Das Verkehrslexikon

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OLG Köln Beschluss vom 02.01.2012 - I-5 U 161/11 - Zur Haftung beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt heraus

OLG Köln v. 02.01.2012: Zur Haftung beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt heraus


Das OLG Köln (Beschluss vom 02.01.2012 - I-5 U 161/11) hat entschieden:
Verlässt ein Kfz-Führer eine Grundstücksausfahrt rückwärts, haftet er für den Schaden eines bevorrechtigten Motorradfahrers voll, sofern nicht feststeht, dass der Unfall durch eine Ausweichbewegung des Kradfahrers hätte vermieden werden können.


Siehe auch Unfälle mit Kradbeteiligung - Motorradunfälle und Grundstücksausfahrt


Gründe:

Die Berufung der Beklagten wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 30.11.2011 (Bl. 283 ff. GA) Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.

Die Einwände der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 27.12.2011 zu den Hinweisen des Senats führen auch nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage und nochmaliger Auseinandersetzung mit der von den Beklagten angeführten Rechtsprechung nicht zu einer anderen Beurteilung.

Zunächst hindern die gegen den Hinweisbeschluss des Senats in formeller Hinsicht erhobenen Rügen der Beklagte nicht eine Zurückweisung ihrer Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO. Dass der Hinweisbeschluss einstimmig ergangen ist, ergibt sich logisch zwingend schon daraus, dass ein einstimmiger Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO angekündigt wurde. Einer besonderen Form bedarf dieser Hinweis nicht, wie sich aus der Vorschrift des § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergibt, nach der auch der Vorsitzende alleine den Hinweis erteilen kann. Darüber hinaus bestehen für den Senat keine Zweifel am Merkmal der Offensichtlichkeit der Unbegründetheit der Berufung. Zum einen setzt das Merkmal der Offensichtlichkeit nicht voraus, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt; sie kann auch – und ist es bei diesem Senat regelmäßig – Ergebnis einer vorgängigen gründlichen Prüfung sein (vgl. BVerfGE 82, 316, 319 f.; s. auch die Gesetzesbegründung zu § 522 Abs. 2 ZPO n.F. in BT-Drs. 17/6406, S. 11). Es bestehen zudem keine "Unsicherheiten" dahingehend, dass die Beklagten im hier zu entscheidenden Fall in vollem Umfange haften. Die Beklagten verkennen mit ihrem Zitat aus dem letzten Satz von Seite 2 des Hinweisbeschlusses, dass der Senat an dieser Stelle seinerseits Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zitiert hat, unter der der hier zu beurteilende Sachverhalt zu subsumieren war, und zwar mit dem Ergebnis einer vollen Haftung der Beklagten. Aus den im Hinweisbeschluss dargelegten Gründen bestanden und bestehen für den Senat nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und den darauf basierenden Feststellungen und Ausführungen des Landgerichts in seinen Entscheidungsgründen ferner keine Zweifel an der Unrichtigkeit der im Tatbestand des angefochtenen Urteils angegebenen Entfernung des Klägers von 200 m vom Kollisionsort, als die Beklagte zu 2) im Begriff war, mit ihrem Fahrzeug rückwärts aus der Grundstücksausfahrt herauszusetzen. Es ist dem Senat auch im Rahmen des Beschlussverfahrens gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht verwehrt, offensichtlich unrichtige Angaben im Tatbestand eines angefochtenen Urteils, auf denen das angefochtene Urteil freilich nicht beruht, richtigzustellen. Schließlich bestehen auch keine Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung deshalb, weil der Senat ein etwaiges Mitverschulden des Klägers als für die Schmerzensgeldbemessung nicht maßgeblich ins Gewicht fallend ansieht. Entscheidend ist, dass jedenfalls das angefochtene Urteil das zuerkannte Schmerzensgeld auch unter Berücksichtigung dessen nicht zu hoch bemessen hat, was der Senat im Hinweisbeschluss ebenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

In tatsächlicher Hinsicht spricht nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q. bei seiner Anhörung im Termin vom 05.05.2011 vor dem Landgericht ebenso wie nach den Feststellungen des in dem Strafverfahren 207 Ds 323/10 AG Siegburg erstellten Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. R. im Übrigen nichts dafür, dass der Unfall für den Kläger durch ein Ausweichen vermeidbar gewesen wäre. Beide Sachverständigen haben den Unfall vielmehr ohne Einschränkungen als für den Kläger unvermeidbar bezeichnet, wobei sich der Sachverständige Dipl. Ing. R. ausdrücklich mit der Möglichkeit eines Ausweichens befasst hatte. Für eine andere Beurteilung ergibt sich aus den Ausführungen der Beklagten nichts.

Schließlich bleibt es dabei, dass die Anrechnung häuslicher Ersparnisse hier nicht geboten ist. Die Beklagten übersehen mit ihrem Hinweis auf sonstige (obergerichtliche) Rechtsprechung, dass hier die Besonderheit vorliegt, dass der Kläger keinen eigenen Haushalt führt und er somit durch seine Krankenhausaufenthalte nicht zwingend Ersparnisse hatte. Dies hätte vielmehr von den Beklagten substantiiert dargelegt werden müssen. Das ist jedoch nicht geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 16.111,00 €



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