenigen Sachverhalten, welche der Entscheidung des BGH vom 05.07.2012 (III ZR 240/11, VersR 2012, 1434 = DAR 2012, 572) und des KG vom 16.07.2010 (9 U 103/09, DAR 2012, 135) zu Grund lagen: in beiden Fällen nahm das Hindernis die gesamte Wegbreite ein.

(e) Das vom Kläger (wiederholt) beantragte Sachverständigengutachten zur fehlenden rechtzeitigen Erkennbarkeit ist nicht einzuholen: dass die Rissbildungen im Bereich der „Kuhle“ als solche erkennbar waren, ergibt sich aus den Lichtbildern; der Kläger hat nicht behauptet, dass diese die tatsächliche Situation nicht zutreffend wiedergeben.

Denkbar wäre die Einholung eines Gutachtens zur Bestätigung der vom Kläger angestellten Weg-​Zeit-​Berechnungen bei bestimmten Geschwindigkeiten (etwa S. 4 des Schriftsatzes vom 23.07.2012, Bl. 89). Diese sind jedoch angesichts des oben dargestellten Umstandes, dass der Kläger seine Geschwindigkeit so zu wählen hatte, dass er der durch die Risse bezeichneten „gefährlichen Stelle“ noch ausweichen oder vor dieser anhalten konnte, unerheblich.

cc) Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte auch nicht zur Anbringung von Warnschildern verpflichtet: lag aus den oben unter bb) ausgeführten Gründen kein objektiv verkehrspflichtwidrige Zustand der Straße vor, so war die Beklagte nicht zu Maßnahmen der Verkehrssicherung und mithin auch nicht zur Aufstellung von Warnschildern verpflichtet.

dd) Zu Recht hat das Landgericht den Umstand, dass die Beklagte zwischenzeitlich die betreffende Stelle saniert hat, für die Frage des Vorliegens einer Verkehrssicherungspflichtverletzung für unerheblich gehalten. Handlungen des Verkehrssicherungspflichtigen nach einem Schadenereignis sind nicht geeignet, die Frage zu beantworten, ob objektiv eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorlag, zumal sich der Verkehrssicherungspflichtige zu Sicherungsmaßnahmen über das eigentlich geschuldete Maß hinaus veranlasst sehen kann - schon aus „Imagegründen“ oder um öffentlichem Druck vorzubeugen, aber auch, um künftig nicht die Unannehmlichkeiten (weiter unberechtigter) Inanspruchnahme tragen zu müssen (so die offenbar einhellige neuere obergerichtliche Rechtsprechung, neben dem Urteil des OLG München vom 16.09.2010, 1 U 3515/10 Rn. 12 in Juris etwa OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.01.2012, 4 U 480/10 Rn. 45 in Juris; für überobligatorische Maßnahmen im Bereich der Räum- und Streupflicht etwa OLG Brandenburg OLGR 1995, 232, 233 = VersR 1995, 439 m.w.N.; OLG Jena NZV 2001, 87, 88 m.w.N.; OLG Frankfurt NJW 1988, 2546, 2547; aus der Literatur Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl., Rn. 473).


2. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dem Kläger stehe auch kein Schadensersatzanspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Haftpflichtgesetz (Zustandshaftung) zu.

a) Die gemeindliche Kanalisation stellt eine Rohrleitungsanlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Haftpflichtgesetz dar, wobei bei einer Abwasseranlage auch die Kanalschächte und Kanaldeckel Teile dieser Anlage sind (BGH NJW-​RR 1995, 1302).

Dabei greift die Zustandshaftung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz bereits dann ein, wenn das Vorhandensein der Anlage als solche den Schaden zumindest mit verursacht (Filthaut, a.a.O., § 2 Rn. 32 i. V. m. 28), weshalb es ausreicht, dass der Geschädigte gegen die Anlage oder Teile der Anlage stößt und dadurch der Schaden entsteht (BGH, ebenda), was konsequent ist, da eben das bloße Vorhandensein der Anlage als Schadensursache für die Begründung der Zustandshaftung ausreicht (vgl. Filthaut, a.a.O., § 2 Rn. 32).

