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Landgericht Osnabrück Urteil vom 30.10.2013 - 10 O 1419/12 - Kein Schadensersatzanspruch bei unklaren Vorschäden

LG Osnabrück v. 30.10.2013: Kein Schadensersatzanspruch bei unklaren Vorschäden


Das Landgericht Osnabrück (Urteil vom 30.10.2013 - 10 O 1419/12) hat entschieden:
Rührt nur ein Teil der geltend gemachten Unfallschäden nachweislich aus dem zu Grunde liegenden Unfallereignis, während ein anderer Teil aus einem Vorschaden stammt, begründet dies erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Schilderung der klagende Partei insgesamt. Dies rechtfertigt eine Ablehnung des Schadensersatzanspruches insgesamt.


Siehe auch Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug und Inkompatible Schäden am Unfallfahrzeug


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14.01.2012.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, am Vorfallstage habe ihr Ehemann gegen 17.45 Uhr mit ihrem PKW Rover amtl. Kennzeichen ... die Bremer Straße in Höhe der B 51 in Belm befahren. Gegen 17.45 Uhr habe er das Fahrzeug vor einer Rotlicht zeigenden Ampel anhalten müssen. Nachdem das Fahrzeug kurze Zeit gestanden habe, sei Frau ... auf das stehende Fahrzeug aufgefahren. Offenbar habe sie das Fahrzeug der Klägerin zu spät bemerkt.

Die Klägerin erklärt, sie habe ein Gutachten zur Höhe der zu erwartenden Reparaturkosten eingeholt. Hieraus ergebe sich, dass durch den Unfall ein Schaden in Höhe von 5.003,46 EUR entstanden sei. Darüber hinaus verlangt die Klägerin eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR sowie die durch die Erstellung des Gutachtens entstandenen Kosten in Höhe von 788,97 EUR.

Nach Darstellung der Klägerin wurde die Beklagte ergebnislos zur Schadensbegleichung aufgefordert. Demzufolge vertritt die Klägerin die Auffassung, die Beklagte sei auch verpflichtet, ihr die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR zu erstatten.

Die Klägerin beantragt,
  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.615,90 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2012 zu zahlen,

  2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,96 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2012 zu zahlen,

  3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Nutzungsausfallschaden sowie Mehrwertsteuer der Klägerin zu ersetzen, soweit diese aufgrund des Verkehrsunfalls vom 14.01.2012 gegen 17.45 Uhr, Bremer Straße, Höhe B 51, 49191 Belm, entstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, es seien erhebliche Zweifel am Vorliegen eines Unfalles gegeben. Im Übrigen sei am Fahrzeug der Klägerin ein Altschaden vorhanden gewesen, der zweifelsfrei nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Die Klägerin sei verpflichtet, den vollen Nachweis für ein Unfallereignis zu erbringen. Selbst wenn dies gelingen sollte, könnten ihr nach Auffassung der Beklagten jedoch nicht die auf Altschäden zurückzuführenden Reparaturkosten zugesprochen werden.

Das Gericht hat Beweis zum Unfallhergang durch die Vernehmung von Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschrift vom 20.02.2013 sowie das eingeholte Gutachten des Sachverständigen ... verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze beider Parteien.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht begründet.

Der Klägerin ist der Nachweis für das Vorliegen eines Unfallereignisses nicht gelungen. Im Rahmen des Rechtsstreites hat sie eingeräumt, dass bereits vor dem angeblichen Unfall ein Altschaden an dem Fahrzeug vorhanden war. Auch die weiteren am Fahrzeug festgestellten Schäden können jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht in vollem Umfange dem von der Klägerin behaupteten Unfallgeschehen zugeordnet werden. Der Zeuge ... konnte insoweit zur Aufklärung nicht beitragen. Nach seiner Darstellung wurde er zum Unfallgeschehen hinzugerufen. Anhaltspunkte für einen gestellten Unfall ergaben sich dabei für ihn zwar nicht. Allerdings war nach seiner Aussage eine Verständigung mit der Unfallgegnerin auch nicht möglich. Der Zeuge ... hat zwar die Darstellung der Klägerin bestätigt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass er als Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeugs der Klägerin und als deren Ehemann ein erhebliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreites hat. Seine Aussage ist deshalb mit besonderer Zurückhaltung zu würdigen. Entscheidend für die Auffassung des Gerichts ist, das vom Sachverständigen ... erstellte Gutachten. Hierin gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass nicht alle am Fahrzeug vorgefundenen Schäden mit dem von der Klägerin geschilderten Unfallhergang in Einklang zu bringen sind. Hinsichtlich eines Teils der Schäden hält er zwar eine Verursachung durch den geschilderten Unfallhergang für möglich. Dies reicht jedoch für den Nachweis eines Unfallgeschehens nicht aus. Soweit der Sachverständige Schäden am Fahrzeug der Klägerin dem geschilderten Unfallgeschehen nicht zuordnen konnte, begründet dies vielmehr erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Schilderung der Klägerin insgesamt. Insoweit teilt das Gericht die Auffassung des Beklagtenvertreters, wonach die Zweifel einer Ablehnung des Schadensersatzanspruches insgesamt rechtfertigen (OLG Hamm, Urt. v. 14.09.1999 - 34 U 26/99 = SP 199, 414). Erst wenn vom Vorliegen eines Unfallschadens auszugehen ist, kommen dem Geschädigten die Beweiserleichtungen des § 287 ZPO zugute. Ergibt sich allerdings durch die Beweisaufnahme, dass ein Teil der geltend gemachten Schäden tatsächlich nicht auf die behauptete Kollision zurückzuführen sind, hat der Geschädigte wieder im Wege des Vollbeweises den Nachweis dafür zu führen, dass die Schäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Dies ist durch die Erklärung des Sachverständigen nicht gelungen. Damit war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.