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OLG Hamm Urteil vom 09.08.2017 - I-20 U 184/15 - Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers

OLG Hamm v. 09.08.2017: Zur Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nach den AKB 2008 (in der Fassung der GDV-Musterbedingungen


Das OLG Hamm (Urteil vom 09.08.2017 - I-20 U 184/15) hat entschieden:
  1. Die Bedingungen zur Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung der AKB 2008 (in der Fassung der GDV-Musterbedingungen) sind wirksam. Der Umstand, dass die Regelung des § 28 Abs. 4 VVG (Hinweis des Versicherers nach Versicherungsfall) dort nicht erwähnt ist, führt nicht zur Unwirksamkeit (Abgrenzung zu BGH, Urt. vom 2. April 2014, IV ZR 58/13, Rn. 21, r+s 2015, 347; Abweichung von LG Berlin, Urt. vom 2. Dezember 2016, 42 O 199/16, r+s 2017, 344).

  2. Eine Lüge vor Gericht bei der Geltendmachung eines Kaskoanspruchs wegen Diebstahls kann dazu führen, dass die für den Versicherungsnehmer streitende "Redlichkeitsvermutung" widerlegt ist (hier Widerlegung bejaht).

Siehe auch Obliegenheitsverletzungen / Leistungsfreiheit und Regress der Kfz-Versicherung und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Kaskoversicherung auf Entschädigung für einen behaupteten Teilediebstahl an einem Porsche 911 in Anspruch.

Die vereinbarten Versicherungsbedingungen entsprechen, soweit relevant, den Musterbedingungen AKB 2008 des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Das versicherte Kraftfahrzeug stand am späten Abend des 27.03.2014 ohne Räder und Scheinwerfer auf dem Gehweg x-​straße ....

Der Kläger hat behauptet: Er habe den Porsche dort gegen 20.00 Uhr unversehrt stehen gelassen, nachdem er in der dort von ihm angemieteten Garage gearbeitet habe, und sei zu seiner Freundin, der Zeugin O, in Bad P gefahren. Gegen 23.00 Uhr habe er dort einen anonymen Anruf auf seinem Mobiltelefon erhalten. Der Anrufer habe gesagt "Porsche weg Felgen Backsteine". Der Kläger habe sich dann mit dem Pkw der Zeugin O auf den Weg gemacht und sei ca. 20 Minuten später am Abstellplatz eingetroffen. Ein Dritter oder Dritte hätten ohne seine Beteiligung Räder und Scheinwerfer entwendet. Er, der Kläger, habe den Porsche danach in Eigenleistung repariert und in einer Werkstatt lackieren lassen.

In dem Gespräch bei seinem vormaligen Rechtsanwalt N am 23.06.2014 habe der von der Beklagten beauftragte Zeuge M erstmals eine Nachbesichtigung des versicherten Fahrzeugs gefordert.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der Anträge und der Begründung des Urteils wird auf dieses Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Er trägt unter anderem vor:

Er habe sich trotz seines – unstreitig – geringen Lohnes den Porsche leisten können, und zwar neben einem Kleinwagen.

Er habe auch sonst gelegentlich den Porsche nicht in der gemieteten Garage oder auf dem durch ein Tor geschlossenen Hof vor der Garage abgestellt, sondern auf dem Gehweg an der Straße. Die Garage sei an diesem Abend voll gewesen.

Der Kläger beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 31.472,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2014 sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 749,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.533,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2014 sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 490,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet einen Teilediebstahl und macht geltend, eine Vortäuschung durch den Kläger sei erheblich wahrscheinlich.

Zudem beruft sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit. Der Kläger habe arglistig seine Obliegenheiten verletzt, indem er sich - was unstreitig ist - geweigert habe, Fragen des von der Beklagten Beauftragten, M, zu beantworten und das Fahrzeug näher untersuchen zu lassen.

Der Senat hat im Termin am 06.04.2016 den Kläger angehört, die Zeugen O, C und C2 vernommen und dann (im Hinblick auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung) ein technisches Gutachten des Sachverständigen S eingeholt.

