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BGH Urteil vom 01.12.1994 - IX ZR 131/94 - Zur Haftung des Rechtsanwalts für den rechtzeitigen Widerruf eines Prozessvergleichs

BGH v. 01.12.1994: Zur Haftung des Rechtsanwalts für den rechtzeitigen Widerruf eines Prozessvergleichs


Der BGH (Urteil vom 01.12.1994 - IX ZR 131/94) hat entschieden:
  1. Weist ein Mandant seinen Rechtsanwalt endgültig an, einen Prozessvergleich gemäß Vorbehalt zu widerrufen, so hat der Rechtsanwalt den Widerruf unverzüglich zu erklären.

  2. Bei der Ausübung des vorbehaltenen Widerrufs eines Prozessvergleichs hat der Rechtsanwalt regelmäßig für den rechtzeitigen und formgerechten Eingang bei der zuständigen Stelle in beweisbarer Form Sorge zu tragen.


Siehe auch Abfindungsvergleich und Anwaltsverschulden - Haftung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten


Tatbestand:

Die Kläger klagten, vertreten durch die jetzt beklagten Rechtsanwälte, gegen eine Bank unter anderem auf Feststellung, dass sie aus einem Kreditvertrag nichts schuldeten. In einem Verhandlungstermin am 16. August 1989 wurde - in Anwesenheit des klagenden Ehemannes und des Beklagten zu 2) - ein Prozessvergleich des Inhalts geschlossen, dass die Kläger an die Bank noch eine Abfindungszahlung zu erbringen hatten; den damaligen Parteien blieb der Widerruf des Vergleichs bis zum 7. September 1989, zu wahren durch Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht, vorbehalten. Auf Weisung der Kläger fertigte der Beklagte zu 2) ein Widerrufsschreiben. Dieses wurde am 6. September 1989 am Ort der Anwaltskanzlei - in der dem Sitz des Landgerichts benachbarten Stadt D. - zur Post gegeben und ging am 8. September 1989 beim Landgericht ein. Dieses verwarf ein Wiedereinsetzungsgesuch der Kläger als nicht statthaft.

Nunmehr verlangen die Kläger von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 9.839,36 DM mit der Begründung, dass sie Kosten in dieser Höhe im Falle eines rechtzeitigen Widerrufs des Vergleichs erspart hätten. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg.


Entscheidungsgründe:

Die - zugelassene - Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten hätten anwaltliche Pflichten nicht schuldhaft verletzt, ohne dass es auf die Streitfrage ankomme, ob die Kläger die Weisungen zum Widerruf des Vergleichs bereits am 16. August oder erst am 5. oder 6. September 1989 erteilt hätten. Rechtsanwälte dürften Fristen vollständig ausnutzen, müssten dann allerdings eine erhöhte Sorgfalt aufwenden, um die Rechtzeitigkeit der fristgebundenen Handlung sicherzustellen. Dies habe der Beklagte zu 2) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme getan. Auf seine Weisung habe eine erfahrene Kanzleiangestellte am 7. September 1989 gegen 14.00 Uhr beim zuständigen Landgericht angerufen und auf der Geschäftsstelle nachgefragt, ob der Schriftsatz vom 6. September 1989 fristgerecht eingegangen sei. Nachdem eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle dies der Anwaltsgehilfin bestätigt habe, habe diese alsbald einen Vermerk über das Gespräch gefertigt und dem Beklagten zu 2) vorgelegt. Der Vermerk ist auf einem vorgedruckten Benachrichtigungszettel niedergelegt und lautet:
Nachricht 7.9.'89 14.00 Uhr
für RA. K. (= Beklagter zu 2)
x Anruf bei Landgericht DU
i.S. S. ./. K.
Der Schriftsatz vom 6.9.89 ist eingegangen!
Aufgenommen durch: K. (= Paraphe der Anwaltsgehilfin)
Auf die Richtigkeit der fernmündlichen Auskunft habe der Beklagte zu 2) - so das Berufungsgericht - vertrauen dürfen. Es sei nicht zwingend erforderlich gewesen, den Namen der die Auskunft erteilenden Geschäftsstellenmitarbeiterin zu erfragen. Die einfache Auskunft habe keinen Anlass dafür geboten, Beweise zu schaffen.


II.

Demgegenüber rügt die Revision: Die Beklagten hätten den Widerruf sofort nach der Weisung der Kläger durch Einschreiben mit Rückschein erklären müssen. Im Falle eines kurzfristigen Widerrufs hätten die Beklagten für einen schriftlichen Nachweis des rechtzeitigen Zugangs sorgen müssen, beispielsweise durch Ausnutzen des vorhandenen Telefaxanschlusses.


