Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 13.01.1975 - 12 U 2107/74 - Auch bei älteren Fahrzeugen ist ein merkantiler Minderwert möglich; die Methode Ruhkopf-Sahm ist nicht zwingend

KG Berlin v. 13.01.1975: Auch bei älteren Fahrzeugen ist ein merkantiler Minderwert möglich; die Methode Ruhkopf-Sahm ist nicht zwingend


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 13.01.1975 - 12 U 2107/74) hat entschieden:
Auch bei einem zur Unfallzeit 4 Jahre alten Mittelklassewagen mit einem Zeitwert von 3.550 DM, mit dem bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 60.000 km zurückgelegt worden waren, kann bei Reparaturkosten in Höhe von 1.600 DM ein merkantiler Minderwert in Betracht kommen (hier: 150 DM).


Siehe auch Wertminderung / merkantiler Minderwert


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Streitig ist zur Schadenhöhe nur, ob dem Kl. ein Anspruch auf Ersatz eines merkantilen Minderwerts zusteht. Dies ist entgegen der Auffassung der Bekl., die sich das LG zu eigen gemacht hat, zu bejahen.

Durch den von der Rechtsprechung gewährten Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts soll der Schaden ausgeglichen werden, der darauf beruht, daß erfahrungsgemäß auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge gegenüber unfallfreien Fahrzeugen mit Preisabschlägen gehandelt werden. Es soll der allgemeinen Verkehrsauffassung Rechnung getragen werden, die den durch einen Unfall betroffenen Wagen nach der Instandsetzung unbeschadet der technisch einwandfreien Herstellung geringer bewertet als vor dem Unfall (BGHZ 35, 396 = VersR 61, 1043 = NJW 61, 2253; st. Rspr. des Senats; vgl. die Nachweise bei Darkow VersR 72, 613 (616) sowie DAR 74, 225 (229) unter I. 16. "Minderwert"; Urteil des Senats vom 27.5.1974 - 12 U 41/74 - m. w. Nachw.).

Ob und in welcher Höhe aus diesem Grund ein Anspruch gegeben ist, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden (§ 287 ZPO). Maßgebend sind vor allem Fahrleistung, Alter, Zustand, etwaiges Typenveralten des Fahrzeugs, Vorschäden und Art des Neuschadens (vgl. etwa die Urteile des Senats vom 26.11.1973 - 12 U 1124/73 - und vom 27.5.1974 aaO). Dabei wird ein Anspruch auf Ersatz eines merkantilen Minderwerts nur in Frage kommen, wenn ein Kfz durch einen Unfall erheblich beschädigt worden ist (BGH aaO). Ein Ersatzanspruch ist demgemäß bei kunstgerecht behobenen Bagatellschäden zu verneinen (OLG Köln DAR 73, 71; Urteil des Senats vom 27.5.1974 - aaO). Die von den Bekl. aufgegriffene Meinung, daß eine Wertminderung dann nicht mehr in Betracht komme, wenn der Zeitwert des Kfz unter 406/0 des Neuwerts gesunken ist, findet im Gesetz keine Stütze (Urteil des Senats vom 25.2.1971 - 12 U 2285/70 zitiert in DAR 72, 141 (143) unter I. 11."Minderwert").

Im Hinblick auf die eingangs angeführte Funktion des Ersatzanspruchs hat der Senat einen Anspruch u. a. auch bejaht; Bei einem vier Jahre alten Opel-Rekord mit einer Fahrleistung von 45000 km und einem Unfallschaden, der Reparaturkosten von rund 1800 DM verursacht hatte (Urteil vom 15.2.1971 - 12 U 2026/70 - DAR 71, 186 = VersR 71, 647 = MDR 71, 661 = Der Betrieb 71, 813). Bei einem im vierten Jahr zugelassenen Fahrschulwagen VW mit einer Laufstrecke von über 87000 km und Instandsetzungskosten von rund 2800 DM (Urteil vom 20.9.1971 - 12 U 658/71 -, zitiert in DAR 72, 141 (143) unter I. 11."Minderwert"). Auch der 22. Zivilsenat des KG hat sich zu der Auffassung bekannt, daß der Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen sei, und er hat in dem von den Bekl. zitierten Urteil vom 4.10.1973 22/12 U 2249/72 = VersR 74, 786 den Ersatzanspruch unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Falls bemessen. Der in dem Urteil gegebene Hinweis auf die Tabellen von Ruhkopf-Sahm, deren Anwendung von dem erk. Senat aus den von Darkow VersR 72, 613 (616) dargelegten Gründen in st. Rspr. abgelehnt wird, trägt daher die Entscheidung nicht.

Im vorliegenden Fall kann weder die Rede davon sein, daß das Fahrzeug des Kl. Lediglich Bagatellschäden erlitten habe, noch läßt sich die Auffassung rechtfertigen, ein Wertminderungsanspruch komme wegen des Alters des Fahrzeugs und seiner Fahrleistung nicht in Betracht. Das Fahrzeug war bei einer Fahrleistung von über 60000 km und einem Alter von etwa vier Jahren noch nicht so alt, daß für einen verständigen Käufer nicht hätte Veranlassung bestehen können, wegen des Unfallschadens einen Preisnachlaß zu verlangen.

Der Zeitwert ist von dem Sachverständigen der Bekl. zu (2) mit immerhin noch 3550 DM angenommen worden. Eine andere Beurteilung hätte möglicherweise Platz greifen können, wenn das Fahrzeug bereits einen erheblichen Vorschaden gehabt hätte. Hierfür haben die Bekl. indessen nichts dargetan. Ihre Behauptung, der Wagen des Kl. Habe an der rechten Seite einen Vorschaden gehabt, der sich auf etwa 500 DM bis 1000 DM belaufen habe, ist zu unsubstantiiert, als daß er einem Zeugenbeweis zugänglich wäre. Dieses Vorbringen läßt nämlich nicht erkennen, wann und auf welche Art und Weise das Fahrzeug des Kl. Beschädigt worden sein soll.

Der Unfallschaden ist mit einem Kostenaufwand von fast 1600 DM beseitigt worden. Wie sich aus der Reparaturkostenrechnung ergibt, mußten u. a. das Frontblech, der vordere rechte Kotflügel, ein Scheinwerfer und die vordere Stoßstange erneuert werden, die vordere rechte Türtafel mußte ausgebeult und geglättet werden. Der Senat hat keine Bedenken, im Hinblick auf die Höhe der Reparaturkosten, die erwähnten Schäden und unter Berücksichtigung des Alters und der Fahrleistung den merkantilen Minderwert für den Peugeot des Kl. auf 150 DM zu schätzen."



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