Der Kläger hat in diesem ersten Termin unter anderem erklärt, der von der Beklagten beauftragten Zeuge M habe im Gespräch mit seinem vormaligen Rechtsanwalt N eine Nachbesichtigung des Fahrzeugs verlangt, als sich dieses in einer Werkstatt befunden habe. Er habe den Standort des Wagens nicht mitteilen wollen, weil er befürchtet habe, der Zeuge M werde den Werkstattbetreiber gegen sich aufbringen. Sein Rechtsanwalt habe ihm dazu gesagt, er müsse den Wagen nicht ein zweites Mal vorführen. Darauf habe er vertraut.

Im Termin am 12.07.2017 hat der Senat erneut den Kläger angehört. Der Kläger hat zur Frage der vom Zeugen M geforderten Nachbesichtigung erklärt, sein damaliger Rechtsanwalt habe ihm zunächst von einer Nachbesichtigung des Fahrzeugs abgeraten. Nach dem Gespräch mit dem Zeugen M am 23.06.2014 habe Rechtsanwalt N dann jedoch seine Meinung geändert und ihm geraten, das Fahrzeug erneut besichtigen zu lassen. Die Beklagte müsse die Möglichkeit haben, durch Untersuchung des Fahrzeugs etwaige für die Beklagte günstige Umstände zu ermitteln. Das habe er indes nicht gewollt, weil er sich vom Zeugen M schikaniert gefühlt habe. Deshalb habe er das Fahrzeug nicht nachbesichtigen lassen. Später sei Rechtsanwalt N ihm dann auch wieder beigetreten und habe sich mit ihm auf den Standpunkt gestellt, er sei zu einer Nachbesichtigung nicht verpflichtet.

Nachdem der Senat darauf hingewiesen hatte, dass hiernach die Klage schon wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers unbegründet sein dürfte, und die Verhandlung unterbrochen worden war, damit der Kläger sich mit seinem Prozessbevollmächtigten über die Möglichkeit eines Vergleichs beraten konnte, hat der Kläger erklärt: Er sei soeben sehr nervös gewesen und habe das Geschehen nicht korrekt dargestellt. Tatsächlich sei im Gespräch am 23.06.2014 eine Besichtigung noch gar nicht vereinbart worden. Den von Rechtsanwalt N im Schreiben vom 24.06.2014 bestätigten Besichtigungstermin habe er abgesagt, weil er am 25.06.2014 keine Zeit gehabt habe. Danach habe Rechtsanwalt N ihm von einer Nachbesichtigung abgeraten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verhandlungsprotokolle, den Berichterstattervermerk zum Termin am 06.04.2016 und das Gutachten des Sachverständigen S vom 22.12.2016 Bezug genommen.


II.

Die Berufung ist unbegründet.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch besteht nicht, so dass die Klage weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag Erfolg hat.

1. Der geltend gemachte Versicherungsfall "Diebstahl" ist nicht bewiesen.

Den Vollbeweis für einen Diebstahl kann der Kläger nicht führen. Aber auch das so genannte äußere Bild eines Teilediebstahls ist nicht erwiesen (vgl. zu dieser Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer etwa Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29.  Aufl. 2015, AERB § 1 Rn. 52 ff. mit weiteren Nachweisen).

a) Das äußere Bild ist nicht durch Zeugen bewiesen.

aa) Schon das unversehrte Abstellen und Zurücklassen des Porsche durch den Kläger (vor einem späteren Auffinden in beschädigtem Zustand) ist nicht durch Zeugen bewiesen.

Allerdings hat der vom Kläger zum Termin am 06.04.2016 gestellte Zeuge C ausgesagt, dass er beim Herunterlassen eines Rollos in einem zur Straße gelegenen Raum des von ihm bewohnten Hauses x-​straße ## am Abend des 27.03.2014 gegen 20.00 Uhr gesehen habe, dass das versicherte Fahrzeug unversehrt vor dem Haus abgestellt gewesen sei.

