Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 11.01.2005 -VI ZR 352/03 - Zur erhöhten Betriebsgefahr eines Linksabbiegers bei schlechten Sichtverhältnissen

BGH v. 11.01.2005: Zur erhöhten Betriebsgefahr eines Linksabbiegers bei schlechten Sichtverhältnisse




Der BGH (Urteil vom 11.01.2005 -VI ZR 352/03) hat in einem umfangreichen Urteil zur Haftungsabwägung bei einem Unfall Stellung genommen, bei dem ein zu schnell in der Dämmerung mit einer unbeleuchteten Maschine geradeaus fahrender Kradfahrer mit einem entgegenkommenden durch einen Mittelstreifen mit hohem Pflanzenbewuchs nach links abbiegenden Polizeifahrzeug kollidierte. In einem solchen Fall ist die ohnehin erhöhte Betriebsgefahr des Abbiegenden infolge einer bestehenden Sichtbehinderung noch weiter erhöht:

   Die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs, das nach links abbiegt, ist gegenüber derjenigen eines unter normalen Umständen geradeaus fahrenden Fahrzeugs erhöht. Bestehen für den Linksabbieger erschwerte Sichtverhältnisse auf den Gegenverkehr, führt dies zu einer weiteren Erhöhung der Betriebsgefahr.

Siehe auch
Betriebsgefahr - verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung
und
Haftungsabwägung - Bildung der Mithaftungsquoten

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Soweit die Anschlussrevision geltend macht, das Berufungsgericht habe bei der Abwägung der Verursachungsanteile keine erhöhte Betriebsgefahr des Polizeifahrzeugs bejahen dürfen, ein nach links abbiegendes Fahrzeug habe keine erhöhte Betriebsgefahr, weil Linksabbiegen ein normaler Betriebsvorgang sei, trifft dies nicht zu.

Nach der Rspr. des erkennenden Senats kann die allgemeine Betriebsgefahr durch besondere Umstände erhöht sein, wobei als ein die allgemeine Betriebsgefahr erhöhender Umstand namentlich eine fehlerhafte oder verkehrswidrige Fahrweise der bei dem Betrieb tätigen Personen in Betracht kommt (Senatsurteil VersR 2000, 1294, 1296 m.w.N.). Dabei kann nicht zweifelhaft sein, dass besondere Umstände, die die Betriebsgefahr erhöhen, nicht nur in einem fehlerhaften, verkehrswidrigen oder besonders risikoreichen Fahrvorgang zu sehen sind. Sie können sich auch aus einem zulässigen Fahrverhalten ergeben, wenn nur besondere, die allgemeine Gefahr des Fahrens mit einem Kfz übersteigende Gefahrenmomente vorhanden sind (vgl. die Beispiele und Nachweise bei Hentschel, a.a.O., § 17 StVG Rdn. 11 ff.). Wie oben (II 1) bereits ausgeführt ist das Abbiegen nach links ein besonders gefahrenträchtiger Vorgang, der häufig zu schweren Unfällen führt. Ein Fahrzeug, das nach links abbiegt, hat deshalb eine höhere Betriebsgefahr als ein Fahrzeug, das lediglich unter normalen Umständen geradeaus fährt (vgl. Hentschel, a.a.O., Rdn. 14 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Gegenfahrbahn für den Zeugen M. nur schwer einzusehen war, wodurch sich eine weitere Gefahrerhöhung ergab. Auch eine den konkreten Verkehrsvorgang beeinflussende schwierige Örtlichkeit kann die Betriebsgefahr erhöhen (vgl. Hentschel, a.a.O., Rdn. 11). Die von der Anschlussrevision zitierte Senatsrechtsprechung zum Linksabbiegen bei grünem Pfeil (Senatsurteile VersR 1996, 513 ff.; VersR 1997, 852 f.) ist hier nicht einschlägig. Sie betrifft eine besondere Fallgestaltung, die mit dem Linksabbiegen an einer ungeregelten Kreuzung oder Einmündung nicht vergleichbar ist, weil hier die den Vorrang des Gegenverkehrs betreffende Regelung des § 9 Abs. 3 StVO durch § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO verdrängt wird. ..."

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