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OLG München Urteil vom 02.02.2007 - 10 U 4976/06 - Mithaftung bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit

OLG München v. 02.02.2007: Zur Mithaftung des schuldlos an dem Unfall Beteiligten bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit




Das OLG München (Urteil vom 02.02.2007 - 10 U 4976/06) hat entschieden:

  1.  Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen durch einen in einen Unfall verwickelten Fahrzeugführer schließt zwar die Berufung auf die Unabwendbarkeit grundsätzlich aus, der Halter ist aber nicht schon deshalb in jedem Fall anspruchsvermindernd belastet. Grundsätzlich ist bei deutlicher Überschreitung der Richtgeschwindigkeit die Betriebsgefahr zu Lasten des schuldlos an einem Verkehrsunfall Beteiligten zu berücksichtigen. Eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit ist für den Fall einer Geschwindigkeit von 150 km/h zu verneinen. Bei einer höheren Geschwindigkeit kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.

  2.  Bei § 17 Abs. 3 StVG handelt es sich dogmatisch um einen neben § 7 Abs. 2 StVG tretenden Ausschlusstatbestand, welcher nur aus praktischen Gründen als Grenze der nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG möglichen Abwägung behandelt werden soll. Die Fragen der Unabwendbarkeit und der Haftungsverteilung sind deshalb streng voneinander zu trennen.



Siehe auch Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und Unabwendbares Ereignis / höhere Gewalt - Gefährdungshaftung

Gründe:

A.

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Am 28.02.2005 fuhr der Zeuge Schr. mit dem Pkw seiner Ehefrau, amtl. Kennzeichen DB ..., der bei der Klägerin kasko- und haftpflichtversichert ist, gegen 11.20 Uhr bei km 447,00 auf der mittleren von 3 Fahrspuren der BAB A 9 Richtung München mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h. In einer Entfernung von nicht mehr als 50 m wechselte vor ihm der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Lkw, amtl. Kennzeichen HG... ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers von der rechten auf die mittlere Fahrspur, um seinerseits den Lkw, amtl. Kennzeichen LM ... zu überholen. Der Zeuge Schr. versuchte noch nach links auszuweichen und zu bremsen, geriet aber ins Schleudern, kollidierte mit dem auf der rechten Fahrspur befindlichen Lkw LM ..., welcher hierdurch beschädigt wurde und anschließend ebenso wie der bei der Klägerin versicherte Pkw gegen die rechte Leitplanke stieß, wodurch mehrere Leitplankenfelder beschädigt wurden.

Die Schadenshöhe ist mit Ausnahme von Kosten eines durch die Klägerin betr. den Lkw LM ... am 26.05.2005 zusätzlich in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens (Anl. K 5 zur Klage) in Höhe von 150,80 Euro unstreitig.

Die Klägerin regulierte als Haftpflichtversicherung des Pkw der Frau Schr. den Schaden am vorbezeichneten Lkw in Höhe von 19.724,40 Euro (inkl. Gutachterkosten). Hierauf bezahlte die Zweitbeklagte ausgehend von einer Haftungsquote von 50% 9.862,20 Euro. Den Restbetrag von 9.862,20 Euro zzgl. der Kosten des von ihr zusätzlich in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens in Höhe von 150,80 Euro, mithin 10.013,00 Euro macht die Klägerin mit der Klage geltend.

Die Klägerin als Kaskoversicherung bezahlte an die Halterin des unfallbeschädigten Pkw den Fahrzeugschaden (5.300,00 Euro) sowie Gutachtenskosten (429,43 Euro) abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 Euro mithin insgesamt 5.429,43 Euro. Die Zweitbeklagte erstattete der Klägerin deshalb auf Grund Abrechnung vom 15.03.2006 (Anl. B 4 zum Beklagtenschriftsatz vom 10.05.2006 = Bl. 11/17 d.A.) 1.001,49 Euro, die verbleibende Differenz ist ebenfalls Klagegegenstand.

An die geschädigte Pkw-​Halterin bezahlte die Zweitbeklagte 300,00 Euro Selbstbeteiligung, 635,68 Euro Abschleppkosten und weitere inkongruente Schadensposten.