Unabhängig davon, dass zweifelhaft ist, ob der Zeuge von seinem angegebenen Standort am Fenster des Hauses überhaupt wahrgenommen hat, ob die Räder des unmittelbar davor abgestellten Fahrzeugs noch montiert waren, genügt diese Aussage nicht.

Der Zeuge hat keine Aussage dazu treffen können, in welchem Zustand der Porsche war, als der Kläger das Fahrzeug zurückließ. Es ist nach Aussage durchaus möglich, dass der Kläger nach der Beobachtung durch den Zeugen noch - allein oder mit einem Dritten - Veränderungen vornahm.

bb) Unabhängig davon, ist das äußere Bild auch deshalb nicht durch Zeugen bewiesen, weil sich aufgrund der Aussagen nicht feststellen lässt, dass der Porsche ohne Räder und Scheinwerfer war, als der Kläger zu dem Porsche zurückkam.

Der Zeuge C hat bekundet, erst am nächsten Morgen gegen 6.45 Uhr vor dem Haus gesehen zu haben, dass der Wagen ohne Räder aufgebockt gewesen sei. Ob der Kläger den Wagen in diesem Zustand wieder aufgefunden hat, hat der Zeuge nicht beobachtet.

Auch der Zeuge C2 hat keine Beobachtungen dazu gemacht, in welchem Zustand der Kläger den Wagen wieder aufgefunden hat. Vielmehr will der Zeuge C2 die Beschädigungen am Fahrzeug erst wahrgenommen haben, als der Kläger bereits am Abstellort eingetroffen war. Dazu hat der Zeuge C2, wie die erneute Vernehmung des Zeugen vor dem Senat ergeben hat, im Übrigen auch keine irgendwie verlässlichen Zeitangaben machen können.

b) Auch durch die eigenen Angaben des Klägers ist das äußere Bild nicht erwiesen.

aa) Allerdings ist der Senat nach der Anhörung des Klägers im ersten Termin zunächst zu dem - vorläufigen - Ergebnis gelangt, dass die für den Kläger streitende Redlichkeitsvermutung nicht erschüttert und das äußere Bild daher durch die Angaben des Klägers erwiesen sei (vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Februar 1996 - IV ZR 300/94, Rn. 10-​12, BGHZ 132, 79, zitiert - wie alle Entscheidungen - nach juris; seitdem ständige Rechtsprechung; die in Betracht kommenden Zeugen hat der Senat zuvor vernommen).

Dazu gilt: Der Kläger erklärte, nachdem die Beklagte Leistungen abgelehnt hatte, in einem Schreiben an deren Vorstand – wahrheitswidrig –, er habe sich wegen der Leistungsablehnung einen anderen Wagen kaufen müssen, um zur Arbeitsstätte zu gelangen. Tatsächlich hatte er stets seinen Zweitwagen zur Verfügung. Dies genügt nach Auffassung des Senats aber nicht zur Erschütterung der Redlichkeitsvermutung.

bb) Nach den Erklärungen des Klägers im zweiten Termin kann der Senat an dieser Beurteilung zur Redlichkeitsvermutung indes nicht mehr festhalten. Vielmehr ist die Vermutung widerlegt. Die eigenen Angaben genügen daher zum Beweis eines Diebstahls nicht. (1) Der Senat ist ohne vernünftige Zweifel davon überzeugt, dass der Kläger im zweiten Termin nach der Unterbrechung der Verhandlung bewusst die Unwahrheit sagte, um seiner Klage zum Erfolg verhelfen.

