Das Verkehrslexikon

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Merkantile Wertminderung - Die diversen Berechnungsmodelle

Merkantile Wertminderung - Die verschiedenen Berechnungsmodelle einschließlich Marktrelevanz- und Faktorenmethode - MFM


Siehe auch Wertminderung / merkantiler Minderwert




Für die Berechnung der Wertminderung existieren eine Vielzahl von verschiedenen Vorschlägen bzw. Modellen. Das am häufigsten angewandte ist das Modell Sahm/Ruhkopf.





Methode Sahm/Ruhkopf


  10 bis 30 % 30 bis 60 % 60 bis 90 %
1. Zulassungsjahr 5 % 6 % 7 %
2. Zulassungsjahr 4 % 5 % 6 %
3. Zulassungsjahr 3 % 4 % 5 %


Die Prozentsätze in der Kopfzeile (10 bis 30% usw.) beziehen sich auf das Verhältnis von Reparaturkosten zum Wiederbeschaffungswert. Die Prozentsätze in der Tabelle beziehen sich auf die Summe von Wiederbeschaffungswert plus Netto-Reparaturkosten.




Weitere Berechnungsmethoden:


Hamburger Modell:


Betriebsleistung des Kfz Wertminderung in % der Rep.-Kosten
bis 20.000,00 km 30 %
bis 50.000,00 km 20 %
bis 75.000,00 km 15 %
bis 100.000,00 km 10 %
über 100.000,00 km 0 %


Bremer Formel:


Fahrzeugalter Minderwert in % der
für die Bemessung
erheblichen Reparaturkosten
bis 6 Monate 30 %
bis 12 Monate 25 %
bis 24 Monate 20 %
bis 36 Monate 15 %
bis 60 Monate 10 %


Eine allgemeine "Faustformel":


  Minderwert in % der
Netto-Reparaturkosten
im ersten Betriebsjahr 25 %
im zweiten Betriebsjahr 20 %
im dritten Betriebsjahr 15 %
im vierten Betriebsjahr 10 %


"Schweizer Formel":


Durchschnittlich 20 % der Netto-Reparaturkosten.

Diese einfache Methode ist dann beinahe akzeptabel, wenn das Auto nicht älter als 3 Jahre ist, und der Schaden mindestens 10 % des Wiederbeschaffungswert ausmacht und es sich um einen "normalen" Schaden handelt (also keine Super-Schweiß- und Richtarbeiten, aber auch kein reiner Blechschaden, bei dem nur Neuteile angeschraubt werden).

In den meisten vielen Fällen ergeben sich aber falsche Werte.

Methode Halbgewachs (Dekra-Modell):


Diese ähnelt sehr der Methode Sahm-Ruhkopf, ist aber nicht ganz so schematisch, weil auch noch das Aufwandsverhältnis Arbeitskosten : Materialkosten x 100 als Faktor Berücksichtigung findet.

Die Methode wird in der Regulierungspraxis aber kaum angewandt, weil sie etwas komplizierter ist als die anderen (und z.b. bei EDV-Bearbeitung vom Anwender viel zu viele Eingaben erfordert, zu denen ein Jurist mangels technischer Kenntnisse des konkreten Reparaturvorgangs auch gar nicht ohne weiteres in der Lage ist).

Empfehlung des 13. Verkehrsgerichtstages (VGT) 1975:


Ein merkantiler Minderwert kommt in der Regel nicht in Betracht

bei sog. Einfachschäden (das sind Schäden an der Außenhaut und den Anbauteilen, die mit einfachen Mitteln - Schrauben, Punktschweißverbindung, Ausbeulen - behoben werden können und wobei der ursprüngliche Zustand voll wiederhergestellt wird,

an Fahrzeugen, die älter als 5 Jahre sind oder bis zum Unfall eine Betriebsleistung von mehr als 100.000 km aufzuweisen hatten.

Bei Nutzfahrzeugen kommt ein merkantiler Minderwert nur ausnahmsweise in Betracht.

Der merkantile Minderwert sollte in der Regel nur nach einem Prozentsatz der für den Minderwert erheblichen Reparaturkosten bemessen werden, der sich je nach dem Alter und der bisherigen Fahrleistung des Wagens auf 10 bis 30 % beläuft.


Der Verkehrsgerichtstag kommt zu dem Ergebnis, dass für die Bemessung des merkantilen Minderwerts nur die Fälle herangezogen werden können, in denen umfangreiche Instandsetzungsarbeiten am Fahrzeugrahmen oder an sonstigen tragenden Karosseriebauteilen durchgeführt wurden.

Die richtige Anwendung dieser Methode ist deshalb sehr schwierig, weil immer aus jeder Rechnung erst einmal der wertminderungsrelevante Anteil der Reparaturkosten herausgerechnet werden muss (kann das nur ein Sachverständiger?).

So hat denn auch eine namhafte Versicherung folgende Tabelle empfohlen:

bis 1. Zul.-Jahr, bzw. bis 20.000 km 30 % der relevanten Rep.-Kosten
bis 2. Zul.-Jahr, bzw. bis 40.000 km 25 % der relevanten Rep.-Kosten
bis 3. Zul.-Jahr, bzw. bis 60.000 km 20 % der relevanten Rep.-Kosten
bis 4. Zul.-Jahr, bzw. bis 80.000 km 15 % der relevanten Rep.-Kosten
bis 5. Zul.-Jahr, bzw. bis 100.000 km 10 % der relevanten Rep.-Kosten
über 5 Jahre bzw. mehr als 1000.000 km kein Minderwert


Von einigen Sachverständigen (z.b. Jordan in der Dokumentation des 13. VGT; Schlund VersR 80, 418) wird empfohlen, ausschließlich die Lohnkosten der reinen Richtarbeiten als relevanten Anteil zuzulassen. Das führt zu lächerlich niedrigen Wertminderungsbeträgen, dieses Verfahren ist daher auch von einem sachgerecht arbeitenden Anwalt gegenüber dem Mandanten kaum zu vertreten.

