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Irreführendes Falschblinken des Vorfahrtberechtigten - Rechtsblinken - Linksblinken

Irreführendes Falschblinken des Vorfahrtberechtigten




Gliederung:


-   Einleitung
-   Allgemeines
-   Speziell falsches Linksblinken
-   Falschblinken bei abknickender Vorfahrt
-   Fußgänger und Falschblinker
-   Fußgänger und abknickende Vorfahrt
-   Falschblinken beim Abbiegen aus zwei Fahrstreifen
-   Falschblinken vor Tankstelleneinfahrt



Einleitung:


Gelegentlich kommt es zu Unfällen zwischen einem wartepflichtigen und vorfahrtberechtigten Kfz-Führern, weil der bevorrechtigte Fahrer - versehentlich oder nach wieder aufgegebener Abbiegeabsicht - das rechte Blinklicht betätigt und so bei dem Wartepflichtigen den Eindruck erweckt, er werde noch vor dem Erreichen des wartepflichtigen Fahrzeugs nach rechts aus der Vorfahrtstraße abbiegen.


Ein derartiger Fehler stellt auf jeden Fall einen Mitverursachungsbeitrag dar, denn der Wartepflichtige darf nach überwiegender Auffassung der Gerichte der angezeigten Richtungsänderung vertrauen. Unterschiedlich wird allerdings der Umfang der Mithaftung des Vorfahrtberechtigten beurteilt - die Scala reicht von 25 bis 100 %.

Aber auch beim paarweisen Nebeneinander-Abbiegen kann es zu entsprechenden Missverständnissen kommen, wenn der ganz rechts Eingeordnete zunächst rechts geblinkt, dann aber seine Fahrt geradeaus fortsetzt und damit die Fahrspur des aus zweiter Spur Abbiegenden unerwartet kreuzt.

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Allgemeines:


Stichwörter zum Thema Abbiegen

Verzicht auf das Vorfahrtrecht - Vorrangverzicht




Rechtsprechung:
Grundsätzlich darf der Wartepflichtige darauf vertrauen, dass der von links kommende Vorfahrtberechtigte auch vor ihm nach rechts abbiegen werde, wenn er rechts blinkt und die Geschwindigkeit bei der Annäherung an die Kreuzung bzw. Einmündung herabsetzt.

KG Berlin v. 25.09.1989:
Der wartepflichtige Kraftfahrer darf im allgemeinen darauf vertrauen, dass der sich einer Einmündung oder einer Kreuzung nähernde vorfahrtsberechtigte Kraftfahrer, der den rechten Fahrtrichtungsanzeiger seines Fahrzeugs gesetzt hat, nach rechts in die nächste Querstraße abbiegen wird; kommt es zu einem Zusammenstoß, so kann der Vorfahrtsberechtigte zu vollem Schadenersatz verpflichtet sein.

LG Kiel v. 02.12.1999:
Der Vorfahrtberechtigte haftet bei irreführender Ankündigung einer Abbiegeabsicht zu 100 %

AG Memmingen v. 22.01.1991:
Der Wartepflichtige kann grundsätzlich auf die Fahrtrichtungsanzeige des Vorfahrtberechtigten vertrauen. Geradeausfahrt des Berechtigten trotz Betätigung des rechten Blinklichts kann daher im Fall der Kollision mit einem an sich wartepflichtigen Linksabbieger jedenfalls dann zur Alleinhaftung des Vorfahrtberechtigten führen, wenn dieser auch durch Verminderung der Geschwindigkeit den Eindruck erweckt, daß er dem Fahrtrichtungszeichen folgen werde.

LG Limburg ZfS 1998, 203:
Hat der Vorfahrtberechtigte rechts geblinkt und seine Geschwindigkeit deutlich herabgesetzt, kommt eine Haftung von 75 bis 100 % zu Lasten des Vorfahrtberechtigten in Betracht, wenn der Wartepflichtige auf das Blinken vertraut hat.

OLG München v. 19.09.1998:
Ein Wartepflichtiger darf im allgemeinen darauf vertrauen, daß ein nach rechts blinkender Vorfahrtberechtigter nach rechts abbiegen wird, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die Anlaß zu Zweifeln an dieser Absicht begründen.




OLG Karlsruhe v. 24.11.2000:
Die Ansicht, nach der der Wartepflichtige allein aufgrund des eingeschalteten rechten Fahrtrichtungsanzeigers auf eine Abbiegeabsicht des Vorfahrtsberechtigten vertrauen darf, solange keine besonderen Umstände dagegen sprechen, ist nicht zutreffend. Es ist nämlich ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass der Mechanismus, der üblicherweise den Fahrtrichtungsanzeiger nach Beendigung des Abbiegevorgangs in die Ausgangsstellung zurückspringen lässt, gelegentlich nicht funktioniert. Mit dieser Möglichkeit muß daher jeder wartepflichtige Verkehrsteilnehmer rechnen. Es sind deshalb weitere Anhaltspunkte für eine Abbiegeabsicht des Vorfahrtberechtigten zu fordern (Haftungsverteilung 50:50).