III.

Diesen Angriffen hält das Berufungsurteil im Ergebnis stand. Die Beklagten haben ihre Vertragspflichten (§§ 675, 611 BGB) nicht schuldhaft schlecht erfüllt.

1. Zur Wahrung zivilprozessualer Notfristen im allgemeinen sind unter anderem folgende Rechtsgrundsätze entwickelt worden:

Regelmäßig dürfen Parteien derartige Fristen vollständig ausnutzen (BVerfGE 69, 381, 385; 74, 220, 224; BVerfG NJW 1983, 1479; BGHZ 9, 118, 119; BGH, Beschl. v. 18. Januar 1984 - IVb ZB 112/83, AnwBl 1985, 200, 201; v. 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89, NJW 1990, 188; Urt. v. 2. Oktober 1991 - IV ZR 68/91, BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelfrist 2). Sie müssen dann aber durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass die Frist nach normalem und dem aufgrund der konkreten Umstände voraussehbaren Verlauf der Übermittlung eingehalten werden kann. Hierbei darf die Partei aufgrund des Rechtsstaatsprinzips und des Art. 103 Abs. 1 GG im allgemeinen auf die Einhaltung der üblichen Postbeförderungszeiten vertrauen (BVerfGE 44, 302, 306; BVerfG NJW 1979, 641; 1992, 1952; BGH, Beschl. v. 4. Oktober 1990 - V ZB 7/90, BGHR ZPO § 233 Postbeförderung 5; v. 25. Januar 1993 - II ZB 18/92, BGHR ZPO § 233 Postbeförderung 6). Sind diese Anforderungen nachweislich beachtet worden, so braucht die Partei regelmäßig nicht nachzuforschen, ob der Schriftsatz rechtzeitig eingegangen ist; auch muss sie nicht zusätzlich dafür sorgen, dass sie ihrerseits den rechtzeitigen Eingang des Schreibens bei Gericht urkundlich nachzuweisen vermag (vgl. BVerfGE 53, 25, 30; BGH, Beschl. v. 2. Februar 1983 - VIII ZB 1/83, NJW 1983, 1741; v. 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89, aaO S. 189 m.w.N.; ferner BGHZ 105, 116, 119; BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1978 - VIII ZB 19/78, VersR 1978, 1162 f; v. 5. Mai 1986 - II ZR 102/86, VersR 1986, 966, 967 a.E.; v. 26. Mai 1986 - VIII ZB 18/86, VersR 1986, 1024, 1025; v. 20. Juni 1991 - VII ZB 18/90, BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 15).

2. Für den rechtzeitigen Widerruf eines Prozessvergleichs sind jedoch zusätzliche Anforderungen zu stellen. Denn während nach schuldloser Versäumung einer Notfrist Wiedereinsetzung gemäß § 233 ff ZPO bewilligt werden kann, ist die Frist zum Widerruf eines Prozessvergleichs keine gesetzliche Notfrist, sondern unter anderem eine vertraglich frei zu vereinbarende Frist, bei welcher die Interessen des anderen Partners besonders zu berücksichtigen sind. Nach herrschender Meinung ist deshalb eine Wiedereinsetzung nicht zulässig (BGHZ 61, 394, 395 f m.w.N.; BAG NJW 1978, 1876; 1986, 1373, 1374; MünchKomm-ZPO/Feiber, § 233 Rdn. 15; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 53. Aufl. § 233 Rdn. 9 Stichwort "Vergleich" und Anh. Rdn. 10 nach § 307; Thomas/Putzo, ZPO 18. Aufl. § 794 Rdn. 23). Dieser Auffassung ist auch das Landgericht im Ausgangsverfahren der Kläger gegen die Bank gefolgt. Ungeachtet der teilweise vertretenen Gegenmeinung (Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. § 233 Rdn. 17 f; Säcker in Anm. NJW 1968, S. 708 Nr. 11) sind die Sorgfaltsanforderungen für den rechtzeitigen Widerruf eines Prozessvergleichs für einen Prozessvertreter auf der Grundlage der herrschenden Meinung zu bemessen. Denn wenn auch die Partei selbst das Risiko des endgültigen Misserfolgs bei verspätetem Widerruf bewusst auf sich nehmen kann, sind Prozessvertreter - insbesondere Rechtsanwälte - aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages gehalten, den nach den Umständen für den Mandanten sichersten Weg zu gehen (BGH, Urt. v. 31. Oktober 1985 - IX ZR 175/84, WM 1986, 199, 202; v. 16. Mai 1991 - IX ZR 131/90, NJW 1991, 2079, 2080 m.w.N.; Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht Rdn. 179). Der Rechtsanwalt hat seine Maßnahmen auf eine gesicherte, ständige Rechtspraxis einzustellen (Vollkommer aaO Rdn. 180, S. 98; vgl. auch BGH, Urt. v. 3. Juni 1993 - IX ZR 173/92, WM 1993, 1677, 1678). Wenn er einen Prozessvergleich widerrufen soll, hat er deshalb zu bedenken, dass für seinen Mandanten im Falle der Fristversäumung regelmäßig keine Möglichkeit bleibt, sich vom Vergleich zu lösen. Ferner hat der Anwalt die Notwendigkeit zu beachten, Rechtzeitigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Widerrufs beweisen zu müssen. Die Beweislast hierfür hängt davon ab, ob der Widerruf im Einzelfalle als auflösende Bedingung oder Rücktrittsvorbehalt einerseits oder - wie meist - als aufschiebende Bedingung andererseits ausgestaltet ist (vgl. Bergerfurth NJW 1969, 1797, 1799 f). Auch insoweit wird der Rechtsanwalt im Zweifel wegen des Gebots, den sicheren Weg zu wählen, die Beweislast seines eigenen Mandanten in Rechnung stellen müssen.

