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OLG Rostock Beschluss vom 02.11.2004 - 2 Ss (OWi) 289/04 I 197/04 - Überprüfung der Verwerfung des Einspruchs durch Verfahrensrüge

OLG Rostock v. 02.11.2004: Überprüfung der Verwerfung des Einspruchs durch Verfahrensrüge


Das OLG Rostock (Beschluss vom 02.11.2004 - 2 Ss (OWi) 289/04 I 197/04) hat entschieden:
Die Verwerfung des Einspruchs kann nur mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge überprüft werden; der Beschwerdeführer muss dazu die die Rüge begründenden Verfahrenstatsachen so vollständig angeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Zwar ist grundsätzlich auch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen, ob die Verfahrensvoraussetzungen vorliegen. Jedoch kann das Rechtsbeschwerdegericht dies nur, wenn die Rechtsbeschwerde zulässig und ordnungsgemäß erhoben ist.


Siehe auch Die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 01.10.2004 zum Verfahrensgang sowie zur Sach- und Rechtslage wie folgt ausgeführt:
"Das Amtsgericht Stralsund verhängte gegen den Betroffenen zunächst mit Urteil vom 16.06.2003 - 42 OWi 18/02 - wegen eines am 02.02.2001 begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz eine Geldbuße in Höhe von 325,- Euro (Bl. 74 ff. d. A.). Durch Beschluss vom 21.10.2003 - 2 Ss (OWi) 226/03 I 185/03 - hob der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Rostock auf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen das vorbezeichnete Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und wies die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Stralsund zurück (Bl. 88 ff. d. A.).

Das Amtsgericht Stralsund verwarf nunmehr den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Amtes für Arbeitsschutz und Technische Sicherheit Stralsund vom 19.09.2001 0159/02/01 - HGW - F1 -, mit dem gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Fahrpersonalgesetz eine Geldbuße in Höhe von 750,DM festgesetzt worden ist, mit Urteil vom 04.06.2004 - 15 OWi 152/04 - gemäß § 74 Abs. 2 OWiG (Bl. 114 f. d. A.). Gegen diese Entscheidung (Bl. 109 f. d. A.), die seinem nach § 145 a StPO bevollmächtigten Verteidiger (Bl. 14 d. A.) nach der am 04.06.2004 erfolgten Fertigstellung des Protokolls (Bl. 109 d. A.) auf Grund richterlicher Anordnung vom 14.06.2004 (Bl. 112, 118 R d. A.) am 15.06.2004 förmlich zugestellt worden ist (Bl. 119 d. A.), richtet sich die am 11.06.2004 bei Gericht eingegangene Rechtsbeschwerde vom selben Tag (Bl. 117 d. A.). Das Rechtsmittel ist mit am 22.07.2004 bei Gericht eingegangenem, von dem Verteidiger unterzeichneten Schriftsatz vom selben Tag mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts begründet und mit Anträgen versehen worden (Bl. 122 ff. d.A.).

Das Rechtsmittel ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthaft. Es erweist sich jedoch als unzulässig.

Eine - auch allgemeine - Sachrüge wird nicht erhoben.

Soweit der Beschwerdeführer die Verfahrensrüge erhoben hat, ist sie unzulässig, weil sie nicht in der nach § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form begründet worden ist.

Die Rechtmäßigkeit der Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann, abgesehen von der Rüge fehlender Verfahrensvoraussetzungen, die hier nicht erhoben ist, nur mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge geprüft werden (Senatsbeschluss vom 30.10.2000 - 2 Ss [OWi] 273/04 I 176/00 -; OLG Düsseldorf VRS 2, 221, 222; Göhler OWiG 13. Aufl. § 74 Rdnr. 48 b m. w. N.). Der Beschwerdeführer muss dazu die die Rüge begründenden Verfahrenstatsachen so vollständig angeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (Göhler a. a. O. § 79 Rdnr. 27 d m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen nicht.

Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das Gericht habe zu Unrecht den Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht abgelehnt, bedarf es der genauen Darlegung der Einzelumstände, insbesondere aus welchen Gründen von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kein Beitrag zur Sachaufklärung zu erwarten war. Generell muss dargelegt werden, ob überhaupt die Voraussetzungen einer Entbindung gemäß § 73 Abs. 2 OWiG vorlagen (Göhler a. a. O. § 74 Rdnr. 48 b m. w. N.; OLG Köln NZV 1998, 474).

In der Rechtsbeschwerderechtfertigung wird weder - wie erforderlich - der im Bußgeldbescheid erhobene Tatvorwurf noch die konkrete Beweislage vorgetragen (vgl. dazu Göhler a. a. O. Rdnr. 48 c; OLG Karlsruhe VRS 81, 43; OLG Düsseldorf VRS 89, 137). Der Beschwerdeführer teilt zwar den Wortlaut des Entbindungsantrages mit, aus dem sich die Erklärung ergibt, dass er in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen werde. Offen bleibt jedoch, ob oder in welcher Form er sich bislang zur Sache eingelassen hat. Darüber hinaus bedurfte es auch der Darlegung, ob in der Hauptverhandlung eine Beweisaufnahme durch Zeugen oder andere Beweismittel vorgesehen war und ggf. warum deren Ergebnis den Betroffenen nicht dazu hätte veranlassen können, mit einer Änderung seiner bisherigen Verteidigung zu reagieren (vgl. OLG Zweibrücken NZV 2000, 304).