Das Geschehen um die Weigerung einer Untersuchung war bereits im ersten Termin vor dem Senat Gegenstand der Anhörung des Klägers. Die Beklagte hat es dann schriftsätzlich nochmals im Detail aufgegriffen. Die Erklärungen des Klägers im zweiten Termin vor der Unterbrechung waren ausführlich, anschaulich, klar und ruhig. Der Kläger berichtete ausdrücklich, er habe sich trotz der entgegenstehenden Beurteilung der Rechtslage durch seinen Rechtsanwalt entschlossen, eine Untersuchung des Fahrzeugs nicht zuzulassen. Es besteht für den Senat kein vernünftiger Grund, an der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln. Der Kläger hat insbesondere nachvollziehbar dargelegt, weshalb er eine Nachbesichtigung durch den Zeugen M verweigerte. Ihm seien die Nachforschungen des Zeugen schlicht "zuviel" gewesen, nachdem dieser ihm im Gespräch bei seinem Rechtsanwalt eine Stunde lang "wirre Fragen" gestellt habe. Diese Haltung entspricht der Darstellung des Klägers im ersten Senatstermin, nach der es ihm "zu blöd" gewesen sei, den Forderungen des Herrn M nachzugeben.

Die anschließende Behauptung des Klägers (nach der Unterbrechung), er habe vor der Unterbrechung das Geschehen "aus Nervosität" nicht richtig dargestellt, und seine dann abweichende Schilderung sind nach Überzeugung des Senats bewusst wahrheitswidrig gewesen und haben zum Ziel gehabt, der Klage mit dieser unwahren Schilderung zum Erfolg zu verhelfen.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie es auf "Nervosität" (oder sonst einer Fehlleistung des Klägers) beruhen soll, dass der Kläger vor der Unterbrechung den Hergang - wie er dann behauptet hat - falsch darstellte. Denn seine Angaben vor der Unterbrechung waren, wie gesagt, ausführlich, anschaulich, klar und ruhig. Der Kläger berichtete - in Reaktion auch auf konkrete Vorhaltungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten - einen Hergang, welcher ungewöhnlich ist (Nichtbefolgen des anwaltlichen Rats). Auch wich der Kläger erklärtermaßen von seinen früheren Aussagen im ersten Termin ab, indem er erklärte, sein Rechtsanwalt habe ihm nach dem Gespräch mit dem Zeugen M ausdrücklich zur Nachbesichtigung geraten. Der Senat schließt es mit der für ein positives Beweisergebnis nötigen Sicherheit aus, dass der Kläger vor der Unterbrechung einen solchen Hergang in solcher Weise - durch irgendeine Fehlleistung - im Kern falsch darstellte.

(2) Die Redlichkeitsvermutung ist damit widerlegt.

Der Kläger hat bei seiner Schilderung nach der Unterbrechung vor Gericht bewusst die Unwahrheit gesagt, um zu versuchen, seiner Klage zum Erfolg zu verhelfen. Dies begründet im Streitfall insgesamt (jedenfalls) schwerwiegende Zweifel an der Redlichkeit und Glaubwürdigkeit des Klägers.

Der Senat ist sich dabei bewusst, dass nicht etwa jede unrichtige Angabe, auch nicht vor Gericht, die Redlichkeitsvermutung widerlegt (vgl. bereits oben aa) und der Kläger möglicherweise meint, einen Anspruch gegen die Beklagte zu haben. Trotzdem kann dem Kläger nach dieser Unwahrheit vor Gericht die Vermutung nicht mehr zugute kommen. Der Senat hat keinen Anhalt dafür, dass der Kläger nur bereit war, vor Gericht die Unwahrheit zu sagen, nicht aber, einen Diebstahl vorzutäuschen.

2. Unabhängig von dem Vorstehenden gilt:

Die Beklagte ist leistungsfrei, weil der Kläger vorsätzlich, ja sogar arglistig, die Obliegenheit verletzt hat, das Fahrzeug (nach einer ersten Begutachtung durch einen Sachverständigen der Dekra, insbesondere zur Schadenshöhe) von der Beklagten noch einmal näher untersuchen zu lassen (§ 28 VVG, E.1 der vereinbarten AKB).

a) Die Obliegenheit ist vereinbart in E. 1.3 der vereinbarten AKB. (Zur Frage der Wirksamkeit der Regelung über die Leistungsfreiheit sogleich unter c.)

b) Der Kläger hat die Obliegenheit vorsätzlich, ja sogar arglistig, verletzt.

aa) Vorsatz ist gegeben:

Der Kläger wusste, wie er selbst vor dem Senat erklärt hat, dass er nach dem Versicherungsvertrag an sich gehalten war, an der Aufklärung mitzuwirken und eine nähere Untersuchung des Fahrzeugs zuzulassen.

