Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Urteil vom 24.10.2000 - 27 U 62/00 - Bei einer nachvollziehbaren Ausweichbewegung im Begegnungsverkehr haftet das entgegenkommende Fahrzeug aus der Betriebsgefahr und es kommt zur Schadensteilung

OLG Hamm v. 24.10.2000: Bei einer nachvollziehbaren Ausweichbewegung im Begegnungsverkehr haftet das entgegenkommende Fahrzeug aus der Betriebsgefahr und es kommt zur Schadensteilung


Siehe auch
Begegnungsunfall - Annäherung an Engstellen mit Gegenverkehr
und
Reaktionen aus „Bestürzung, Furcht und Schrecken“ - die Schrecksekunde



Das OLG Hamm (Urteil vom 24.10.2000 - 27 U 62/00) hat entschieden:

   Kommt ein Fahrzeugführer von der Fahrbahn ab, weil er auf schmaler Fahrbahn durch ein entgegenkommendes Fahrzeug (Großraumlimousine) zu einer Ausweichbewegung veranlasst wird, um einer vermeintlichen Kollision zu entgehen, ist die (teilweise) Haftung aus der Betriebsgefahr des in Gegenrichtung geführten Fahrzeugs auch dann begründet, wenn der vom Geschädigten behauptete Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des anderen Teils nicht erweislich ist und auch keine Berührung beider Fahrzeuge stattgefunden hat.




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Schaden des Kl. ist ,,beim Betrieb" des Kfz des Bekl. entstanden. Diese Zuordnung ist nicht davon abhängig, dass es zu einer Berührung oder gar Kollision der Fahrzeuge gekommen ist, sondern setzt nur voraus, dass das Fahrzeug der Bekl. durch seine Fahrweise zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Das ist selbst dann der Fall, wenn der Unfall unmittelbar durch eigenes Verhalten des Verletzten ausgelöst wird, dieses aber in zurechenbarer Weise durch das Fahrzeug des Inanspruchgenommenen (mit-)veranlaßt worden ist, wobei selbst eine voreilige, objektiv nicht erforderliche Ausweichreaktion dem Betrieb eines anderen Fahrzeugs, das diese Reaktion ausgelöst hat, zugerechnet werden kann. Diese weite Auslegung des Haftungsmerkmals ,,bei dem Betrieb" entspricht dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVO (vgl. BGH in NJW 1988, 2802; DAR 1976, 246 und VersR 1971, 1060; KG in VM 2000, 10; OLG Düsseldorf in VersR 1987, 568). Danach ergibt sich der erforderliche Zusammenhang des hier in Rede stehenden Unfalls mit dem Betrieb des Fahrzeugs Seat schon daraus, dass der Kl. durch die Fahrt des Seat irritiert worden ist und daß seine zum Schleudern führende Ausweichlenkung aufgrund der konkreten Verkehrssituation als zumindest subjektiv vertretbar erscheint (vgl. hierzu KG in VersR 98, 778).

Die Ausweichlenkung des Kl. war nämlich angesichts der Besonderheiten der Unfallstelle jedenfalls subjektiv vertretbar. Schon aufgrund der geringen Breite der Fahrbahn, die nach Darstellung beider Fahrer nur geringe Geschwindigkeiten erlaubt, musste es zu einer solchen Annäherung der Fahrzeuge kommen, die angesichts der fehlenden Fahrstreifenmarkierungen sowie des unmittelbar vor der Begegnung von der Bekl. durchfahrenen Kurvenausgangs ohne weiteres den optischen Eindruck erwecken konnte, der Seat überfahre die gedachte Mittellinie, so dass ein Ausweichen erforderlich sei. Dementsprechend habe die Bekl. selbst erstinstanzlich eingeräumt, es möge sein, dass der Kl. den Eindruck gehabt habe, er müsse dem Gegenverkehr ausweichen, da sich das verhältnismäßig große Fahrzeug der Bekl. in einer Kurve näherte. Bei dieser Situation kann in dem erörterten Zusammenhang offen bleiben, ob die Bekl. das Fahrzeug ausgangs der Rechtskurve auf die linke Fahrbahnseite geführt, ob der Kl. selbst zu weit nach links geraten war oder ob sogar überhaupt keine objektiv gefährliche Annäherung der Fahrzeuge vorlag, ebenso, ob eine überhöhte Geschwindigkeit des Kl. mitursächlich für sein Fahrverhalten war. Entscheidend ist allein, dass der Unfall in allen Fällen auf einer - nach dem damaligen Eindruck des Kl. - gefährlichen Annäherung beider Fahrzeuge beruhte. ..."

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