Der dargestellten, gesteigerten Gefahr hat der Rechtsanwalt - eine rechtzeitige Weisung zum Widerruf vorausgesetzt - im Rahmen des Mandats durch Maßnahmen zu begegnen, die nach aller Voraussicht den rechtzeitigen und formgerechten Eingang des Widerrufs in beweisbarer Form sicherstellen (ebenso OLG Hamm AnwBl 1972, 359 unter Nr. 3; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. § 56 Abs. 1, S. 344). Dazu bieten sich mehrere Wege an, soweit der Vergleich nicht im Einzelfall Abweichendes vorschreibt. Ist genügend Zeit vorhanden, kann der Widerruf durch Einschreiben mit Rückschein erklärt werden. In Eilfällen kommt ein Widerruf durch Telegramm (vgl. BGHSt 31, 7, 8; BAG NJW 1971, 2190 f), Fernschreiben (vgl. BGHZ 101, 276, 279 f m.w.N.; BGH, Beschl. v. 25. März 1986 - IX ZB 15/86, NJW 1986, 1759) oder Telekopie (vgl. BGH, Beschl. v. 28. Februar 1983 - AnwZ (B) 2/83, NJW 1983, 1498; OLG Hamm NJW 1992, 1705, 1706) in Betracht. Der Widerruf kann aber auch schriftlich durch Boten oder mit der Post übermittelt werden, sofern hierbei die Rechtzeitigkeit des Eingangs eindeutig festgestellt werden kann. Als Nachweis kann grundsätzlich auch eine telefonische Eingangsbestätigung des Empfängers des Schreibens dienen (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 1975 - V ZR 99/73, NJW 1975, 1125, 1126; Beschl. v. 30. November 1983 - IVb ZB 110/83, VersR 1984, 166, 167; OLG Hamm AnwBl 1994, 142); sie kann grundsätzlich von einer zuverlässigen Anwaltsgehilfin eingeholt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Juli 1979 - VIII ZB 13/79, VersR 1979, 1028). Derartige Übermittlungsformen sind einander gleichwertig. Der Rechtsanwalt hat regelmäßig die Wahl zwischen ihnen.

Der Zeitpunkt, zu dem der Widerruf erklärt werden muss, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Insoweit lässt sich der Grundsatz, dass die Parteien gegenüber dem Gericht Fristen bis zum letzten Tage ausschöpfen dürfen, auf das Innenverhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten nicht ohne weiteres übertragen; dem Rechtsanwalt können weitergehende Rechtspflichten obliegen. Steht der Wunsch des Auftraggebers, einen Vergleich frühzeitig zu widerrufen, endgültig fest, so hat der Rechtsanwalt - der das Mandat gleichwohl fortführt - dem vorbehaltlich des § 665 BGB zu entsprechen. Anderenfalls ist er - insbesondere wenn er die vergleichsweise getroffene Regelung im Interesse seines Mandanten für sachgerecht hält - nicht gehindert, die vereinbarte Überlegungsfrist auszuschöpfen, um einen noch unentschlossenen Mandanten von den Vorzügen des Vergleichs zu überzeugen.

