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Amtsgericht Schwerte Urteil vom 23.03.2012 - 7 C 123/11 - Zum Begriff des Kleinschadens bei der Erstattung der Sachverständigenkosten

AG Schwerte v. 23.03.2012: Zum Begriff des Kleinschadens bei der Erstattung der Sachverständigenkosten


Das Amtsgericht Schwerte (Urteil vom 23.03.2012 - 7 C 123/11) hat entschieden:
Bei einer Schadenshöhe von 750,00 € spricht eine Vermutung dafür, dass es sich um einen Bagatellschaden handelt, der auch für einen technischen Laien erkennbar ist. Ein Schaden im Bereich bis zu 1.000€ ist als Bagatellschaden anzusehen. Dieser Wert entspricht im Übrigen auch dem Wert, der im Rahmen des § 142 StGB einem "nicht bedeutenden Schaden" entspricht. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diese Begrifflichkeiten nicht zu parallelisieren und eine einheitliche Rechtsordnung herzustellen.


Siehe auch Kfz-Bagatellschaden und Kfz-Sachverständigenkosten


Tatbestand:

Die Parteien streiten um die schadensersatzrechtlichen Folgen eines Verkehrsunfalles, der sich am 01.07.2011 in Schwerte ereignete. Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Auf Grund des Unfalles entstand am klägerischen Fahrzeug ein Schaden, wegen dessen Erscheinungsbild auf die Fotos des Gutachtens W... vom 06.07.2011 Bezug genommen wird (Bl. 15, 16 d. A.), der für 736,15€ repariert wurde. Insoweit wird auf die Rechnung der Firma Lackier- und Karosseriezentrum Schwerte vom 12.07.2011 (Bl. 17 d. A.) verwiesen.

Die Parteien streiten noch über den Schadensersatzanspruch des Klägers in Hinblick auf die Kosten des von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens. Hierfür fiel ein Betrag in Höhe von 301,07€ an.

Nachdem auf Grund eines Rechenfehlers bei der Beklagten zunächst 57,20€ zu wenig an den Kläger bezahlt worden waren, ist dieser Betrag im Laufe des Verfahrens nachbezahlt worden. Insoweit ist der Rechtsstreit zwischen den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,
die Beklagte zu verurteilen,

  1. an ihn 301,07€ nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2011 zu zahlen;

  2. ihn von Anwaltskosten der Rechtsanwälte Münch und Partner in Höhe von 16,07€ freizustellen.

Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Sie vertritt die Ansicht, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Anbetracht der Schadenssumme unverhältnismäßig gewesen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg und unterliegt deswegen der Abweisung. Im Ergebnis kann der Kläger weiteren Schadensersatz von der Beklagten nicht verlangen, weil die insoweit zwischen den Parteien streitigen Sachverständigenkosten nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB gewesen sind.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen im Sinne des § 313 Abs. 3 ZPO:

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 115 VVG gegenüber der Beklagten auf weiteren Schadensersatz. Zwar gehören die Kosten für die Einholung eines Gutachtens grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Positionen, wenn diese zweckmäßig und erforderlich sind (Grüneberg in: Palandt, § 249, Rn. 58). Dies gilt aber nicht, wenn die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen eines Bagatellschadens geltend gemacht wird (aaO).

Zur Beurteilung der Frage, ob ein Bagatellschaden vorliegt und damit die Erforderlichkeit zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu verneinen ist, ist neben der betragsmäßigen Höhe des Schadens auch die Sicht des Geschädigten maßgebend, inwieweit dieser, der in der Regel technischer Laie ist, die Beauftragung eines solchen Gutachtens für notwendig erachten durfte.

Bei Anwendung dieser Grundsätze gelangt das erkennende Gericht zu der Überzeugung, dass der Kläger auf Grund eines vorliegenden Bagatellschadens den Ersatz der streitigen Gutachterkosten nicht verlangen kann. An Hand der zur Akte gereichten Fotos ist für das Gericht erkennbar, dass der Anstoß zu einigen Kratzern und zu einem minimalen Verschieben des Heckstoßfängers beim Fahrzeug des Klägers geführt hat. Im übrigen kann auf die Feststellungen in dem Gutachten W... verwiesen werden. Bei dieser Sachlage war die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch aus der Sicht des Geschädigten nicht erforderlich. Vielmehr wäre es ausreichend gewesen, einen Kostenvoranschlag eines Fachunternehmens einzuholen. Denn auch wenn der Kläger zunächst davon ausging, dass eventuell der gesamte Heckstoßfänger hätte ausgetauscht werden müssen, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Einholung des Gutachtens erforderlich gewesen sein sollte. Denn die Einstandspflicht der Beklagten war und ist zwischen den Parteien unstreitig. Außerdem spricht gegen die Notwendigkeit zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, dass das Fahrzeug tatsächlich repariert worden ist. Wenn der Kläger daher zunächst von einem größeren Schaden ausgegangen war, wäre dieser dann doch wohl erst recht repariert worden. Jedenfalls ist im Rahmen der unstreitigen Einstandspflicht der Beklagten der Kläger gehalten gewesen, bei diesem Schaden, der erkennbar kein Totalschaden war, kostengünstig einen Kostenvoranschlag einzuholen.

Das Ergebnis wird auch durch die Tatsache gestützt, dass der Schaden lediglich einen Betrag von ca. 750€ ausmacht. Bei dieser Schadenshöhe spricht jedenfalls eine Vermutung dafür, dass es sich um einen Bagatellschaden handelt, der auch für einen technischen Laien erkennbar war. Das Gericht ist dabei der Ansicht, dass ein Schaden im Bereich bis zu 1.000€ als Bagatellschaden anzusehen ist. Dieser Wert entspricht im Übrigen auch dem Wert, der im Rahmen des § 142 StGB einem "nicht bedeutenden Schaden" entspricht (Fischer, § 142 StGB, Rn 64). Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, diese Begrifflichkeiten nicht zu parallelisieren und eine einheitliche Rechtsordnung herzustellen. Im Übrigen wird auf den Hinweis vom 08.03.2012 Bezug genommen.

Auf Grund des Vorstehenden kann der Kläger daher weiteren Schadensersatz nicht verlangen.

II.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung und waren daher gleichsam abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91a ZPO und berücksichtigt die übereinstimmende Erledigungserklärung. Die diesbezüglichen Kosten waren der Beklagten aufzuerlegen, weshalb sich die austenorierte Quote ergibt.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war gem. § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil im Rahmen der Bagatellgrenze die Festlegung eines grundsätzlichen Wertes für die Praxis erhebliche Bedeutung hat, insoweit divergierende Entscheidungen vorliegen und im Übrigen der Kläger mit nicht mehr als 600€ beschwert ist.

IV.

Der Streitwert des Rechtsstreites wird auf bis zu 600€ festgesetzt.