Die Haftung des Anlagenbetreibers scheidet aber aus, wenn sich die Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 2. Hs., Satz 3 Haftpflichtgesetz in einem ordnungsgemäßen Zustand befand. Dabei kann sich die Ordnungswidrigkeit einer Anlage trotz technisch einwandfreien Zustands der Anlage als solcher aus dem Verhältnis zu ihrer Umgebung ergeben; d.h. es ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu prüfen ist, ob die Anlage als verkehrssicher zu beurteilen ist.

Demgemäß macht es bezüglich der Zustandshaftung des Inhabers einer Kanalisationsanlage keinen Unterschied, ob der schadensursächliche Kanaldeckel über eine mangelnde Festigkeit verfügte, sich aus der Fassung gelöst hat oder gefährlich überstand (BGH, a.a.O., 1303; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.06.2008, 1 U 30/08 Rn. 3 in Juris; Filthaut, a.a.O., § 2 Rn. 40).

Dabei begründet aber nicht jeder Höhenunterschied die Annahme eines ordnungswidrigen Zustandes. Vielmehr nimmt der Bundesgerichtshof an, dass Höhendifferenzen, welche unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht bei herausragenden Kanaldeckeln noch als hinnehmbar erachtet werden, den ordnungsgemäßen Zustand einer Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Haftpflichtgesetz nicht in Frage stellen (BGH, ebenda), wobei er davon ausgeht, dass im öffentlichen Straßenraum Höhendifferenzen von bis zu 2 cm als noch hinnehmbar erachtet werden (BGH, ebenda).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass sich vorliegend der Kanaldeckel als Teil der Kanalisationsanlage in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden hat:

Wie bereits oben unter a) bb) (1) (b) (cc) zur Frage des Vorliegens eines verkehrswidrigen Zustands ausgeführt, ergibt sich aus den vorgelegten Lichtbildern, dass der Kanaldeckel nicht nennenswert, jedenfalls keine 2 cm, aus dem Belag herausragt. Er befand sich mithin nach den oben unter a) dargestellten Grundsätzen auch im Verhältnis zu seiner (unmittelbaren) Umgebung in einem ordnungsgemäßen Zustand. Es liegt somit vorliegend kein Fall vor, in dem ein Schachtdeckel in einer nicht mehr hinnehmbaren Höhe nicht mehr plan in die Pflasterung eingebettet war, sondern gefährlich (also mit einer nicht mehr hinnehmbaren Höhendifferenz) hoch stand.


Zu Unrecht meint der Kläger, darauf abstellen zu können, dass die „Kuhle“ eine angebliche Tiefe von 7 cm habe bzw. einen entsprechenden Höhenunterschied zum Kanaldeckel, denn die „Kuhle“ (Bodenwelle mit Rissen) befindet sich nicht unmittelbar am Kanaldeckel, sondern deutlich von diesem abgesetzt weiter bergauf. Das Vorhandensein dieser „Kuhle“ hat nichts mehr mit der Frage zu tun, ob sich der Kanaldeckel in seine Umgebung plan (oder nahezu plan mit hinnehmbarer Höhendifferenz) einfügt oder - um die Formulierung des Bundesgerichtshofs (NJW-​RR 1995, 1302) zu übernehmen - gefährlich hoch stand. Deshalb beruft sich der Kläger auch zu Unrecht auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 19.06.2008 (1 U 30/08) mit der Behauptung, dem OLG Frankfurt hätten 4,5 cm gereicht und im vorliegenden Fall seien es 7 cm, denn in dem vom OLG Frankfurt beurteilten Sachverhalt war es so, dass sich die Pflasterung direkt am Rand des Kanalschachtes abgesenkt hatte und dadurch eine Höhendifferenz von 4,5 cm entstand, die das OLG Frankfurt als nicht mehr verkehrssicher angesehen hat (a.a.O., Rn. 3 in Juris). Ein Radfahrer fuhr dann gegen den in nicht mehr hinnehmbarer Höhe herausstehenden Kanaldeckel, womit sich anders als im vorliegenden Fall die im Herausragen liegende Gefahr des Vorhandenseins der Anlage (bzw. des Kanaldeckels als deren Teil) realisierte.

c) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Haftpflichtgesetz scheidet aber auch deshalb aus, weil nicht festgestellt werden kann, dass das Vorhandensein des Kanaldeckels und des Kanalschachtes für den Unfall auch nur mitursächlich waren.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in I. Instanz ist nicht nachgewiesen, dass das Vorhandensein des Schachtdeckels Ursache für den Sturz des Klägers war oder auch nur Mitursache.