3. Nach den dargestellten Anforderungen trifft die Beklagten hier kein Verschulden an der verspäteten Übermittlung des Widerrufs.

a) Insbesondere ist ihnen nicht vorzuwerfen, dass sie den Widerruf erst am vorletzten Tage der hierfür vorgesehenen Frist absandten. Hierbei ist gemäß der Unterstellung des Berufungsgerichts - und entgegen den Feststellungen des Landgerichts - revisionsrechtlich davon auszugehen, dass der Kläger die Weisung zum Widerruf des Vergleichs bereits früher erteilt hatte.

Der eigene Vortrag der Kläger lässt aber nicht hinreichend erkennen, dass der Beklagte zu 2) von einer endgültigen Weisung ausgehen musste. Zwar waren die Kläger unstreitig mit dem Vergleich nicht zufrieden; und sie behaupten, dass der klagende Ehemann den Beklagten zu 2) bereits unmittelbar nach Verlassen des Gerichtssaals zum Widerruf des Vergleichs aufgefordert hätte. Sie räumen aber zugleich ein (Schriftsatz v. 3. Februar 1992, Bl. 90 GA), dass der klagende Ehemann Verhandlungen mit der Drittschuldnerin (Arbeitgeberin) geführt hat, weil er "abklären" wollte, "ob möglicherweise eine andere Lösung des Rechtsstreits möglich" war. Ein Gespräch mit der Drittschuldnerin am 4. September 1989 habe "jedoch ergeben, dass ein Widerruf des Vergleiches zur Wahrung der Rechte und Interessen des Klägers erforderlich gewesen" sei. Deshalb habe der klagende Ehemann am 5. September 1989 ein Gespräch mit dem Beklagten zu 2) geführt und hierbei "den Auftrag zum Widerruf des Vergleiches erneuert". An diesen Ausführungen gemessen, lässt die rein pauschale Angabe einer früheren Weisung zum Widerruf nicht hinreichend erkennen, dass es sich um "das letzte Wort" der Kläger handelte. Sogar wenn sie selbst ihre ursprüngliche Weisung als endgültig betrachteten, war ihr Verhalten objektiv mehrdeutig. Es war geeignet, im Beklagten zu 2) den Eindruck zu erwecken, dass die Kläger zwar den Vergleich zunächst ablehnten, im Falle eines günstigen Ausgangs ihrer Besprechung mit der Drittschuldnerin aber nicht ausschlossen, die getroffene Regelung dennoch hinzunehmen. Dann brauchten die Beklagten diese Möglichkeit nicht durch einen sofortigen Widerruf von vornherein auszuschließen. Jedenfalls handelte der Beklagte zu 2) nicht fahrlässig (§ 276 Abs. 1 BGB), wenn er die gegen den Vergleich gerichteten anfänglichen Äußerungen des klagenden Ehemannes nicht als unabänderlich betrachtete und deshalb den Widerruf bis zum vorletzten Tag der Frist hinauszögerte.

b) Der verspätete Eingang des von den Beklagten sodann erklärten Widerrufs beruht nicht auf einem vertragswidrigen Verhalten ihrerseits. Die Kläger bestreiten nicht, dass ein abends in D. aufgegebener Brief bei normaler Postbeförderung am nächsten Tage den Empfänger in Du. erreicht. Besondere Erschwernisse waren zur fraglichen Zeit nicht erkennbar. Bei der Wahl eines einfachen Briefs als Übermittlungsform durften die Beklagten deshalb auf einen rechtzeitigen Eingang vertrauen.

Sie haben auch ihrer Pflicht genügt, den rechtzeitigen Eingang in beweisbarer Form bestätigt zu erhalten. Wie ausgeführt (oben 2), ist ein telefonischer Anruf beim Empfänger des Widerrufsschreibens ein geeignetes Beweismittel. Der Widerruf war im vorliegenden Falle gegenüber dem Gericht zu erklären. Nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagten durch eine hinreichend erfahrene Angestellte beim Landgericht wegen des Widerrufs anrufen lassen. Die Kanzleigehilfin hat sich unter Angabe des Aktenzeichens über die Telefonzentrale mit der Geschäftsstelle verbinden lassen und dort unter Angabe des Datums und des Aktenzeichens gefragt, ob der Schriftsatz vom Vortage eingegangen sei. Nach einer gewissen Weile sei ihr der Eingang des Schriftsatzes bestätigt worden. Zu weitergehenden Feststellungen waren die Beklagten nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag von Rechts wegen nicht verpflichtet.