Angesichts der Schwierigkeiten bei der letztgenannten Methode (welcher Sachbearbeiter kann denn schon den wertminderungsrelevanten Anteil der Reparaturkosten aus der Rechnung isolieren?), kann in der täglichen Praxis zweckmäßigerweise die Wertminderung nur mit Hilfe einer der als "schematisch" gescholtenen Methoden errechnet werden.

Da man sich aber der Einsicht nicht verschließen kann, dass nicht schlechthin jede Position auf der Rechnung für die Wertminderung Bedeutung hat, erscheint es vielleicht für den Praktiker am Ende als am einsichtigsten, das nachzumachen, was lt. Palandt-Heinrichs, BGB § 251 Anm. 4 b aa, auch viele Gerichte machen: Einfach die relevanten Reparaturkosten mit 2/3 des Netto-Rechnungsbetrages gleichzusetzen und dann entweder das Hamburger Modell, die Bremer Formel oder die zuletzt erwähnte Versicherungs-Tabelle anzuwenden, solange die Parteien nicht dieser 2/3-Methode mit einem substantiierten Sachvortrag entgegentreten.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen (Urteil vom 11.07.2014 - 1 C 430/13) hat unter Einbezug auch der neuerdings propagierten MFM-Methode ausgesprochen:

   Der Festlegung des merkantilen Minderwertes eines Unfallfallfahrzeugs liegt grundsätzlich eine Schätzung der zukünftigen Schäden in Form der Einbuße beim Weiterverkauf des Unfallwagens zugrunde, so dass dem Gericht gemäß § 287 ZPO ein Entscheidungsermessen eröffnet ist. Danach lässt sich die Höhe des merkantilen Minderwerts regelmäßig nicht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nach einem festen Prozentsatz aus der Summe von Zeitwert und Reparaturkosten errechnen. Die ursprünglich für die Schätzung herangezogenen Schätzmethoden sind mittlerweile überholt. Insbesondere ist eine Schätzung nach der Methode Halbgewachs sowie nach der Methode Ruhkopf/Sahm nicht mehr zeitgemäß.




Bei der

Marktrelevanz- und Faktorenmethode - MFM


werden folgende Parameter berücksichtigt (Quelle: Minderwert.de):

VW Veräußerungswert inkl. MwSt
NP Neupreis inkl. MwSt
RK Reparaturkosten inkl. MwSt
SU Schadenumfang
AK Alterskorrektur
FM Faktor Marktgängigkeit
FV Faktor Vorschaden


Der Parameter SU - Schadensumfang wird zwischen 0.2 und 1.0 wie folgt eingeteilt:

0.2 Erneuerung und/oder Instandsetzung von Anbauteilen (z.B. Stoßfänger)
0.4 Erneuerung und/oder Instandsetzung von ‚geschraubten‘ Karosserieteilen (z.B. Tür, Motorhaube, Kotflügel)
0.6 Geringe Instandsetzungsarbeiten von tragenden oder mittragenden Karosserieteilen (z.B. Seitenwand instand setzen, Heckblech instand setzen)
0.8 Erhebliche Instandsetzungsarbeiten und/oder Erneuerung von tragenden oder mittragenden Karosserieteilen (z.B. Kofferboden instand setzen, Seitenwand erneuern)
1.0 Erneuerung und/oder erhebliche Instandsetzung (Richtbank erforderlich) von tragenden Karosserieteilen (z.B. Längsträger instand setzen, Rohbaukarosse)


Der Alterskorrekturfaktor (AK) wird aus dem Alter des Fahrzeugs (in Monaten) anhand eines nicht-linearen Kurvenverlaufes bestimmt. Ein hoher AK-Faktor führt zu einer hohen Wertminderung. Mit zunehmendem Fahrzeugalter sinkt der AK-Faktor und damit auch die sich ergebende Wertminderung. Für Fahrzeugalter zwischen 0 und 120 Monaten wird ein Wert zwischen 0,25 und 0 bestimmt.

Alter in Monaten AK-Faktor
0 0.25
6 0.2417
12 0.2236
24 0.1734
60 0.0338
96 0.0535
114 0.0206
120 0.00


Weiterhin ist der FM-Faktor: Marktgängigkeit zwischen 0,6 und 1,4 zu bestimmen.

FM   Beschreibung
0.6 sehr gut Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich
0.8 gut erhöhte Nachfrage
1.0 sehr gut ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage
1.2 schlecht erhöhtes Angebot
1.4 sehr schlecht Fahrzeug ist schwer verkäuflich


Schließlich ist noch der FV-Faktor Vorschaden zwischen 0,2 und 1,0 festzulegen:

0.2 erheblicher Vorschaden
0.4 hoher Vorschaden
0.6 mittlerer Vorschaden
0.8 geringer Vorschaden
1.0 ohne Vorschaden


Sind die vorstehenden Einordnungen vorgenommen, kann der Wertminderungsbetrag nach folgender Formel errechnet werden:

MW = [ (VW / 100) + (VW / NP * RK * SU *AK) ] * FM * FV

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