Die Klägerin behauptet, der Zeuge Schr. sei nicht schneller als 130 km/h gefahren, als der Lkw 15 m vor ihm mit einer Geschwindigkeit von über 90 km/h ausgeschert sei. Die zusätzlichen Sachverständigenkosten seien wegen einer Schadenserweiterung erforderlich gewesen, was sich erst in zerlegtem Zustand des Lkw gezeigt habe.

Die Beklagten behaupten, der Abstand habe 50 m betragen bei einer Geschwindigkeit des Zeugen Schr. von 160 km/h und einer Geschwindigkeit des Lkw des Erstbeklagten zwischen 80 km/h und 90 km/h. Die Beklagte zu 2) habe an die Halterin des Pkw weiter Sachverständigenkosten in Höhe von 580,58 Euro bezahlt. Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil vom 26.09.2006 (Bl. 49/56 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Ingolstadt hat nach Beweisaufnahme auf der Basis einer 25%igen Mithaftung des Zeugen Schr. die Beklagten samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin 7.043,24 Euro nebst Zinsen zu bezahlen und im übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Klägervertreter am 28.09.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht am 12.10.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 59/60 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht am 07.12.2006 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 66/76 d.A.) begründet.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteil nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen und die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin weitere 7.397,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2006 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 05.01.2007 (Bl. 78/81 d.A.), die Replik vom 24.01.2007 (Bl. 84/86 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 02.02.2007 (Bl. 87/91 d.A.) Bezug genommen.




B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 18 I, III, 17 StVG, 3 Nr. 1 PflVG, 67 VVG.

1. Der Erstbeklagte hat zunächst gegen § 5 IV a StVO verstoßen. Den Vortrag der Klägerin, der Erstbeklagte habe den Spurwechsel ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers durchgeführt, haben die Beklagten nicht bestritten (§ 138 III ZPO). Der Zeuge Schr. hat ebenfalls bestätigt, dass der Lkw ohne zu blinken ausscherte.

Weiter hat der Erstbeklagte gegen § 5 IV 1 StVO verstoßen. Dies ergibt sich bereits nach dem jeweiligen Parteivortrag und auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme.

Das Ergebnis des Landgerichts nach durchgeführter Beweisaufnahme, der Zeuge Schr. sei zum Unfallzeitpunkt unter Überschreitung der Richtgeschwindigkeit gefahren, ist nicht zu beanstanden, soweit es eine Geschwindigkeit von 150 km/h annimmt. Der Fahrer des bei der Klägerin versicherten Pkw, der Zeuge Schr. gab an, er sei zwischen 130 km/h und 140 km/h gefahren, jedenfalls nicht schneller. Sein Beifahrer, der Zeuge Di., der den Pkw vor dem Fahrerwechsel steuerte, erinnerte sich demgegenüber, dass Schr. gleich schnell wie er vor dem Fahrerwechsel, nämlich 150 km/h fuhr, vielleicht etwas langsamer. Da sich aus den Angaben des Zeugen Schr. weiter ergibt, dass er mit gleichbleibender Geschwindigkeit und unmittelbar vor dem Unfall etwas schneller fuhr, konnte sich das Landgericht rechtsfehlerfrei die Überzeugung bilden, die Ausgangsgeschwindigkeit des Pkw habe 150 km/h betragen, zumal der Zeuge Schr. der in seinem Beisein erfolgten Angabe einer derartigen (oder noch höheren) Geschwindigkeit des Pkw seitens des Zeugen Di. gegenüber der Polizei nicht widersprach.

Die Erwägungen des Landgerichts zum Abstand zwischen Pkw und Lkw bei Einleitung des Spurwechsels sind zwar nicht frei von Widersprüchen. Einer erneuten Einvernahme der Zeugen zum Abstand zwischen Pkw und Lkw bei Beginn des Spurwechsels bedarf es jedoch nicht. Ausgehend vom Vortrag der Beklagten erfolgte die Einleitung des Spurwechsels seitens des Erstbeklagten, als der Zeuge Schr.. noch 50 m entfernt war; einen noch geringeren Abstand als 50 m konnte die Klägerin nach Ansicht des Erstgerichts nicht beweisen, einen größeren haben die Beklagten nicht behauptet.

