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Amtsgericht Deggendorf Urteil vom 07.02.1984 - C 1156/83 - Zum Recht auf Selbsthilfe bei rechtswidrigem Parken ohne zeitliche Begrenzung

AG Deggendorf v. 07.02.1984: Zum Recht auf Selbsthilfe bei rechtswidrigem Parken ohne zeitliche Begrenzung


Das Amtsgericht Deggendorf (Urteil vom 07.02.1984 - C 1156/83) hat eine zeitliche Begrenzung für das Recht auf Selbsthilfe nicht anerkannt:
  1. Das verbotswidrige Parken eines Kfz auf einem fremden Grundstück stellt keine (Teil-) Entziehung dieses Grundstückes dar, sondern eine Besitzstörung.

  2. Der Besitzer des Grundstückes kann sich deshalb ohne zeitliche Schranke dieser Besitzstörung erwehren, wobei er nicht den einschränkenden Erfordernissen des § 229 BGB unterliegt.

Siehe auch Private Abschleppkosten und - Kfz-Umsetzungsgebühren


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Bekl. war gem. §§ 858 1, 859 1 BGB berechtigt, den Wagen des KI. abschleppen zu lassen.

Der KI. kann sich nicht zu seinen Gunsten auf die zeitliche Grenze des § 859 111 BGB berufen, wonach eine Besitzkehr nur sofort möglich gewesen wäre.

Entgegen der vom KI. zitierten Rechtsprechung und Literatur stellt das verbotswidrige Parken auf einem fremden Grundstück keine (Teil) Entziehung dieses Grundstückes dar, sondern eine Besitzstörung. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht der Systematik des BGB (so aber Jung in DAR 1983, Seite 152), da nicht jede Störung eines Grundbesitzes einer Entziehung gleichzusetzen ist. Zwar ist die Abgrenzung zwischen Besitzentziehung und Besitzstörung fließend und wird nur in wenigen Fällen entscheidungserheblich (vgl. Bauer, Sachen-recht, 9. Auflage, § 9 Abschnitt 1); dennoch kann nicht übersehen werden, daß bereits vom Wortsinn her zwischen Entziehung und Störung ein quantitativer Unterschied besteht, wobei die Entziehung den stärkeren Eingriff darstellt. Daß dabei auch für Grundstücke zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden werden muß, ist entgegen der von Jung am angegebenen Ort geäußerten Ansicht durchaus anerkannt (vgl. Münchener Kommentar zu § 858, Randnr. 25 unter Bezugnahme auf die Motive des BGB und Palandt 43. Auflage zu § 859 Anm. 3 b unter Hinweis auf eine Entscheidung des AG München).

Im vorliegenden Fall stellte das Parken keine Besitzentziehung, d.h. eine vollständige und andauernde Beseitigung der Sachherrschaft dar (vgl. hierzu Palandt, 43. Auflage zu § 858 Anm. 4 und Münchener Kommentar zu § 858 Randnr. 19 mit Beispielen). Vielmehr handelte es sich lediglich um eine Beeinträchtigung des Besitzers in der ruhigen ungestörten Ausübung seiner Sachherrschaft und damit um eine Besitzstörung, daß durch ein an der Stelle geparktes Fahrzeug, wo der Kl. seinen Pkw abgestellt hatte der Betrieb der Tankstelle zumindest teil-weise gestört wird, ist durch die Örtlichkeit bedingt, wie der Augenschein ergab.

Der Bekl konnte daher ohne zeitliche Schranke (vgl. Münchener Kommentar zu § 859 Randnr. 13) gern.: 8591 BGB sich dieser Besitzstörung erwehren, wobei er nicht den einschränkenden Erfordernissen des § 229 BGB unterlag (vgl. Münchener Kommentar a.a.O. und Palandt, 43. Auflage zu 3 859 Anm. 2).

Der Bekl. war in seiner Abwehr lediglich insoweit eingeschränkt, als er nicht über das erforderliche Maß hinausgehen durfte. Dies ergibt sich daraus, daß die Besitzwehr i. S. des § 859 1 BGB nichts anderes darstellt, als eine besondere Form der Notwehr nach § 227 BGB (vgl. Bauer a.a.O. Abschnitt II).

Insoweit hat aber der Bekl. nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Er hat unwidersprochen zuerst versucht, bei der Polizei den Eigentümer des Pkws herauszufinden. Erst als ihm dies nicht gelang, beauftragte er das Abschleppunternehmen, da er den Platz u.a. als Abstellplatz für zum Verkauf anstehende Fahrzeuge benötigte.

Insbesondere war der Bekl. nicht gehalten; auch noch den nächsten Tag abzuwarten, da für ihn keine Verpflichtung bestand, die durch den abgestellten Pkw hervorgerufene Störung noch länger zu dulden. Der Bekl. hatte vielmehr ein Recht auf den ungestörten Ablauf seines Tankstellenbetriebs. Eine Abwägung zwischen dem ihm entstehenden Schaden bei Stehenlassen des Pkws und dem Schaden, der dem KI. durch das Abschleppen entstand, war nicht erforderlich (vgl. Münchener Kommentar zu § 859 Randnr. 14). ..."



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