Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Senftenberg Beschluss vom 26.04.2011 - 59 OWi 93/11 - Akteneinsichtsrecht des Sachverständigen

AG Senftenberg v. 26.04.2011: Akteneinsichtsrecht des vom Rechtsanwalt unterbevollmächtigten Sachverständigen


Das Amtsgericht Senftenberg (Beschluss vom 26.04.2011 - 59 OWi 93/11) hat entschieden:
Hat ein Verteidiger in einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung einem öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Sachverständigen Untervollmacht zur Einsichtnahme in die Messdatei erteilt, so hat der Sachverständige das Recht, die vollständige Messserie in Augenschein zu nehmen. Dabei beschränkt sich das Akteneinsichtsrecht nicht auf Einsicht in die Originaldateien in den Räumen der zentralen Bußgeldstelle. Die Messserie ist vielmehr mit allen Originaldateien dem Sachverständigen zu übersenden.


Siehe auch Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitungen und Geschwndigkeitsmessungen


Gründe:

Mit Bußgeldbescheid vom 04.02.2011 hat die Zentrale Bußgeldstelle der Polizei des Landes Brandenburg gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h eine Geldbuße in Höhe von 160,00 EUR und ein Fahrverbot festgesetzt.

Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene fristgemäß und zulässigerweise Einspruch eingelegt.

Mit Antrag vom 18.03.2011 hat Rechtsanwalt ... Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde vom 15.03.2011.gestellt.

In der zitierten Entscheidung der Verwaltungsbehörde wird die Übersendung der Messdateien an den mit Untervollmacht versehenen Gutachter ... verweigert.

Dem Gutachter wurde jedoch das Recht eingeräumt, in den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle nach Belehrung Einsichtnahme in den Film zu nehmen.

Dafür würde ein gesonderter Raum mit spezieller Technik für die Einsichtnahme in Messfilme zur Verfügung stehen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, eine Frist ist hierfür nicht vorgesehen.

Der Antrag ist in der Sache auch begründet.

Es ist nun schon mehrfach einschlägig entschieden, dass das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Einsicht in den von der Geschwindigkeitsmessung vorliegenden Messfilm bzw. Messdateiserie umfasst. Denn der Verteidiger hat Anspruch auf Einsicht in alle Unterlagen, die regelmäßig einem Sachverständigen vorgelegt werden. Ansonsten wäre das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers in unzulässiger Weise beeinträchtigt.

Wenn in diesem Zusammenhang der Verteidiger einem öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Sachverständigen ( hier Herrn ... , einem öffentlich bestellten und bei der IHK Dresden vereidigten Sachverständigen) Untervollmacht zur Einsichtnahme in die Messdatei erteilt, so hat auch der Sachverständige das Recht, die vollständige Messserie in Augenschein zu nehmen.

Dabei darf der Sachverständige aber nicht darauf verwiesen werden, diese Dateien nur in einem entsprechenden Raum innerhalb der Zentralen Bußgeldstelle in Gransee zur Einsicht zu nehmen. Hierbei entstehen nämlich unverhältnismäßig hohe Kosten.

Aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit folgt, dass Schriftstücke, Unterlagen, Bild- und Tonaufnahmen, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein könnten, diesem nicht fern gehalten werden dürfen.

Befinden sich solche Vorgänge nicht in den Ermittlungsakten sondern in anderen Akten oder bei anderen Behörden, so müssen auch diese den Akten zugänglich gemacht werden. Das Einsichtsrecht des Verteidigers und/oder seinem unterbevollmächtigten Sachverständigen ergibt sich bereits aus seinem Recht, dem Polizeibeamten, der die Messung vorgenommen hat, als Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen, was ohne Kenntnis des Messvorganges nicht möglich wäre ( siehe auch LG Ellwangen, Beschluss vom 14.09.2009, 1 Qs 166/99.

Dabei beschränkt sich das Akteneinsichtsrecht jedoch nicht, wie die Zentrale Bußgeldstelle meint, auf Einsicht in die Originaldateien in den Räumen der zentralen Bußgeldstelle( LG Ellwangen, wie oben und BayObLG, Beschluss vom 27.11.1990, 2 Ob OWi 279/90, NJW 1991, 1070).

Eine Reise des Sachverständigen von Riesa nach Gransee und zurück von insgesamt 530 km steht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und kann dem Sachverständigen nicht und wegen der Kosten dem Betroffenen nicht zugemutet werden.

Deshalb ist die Messserie mit allen Originalmessdateien dem Sachverständigen zu übersenden.

Schutzwürdige Interessen anderer Betroffener stehen der Übersendung der Dateien nicht entgegen. Es stellt überhaupt keinen anderen Sachverhalt dar, ob der Sachverständige die Dateien vollständiger Weise in den Räumen der Zentralen Bußgeldstelle oder in seinem Büro einsieht.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.