OLG Hamm v. 11.03.2003:
Der wartepflichtige Fahrzeugführer darf der Ankündigung einer angezeigten Fahrtrichtungsänderung des Vorfahrtberechtigten nur dann vertrauen, wenn der Vorfahrtsberechtigte auch durch eindeutige Geschwindigkeitsherabsetzung und Beginn des Abbiegens die verlässliche Annahme begründet, dass eine Berührung der beiderseitigen Fahrlinien nicht in Betracht kommt, wenn der Wartepflichtige die ursprüngliche und nunmehr hypothetische Fahrlinie des Vorfahrtberechtigten kreuzt (Haftungsverteilung 2/3 zu 1/3 zu Lasten des einbiegenden Wartepflichtigen).

OLG Saarbrücken v. 11.03.2008:
Den Wartepflichtigen trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Diese gesteigerte Sorgfaltspflicht bedingt es, dass er mit verkehrswidrigem Verhalten des Vorfahrtsberechtigten rechnen muss. Er kann sich auf den Vertrauensgrundsatz nur eingeschränkt berufen und darf in der Regel nur auf das Unterbleiben atypischer, grober Verstöße des Vorfahrtsberechtigten vertrauen. Ein solcher grober Verkehrsverstoß kann dem falsch blinkenden Fahrer nicht vorgeworfen werden: Es ist in der Fahrpraxis durchaus nicht selten anzutreffen, dass das Rückstellen des Fahrtrichtungsanzeigers - entweder aufgrund eines technischen Defekts oder aufgrund einer Unaufmerksamkeit - unterbleibt (Haftungsverteilung 75:25 zu Lasten des Wartepflichtigen).

OLG München v. 22.06.2012:
Blinkt ein Vorausfahrender auf einer Rechtsabbiegerspur rechts, darf sich der Nachfolgende auf das Anzeigen der Richtungsänderung verlassen. Fährt der Vorausfahrende sodann geradeaus und veranlasst dadurch eine heftige Ausweichbewegung des Nachfolgenden, so haftet der Fahrstreifenwechsler für den Schaden voll.

LG Saarbrücken v. 07.06.2013:
Zur Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten, der vorkollisionär den Fahrtrichtungsanzeiger einmal nach rechts gesetzt hat, dann aber geradeaus weiterfährt (Mithaftung in Höhe von 20 %.).

OLG München v. 06.09.2013:
Ein wartepflichtiger Linksabbieger darf in Anbetracht einer hohen Annäherungsgeschwindigkeit - hier: 57 km/h - eines rechts blinkenden Vorfahrtberechtigten nicht darauf vertrauen, dass dieser auch tatsächlich nach rechts abbiegt und die Straße für den Linksabbieger freigibt (Haftungsverteilung 70:30 zu Lasten des Wartepflichtigen).

OLG Naumburg v. 19.02.2014:
Verkehrsverstöße des Bevorrechtigten führen nicht zum Verlust der Vorfahrt, sondern i. d. R. nur zu einer Mithaftung. Der Wartepflichtige darf trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen, wenn sich dieses außer durch die Betätigung der Blinkleuchte in der Gesamtschau der Fahrsituation – sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber – zweifelsfrei manifestiert.




OLG Dresden v. 24.04.2014:
Das Setzen des rechten Blinkers begründet allein noch kein Vertrauen, dass der Blinkende auch tatsächlich abbiegt. Erforderlich ist darüber hinaus eine erkennbare, deutliche Geschwindigkeitsverringerung des Vorfahrtberechtigten, eine sichtbare Orientierung des Blinkenden nach rechts oder sonstige ausreichende Anzeichen für ein tatsächlich bevorstehendes Abbiegen des Vorfahrtberechtigten. Regelmäßig überwiegt in solchen Fällen der Haftungsanteil des Wartepflichtigen, der allein auf das Blinken vertraut.

OLG Dresden v. 20.08.2014:
Der Wartepflichtige darf nicht blindlings darauf vertrauen, dass der rechts blinkende Vorfahrtsberechtigte auch tatsächlich nach rechts abbiegt, so dass der Wartepflichtige gefahrlos in die Vorfahrtstraße einfahren kann. Vielmehr bedarf es zumindest eines weiteren Anzeichens, das aus Sicht des Wartepflichtigen diesen Schluss zulässt, sei es dass der Vorfahrtberechtigte sich bereits deutlich nach rechts eingeordnet hat oder er seine Geschwindigkeit (ohne sonstigen erkennbaren Anlass) deutlich reduziert. Auch wenn das Fahrverhalten des Vorfahrtberechtigten in diesem Sinn missverständlich ist, ist gemäß § 17 StVG gleichwohl dem Wartepflichtigen regelmäßig ein höherer Haftungsanteil zuzuordnen (hier: 70:30).