Der gem. § 5 IV 1 StVO erforderliche Sicherheitsabstand errechnet sich an Hand einer dem Nachfahrenden zumutbaren geringen Verzögerung von 2,5 m/sek² (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1997, 334). Der erforderliche Sicherheitsabstand, um einen Spurwechsel ohne Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen, belief sich auch bei einer Geschwindigkeit des Pkw von 150 km/h und des Lkw von 90 km/h auf 72,19 m (Wegstrecke während einer Reaktions- und Bremsansprechzeit von insgesamt 1 sek. bei einer Geschwindigkeitsdifferenz von 60 km/h = 16,66 m + erforderliche Wegstrecke, um bei einer Verzögerung von 2,5 m/sek² die Differenzgeschwindigkeit von 60 km/h zum vorausfahrenden Lkw abzubauen = 55,53 m; Berechnung nach der Formel von Lichti DRiZ 1963, 219) Ein Verstoß des Erstbeklagten gegen § 5 IV 1 StVO ergibt sich daher sowohl nach dem jeweiligen Parteivortrag als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Im Fall einer geringeren Geschwindigkeit des Lkw und/oder einer höheren Geschwindigkeit des Pkw vergrößert sich der erforderliche Sicherheitsabstand jeweils.




2. Die Klagepartei konnte den ihr gemäß § 17 III StVG obliegenden Unabwendbarkeitsnachweis (vgl. Kirchhoff MDR 1998, 12 [14] zu § 7 II StVG a.F.; Geigel/Kunschert, Der Haftpflichtprozeß, 24. Aufl. 2004, Kap. 25 Rz. 255; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 17 StVG Rz. 23 m.w.N.) nicht führen. Hierzu gehört insbesondere, dass die Klagepartei nachweist, dass die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingehalten wurde (vgl. BGH VersR 1992, 714) oder sich der Unfall mit vergleichbar schweren Folgen auch bei Einhaltung dieser Geschwindigkeit ereignet hätte.

Unzutreffend gelangte das Landgericht zwar zu einer Ausgangsgeschwindigkeit des Pkw von 160 km/h. Die Klagepartei trug vor (Bl. 19 d.A.), dass die Angaben in der polizeilichen "Akte" (Anl. B 1) zu Geschwindigkeit und Abstand des Pkw zum Zeitpunkt des Ausscherens des Lkw unzutreffend seien. Das Gericht legt sie seiner Entscheidung zu Grunde, ohne sich mit den Angaben der Zeugen hierzu auseinanderzusetzen und ohne den verbleibenden Widersprüchen nachzugehen. Der Zeuge Schr. gab an, dass der Zeuge Di. seine – Schr. - Geschwindigkeit nicht " genau " gewusst haben kann, da er schlief und er hörte, wie Di. gegenüber der Polizei sagte " wenn man mit 160 angerauscht kommt ". Andererseits ergibt sich aus Schr. Angaben auch, dass er mit gleichbleibender Geschwindigkeit und unmittelbar vor dem Unfall etwas schneller fuhr. Di. seinerseits erinnerte sich, dass Sch. gleich schnell wie er selbst (vor dem Fahrerwechsel), nämlich 150 km/h, vielleicht etwas langsamer gefahren ist und gab an, es sei möglich, dass er gegenüber der Polizei gesagt hat, " 150 oder 160 ". Unerörtert bleibt im Urteil, von welcher konkreten Geschwindigkeitsangabe des Zeugen Di. gegenüber der Polizei auszugehen ist und dass der Zeuge Di. hinsichtlich der "160 km/h" eine Fahrgeschwindigkeit gegenüber der Polizei angegeben hätte, die er selbst zu keinem Zeitpunkt beobachtet hatte. Andererseits hat der Fahrer des Pkw dieser in seinem Beisein gefallenen Äußerung nicht widersprochen, obwohl er hierzu bei Unrichtigkeit allen Anlass gehabt hätte.