Der Kläger kann sich, wie aus dem Vorstehenden folgt, nicht mit Erfolg auf einen Rat seines Rechtsanwalts berufen. Die von ihm vorgebrachte "Entschuldigung" trägt somit nicht.

Ob der Rechtsanwalt des Klägers später Anderes erklärte, kann dahinstehen. Dies würde die vorausgegangene Obliegenheitsverletzung nicht entschuldigen.

bb) Der Senat ist auch ohne vernünftigen Zweifel davon überzeugt, dass der Kläger billigend in Kauf nahm, dass durch die Nichtzulassung einer weiteren Untersuchung des Fahrzeugs die Beklagte einen Nachteil bei der Aufklärung des Sachverhalts erfährt.

Dem Kläger war bewusst, dass die Beklagte Tatsachen ermitteln wollte, welche ihr bei der Wahrnehmung ihrer Rechte helfen würden. Auch wenn der Kläger (wie der Senat hier zu dessen Gunsten unterstellt) wusste, dass ein Dritter die in Rede stehenden Teile ohne Schlüssel aus dem geschlossenen Fahrzeug entwendete, konnte der Kläger ersichtlich nicht ausschließen und schloss nach Überzeugung des Senats auch nicht aus, dass die Beklagte bei einer weiteren Untersuchung solche Tatsachen, etwa eine auffällige Begehungsweise, finden würde. Sein Rechtsanwalt hatte ihm erklärt, dass die Beklagte die Möglichkeit haben müsse, nach solchen Tatsachen zu suchen.

Damit ist auch Arglist gegeben.

c) Ob die Obliegenheitsverletzung für die Entscheidung der Beklagten folgenlos geblieben ist, ist wegen der arglistigen Obliegenheitsverletzung unerheblich (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG). Solche Folgenlosigkeit lässt sich aber auch nicht feststellen, wie aus dem soeben Gesagten bereits folgt.

d) Die Beklagte ist hiernach leistungsfrei. Dazu gilt:

aa) Die Regelung zur Leistungsfreiheit in E.6 der vereinbarten AKB ist wirksam.

Dies gilt, auch wenn dort auf § 28 Abs. 4 VVG nicht hingewiesen wird. (Nach dieser Vorschrift setzt Leistungsfreiheit bei Verletzung von Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten nach dem Versicherungsfall ggf. eine vorherige Belehrung des Versicherungsnehmers in Textform voraus.)

Der Senat hält fest an der, soweit ersichtlich, bisher einheitlichen Rechtsprechung (vgl. auch, offenbar zu gleichlautenden AVB, BGH, Urteil vom 21. November 2012 - IV ZR 97/11, VersR 2013, 175). Er folgt nicht dem Urteil des LG Berlin vom 2. Dezember 2016 (42 O 199/16, r+s 2017, 344 mit ablehnender Anmerkung Schreiner = zfs 2017, 273 mit wohl zweifelnder Anmerkung Rixecker).

(1) Die Regelung in E.6 AKB weicht nicht im Sinne von § 32 Satz 1 VVG von der Vorschrift des § 28 VVG ab (anders LG Berlin, ebd.; Marlow, [u.a.] in: Beckmann/Matusche-​Beckmann, Versicherungsrechts-​Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 13 Rn. 52).

Die Regelung ist von der Rechtsprechung bisher nicht dahin verstanden worden und kann nach Auffassung des Senats auch nicht dahin verstanden werden, dass sie Leistungsfreiheit anordnet unabhängig von dem gesetzlichen Erfordernis aus § 28 Abs. 4 VVG, wonach der Versicherer den Versicherungsnehmer in bestimmten Fällen durch gesonderte Mitteilung in Textform belehren muss. Vielmehr ist sie dahin zu verstehen, dass zusätzlich § 28 Abs. 4 VVG zu beachten ist; diese Vorschrift soll nicht etwa abbedungen sein.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer (auf dessen Verständnis es für die Auslegung - jedenfalls in erster Linie - ankommt; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Juli 2016 - IV ZR 44/15, Rn. 17 m.w.N., BGHZ 211, 51) erwartet in einer Regelung wie E.6 AKB nicht eine wirklich vollständige Darstellung der Rechtslage einschließlich Wiedergabe aller einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier (dazu noch sogleich) - eine solche Darstellung zumindest sehr schwierig ist.