LG Saarbrücken v. 03.07.2015:
Der Wartepflichtige darf trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen, wenn sich dieses in der Gesamtschau der Fahrsituation - sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber - zweifelsfrei manifestiert. Den nach § 8 StVO Wartepflichtigen trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht mit der Folge, dass sich der Wartepflichtige nur eingeschränkt auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann. Er darf zwar in der Regel auf das Unterbleiben atypischer, grober Verkehrsverstöße des Vorfahrtsberechtigten vertrauen, muss jedoch die Möglichkeit sonstiger Verkehrsverstöße des Vorfahrtsberechtigten in Betracht ziehen. Ein Vertrauen des Wartepflichtigen ist danach erst begründet, wenn die Abbiegeabsicht zweifelsfrei feststeht (Mitfahftung des Vorfahrtberechtigten: 30%)..br>

AG Oberndorf v. 21.04.2016:
Hat der vorfahrtberechtigte Kfz-Führer vor der Kreuzung nach rechts geblinkt, den Kreuzungsbereich aber geradeaus fahrend passiert, ohne seine Geschwindigkeit zu verlangsamen, hat er einen Verkehrsverstoß gemäß § 1 Abs. 2 StVO (irreführendes Blinken) begangen. Dies rechtfertigt einen Mithaftungsanteil von nur einem Drittel, denn der Wartepflichtige durfte nicht auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen, da – abgesehen von dem gesetzten Blinker – keine weiteren Anhaltspunkte für ein Abbiegen ersichtlich waren.

OLG München v. 15.09.2017:
Das Vorfahrtsrecht (§ 8 Abs. 1 StVO) und die Wartepflicht (§ 8 Abs. 2 StVO) entfallen grundsätzlich auch dann nicht, wenn der Vorfahrtsberechtigte durch missverständliches oder irreführendes Fahrverhalten (hier: Blinken nach rechts) einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. - Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 StVG ist wegen der im Hinblick auf das Blinken erhöhten Betriebsgefahr für sein Fahrzeug eine Haftungsverteilung von 75 zu 25 zum Nachteil des Wartepflichtigen sachgerecht.

OLG München v. 15.12.2017:
Ein Wartepflichtiger darf nicht darauf vertrauen, dass ein rechts blinkender Vorfahrtberechtigter auch nach rechts abbiegen wird, wenn Umstände vorliegen, die Anlass zu Zweifeln an dieser Absicht begründen, wie z.B. fehlendes Einordnen oder eine unvermindert hohe Geschwindigkeit.

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Speziell falsches Linksblinken:


OLG Düsseldorf v. 20.10.1980:
Ein Kraftfahrer, der den linken Blinker betätigt und sein Fahrzeug an einer Einmündung oder Kreuzung bis nahezu zum Stillstand abbremst, begibt sich durch diese Fahrweise seines Vorranges als Geradeausfahrender gegenüber einbiegenden Verkehrsteilnehmern.

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Falschblinken bei abknickender Vorfahrt:


Abknickende Vorfahrt und richtiges Blinken

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Fußgänger und Falschblinker:


LG Paderborn v. 12.08.2002:
Der für das Verhältnis von Kraftfahrern untereinander entwickelte Vertrauensgrundsatz, dass die angekündigte Fahrtrichtung auch eingeschlagen wird, gilt auch zu Gunsten von Fußgängern, die beim Überschreiten der Fahrbahn aus der Fahrtrichtungsanzeige eines herannahenden PKW folgern, dieser werde abbiegen. Auch bei nur einmaligen Rechtsblinken haftet der geradeaus fahrende Kfz-Führer zu 3/4.

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Fußgänger und abknickende Vorfahrt:


OLG Oldenburg v. 03.12.1992:
Das Überqueren einer Kreuzung an ihrer breitesten Stelle durch einen Fußgänger, der ungerechtfertigt darauf vertraut, der Kraftfahrer werde der abknickenden Vorfahrt folgen, obwohl er den Fahrtrichtungsanzeiger nicht eingeschaltet hat, führt zu einer Haftungsverteilung von 40% zu 60% zu Lasten des Fußgängers, wenn der Kraftfahrer es versäumt hat, den Fußgänger durch Hupsignal zu warnen.

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Falschblinken beim Abbiegen aus zwei Fahrstreifen:


KG Berlin v. 04.04.1985:
Wer aus dem zweiten Fahrstreifen nach rechts abbiegt, muss darauf achten, ob der im ersten Fahrstreifen Wartende nicht doch geradeaus weiterfährt.

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Falschblinken vor Tankstelleneinfahrt:


LG Arnsberg v. 23.11.2011:
Der aus einer Tankstelle auf die Straße fahrende Kfz-Führer hat keinen Anspruch gegen einen Fahrzeugführer, der auf der Straße vor der Tankstelleneinfahrt falsch blinkt und seine Fahrt dennoch geradeaus fortsetzt, denn mit einem derartigen Verhalten muss der aus dem Grundstück Ausfahrende rechnen.

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