Das Ersturteil enthält insoweit keine näheren Ausführungen. Hierauf kommt es aus folgenden Erwägungen aber nicht entscheidend an:

Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei eine Überzeugung gebildet, dass die Richtgeschwindigkeit überschritten wurde. Hinsichtlich des Abstandes zwischen Lkw und Pkw konnte sich das Erstgericht nicht von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen Schr. überzeugen, der den Abstand auf 15 m - 20 m schätzte. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Zeuge Di. gab nämlich an (Sitzungsniederschrift vom 29.08.2006, S. 5 = Bl. 41 d.A.), dass er die Augen öffnete, nachdem er eine Unmutsäußerung des Zeugen Schr. und ein Reifenquietschen vernahm und vor dem noch auf der mittleren Spur fahrenden Pkw in einer Entfernung von 20 m - 25 m den Lkw sah, der gerade beim Wechsel auf die mittlere Fahrspur war. Da dieser Beobachtung die Reaktion des Zeugen Schr. vorausging und es sich um Schätzungen handelt, ist – obwohl die Wiedergabe der Beobachtungen eines im entscheidenden Moment gerade die Augen öffnenden Verkehrsteilnehmers großer Skepsis begegnet - ein Abstand zum Zeitpunkt der Einleitung des Spurwechsels nicht auszuschließen, bei dem im Fall der Einhaltung einer Geschwindigkeit von 130 km/h der Unfall vermeidbar gewesen wäre. Für die Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens fehlt es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen.


3. Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen durch einen in einen Unfall verwickelten Fahrzeugführer schließt zwar die Berufung auf die Unabwendbarkeit wie dargelegt grundsätzlich aus, der Halter ist aber nicht schon deshalb in jedem Fall anspruchsvermindernd belastet. Bei § 17 III StVG handelt es sich dogmatisch um einen neben § 7II StVG tretenden Ausschlußtatbestand, welcher nur aus praktischen Gründen als Grenze der nach § 17I und II StVG möglichen Abwägung behandelt werden soll. Die Fragen der Unabwendbarkeit und der Haftungsverteilung sind deshalb streng voneinander zu trennen (so zu Recht OLG Hamm NZV 2002, 373 zu § 7II StVG a.F.).

a) Grundsätzlich ist bei deutlicher Überschreitung der Richtgeschwindigkeit die Betriebsgefahr zu Lasten des schuldlos an einem Verkehrsunfall Beteiligten zu berücksichtigen (BGH VersR 1992, 714; OLG Hamm NZV 2000, 43 u. 373; Senat, Urt. v. 27.03.1998 - Az. 10 U 4504/97).

b) Dies schließt andererseits nicht aus, dass die Betriebsgefahr im Einzelfall hinter einem groben Verschulden des Unfallverursachers zurücktritt. So liegt der Fall hier:

aa) Vorliegend ereignete sich der Unfall am späten Vormittag auf der über mehrere Kilometer vor und im Bereich der Unfallstelle dreispurig ausgebauten und nahezu geradlinig verlaufenden BAB A 9.

bb) Der Erstbeklagte hat gegen zwei wesentliche Verhaltensvorschriften der StVO verstoßen, wobei § 5 IV 1 StVO bestimmt, daß der (ausscherende) Überholende eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausschließen muß, also eine gesteigerte Sorgfaltspflicht normiert.

cc) Die Gefahrbremsung des Zeugen Schr. nebst Ausweichmanöver begründet keinen Verschuldensvorwurf, da diese Reaktion naheliegend durch das zu knappe Ausscheren herausgefordert wurde. Ein angesichts der Geschwindigkeit zu starkes Einlenken oder eine für das Lenkmanöver zu starke Bremsung geschah in der vom Erstbeklagten heraufbeschworenen Gefahrensituation.

dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Zugrundelegung einer Geschwindigkeit des Pkw von mehr als 130 km/h bis 160 km/h. Auch nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 27.03.1998 - Az. 10 U 4504/97) kann eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit unter Umständen zu einer anderen Haftungsverteilung führen. Eine deutliche Überschreitung wurde in der vorgenannten Entscheidung für den Fall einer Geschwindigkeit von 150 km/h verneint.