Auch sonst besteht kein Grund, die Regelung dahin zu verstehen, dass sie von § 28 VVG abweichen soll. Die Regelung folgt dieser Vorschrift, gibt sie nur eben nicht vollständig wieder. § 28 Abs. 4 VVG soll nicht abbedungen sein.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem (vom LG Berlin angeführten) Urteil des BGH vom 2. April 2014 (IV ZR 58/13, dort Rn. 21, r+s 2015, 347).

Dieses Urteil hatte Versicherungsbedingungen aus dem Jahre 2005 zum Gegenstand, welche insgesamt noch auf den gesetzlichen Vorgaben des § 6 Abs. 3 VVG alter Fassung beruhten (vgl. ebd. Rn. 16). Die Bedingungen waren daher nach ihrem klaren, an der alten Gesetzeslage orientierten Wortlaut unter anderem dahin auszulegen, dass sie - mittlerweile gesetzeswidrig - bei grober Fahrlässigkeit volle Leistungsfreiheit des Versicherers anordneten. Und sie waren daher, wie der BGH zu Recht erklärt hat (Rn. 21), auch dahin zu verstehen, dass Leistungsfreiheit eintreten sollte unabhängig von einer Beachtung der Vorschrift des § 28 Abs. 4 VVG. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Urteils zu sehen. Ihnen lässt sich daher nicht entnehmen, dass Bedingungen zur Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung, welche klar und eindeutig den Vorschriften der §§ 28 ff. VVG 2008 entsprechen und lediglich einen Hinweis zu § 28 Abs. 4 VVG auslassen, insgesamt unwirksam sein sollen.

(2) Zu fragen bleibt, ob die Regelung den Versicherungsnehmer ausreichend informiert, also transparent ist und somit auch den Anforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und den diesbezüglichen Anforderungen des § 28 VVG genügt. Dies ist zu bejahen.

Allerdings ist es zutreffend, dass die Versicherungsbedingungen den Versicherungsnehmer über die Voraussetzungen von – teilweiser – Leistungsfreiheit informieren müssen (vgl. etwa Felsch, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 28 Rn. 26, dort insbesondere dritter und vierter Absatz). Die Anforderungen hieran dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. allgemein Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 307 Rn. 22 m.w.N.). Eine Information über das Belehrungserfordernis des § 28 Abs. 4 VVG ist nicht geboten (unentschieden wohl Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2016, § 28 Rn. 28 bei Fn. 647).

Hierzu gilt zum einen, dass die Rechtsordnung auch sonst eine Information über gesetzliche Belehrungserfordernisse (also eine Belehrung über ein Belehrungserfordernis) nicht fordert, sondern das Belehrungserfordernis selbst als ausreichenden Schutz ansieht. So ist allgemein anerkannt, dass die in den Versicherungsbedingungen der privaten Unfallversicherung übliche Klausel über die Frist für eine ärztliche Feststellung wirksam ist, obwohl die Klausel nicht auf den Inhalt von § 186 VVG hinweist. (Nach dieser Norm kann sich der Versicherer auf solche Fristen nicht mit Erfolg berufen, wenn er - nach Anzeige des Versicherungsfalls - darüber nicht in Textform belehrt hat.) Wollte man fordern, dass ein Versicherungsnehmer aus den Versicherungsbedingungen jede Verteidigungsmöglichkeit erkennen müsse (oder jedenfalls all die Verteidigungsmöglichkeiten, welche im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind), wäre diese Fristenregelung unwirksam.