Allerdings ist bei prozessual wichtigen telefonischen Durchsagen stets auch die - im Vergleich mit schriftlichen Mitteilungen - gesteigerte Gefahr von Übermittlungsfehlern zu bedenken; diesen muss, soweit möglich und nötig, vorgebeugt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Oktober 1970 - VII ZB 9/70, VersR 1970, 1133; v. 12. Juli 1979 - VII ZB 7/79, VersR 1979, 1124; v. 20. November 1986 - VII ZB 5/86, VersR 1987, 560; v. 26. September 1990 - VIII ZB 24/90, BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 9). Das hat der Rechtsanwalt erforderlichenfalls durch eigene Weisungen an das Kanzleipersonal sicherzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Juni 1985 - IVa ZB 6/85, VersR 1985, 962). Die hier fragliche Erkundigung bot jedoch vorausschauend keinen Anlass für weitergehende Anordnungen, weil sie ihrer Art nach so einfach war, dass Fehler nicht in Rechnung gestellt werden mussten. Die Kanzleigehilfin hat gemäß den Feststellungen des Berufungsgerichts gegenüber sowohl der Telefonzentrale als auch der Geschäftsstelle des Landgerichts das Aktenzeichen des Verfahrens genannt; der Geschäftsstellenverwalterin ist auch das Datum des Schriftsatzes genannt worden. Deren Antwort, der Schriftsatz sei eingegangen, war so unmissverständlich, dass eine Wiederholung durch die Anwaltsgehilfin (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 17. Oktober 1979 - VIII ZB 28/79, VersR 1980, 89; v. 25. März 1980 - VI ZB 1/80, VersR 1980, 765; v. 15. Oktober 1986 - IVb ZB 69/86, BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 1; v. 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90, BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 14) entbehrlich scheinen musste. Ferner brauchten keine Zweifel aufzutreten, ob die durch die Telefonzentrale vermittelte und unter Angabe des Aktenzeichens befragte Geschäftsstelle für die einfache Auskunft tatsächlicher Art zuständig war (vgl. auch BGH, Beschl. v. 22. Februar 1989 - IVb ZB 121/88, BGHR ZPO § 233 Verschulden 4). Endlich boten die üblichen Postbeförderungszeiten dem Beklagten keinen Grund, die inhaltliche Plausibilität der Auskunft in Frage zu stellen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Beschl. v. 16. Juni 1994 - V ZB 12/94, S. 6 f, z.V.b.).

c) Allerdings entsprach der von der Kanzleigehilfin aufgenommene Vermerk über das Telefongespräch objektiv nicht in vollem Umfange den daran zu stellenden Anforderungen. Abgesehen davon, dass es zweckmäßig gewesen wäre, auch das gerichtliche Aktenzeichen zu vermerken, um Zweifeln an der zutreffenden Übermittlung entgegenzuwirken, fehlt die namentliche Angabe des Gesprächspartners auf seiten des Gerichts.

Für die Versäumung der Widerrufsfrist war dieser Umstand jedoch unerheblich. Da die Beklagten die Anfrage in zulässiger Weise einer hinreichend erfahrenen Mitarbeiterin übertragen hatten, brauchten sie nicht allein wegen der fehlenden Angaben im Vermerk Zweifel an der Richtigkeit der erteilten Auskunft zu haben. Die Unvollständigkeit der Benachrichtigung bot ihnen deshalb objektiv keinen Anlass zu einer ergänzenden Rückfrage oder gar zu einem vorsorglichen erneuten Widerruf.

Der Umstand, dass die Kanzleigehilfin sich nicht nach dem Namen derjenigen Person erkundigt hat, welche die Auskunft von seiten des Landgerichts erteilte, könnte zwar möglicherweise den Klägern den Nachweis einer Amtspflichtverletzung und damit einer Haftung des zuständigen Landes erschweren. Sogar wenn den Klägern auf diese Weise ein Schaden entstanden sein sollte, hätten die Beklagten ihn jedenfalls nicht zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB): Auch bei Beobachtung der üblicherweise für einen Rechtsanwalt erforderlichen Sorgfalt brauchten die Beklagten unter den gegebenen Umständen nicht damit zu rechnen, dass die von der Mitarbeiterin eingeholte telefonische Auskunft des Landgerichts falsch sein könnte. Sie brauchten deshalb nicht schon vorbeugend an mögliche Rückgriffsansprüche gegen das Land und deren beweismäßige Absicherung zu denken.