Zunächst ist aber festzuhalten, daß die Beklagten eine höhere Geschwindigkeit des vom Zeugen Schr. gesteuerten Pkws als 150 km/h nicht bewiesen haben. Sie tragen aber insoweit die Beweislast: Im Rahmen der Abwägung nach § 17 I und II StVG gilt der Grundsatz, daß jeder Halter die Umstände beweisen muß, die zu Ungunsten des anderen Halters berücksichtigt werden sollen (BGH NJW 1996, 1405 [1406]; OLG Frankfurt a.M. 1995, 400 [401]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14]; Brögelmann JA 2003, 872 [878]; Garbe/Hagedorn JuS 2004, 287 [292]; Hentschel a.a.O. § 17 StVG Rz. 31). Dies führt bei Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens hinsichtlich derselben Tatsache bei § 17 II StVG und § 17 III StVG zu wechselnden Beweislastentscheidungen (Senat, Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14]). Falsch wäre es, aus dem Umstand, daß sich eine Partei nicht entlasten kann, das Gegenteil als bewiesen anzusehen (Senat, Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14]).

Angesichts der vorstehend dargelegten Umstände des Unfalls und der ohnehin höheren Betriebsgefahr des Sattelzuges, die sich auf den Unfall auch ausgewirkt hat, verbleibt es aber auch bei Annahme einer Geschwindigkeit von 160 km/h vorliegend bei der Alleinhaftung des Erstbeklagten, hinter dessen grobem Verschulden die Betriebsgefahr des Pkw zurücktritt. Die BGH-​Entscheidung VersR 1992, 714 besagt insoweit nichts Gegenteiliges (zur Haftungsverteilung vgl. auch OLG Nürnberg zfs 1991, 78 sowie OLG Düsseldorf VersR 1997, 334 und OLG Hamm NZV 2002, 373 sowie Urteil vom 05.03.2003, Az. 9 U 188/01).




II.

Von dem zwischen den Parteien unstreitigen Haftpflichtschaden am Lkw LM ….. in Höhe von 19.875,20 Euro hat die Beklagte zu 2) an die Klägerin 9.862,20 Euro bezahlt. Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Erstattung der weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 150,80 Euro zu. Dass die Klägerin diesen Betrag an die DEKRA bezahlt hat (vgl. Anl. K 5 zur Klage) und die Kosten nicht den Kaskoschaden am Pkw der Frau Schr. betreffen und daher von der Zweitbeklagten auch nicht an diese erstattet wurden, war zuletzt zwischen den Parteien unstreitig. Aus dem Prüfbericht der DEKRA (Anl. K 6 = Bl. 22/23 d.A.) ergibt sich mit einer im Rahmen des § 287 ZPO ausreichenden Wahrscheinlichkeit, dass bei Reparatur des Lkw ein weiterer, ursprünglich nicht erkennbarer unfallursächlicher Schaden festgestellt wurde, der zu einer höheren Reparaturrechnung führte. Der Klägerin steht daher noch ein Anspruch in Höhe von 10.013,00 Euro zu.

Der der Klägerin durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung seitens der Halterin des Pkw entstandene Schaden beläuft sich auf 5.000,00 Euro Sachschaden am Pkw zuzüglich der Kosten des erholten Sachverständigengutachtens in Höhe von 429,43 Euro (Anl. K 1 - 3 zur Klageschrift). Die Zweitbeklagte hat auf den Kaskoschaden an die Klägerin 1.001,49 Euro bezahlt, so dass ein Anspruch in Höhe von 4.427,94 Euro verbleibt. Die Beklagte zu 2) hat zwar darüber hinaus auch Zahlungen an die Halterin erbracht. Dass diese Zahlungen auf den oben genannten Sachschaden und die Kosten des Gutachtens des Ingenieurbüros Scha. geleistet oder zu einem Zeitpunkt vor dem Anspruchsübergang auf die Klägerin erbracht worden wären, haben die Beklagten weder konkret vorgetragen noch unter Beweis gestellt.



Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I S. 1, 288 I BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 100 IV ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II 1 ZPO); der Senat hat die Rechtssache als Einzelfall in Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze entschieden.

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