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OLG Hamburg Urteil vom 26.01.2000 - 14 U 184/99 - Zur grobfahrlässigen Verursachung eines Unfalls bei relativer Fahruntüchtigkeit
OLG Hamburg v. 26.01.2000: Zur grobfahrlässigen Verursachung eines Unfalls bei relativer Fahruntüchtigkeit
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 26.01.2000 - 14 U 184/99) hat entschieden:
Dass der Versicherungsnehmer unter alkoholischer Beeinflussung von 0,89 ‰ bei Schnee in einer leichten Rechtskurve von der Fahrbahn abkommt, rechtfertigt nicht ohne weiteres, von einer grobfahrlässigen Herbeiführung des Unfalls auszugehen.
Siehe auch Die grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Voll- oder Teilkaskoversicherung und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen aus der abgeschlossenen Fahrzeugversicherung gemäß § 1 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 3 , 7 , 12 , 13 AKB zu. Dabei ist die Tatsache des Unfalls des Klägers mit seinem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen H, auf der Bundesstraße 8 von Kitzingen in Richtung Würzburg in Höhe von km 85,3 gegen 22.50 Uhr am 4.12.1998 nicht streitig. Streitig ist allein, ob die Beklagte gemäß § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kläger leistungsfrei ist. Die bei dem Kläger durchgeführte Blutalkoholuntersuchung (23.59 Uhr) hat nämlich einen Blutalkoholgehalt von 0,89 0/00 ergeben. Bei diesem Wert ist es allerdings nicht streitig, daß der Kläger sich noch nicht im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit befunden hat (vgl. hierzu im einzelnen Prölss-Martin, Versicherungsvertragsgesetz, § 12 AKB Anm. 11 b; Römer-Langheid, VVG, § 61 Rz. 36). Grobe Fahrlässigkeit ist stets beim Blutalkoholwert von über 1,1 0/00 bejaht worden, wobei für die Kausalität der absoluten Fahruntüchtigkeit für den eingetretenen Unfall von der Rechtsprechung ein Beweis des ersten Anscheins angenommen wird. Bei relativer Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholwert unter 1,1 0/00) sind nach ganz herrschender Meinung indessen weitere Umstände erforderlich, die die Alkoholbedingtheit des Unfalls belegen (vgl. Römer-Langheid, § 61 Rz. 36 mit vielfältigen Nachweisen). Umstände, die bei auch nur relativer Fahruntüchtigkeit die Alkoholbedingtheit des Unfalls dartun, können sich aus dem Verhalten des Fahrers, aus den Feststellungen des Blutentnahmeprotokolls oder aus groben Fahrfehlern ergeben (vgl. Knappmann in Prölss-Martin a.a.O.), etwa wenn ein alkoholisierter Fahrer ohne ersichtlichen Grund bei einfacher Verkehrssituation von der Fahrbahn abkommt. Solche über die reine Alkoholisierung des Klägers hinausreichenden Umstände liegen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Auffälligkeiten des Klägers bei der Blutentnahme hat es nach dem Protokoll über die Blutentnahme nicht gegeben. Vielmehr war sein Gang sicher, die Sprache deutlich und das Bewußtsein klar. Der Kläger zeigte ein beherrschtes Verhalten und die Alkoholisierung war äußerlich nur leicht erkennbar.
Daß der Kläger von der Fahrbahn abgekommen ist, ist im vorliegenden Fall auch kein Umstand, der die Ursache für den Unfall im Alkoholgenuß beweist. Schließlich ereignete sich der Unfall ausgangs einer leichten Linkskurve und es ist durch Bl. 8 der Ermittlungsakte belegt, daß zur Unfallzeit die Fahrbahn mit Schneematsch bedeckt war und sehr glatt war. In der gleichen Nacht sind mehrere witterungsbedingte Unfälle verursacht worden. Nach Auffassung des den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten ist der Unfall durch die Straßenverhältnisse hervorgerufen worden. Es geht im vorliegenden Fall um die Frage, ob der Kläger den Unfall grob fahrlässig gemäß § 61 VVG herbeigeführt hat. Da für diese Feststellung der Alkoholisierungsgrad allein nicht ausreicht, läßt sich eine Überzeugung, daß grobe Fahrlässigkeit vorgelegen hat, nur aus weiteren Umständen gewinnen. Diese Umstände sind im vorliegenden Fall nicht zureichend. Demgemäß hat das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben. ..."