Ein solches kann auch nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises angenommen werden:

Auch wenn man bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen Y annimmt, dass der Kläger im Bereich des Kanaldeckels bzw. um den Kanaldeckel gestürzt ist, folgt dies daraus, dass zwar bei einem Sturz in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenstelle ein Anscheinsbeweis dafür eingreift, dass diese für den Sturz ursächlich war (siehe nur BGH NJW 2005, 2454). Dieser Anscheinsbeweis ist aber erschüttert, wenn die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Schadensursache besteht:

Eine solche ergibt sich hier gerade nach dem eigenen Vorbringen des Klägers aus der „Kuhle“ (Bodenwelle), welche der Kläger durchfahren musste, bevor er überhaupt bis zum Kanaldeckel gelangte und die nach dem dezidierten Vorbringen des Klägers in der Berufung (S. 4 der Berufungsbegründung, Bl. 185) den Unfall verursacht haben soll, was ja auch durchaus als möglich erscheint. Demgegenüber sind nach Vortrag des Klägers die Schachtdeckel „gar nicht die Ursache des Unfalls“, sei Ursache „nicht ein hervorstehender ... Kanaldeckel“ gewesen, der „leichte Überstand des Kanaldeckels, der ohne diese Kuhle völlig unbedeutend wäre“, habe (nur) „vermutlich zur Schwere des Unfalls beigetragen“ (Berufungsbegründung, ebenda). Dies ist schon keine Behauptung der (Mit-​)Ursächlichkeit des Schachtdeckels und dessen leichten Überstehens für den Unfall.

Angesichts der ernsthaften Möglichkeit, dass die vom Kläger als „Kuhle“ bezeichnete Bodenwelle unfallursächlich war, ist vorliegend ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit des Kanaldeckels (und seines geringfügigen Überstandes) auch in Bezug auf eine bloße Mitursächlichkeit ausgeschlossen, weil es dann auch ernsthaft möglich, ja wahrscheinlich erscheint, dass der Kläger mit dem Fahrrad gar nicht mehr gegen die Kanaldeckelkante gefahren ist und der Kanaldeckel auch sonst für den weiteren Unfallverlauf keine Rolle spielte: War es nach der Darstellung des Klägers so, dass er in die „Kuhle oder Schanze“ geriet und es ihm dann „den Lenker verrissen“ hat (S. 2 des Protokolls vom 27.07.2012, Bl. 92) und ist der Kläger nach Darstellung des Zeugen Y „katapultartig aus dem Sattel geschleudert“ worden, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Lenker des Fahrrads des Klägers nach der Kuhle am Schachtdeckelrand einen „zweiten Schlag“ erhalten hat, wie der Kläger noch in I. Instanz behauptet hat (S. 4 des Schriftsatzes vom 23.07.2012, Bl. 89).


C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und der Ausspruch über die vorläufig Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe i. S. v. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO, welche die Zulassung der Revision rechtfertigten, liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 2; 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 3, 5 1. Hs. ZPO.

Der Berufungsantrag Ziff. 2 hat einen Streitwert von 350.000 €, nachdem der Kläger ein Schmerzensgeld in dieser Höhe für angemessen hält.

Die mit Berufungsantrag Ziff. 3 beantragte monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 750 € ist nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem fünffachen des einjährigen Bezugs zu bewerten, wobei nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG die bei Klageeinreichung fälligen Rückstände hinzuzurechnen sind, so dass sich für diesen Antrag ein Streitwert von 64.500 € ergibt (12x 750 € x 5= 45.000 € zuzüglich 26 x 500 € für den Zeitraum November 2009 - Dezember 2011).

Zu dem sich so ergebenden Streitwert von 414.500 € für die Berufungsanträge Ziff. 2 und 3 ist noch der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die materiellen Schäden (Berufungsantrag Ziff. 1) hinzuzurechnen, so dass sich insgesamt ein Streitwert von bis zu 440.000 € ergibt.

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