Da dem Beschwerdegericht in Ermangelung einer wirksam erhobenen Sachrüge der Blick in das Urteil verwehrt ist, wäre es ferner erforderlich gewesen, die wesentlichen Urteilsgründe mitzuteilen. Weil dies nicht geschehen ist, bleibt es für das Rechtsbeschwerdegericht offen, ob und in welcher Weise sich das Amtsgericht mit dieser Frage im Urteil auseinandergesetzt hat, wozu es verpflichtet war, und warum es dem Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht nicht entsprochen hat. Allein die Mitteilung des Wortlautes des Ablehnungsbeschlusses genügt vorliegend nicht.

Nur im Zusammenhang mit den fehlenden Angaben ist es dem Beschwerdegericht möglich, zu prüfen, ob das Gericht bei seiner Entscheidung, den Betroffenen nicht von der Anwesenheitspflicht zu entbinden, sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat.

Der Vortrag des Beschwerdeführers, seine Anwesenheit sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch deshalb nicht zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich gewesen, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen seien, dass ein Zeuge in Anwesenheit des Betroffenen zuverlässigere Angaben gemacht hätte und ferner auch ausgeschlossen gewesen sei, dass der Betroffene seine Entscheidung, nicht zur Sache auszusagen, im Falle seiner Teilnahme an der Hauptverhandlung geändert hätte, stellt sich daher als nicht ausreichend belegt dar.

Gerade weil dem Tatrichter entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ein Ermessensspielraum zur Feststellung der Voraussetzungen zur Ablehnung eines Antrages auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht zur Verfügung steht (Göhler a. a. O. Rdnr. 48 c), kommt es auf vollständige und genaue Darlegungen an. Ob die Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Zwecke der umfassenden Sachverhaltsaufklärung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes zulässig war, hat das Rechtsbeschwerdegericht nicht von Amts wegen, sondern nur auf eine in der vorgeschriebenen Weise angebrachte Verfahrensrüge zu prüfen (OLG Düsseldorf VRS 89, 137).

Da weder eine Sachrüge noch eine zulässige Verfahrensrüge erhoben ist, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die dem Verfahren zu Grunde liegenden Tat als verjährt anzusehen ist (absolute Verjährung).

Ausweislich des Bußgeldbescheides vom 19.09.2001 (Bl. 8a ff. d.A.) wurde dem Betroffenen ein fahrlässiger Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 5 Fahrpersonalgesetz i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 Fahrpersonalverordnung zur Last gelegt. Bei der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Verjährung ist deshalb von einer fahrlässigen Begehung der Tat auszugehen (vgl. OLG Köln VRS 65, 73).

Für die Verjährung maßgeblich ist grundsätzlich die Bußgelddrohung, die zurzeit der Tat gilt, nicht die im Zeitpunkt der Bußgeldfestsetzung (KK-​Weller OWiG 2. Aufl. § 31 Rdnr. 17). Nach § 8 Abs. 2 Fahrpersonalgesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung waren Ordnungswidrigkeiten nach § 8 Abs. 1 Fahrpersonalgesetz unterschiedslos mit einer Geldbuße im Höchstmaß von 10.000,- DM bedroht. Die Verjährungsfrist für fahrlässige Ordnungswidrigkeiten nach § 8 Abs. 1 Fahrpersonalgesetz betrug gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 OWiG(bei im Höchstmaß angedrohter Geldbuße von 5000,- DM) danach ein Jahr (vgl. KK-​Weller a.a.O. Rdnr. 19). Da zwischen der Tat am 02.02.2001 und dem ersten Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 16.06.2003 - 42 OWi 18/02 - (Bl. 74 ff. d.A.) mehr als zwei Jahre liegen, war gemäß § 33 Abs. 3 S. 2 OWiG zu diesem Zeitpunkt bereits die absolute Verjährung eingetreten (Göhler a.a.O. § 33 Rdnr. 50).

Zwar ist grundsätzlich auch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen, ob die Verfahrensvoraussetzungen vorliegen. Jedoch kann das Rechtsbeschwerdegericht dies nur, wenn die Rechtsbeschwerde zulässig und ordnungsgemäß erhoben ist, was vorliegend aus den dargelegten Gründen nicht der Fall ist.

Ist die in rechter Form und Frist angebrachte Rechtsbeschwerde nicht oder nicht ordnungsgemäß begründet worden, so ist das Rechtsmittel auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn der Tatrichter ein Verfahrenshindernis übersehen hatte (BGH 16, 115; OLG Düsseldorf VRS 89, 464; Göhler a.a.O. § 31 Rdnr. 19)."
Dem tritt der Senat bei.