Zum anderen: Wenn Allgemeine Versicherungsbedingungen den Inhalt von § 28 Abs. 4 VVG wortgetreu wiedergeben, ist der Versicherungsnehmer auch nicht korrekt informiert. Das Belehrungserfordernis gilt nicht bei bestimmten "spontan zu erfüllenden" Obliegenheiten, insbesondere dann nicht, wenn dem Versicherer eine Belehrung gar nicht möglich war (vgl. Felsch, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, a.a.O., Rn. 224 m.w.N.); und es gilt nicht bei arglistiger Obliegenheitsverletzung (vgl. ebd., Rn. 226, sowie Wandt, Versicherungsrecht, 6. Aufl. 2016, Rn. 615, beide m.w.N. und mit Hinweis auf BT-​Drs. 16/3945, S. 69). Eine korrekte Information erscheint somit kaum möglich, zumal die genaue Abgrenzung bei "spontan zu erfüllenden" Obliegenheiten jedenfalls schwierig ist (vgl. Felsch, ebd., Rn. 224; Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, a.a.O., § 28 Rn. 320 ff.).

bb) Leistungsfreiheit wäre aber auch anzunehmen, wenn man dem Vorstehenden zu aa nicht folgen wollte. Denn dann wäre eine Vertragsergänzung geboten (anders freilich LG Berlin, a.a.O., Rn. 32).

Der Kläger hat (wie dargelegt) arglistig gegen eine vereinbarte Obliegenheit verstoßen, nachdem er (unstreitig) ausweislich der im Termin am 25.06.2015 von der Beklagten zur Akte gereichten Belehrung (Bl. 230) gem. § 28 Abs. 4 VVG über seine Aufklärungspflichten informiert worden war. Er war insofern besser informiert als ein Versicherungsnehmer, in dessen Versicherungsbedingungen der Inhalt des § 28 Abs. 4 VVG wiedergegeben ist, dem aber eine - wie gesagt, bei Arglist nicht erforderliche - konkrete Belehrung nach dem Versicherungsfall nicht zugeht.

Dies zeigt, dass bei Bedingungen, in denen allein ein Hinweis auf § 28 Abs. 4 VVG "fehlt", der Versicherungsnehmer in bestimmten Situationen nicht schutzwürdig ist. Der Versicherer erscheint demgegenüber (jedenfalls) bei arglistiger Obliegenheitsverletzung - und (jedenfalls) nach konkreter Belehrung - schutzwürdig. Zwar hätte die Beklagte im Streitfall eine Leistung wohl auch als jedenfalls noch nicht fällig ablehnen können; in anderen Fällen arglistiger Obliegenheitsverletzung besteht ein solcher "Ausweg" aber nicht.

Die Rechts- und Interessenlage ist hier anders als im Fall der unterbliebenen Anpassung von Versicherungsbedingungen an die Neuregelung der §§ 28 ff. VVG 2008 (siehe dazu BGH, Urteil vom 2. April 2014 - IV ZR 58/13, Rn. 22-​24 m.w.N., r+s 2015, 347).

Nach Auffassung des Senats wäre daher, wollte man dem Vorstehenden zu aa nicht folgen, eine Ergänzung des Vertragsinhalts geboten (vgl. allgemein Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 306 Rn. 12 ff.; ferner Schreiner, r+s 2017, 344 ff.), nach welcher hier Leistungsfreiheit eintritt.

III.

Der Schriftsatz vom 12.07.2017 gibt nach den Erörterungen zu II.1 keinen Anlass, die Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Dies gilt schon deshalb, weil die Klage bereits aus den Gründen zu II 1 abzuweisen ist. Die von dem zitierten Urteil des LG Berlin aufgeworfenen Rechtsfragen sind dafür nicht entscheidungserheblich. Es kommt deshalb hier nicht darauf an, dass sich dieses Urteil mit den - entgegenstehenden - Erwägungen unter II 2 d aa nicht auseinandergesetzt hat und die Rechtsprechung bisher, soweit ersichtlich, einheitlich anders entschieden hat.